Brian A. Dominick
Tierbefreiung und Soziale Revolution
Vom Veganarchismus oder Anarchaveganismus
Vorwort
Das vorliegende Essay definiert soziale Revolution als soziale Umgestaltung, die in erster Linie von der Revolution im Menschen ausgeht und den Sturz von Staaten und Kapitalismus nur als Wirkung dieser Revolution ansieht. Dominick rekapituliert die Unterdrückungsmechanismen und weist am Beispiel Rassismus die Wechselbeziehungen zum Speziesismus auf. Er erkennt die Notwendigkeit Herrschaft auf allen Ebenen entgegen zu treten. Über die Konstruktion des Gegensatzpaares „Wir“-“Sie“ erläutert er, wie sowohl menschliche als auch andersartige tierliche Individuen als außen stehend und damit minderwertig klassifiziert werden und wie diese Entfremdung zustande kommt. Mit dem Absatz „Über Befreiung“ aus dem Nachwort liefert Dominick eine wichtige Definition nach. Er begreift Befreiung als Prozess, der nur menschlich ist, sieht aber dennoch damit verbundene Umstände, die auch nichtmenschliche Tiere befreiend treffen. Der Text umreißt knapp und präzise die Verbindung von sozialer Revolution und Tierbefreiung. In dem Aufzeigen der Wechselwirkungen von Herrschaftsmechanismen und der Erkenntnis, dass jede/r im Mittelpunkt der eigenen Veränderung steht, sehen wir die besondere Bedeutung der nachfolgenden Seiten.
Prolog: Die Werkzeuge der Revolution schärfen
Veganismus und der Verzicht auf Konsum und Gebrauch von Tierprodukten ist kein Endpunkt, sondern ein Beginn; ein Neuanfang, der es demjenigen, der so lebt, die Möglichkeit gibt, alltägliche Realitäten in einem anderen Licht zu erblicken.
Wie auch immer, das Sprechen vom Leid der Tiere und über die Vorteile eines veganen Lifestyles ist oft entmutigend für die Veganer, weil die erste Reaktion der Zuhörer eher ablehnend ist. Gegner des Veganismus sagen, dass die Art, wie Veganer das Verhältnis Mensch – Tier (das heißt in radikaler Form) sehen, ist falsch, und dass sich die Folgen und Probleme ihrer Ablehnung einer Unterordnung innerhalb der Gesellschaft auch schon abzeichnen. Letzten Endes prophezeien sie, dass die Fehler des Veganismus irgendwann ohnehin offensichtlich werden und schließlich die ganze Idee in den Papierkorb fliegt.
Auf eine komische Art und Weise haben die Kritiker des Veganismus aber Recht.
Erst wenn man begreift, was Veganismus „unvernünftig“ macht, wird jenes Individuum auch die wahre Argumentation verstehen, die dahinter steht, vegan zu sein. Erst wenn man in Frage stellt und versteht, was den Veganismus als „falsch“ erscheinen lässt, wird man in den Augen der Nicht-Veganer adäquat argumentieren können und die Fehler, die bei der Ablehnung der Gewalttätigkeit der Menschheit und dem ungerechtfertigten Umgang mit Tieren auftreten, ansprechen können. Erst wenn die Prinzipien des Veganismus in die Rubrik der Ungerechtigkeiten im Allgemeinen aufgenommen sind, wird man die Notwendigkeit für Veganismus überhaupt verstehen.
Sie haben Recht, weil Veganismus in Isolation den Sinn verliert, den er vorsieht.
Und so passiert es, dass man bei all der Entfremdung, die einem widerfährt, wenn soziale Konventionen gebrochen werden, gezwungen ist, sein Engagement für den Veganismus zu hinterfragen.
Als eine Philosophie steht Veganismus im Widerspruch zu Ideologien, die den Kern „westlichen“ Denkens berühren. Entgegen der irrationalen Glaubenssysteme, die Menschen durch etablierte Institutionen sozialisiert sind zu akzeptieren. Die Prinzipien des Veganismus verlangen von Individuen, das Dogma, dem diese ausgesetzt sind, zu hinterfragen und neue ethische Richtlinien und Wertesysteme zu entwerfen, die Mitgefühl und Gerechtigkeit voraussetzen.
Mit bestehenden Glaubenssystemen zu konfrontieren, ist jedoch ein Angst einflößendes Konzept in einer Gesellschaft, die sich freiwillig den dominanten sozialen Paradigmen des Staates verschrieben hat. Wie auch Brian Dommick in dem folgenden Text so zutreffend illustriert, es ist genau diese Konfrontation, in der wir übereinstimmen müssen, wenn wir ernsthaft herausfinden wollen, was soziale Befreiung zu bieten hat. Im Großen und Ganzen dieses Prozesses ist Veganismus nichts weiter als ein Element in einer zusammengesetzten Struktur einer sozialen Revolution.
Das klingt am Lautesten aus Brians Text heraus. Tierbefreiung und soziale Revolution bietet uns einen Rahmen bei unserer Arbeit um herauszufinden, welche Rolle Mitgefühl, kritisches Denken und Rationalität in einer simultanen Dekonstruktion und Transformation der Gesellschaft spielen (sollten). Unermüdlich dabei, die sprichwörtlichen Räder der Transformation in Bewegung zu setzen, verlangt Brian, dass wir uns mit den unterdrückerischen Ideologien konfrontieren, die wir in uns selbst tragen und die Verknüpfung derer mit den Ungerechtigkeiten, die jeden Bereich unserer Existenz durchziehen, darzulegen.
Brian glaubt, dass jede(r) von uns die Werkzeuge gegeben sind, um die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Es macht keinen Unterschied, ob du ein Anarchist bist, der gerade auf Veganismus stößt, oder ein Veganer, der Anarchismus entdeckt, oder keines von beidem. Alles was verlangt wird, ist der Wille, die Ärmel hochzukrempeln, diese Werkzeuge zu schärfen und, mit vereinten Kräften, damit zu beginnen, die kurzsichtige Vision einer gerechten Gesellschaft herauszufordern.
Joseph M. Smith November 1995
Einleitung: Die Veganarchistlnnen
Bereits seit einiger Zeit wurden Tierbefreiung und die Aktivistinnen, die in ihrem Namen kämpfen in hitzige Debatten und Aktionen verwickelt. Obwohl Tierbefreiungstheorie und -aktivismus vom linken Mainstream kaum willkommengeheißen oder ernstgenommen wurden, beginnen viele Anarchistinnen ihre Legitimität (an)zuerkennen und zwar nicht bloß als eine gute Sache, sondern als einen integralen und unerlässlichen Aspekt radikaler Theorie und revolutionärer Praxis. Während die meisten Menschen, die sich als Anarchistinnen bezeichnen Tierbefreiung und – Veganismus – den dazugehörigen Lebenstil nicht angenommen haben, nimmt eine wachsende Anzahl junger Anarchistinnen die Anliegen von Ökologie und nicht-menschlichen Tieren als Teil ihrer politischen Praxis auf.
Ebenso werden viele Veganerlnnen und Tierbefreierinnen von anarchistischem Gedankengut und dessen reicher Tradition beeinflusst. Dies wird durch die wachsende Abneigung unter einigen Tierbefreierinnen gegenüber dem staatlichen, kapitalistischen, sexistischen, rassistischen und altersdiskriminatorischen Establishment, welches nicht nur die Intensität des Kriegs gegen die nicht-menschlichen Tiere, sondern auch gegen ihre menschlichen Fürsprecher eskaliert, bewiesen. Die relativ neue Gemeinschaft der Tierbefreierinnen wird sich der Totalität der Gewalt, welche die speziesistische Maschinerie,,die die moderne Gesellschaft darstellt, schnell bewusst. Im selben Maße, in dem sich dieses Bewusstsein vergrößert, sollte sich auch die Verwandtschaft der Tierbefreierinnen und ihrer gesellschaftlicher orientierten Gegenstücke, den Anarchistinnen, vergrößern.
Je mehr wir die Gemeinsamkeit und Interdependenz unserer Kämpfe, die wir einst als ziemlich unterschiedlich betrachtet haben, erkennen, desto mehr werden wir verstehen was Befreiung und Revolution wirklich bedeuten.
Neben unseren weitreichenden Visionen teilen wir Anarchistinnen und Tierbefreierinnen auch unsere strategische Methodologie. Ohne für alle sprechen zu können, meine ich, dass jene, die ich für wahre Anarchistinnen und Tierbefreierinnen halte, ihre Visionen mit allen effektiven Mitteln zu verwirklichen versuchen. Wir verstehen, im Gegensatz zu den Vorstellungen, die der Mainstream von uns hat, dass mutwillige Zerstörung und Gewalt nicht zu den von uns erwünschten Ergebnissen führen. Aber im Gegensatz zu Liberalen und Progressiven, deren Vorgehen sich auf Reformen beschränkt, sind wir gewillt zuzugeben, dass wirkliche Veränderung nur erreicht werden kann, wenn wir der kreativen Umgestaltung der unterdrückerischen Gesellschaft destruktive Kraft zufügen. Wir können alles schaffen, was wir wollen und wo es möglich ist sollten wir pro-aktiv sein. Aber wir verstehen auch, dass wir nur Raum für freies Schaffen bereiten können, indem wir das, was existiert, um uns von unserer Befreiung abzuhalten, auslöschen.
Ich bin vegan, weil ich Mitleid mit Tieren habe. Ich betrachte sie als Wesen, die ebenso wie Menschen Wert besitzen. Ich bin ein Anarchist, weil ich dasselbe Mitleid für Menschen besitze, und es ablehne, mich mit kompromittierten Perspektiven, bloß halb durchdachten Strategien und ausverkauften Zielen zufrieden zu geben. Als Radikaler gehe ich in meinem Herangehen an die Befreiung von Mensch und Tier keinen Kompromiss ein: totale Freiheit für alle.
In diesem Essay möchte ich zeigen, dass jede Annäherung an soziale Veränderung nicht nur Verständnis für gesellschaftliche Beziehungen, sondern auch für die Beziehungen zwischen den Menschen und der Natur, einschließlich der nicht-menschlichen Tiere, enthalten muss. Ich hoffe auch zu zeigen, warum kein Weg zur Befreiung der Tiere ohne ein gründliches Verständnis von sozial-revolutionärem Bestreben und eine Vertiefung in dasselbe ausführbar ist. Kurz gesagt: wir müssen alle „Veganarchistlnnen“ werden.
Was bedeutet Soziale Revolution?
„Revolution“ ist eines jener Wörter, dessen Bedeutung sich in der Verwendung der/s einen von der der/s anderen deutlich unterscheidet. Wahrscheinlich ist es so, dass es keine zwei Menschen gibt, die die selbe Auffassung darüber teilen, was „Revolution“ wirklich bedeutet. Dies ist es, was meiner Meinung nach Revolution wirklich schön macht.
Wenn ich von Revolution spreche, beziehe ich mich auf eine dramatische soziale Umgestaltung. Meine Revolution ist aber nicht von objektiven Veränderungen in der mich umgebenden Welt definiert, wie etwa dem Sturz des Staates oder des Kapitalismus. Diese sind für mich lediglich Symptome. Die Revolution selbst kann nicht außerhalb von uns gefunden werden. Sie ist gänzlich innerlich, ganz und gar persönlich.
Jedes Individuum hat eine Perspektive. Wir alle sehen die Welt in anderer Weise. Die Perspektive der meisten Menschen wird allerdings von der Gesellschaft, in der sie leben, geformt. Die überwiegende Mehrheit von uns sieht die Welt und uns selbst in einer Weise, die von den Institutionen, die unsere Leben bestimmen (z.B. Regierung, Familie, Ehe, Kirche, Konzerne, Schule etc.), konditioniert wurde. Jede dieser Institutionen ist wiederum ein Teil von dem, was ich als das Establishment bezeichne – etwas, das ausschließlich zur Aufrechterhaltung der Macht einer relativen Minderheit existiert. Angetrieben von der Leidenschaft der Elite nach mehr und mehr Macht zieht das Establishment notwendigerweise Macht vom Rest der Welt ab – durch Unterdrückung.
Das Establishment verwendet viele Arten der Unterdrückung; Die meisten davon werden allgemein anerkannt, aber kaum verstanden und noch viel weniger bekämpft. Als erstes gibt es die ökonomische Unterdrückung (classism), die Unterjochung der Menschen durch politische Autorität (statism), Sexismus und Homosexismus, Unterdrückung basierend auf heterosexueller (männlicher) Überlegenheit bzw. dem Patriarchat. Weiters Rassimus, ein allgemeiner Ausdruck für durch Ethnozentrismus begründete Unterdrückungsformen. Über diese eher allgemein anerkannten Unterdrückungsformen hinaus, gibt es noch Altersdiskriminierung (ageism), die Herrschaft von Erwachsenen über Kinder und junge Menschen; und schließlich die Unterdrückungsformen resultierend aus Anthropozentrismus , nämlich Speziesismus und die Zerstörung der Natur.
Die gesamte Geschichte hindurch war das Establishment von diesen unterdrückenden Dynamiken abhängig und hat durch sie seine Macht vergrößert und konzentriert. Folglich wurden alle Formen der Unterdrückung von einander abhängig. Das Zusammenfließen dieser unterschiedlichen unterdrückenden Dynamiken diente dazu, sich gegenseitig in Vielseitigkeit und Stärke zu steigern und zu vervollständigen.
Die Kraft hinter den Institutionen, die uns sozial konstruiert haben ist also dieselbe Kraft, die hinter Rassimus, Speziesimus, Sexismus, und Klassenunterdrückung etc. steht. Folglich wäre es vernünftig anzunehmen, dass die meisten von uns, als Produkte der Institutionen des Establishments, sozial konstruiert wurden, um die Unterdrückung innerhalb und zwischen uns zu fördern.
Revolution ist der Prozess – sie ist kein Ereignis – des Anfechtens der falschen Weisheit und Werte, die uns eingeimpft wurden und der Handlungen, die wir gelernt haben zu machen bzw. nicht zu machen. Wir sind der Feind; Das Überwinden der Unterdrücker in unseren Köpfen wird die Revolution sein – deren Konstrukte auf den Straßen fallen zu sehen wird bloß ein (erfreuliches!) Zeichen sein, dass wir zusammen in einer vereinten, uneingeschränkten Weise revoltieren. Die soziale Revolution ist eine Ansammlung von innerlichen Prozessen. Eine radikale soziale Veränderung der objektiven Verhältnisse in deren Kontext wir leben kann nur als Ergebnis einer solchen Revolution erfolgen.
Radikaler Veganismus
Zwei weitere Wörter, deren Bedeutung öfter missverstanden wird als verstanden, sind „Radikalismus“ und „Veganismus“. Die Kooptierung dieser Ausdrücke durch kurzsichtige und egozentrische Liberale hat die ihnen ursprünglich verliehene Wirksamkeit zu nichte gemacht. Ich werde wieder, ohne ein Monopol auf „wahre“ Definitionen zu beanspruchen, meine persönliche Bedeutungen für diese Ausdrücke anbieten.
Radikalismus und Extremismus sind, im Gegensatz zur allgemeinen Meinung, nicht völlig synonym. Das Wort radikal leitet sich von lateinisch „radix“ ab, was Wurzel bedeutet. Radikalismus ist kein Maß für den Grad von ideologischem Fanatismus nach rechts oder links; Vielmehr beschreibt er eine Art der Annäherung an soziale Probleme. Ein/e Radikale/r ist jemensch, die/der, wörtlich gesprochen, nach der Wurzel des Problems sucht, sodass sie/er an dieser ansetzen kann, um eine Lösung zu erzielen.
Radikale beschränken ihre Ziele nicht auf Reformen. Sie machen keine Zugeständnisse an die Unterdrücker, um eine Linderung des durch die Unterdrückung entstehenden Elends zu erwirken. Dies sind üblicherweise Aufgaben, die Liberalen und Progressiven [1] überlassen bleiben. Obwohl die/der Radikale anerkennt, dass es oft Verbesserungen durch Reformen gibt, ist nichts weniger als der Sieg ein zufriedenstellendes Ergebnis – ein Ergebnis definiert als revolutionäre Veränderung an den Wurzeln der Unterdrückung.
Nach meiner Definition ist purer Vegetarismus nicht Veganismus. Das Ablehnen des Konsums von Produkten nicht-menschlicher Tiere ist zwar eine wundervolle Lebensentscheidung, aber nicht an sich Veganismus. Die/der Veganerln gründet ihre/seine Entscheidungen auf ein radikales Verstehen davon, was Tierausbeutung wirklich ist und ihre/seine Lebenseinstellung ist hoch informiert und politisiert.
Es ist zum Beispiel nicht ungewöhnlich für selbsternannte Veganerln-nen ihren sorglosen Konsum kapitalistischer Produkte zu rechtfertigen, indem sie behaupten Tiere seien hilflos, während Menschen dies nicht wären. Viele Vegetarierinnen erkennen die Wichtigkeit von Menschenbefreiungszwecken nicht, oder betrachten diese in ihrer Wichtigkeit als denen der Tiere, die sich nicht selbst auflehnen können, untergeordnet. Diese Denkweise enthüllt die Ignoranz liberaler Vegetarierinnen nicht nur betreffend der Unterdrückung der Menschen, sondern auch bezüglich der tief sitzenden Verbindung zwischen dem kapitalistischen System im Ganzen und den Tierausbeutungsindustrien.
Viele Menschen, die sich Veganerlnnen oder Tierrechtsaktivistinnen nennen haben meiner Erfahrung nach wenig oder gar kein Wissen in Sozialwissenschaften; und das, was sie über die Verbindungen zwischen der Gesellschaft und der nicht-menschlichen Natur „wissen“ ist oft voller Irrtümer. So ist es z.B. nicht ungewöhnlich Veganerlnnen argumentieren zu hören, dass der Konsum von nicht-menschlichen Tieren am Welthunger schuld sei. Es ist ja so, dass mehr als 80% der U.S. Getreideernte an Rinder verfüttert wird und das wäre mehr als genug, um die Hungernden der Welt zu ernähren. Es scheint also logisch daraus zu schließen, dass das Ende des menschlichen Verzehrs von Tieren in den U.S.A. die Ernährung hungernder Menschen anderswo sicherstellen würde. Vegan-Guru John Robbins scheint das zu glauben.
Das ist aber völlig falsch! Sollten die Nordamerikaner nächstes Jahr aufhören Fleisch zu essen, ist es unwahrscheinlich, dass ein einziger hungernder Mensch neu freigewordenes Getreide, das auf U.S.-Boden gewachsen ist, bekommt. Das kommt daher, weil das Problem des Welthungers ebenso wie das der „Überbevölkerung“ keineswegs das ist, was es zu sein scheint. Diese Probleme haben ihre Wurzel nicht in der Verfügbarkeit von Ressourcen, sondern in deren Verteilung. Eliten brauchen Mangel – eine streng beschränktes Angebot an Ressourcen – aus zwei Hauptgründen. Erstens fällt der Marktwert von Waren maßgeblich, wenn sich das Angebot erhöht. Wäre Getreide, welches derzeit an Tiere verfüttert wird, plötzlich erhältlich, würde diese Veränderung den Getreidepreis ins Bodenlose sinken lassen, unter die Profitgrenze. Eliten mit Investitionen im Getreidemarkt haben Interessen, die direkt mit denen von Eliten, die Teile des Tiermarktes besitzen, korrespondieren. Vegetarierinnen tendieren dazu, zu denken, dass Gemüse – und Getreidebauern gutartig, jene involviert in Tierhaltung hingegen schändlich seien. Fakt ist jedoch, dass Gemüse eine Ware ist und jene mit finanziellen Interessen an der Gemüseindustrie sind nicht gewillt ihr Produkt anzubieten, wenn dies bedeutet mehr zu produzieren, um noch weniger Profit zu erwirtschaften.
Zweitens ist es der Fall, dass die nationale wie auch die globale Distribution von Nahrung ein politisches Werkzeug ist. Regierungen und internationale ökonomische Organisationen manipulieren sorgfältig Nahrung und Wasser, um ganze Bevölkerungen zu kontrollieren. Zur einen Zeit kann Menschen Nahrung vorenthalten werden, um sie schwach und gefügig zu halten. Ein anderes Mal kann deren Bereitstellung Teil einer Strategie sein, die zur Besänftigung unruhiger Bevölkerungen am Rande zur Revolte dient.
Weiß mensch über all das bescheid, ist es vernünftig anzunehmen, dass die U.S. Regierung, die so sehr von privaten Interessen kontrolliert wird, die Nicht-Produktion von Getreide subventionieren würde, um „die Industrie vor dem Kollaps zu bewahren“. Die Bauern würden wahrscheinlich dafür bezahlt, kein Getreide anzubauen oder sogar ihre Ernte zu zerstören.
Es reicht nicht aus, die Fleischindustrie zu boykottieren und zu hoffen, dass die Ressourcen umverteilt werden, um die Hungernden zu ernähren. Wir müssen ein System etablieren, das tatsächlich anstrebt, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen; das bedeutet soziale Revolution.
Dies ist bloß eine von vielen Verbindungen zwischen Tier- und Menschenausbeutung, aber es illustriert gut die Notwendigkeit einer totalen Revolution. Eine bloße Revolution in der Beziehung zwischen Menschen und Tieren ist zu eng gefasst und wird sogar durch die fundamentale Struktur der modernen Gesellschaft unmöglich gemacht. Eine Ursache warum Tiere ausgebeutet werden ist an erster Stelle, weil ihre Misshandlung profitabel ist. Vegetarierinnen tendieren dazu, dies gut zu verstehen. Aber die Fleischindustrie (inklusive Milch, Tierversuche, etc.) ist keine isolierte Entität. Die Fleischindustrie wird nicht zerstört werden bis der Kapitalismus zerstört ist, da Letzterer Anstoß und Initiative für Erstere gibt. Und für Kapitalistlnnen ist die Aussicht auf leicht zu erwirtschaftende Profite durch Tierausbeutung unwiderstehlich.
Das Profitmotiv ist nicht der einzige soziale Faktor, welcher Tierausbeutung fördert. Tatsächlich ist es so, dass Wirtschaft nur eine Art sozialer Beziehung ist. Wir haben auch politische, kulturelle und zwischenmenschliche Beziehungen, denen allen nachgewiesen werden kann, dass sie die Vorstellung beeinflussen, dass Tiere zum Nutzen der Menschen existieren.
Die christliche Bibel und westliche Religionen im allgemeinen sind voll von Bezugnahmen auf das angebliche „göttliche Recht“ der Menschen unsere nicht-menschlichen Gegenstücke für unsere Bedürfnisse zu nutzen. In diesem Moment der Geschichte ist es absurd für irgendjemen-schen auch nur zu denken, Menschen würden Tiere ausbeuten müssen. Es gibt wenig für uns am Leid nicht-menschlicher Tiere zu gewinnen. Aber Gott hat vermutlich gesagt, dass wir sie nutzen können, daher machen wir dies weiterhin trotz der Tatsache, dass wir jeglichen wirklichen Bedarf, den wir möglicherweise einmal an ihnen hatten, verloren haben.
Vivisektorlnnen behaupten, dass wir von nicht-menschlichen Tieren lernen können und sie verwenden diese Behauptung als Rechtfertigung für die Folter und den Mord an leidensfähigen Wesen. Radikale müssen, wie Veganerlnnen das tun, verstehen, dass die einzige Sache, die wir von Tieren lernen können, ist, wie wir in einer gesunden und vernünftigen Art und Weise mit unserer Umwelt Zusammenleben können. Wir müssen Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten und die Beziehungen, die sie mit ihrer Umwelt eingehen, wo möglich, in unseren Eigenen nachahmen. Solch ein Verständnis von Harmonie zwischen Menschen und Natur wird eines Tages mehr Leben retten bzw. bereichern als die Erfindung eines Heilmittels gegen Krebs durch die „Wissenschaft“ der Tierfolter jemals wird. Und überhaupt ist es doch so, dass die Wurzel der meisten Krebserkrankungen in der Misshandlung der Natur durch den Menschen zu finden ist. Kein/e Radikale/r würde erwarten, dass eine Lösung solch eines Problems in der weiteren Zerstörung der Natur in der Form von Tierversuchen zu finden sei.
Die Wechselbeziehungen zwischen Speziesismus und Rassismus – zwischen der Behandlung von Tieren und „People of Color“ [2] – wurden ebenfalls deutlich (und graphisch) aufgezeigt. In ihrem Buch, „The Dreaded Comparison; Human and Animal Slavery“ zieht Majorie Spiegel scharfsinnig erstaunliche Vergleiche zwischen dem Umgang von Menschen mit Tieren und dem Umgang von Weißen mit „minderwertigen Rassen“, in denen sie behauptet, dass „sie auf der selben grundlegenden Beziehung beruhen – jener zwischen Unterdrücker und Unterdrückten“. Wie Spiegel erläutert, war der Umgang von Weißen mit NichtWeißen historisch gesehen erschreckend ähnlich wie jener von Menschen mit Nicht-Menschen. Zum Schluss zu kommen, dass eine Unterdrückungsform gültig sei und die andere nicht, bedeutet sich sein Verständnis der Welt bewusst einzuschränken; es bedeutet sich freiwillig in Ignoranz zu üben, vielfach aus persönlicher Bequemlichkeit. „Nur eine Sache auf einmal“, sagt die/der monistische Denkerin, als ob diese unter einander in Wechselbeziehung stehenden Dynamiken sterilisiert und von ihrer Beziehung zu einander extrahiert werden können.
Männliche Herrschaft in Form des Patriarchats und Speziesismus bewirkt durch Anthropozentrismus wurden von Carol Adams in ihrem Buch „The Sexual Politics of Meat“ mit poetischer Klarheit dargestellt. Feminismus und Veganismus haben viel gemeinsam und beide Seiten können einander viel lehren bzw. von einander lernen. Nachdem sie konkrete Vergleiche zwischen der patriarchalen Sichtweise und dem Umgang mit Tieren zieht, beschreibt Adams die starke Verbindung von veganen und feministischen Lebensweisen und ruft zu deren Anerkennung auf.
Ein Vergleich zwischen zwischenmenschlichen Beziehungen und Mensch-Tier Beziehungen, der meines Wissens nach, nicht gründlich untersucht worden ist, schließt sowohl den Umgang von Erwachsenen mit Kindern, als auch den Umgang von Erwachsenen mit älteren Menschen ein. In beiden Fällen wird die/der Unterdrückte als jemensch betrachtet, die/der nicht im Besitz vollständiger Fähigkeiten für ihre/seine Handlungen ist. So werden Kinder und alte Menschen im selben Maße als schwach und inkompetent (ohne Berücksichtigung ihres tatsächlichen Potentials für Verantwortlichkeit) angesehen. Altersdiskriminierung hat ihre Wurzeln in etwas, das ich Adultokratie nenne, das sich auf die Annahme zurückführt, dass Erwachsensein ein bestimmtes Maß an Verantwortlichkeit mit sich bringt, welches älteren Menschen und Kindern fehlt. Wie die Tiere, werden jene, die durch Altersdiskriminierung unterdrückt werden, wie Objekte ohne individuellen Charakter und Wert betrachtet. Sie werden ausgebeutet wann immer möglich, entblößt wenn sie als „niedlich“ betrachtet werden, aber ihnen wird fast nie der selbe Respekt entgegengebracht, den Erwachsene erhalten. Dass Kinder, alte Menschen und Tiere lebende, denkende und empfindsame Wesen sind, geht im Streben der Erwachsenen nach Herrschafft und Macht irgendwie verloren. Ähnlich wie das Patriarchat benötigt die Aldutokra-tie keine formale Hierarchie: sie macht ihren Herrschaftsanspruch durch das Überzeugen der Opfer, dass sie wirklich weniger wert wären als ihre erwachsenen Unterdrücker, geltend. Nicht-Menschen können ebenfalls einfach entwertet werden. Sie einfach jeglicher Freiheit, einen individuellen Charakter zu entwickeln, zu berauben ist ein bedeutender Schritt in diese Richtung.
Es steht außer Frage, dass der Staat auf der Seite jener steht, die Tiere ausbeuten. Bis auf einige wenige Ausnahmen sind die Gesetze fraglos gegen Tiere. Dies zeigt sich sowohl durch die Subventionierung von Fleisch- und Milchindustrie, Tierversuchen und militärischer Nutzung von Nicht-Menschen durch die Regierungen, als auch durch deren Opposition gegenüber jenen, die gegen die Tierausbeutungsindustrie Widerstand leisten. Die/der Politikerin wird nie verstehen, warum der Staat Tiere schützen soll. Es ist doch so, dass jeder Bereich des gesellschaftlichen Lebens ihren Missbrauch entschuldigt und fördert. Nach den derzeitigen „Interessen“ der menschlichen Wählerinnenschaft zu handeln wird immer, egal wie absurd, bedeuten gegen die Interessen des Tierreichs, einer riesigen Wählerinnenschaft, die das Wahlrecht erst erlangen muss, zu handeln.
Die/der Anarchistin fragt sich jedoch, ob wir eine bessere Gesellschaft hätten, wenn jedem Tier das Stimmrecht zugesprochen würde und dieses ihr/sein Bedürfnis nach Schutz durch wählen geltend machen könnte. Wollen wir wirklich, dass der Staat zwischen Menschen und Tieren steht, oder würden wir nicht lieber den Bedarf einer solchen Barriere eliminieren? Die meisten würden wohl darüber übereinstimmen, dass sich die Menschen im Idealfall gegen den Konsum von Tieren entscheiden ohne dazu gezwungen zu werden. Stell dir vor welch sozialen Unfrieden ein Fleischverbot zur Folge haben würde, wenn schließlich schon die Alkoholprohibition soviel Verbrechen und Gewalt verursacht hat. Gleichsam wie der Drogenkrieg die Probleme, die durch die chemische Abhängigkeit und ihren zugehörigen „Untergrund“ niemals in den Griff bekommen wird, würde auch ein Gesetzeskrieg gegen Fleisch der Tierausbeutung keinen Einhalt gebieten können; Ein solcher würde bloß noch mehr Probleme verursachen. Die Wurzeln dieser Art von Problemen liegen in dem gesellschaftlich bedingten und verstärkten Bedürfnis Sachen zu konsumieren, die wir nicht wirklich brauchen. Alles in unserer derzeitigen Gesellschaft sagt uns, dass wir Drogen und Fleisch „brauchen“. Was wir wirklich brauchen ist diese Gesellschaftsform zu zerstören!
Die/ der Veganerln muss über ein monistisches Verständnis der Unterdrückung von Nicht-Menschen hinausgehen und ihre Wurzeln in den sozialen Beziehungen der Menschen verstehen. Sie/er muss demnach also ihren/seinen Lebensstil des Widerstands auch zu einem Widerstand gegen menschliche Unterdrückung ausweiten.
Gewalt im alltäglichen Leben
Kaum jemensch würde nicht damit übereinstimmen, dass unsere Gesellschaft eine ist, welche in beträchtlichem Ausmaß auf Gewalt basiert. Wo immer wir uns hinwenden, so scheint es, ist Gewalt, eine Wahrnehmung, die durch wirtschaftlich kontrollierte Medienbilder exponentiell erweitert wird.
Diese Gewalt hat, als Teil unserer Kultur und unserer Existenz überhaupt, zweifellos eine tiefgreifende Wirkung auf uns und zwar in einem Ausmaß, von dem wir kaum hoffen können, dass wir es jemals wirklich verstehen werden. Jene, die sich am empfangenden Ende der Gewalt befinden erleiden natürlich ein ernstes Maß an Schwächung. Nur weil Macht ein gesellschaftliches Konzept ist, verstehen wir als Menschen nicht notwendigerweise, was sie für uns bedeutet. Wenn wir einen Machtverlust wahrnehmen, ist eine unserer typischen Reaktionen, die geringe Macht, die wir noch haben geltend zu machen. Wenn wir erst einmal die Auswirkungen der Unterdrückung verinnerlicht haben, tragen wir sie mit uns herum, oft bloß um selbst zu Täterinnen zu werden. Die traurige Wahrheit ist, dass Opfer oft Täterinnen werden, genau deshalb, weil sie selbst misshandelt werden. Wenn die Misshandlung die Form physischer Gewalt annimmt, verwandelt sie sich häufig in noch mehr Gewalt.
Demnach können wir klar sehen, warum die Misshandlung von Tieren -sei es direkt, wie dies bezüglich der Misshandlung von Haustieren der Fall ist, oder indirekt, wie durch den Prozess des Fleischessens – mit gesellschaftlicher Gewalt in Wechselbeziehung steht. Menschen, die misshandelt werden neigen selbst dazu, andere zu misshandeln und Tiere gehören zu den leichtesten, wehrlosesten Opfern. Dies legt noch einen weiteren Grund dar, warum jene, die sich um das Wohlergehen der Tiere kümmern, gesellschaftliche Unterdrückung bekämpfen müssen.
Fakt ist weiters, dass diese Ursache-Wirkung Dynamik in beide Richtungen wirkt. Es hat sich gezeigt, dass jene, die gewalttätig gegenüber Tieren sind – wiederum direkt oder indirekt – ebenfalls eher gewalttätig gegenüber anderen Menschen sind. Menschen, die sich vegetarisch ernähren sind zum Beispiel üblicherweise weniger gewalttätig als Fleischesserinnen. Es ist unwahrscheinlich, dass Menschen, die ihre Haustiere misshandeln, es dabei belassen – ihre Kinder oder Partnerinnen sind oft die nächsten.
Es ist absurd zu denken, dass eine Gesellschaft, die nicht-menschliche Tiere unterdrückt zu einer Gesellschaft werden kann, die keine Menschen unterdrückt. Folglich wird es zu einer Voraussetzung für eine radikale soziale Veränderung, Tierausbeutung anzuerkennen.
Entfremdung im alltäglichen Leben
Entfremdung liegt an der Wurzel der Unterdrückung, behauptet die/der Radikale. Menschen sind soziale Wesen. Wir sind dazu befähigt, Mitleid zu empfinden. Es ist uns möglich, zu verstehen, dass es ein gesellschaftliches Wohl gibt, ein Allgemeinwohl. Da wir gegenüber anderen Mitgefühl empfinden können, müssen uns jene, die uns als Gesellschaften, Gemeinschaften und Einzelne gegeneinander, oder als Menschen gegen die Natur ausspielen wollen, von den Auswirkungen unserer Handlungen entfremden. Es ist schwer einen Menschen davon zu überzeugen, einer/einem anderen Leid zuzufügen. Es ist sogar schwierig einen Menschen davon zu überzeugen, ein nicht-menschliches Tier ohne Grund zu verletzen, oder direkt zur Zerstörung ihrer/seiner eigenen natürlichen Umwelt beizutragen.
Wenn eine Gesellschaft gegen eine andere in den Krieg zieht, ist es Gebot, dass der Führer der jeweiligen Gesellschaft „die Massen“ davon überzeugt, dass die feindliche Bevölkerung wertlos und untermenschlich ist. Außerdem müssen die Führer die tatsächlichen Folgen des Krieges – Massengewalt, Zerstörung und Blutvergießen – vor den Menschen verbergen. Krieg ist etwas, das anderswo passiert, wird uns eingebleut, und jene „Fremden“, die sterben, verdienen es.
Unterdrückerische Dynamiken in sozialen Beziehungen beruhen immer auf einer Wir-Sie Dichotomie, in welcher die Unterdrückerinnen in deutlicher Unterscheidung zu den Unterdrückten gesehen werden. Für die Unterdrückerinnen ist das „Wir“ überlegen und privilegiert. Die Reichen gehen davon aus, dass ihre Reichtümer durch „anständige“ und „gerechte“ Methoden erarbeitet werden. So werden z.B. sowohl Unterdrückerin als auch Unterdrückte dazu verleitet anzunehmen, dass es am Unvermögen und der Untüchtigkeit der Armen liegt, dass sie arm bleiben. Es gibt keine Anerkennung der Tatsache, dass ökonomisches Privileg automatisch Ungleichheit verursacht. Es gibt einfach nicht genug für alle, wenn es einigen wenigen erlaubt ist, mehr zu nehmen als ihren rechtmäßigen Anteil. Die Reichen sind jedoch von dieser Binsenweisheit entfremdet. Sie müssen es sein, sonst wäre es ihnen nicht möglich, die Ungerechtigkeit, zu der sie beitragen zu rechtfertigen.
Es ist dasselbe mit jeder unterdrückerischen Dynamik. So muss es sein.
Die/der Veganerln versteht, dass menschliche Ausbeutung und der Konsum von Tieren durch Entfremdung ermöglicht wird. Es wäre den Menschen nicht möglich, so zu leben, wie sie es tun – auf Kosten und durch das Leid der Tiere – würden sie die wirklichen Auswirkungen solchen Konsums verstehen. Genau aus diesem Grund hat der späte Kapitalismus die/den Konsumenten/In gänzlich vom Herstellungsprozess entfernt. Die Qual findet anderswo statt, hinter fest verschlossenen Türen. Wäre es ihnen erlaubt sich in die Opfer der Speziesunterdrückung einzufühlen, wäre es den Menschen nicht möglich, so zu leben, wie sie dies momentan tun.
Menschen müssen sogar von der simplen Begründung des Veganismus entfremdet bleiben. Um eine Wir-Sie Dichotomie zwischen Mensch und „Tier“ (als ob wir nicht selbst Tiere wären!) aufrecht zu erhalten, darf es uns nicht gestattet werden, grundlegende Argumente, die der Überwindung dieser falschen Empfindung von Dualität dienen könnten, zu hören.
Es wird uns gesagt, dass Menschen über komplexe Sprachfähigkeiten und ein kompliziertes Schlussfolgerungsvermögen verfügen. Auf NichtMenschen trifft dies nicht zu. Menschen gelten als Bürger, alle anderen sind bestenfalls Vieh. Nicht durch die Natur werden Tiere weniger bedeutend als Menschen, sondern durch aktive Dehumanisierung, einem Prozess, in dem Menschen Tiere bewusst ihrem Wert berauben. Schließlich ist es doch so, dass die Unfähigkeit zu sprechen oder vernünftig Schluss zu folgern Kinder oder Menschen mit geistiger Verlangsamung nicht jener Gewalt aussetzt, die Nicht-Menschen jeden Tag millionenfach erleiden.
Gestehen wir es uns doch ein, die Dichotomie zwischen Mensch und Tier ist vielmehr willkürlich als wissenschaftlich. Sie ist nicht anders als jene, die zwischen „Weißen“ und „Schwarzen“, „Roten“ oder „Gelben“ konstruiert wurde, nicht verschieden von jener zwischen Erwachse-ner/m und Kind; zwischen Mann und Frau; zwischen Heterosexuellen und Homosexuellen, oder Einheimischen und Fremden. Trennlinien werden ohne Rücksicht, jedoch in unredlicher Absicht gezogen, und wir werden von den Institutionen manipuliert, die uns dazu erziehen, zu glauben, dass wir auf der einen Seite der Trennlinie stehen, und dass es rational ist, mit dieser zu beginnen.
Im alltäglichen Leben sind wir von unseren fundamentalsten Taten entfremdet. Wenn wir bei einem Laden Lebensmittel einkaufen, können wir die Zutatenliste lesen und gewöhnlich sagen, ob Tiere im Produktionsprozess ermordet und/oder gequält wurden. Was lernen wir hingegen über die Menschen, die die Ware hergestellt haben? Wurden die Frauen schlechter bezahlt als die Männer? Wurden Schwarze von Weißen in der Fabrik unterjocht? Wurde ein Gewerkschafts- oder Kollektivierungsversuch der Arbeiterinnen zerschlagen? Wurden hundert Menschen auf einer Streikpostenkette abgeschlachtet, weil sie einen dem Existenzminimum entsprechenden Lohn forderten?
Wenn ich als Mann mit einer Frau, oder jemenschdem, die/der jünger als ich ist rede, bin ich dann dominant und anmaßend entsprechend meiner Konditionierung in einer patriarchalen Gesellschaft? Sehe ich mich als weiße Person (wenn euch nur unbewusst) als „höherwertig“ als „Schwarze“? Betrachte ich farbige Menschen etwa als etwas von mir irgendwie an sich verschiedenes? Dies sind jene Fragen, die zu hinterfragen wir nicht ermutigt werden. Das müssen wir aber. Um die Entfremdung zu Überwinden dürfen wir nicht bloß der Welt, die uns umgibt kritisch gegenüber stehen, sondern ebenso unseren eigenen Gedanken, Perspektiven und Taten. Wollen wir die Unterdrücker in unseren Köpfen auslöschen, so müssen wir immer wieder unsere Meinungen und Annahmen in Frage stellen. Was, müssen wir uns als Individuen fragen, sind die Auswirkungen meiner Taten, nicht nur auf jene in meiner Umgebung, sondern auf meine natürliche Umwelt?
Als eine Schlüsselkomponente zur Aufrechterhaltung von Unterdrückung ist es notwendig jegliche Entfremdung zu vernichten. So lange wir dazu fähig sind, das Leiden in Schlachthöfen und Tierversuchslaboratorien zu ignorieren, können wir auch die Zustände in der Dritten Welt, dem urbanen Ghetto, dem missbrauchtreibenden Haushalt, dem autoritären Klassenzimmer usw. ignorieren. Die Fähigkeit eine Form der Unterdrückung zu ignorieren ist die Fähigkeit zur Ignoranz gegenüber jeglichen anderen.
Das revolutionäre Bestreben
Uns selbst und unsere Beziehung zur Welt um uns zu verstehen ist nichts anderes als der erste Schritt in Richtung Revolution. Unsere Einsichten müssen wir dann für ein praktisches Programm von Aktionen verwenden. Wenn ich von Aktionen spreche, meine ich nicht bloß wöchentliche oder monatliche Ereignisse, wenn wir in Zusammenarbeit mit einer organisierten Gruppe unsere Ansichten auf einer Demonstration kundtun, oder einen geplanten Angriff auf eine Unterdrückungseinrichtung durchführen.
Aktionen sind nicht derart begrenzt. Sie finden sich in unseren alltäglichen Leben, unseren routinemäßigen u. weniger routinemäßigen Aktivitäten. Wenn wir unsere Ansichten in Gesprächen verteidigen, sei es in der Arbeit oder am Esstisch, handeln wir. Fakt ist, dass alles, was wir tun eine Handlung bzw. eine Reihe von Handlungen darstellt, ob es uns bewusst ist, oder nicht. Wenn wir uns dies bewusst machen, können wir unsere Leben von unterdrückten und entfremdeten Daseinsformen zu Befreienden und Revolutionären machen.
Die Rolle der/des Revolutionärin ist simpel: mach dein Leben zu einem Miniaturmodell der alternativen, revolutionären Gesellschaft, die du dir vorstellst. Du bist ein Mikrokosmos der Welt um dich und sogar die elementarsten deiner Handlungen wirken sich auf das gesellschaftliche Milieu, dessen Teil du bist, aus. Lass diese Auswirkungen ihrer Natur nach positiv und radikal sein.
Die Revolution muss Teil unserer Lebensweise werden, geleitet von Visionen und angetrieben von Mitgefühl. Jeder Gedanke, den wir denken, jedes Wort, das wir sprechen, jede Handlung, die wir setzen muss ihren/seinen Ursprung in radikaler Praxis haben. Wir müssen unsere Wünsche durch ständige Kritik dessen, was wir zu denken gelehrt wurden und ein andauerndes Streben nach dem, was wir wirklich wollen, befreien. Sobald wir unsere Wünsche kennen, müssen wir in ihrem Interesse handeln.
Nachdem wir herausgefunden haben, wie unsere Gesellschaft funktioniert und wir entschieden haben, was wir eigentlich wollen, müssen wir die Gegenwart auflösen und an der Zukunft bauen – und diese Aufgaben müssen wir gleichzeitig in Angriff nehmen. Während wir die Überreste der Ausbeutung niederrreißen müssen wir, mit Zielrichtung wie Spontanität, ebenso neue Arten gesellschaftlicher Beziehungen, ermöglicht durch neue Institutionen, hervorbringen.
Ökonomisch gesprochen muss z.B. wo heute privates Eigentum besteht morgen Gesellschaftliches sein. Wo Produktion, Konsum und Ressourcenverteilung momentan von irrationalen Marktkräften diktiert werden, muss es in Zukunft ein rationales System zum Erwerb und zur Verteilung materieller Güter und Dienstleistungen geben, fokussierend auf Gerechtigkeit, Vielfalt, Solidarität, Autonomie und was auch immer wir für die Werte erachten, die unsere Visionen leiten.
Als Visionärin sieht die Veganerln eine Welt frei von Tierausbeutung. Weiters sieht sie/er eine wahrhaft friedliche Beziehung zwischen der menschlichen Gesellschaft und ihrer natürlichen Umwelt. Die Tiefenökologiebewegung hat uns gezeigt, dass die nicht-tierliche Natur einen Wert hat, welcher nicht in ökonomischen Begriffen quantifiziert werden kann, ebenso wie Veganerlnnen den Wert nicht-menschlicher Tiere demonstriert haben, einen Wert, der von Ökonominnen nicht berechnet werden, sondern nur anhand menschlichen Mitgefühls beurteilt werden kann. Dieses Mitgefühl, geäußert für das Proletariat von Sozialistlnnen, für Frauen und queers von Feministlnnen, für Farbige und marginali-sierte Ethnien von Interkommunalistlnnen, für junge Menschen von „Youthists“[3] und für jene am Ende der staatlichen Repression von Libertären, ist dasselbe wie jenes, das Veganerlnnen und radikale Umweltschützerinnen für die nicht-menschliche Welt empfinden. Dass je-de/r von uns zu allen diesen Arten von Radikalen werden muss – und ihre Ideologien zu einer einzigen, gesamtheitlichen Theorie, Vision, Strategie und Praxis verdichten muss, ist eine Binsenweisheit, die wir nicht länger ignorieren dürfen. Nur eine Perspektive und ein Lebensstil basierend auf wahrem Mitgefühl können die unterdrückerischen Konstrukte der derzeitigen Gesellschaft zerstören und aufs Neue damit beginnen, erstrebenswerte Beziehungen und Wirklichkeiten zu erschaffen. Dies ist für mich das Wesen der Anarchie. Niemensch, die/der daran scheitert, alle Kämpfe gegen Unterdrückung als ihre/seine eigenen zu erfassen, wir meiner Definition einer/s Anarchistin gerecht. Dies mag wie eine sehr weitreichende Forderung erscheinen, aber ich werde niemals damit aufhören, es von jedem menschlichen Wesen zu fordern.
Nachwort zur dritten Auflage
(der engl. Ausgabe)
– Brian A. Dominick, Oktober 1997
Als die zweite Edition dieses Pamphlets ca. vor einem Jahr in die Druckerei ging, hing ich ein kurzes „Nachwort“ an, um mein Bedenken bezüglich einiger Ansichten, die ich im Originaltext formuliert hatte, auszusprechen. Anstatt ernsthafte redaktionelle Veränderungen am Inhalt des Essays, welches meiner Meinung nach immer noch eine solide Abhandlung darstellt, vorzunehmen, entschloss ich mich dazu, einige meiner neueren Einsichten zu dieser Thematik zu diskutieren.
Über Befreiung
Unter den Problemen, die ich nun mit dem Originalwerk habe, findet sich die Verwendung des Begriffs „Befreiung“ („liberation“) von mir und anderen, um zu beschreiben was eigentlich das Freilassen (the freeing) der Tiere von Ausbeutung und Unterdrückung durch Menschenhand ist. Ich halte Befreiung (liberation) für ein speziell menschliches Konzept, basierend auf dem subjektiven Prozess von Bewusstseinsbildung und Selbstbestärkung. Befreiung ist persönlich und viel komplizierter als ein bloßes Entfernen physischer Ketten. Wenn ein Häftling aus den engen Grenzen der Inhaftierung freigelassen ist, ist er oder sie nicht unbedingt von den Unterdrückungen einer autoritären Gesellschaft „befreit“. Er oder sie ist bloß „frei“ von der Zelle. Befreiung zu erreichen – ein vielleicht an sich unmögliches Ideal für jegliches Erdenwesen – geht weit über die Fähigkeiten jeglichen Tieres hinaus.
Mensch kann einwenden, dass Tiere, die misshandelt oder verletzt sind (und oft recht offensichtlich an psychischen Schäden leiden) , ebenso wie unterdrückte Menschen, einen Prozess psychologischer oder persönlicher Genesung durchleben müssen. Aber selbst persönliche Genesung, theoretisch innerhalb der Fähigkeiten vieler nicht-menschlicher Spezies, ist nicht wirklich Befreiung. Da Befreiung, wie ich sie definiere, die Bildung gesellschaftlichen Bewusstseins voraussetzt, wofür NichtMenschen (und einige Menschen) einfach nicht die Fähigkeit besitzen, ist ihre Beschaffenheit komplexer als jene von Genesung.
Dies mag alles wie ein Problem der Semantik erscheinen. Ich bestehe jedoch darauf, dass es viel mehr ist. Die Befreiung der Menschen wurde zu lange als lediglich sozialer/struktureller Prozess wahrgenommen. Wenn wir die Bedingungen der Gesellschaft ändern, werden wir befreit.
Ich denke, eine viel dialektischere Annäherung ist angebracht. Bevor wir die Gesellschaft in einer Weise umstrukturieren können, die der Befreiung förderlich ist, müssen wir als Kollektive und Individuen befreit werden. Zur gleichen Zeit müssen wir die Gesellschaft und ihre Institutionen umstrukturieren, bevor wir persönlich befreit (bestärkt, aufgeklärt etc.) werden können. Dies erscheint wie eine Art Teufelskreis.
Aber wenn wir es dialektisch, als einen graduellen, bilateralen Prozess von Ebbe und Flut betrachten, wird die Komplexität der Theorie von Befreiung ersichtlich.
Selbsternannte „Tierbefreierinnen“, ganz sicher engagierte und aufrichtige Aktivistinnen, neigen dazu zwei Punkte zu übersehen. Erstens kann jemensch sich bloß selbst befreien. Das Äußerste, was wir hoffen können, für andere zu tun, ist diese von den Hemmnissen freizumachen, die ihre Selbstbefreiung verhindern. Zweitens können nur jene, die die Komplexität ihrer eigenen Unterdrückung verstehen können, diese in einem Prozess von Befreiung bekämpfen. Unzählige Jahrhunderte lang haben sich die besten Versuche von Menschen, Freiheit zu erlangen, in verzweifelte Kämpfe übertragen, um einfach frei von den autoritären Zwängen einer unterdrückerischen Gesellschaft zu sein. Wie für eingesperrte Tiere befand sich kaum etwas anderes in unserer Sichtweite als die Zerstörung des Käfigs selbst. Im Gegensatz zu eingesperrten Tieren, haben wir allerdings die Fähigkeit, von vornherein zu verstehen, warum der Käfig existiert. Wir wissen, dass es immer mehr Käfige gibt und solange wir nicht die soziale Maschine zerstören, die diese Käfige (sowohl für Menschen als auch Nicht-Menschen) produziert, ist die nächste Annäherung, die wir an Befreiung machen können, vorübergehende und relative Freiheit.
Veganismus neu definieren
Ich möchte auch meine Definitionen einiger Begriffe klarstellen. Am wichtigsten „Veganismus“. Meine ursprüngliche Definition war präzise, denke ich, wird jedoch im Kontext des Rests des Essays konfus, nicht unterschiedlich genug von dem, was ich als „Vegetarismus“ bezeichne. Lassen sie mich deutlich sein: Veganismus ist die bewusste, ethisch motivierte Abstinenz von Handlungen, die, bewusst oder unbewusst, zum Leid von empfindsamen Lebewesen, seien es Tiere oder Menschen, beitragen. Menschen kommen in erster Linie auf zwei Wegen zum Veganismus: Aus Interesse an Tierrechten/-schutz/-freiheit und Interesse an der natürlichen Umwelt (die durch Tierhaltung schwer geschädigt wird). Die bloße Abstinenz von tierlichen Produkten ist einfach Vegetarismus. Die Abstinenz von Fleischkonsum, üblicherweise als „Vegetarismus“ bezeichnet, ist passend bezeichnet „ovo-lacto Vegetarismus“, da dessen Praktiziererinnen weiterhin Milch(produkte) und Eier essen. Die meisten Vegetarierinnen sind solche, da ihre Ernährungsweise gesünder ist. Daher haben sie keine ersichtlichen Gründe, auf den Konsum von Lederwaren, Produkten, die an Tieren getestet werden, etc. zu verzichten.
Es ist wichtig anzumerken, dass Veganismus kein absoluter Zustand ist. Erstens gibt es viele Interpretationen, was ein empfindsames Lebewesen ist. Manche behaupten, dass alle Tiere, von Säugetieren bis zu Insekten, der vollen Inkludierung in diese Kategorie gerecht werden. Im Extremfall gibt es jene, die glauben, dass Pflanzen und Tiere gleichermaßen jene Eigenschaft haben und sich daher dafür entscheiden, nur Früchte und Nüsse zu essen (diese Menschen werden üblicherweise als „Frutarier“ bezeichnet). Wieder andere bestehen darauf, dass viele Tiere, wie Insekten oder Krustentiere, von denen mensch nicht nachweisen kann, dass sie einen individuellen Willen, einen unverwechselbaren Charakter, komplexe Nervensysteme oder irgendeinen Anschein von Emotion haben, ihrer Definition nach nicht „empfindsam“ sind. Ich habe hier keinen Platz, mich in die Debatte zu vertiefen, aber es sollte ausreichen, zu sagen, dass wir verstehen müssen, dass wir die gleichen allgemeinen Prinzipien teilen und alle versuchen, so gut wie möglich nach ihnen zu leben, was auch immer die Eigenheiten der eigenen Definitionen sein mögen.
Zweitens ist Veganismus ein Ideal, von dem wir nur hoffen können, dass wir ihm gerecht werden können. So viele Produkte, wie etwa Fahrzeuge, photographischer Film etc., die „Notwendigkeiten“ des modernen Lebens geworden sind, enthalten Teile, die von Tieren stammen. Tiernahrung ist ein weiteres kontroverseres Thema. Es ist wichtig zu betonen, dass wir alle bloß erwarten können, unser bestes zu tun, um riesige persönliche Schritte in Richtung unseres Ideals zu machen. Sogar wenn alles was wir machen ist, dass wir dieses Jahr aufhören Fleisch zu essen, reduzieren wir unseren persönlichen Beitrag zur Ausbeutung von Nichtmenschen dramatisch, auch wenn uns misslingt, was Veganerlnnen als eine relativ einfache Umstellung zu einem mitfühlenden Leben betrachten. Burnout ergibt sich, wenn wir unmögliche Anforderungen an uns stellen und weitere Entfremdung ist ein typisches Ergebnis von extremen Anforderungen, die an andere gestellt werden.
Revolution und Lebenswandel[4] v. B. Dominick, Oktober 1997
Ich bin der Erste, der von diesen öden Radikalen, meistens „alter Schule“, angewidert ist, die behaupten, dass Änderungen des Lebenswandels aller mindestens hinter die „wirkliche“ Arbeit sozialer Veränderung, die sich auf die Umstrukturierung gesellschaftlicher Institutionen beschränkt, gestellt werden müssen. Trotzdem ist ihre Kritik an jenen an der entgegengesetzten Seite, die glauben, dass persönliche Veränderung, wenn sie in großem Maße geschieht schon die Revolution ist, ziemlich wichtig. Wir müssen beide Extreme meiden. Leider tendieren zeitgenössische Anarchistinnen und Veganerlnnen gleichermaßen zum Lifestyle-Ansatz. Wie ich im ersten Abschnitt dieses Nachtrags beschrieben habe, ist hier eine wesentliche Dialektik involviert. Und wie ich im Hauptteil von „Tierbefreiung und soziale Revolution“ angeführt habe, kann der simple Akt der Änderungen des Lebensstils eines Menschen, sogar wenn sich diesem Millionen Anderer anschließen, nicht die Welt, die gesellschaftlichen Strukturen, die von Eliten geformt wurden, um ihren eigenen Interessen zu dienen, verändern.
Einige Radikale gehen so weit, zu behaupten, dass unsere Lebenswandel sich „nach der Revolution“ verändern werden. Eine solche Vorstellung ist einfach dumm. Jene von uns, die zu blinden Konsumentinnen, braven Bürgerinnen, Ehemännern und -frauen und so weiter erzogen wurden müssen ihre alltäglichen Aktivitäten radikal verändern, andernfalls werden wir unfähig sein, eine zukünftige, befreierische Gesellschaft zu führen. Tatsache ist, dass wir nicht einmal versuchen würden, die Welt um uns radikal zu verändern bis wir lernen, damit aufzuhören, die überflüssigen, spektakulären Einflüsse und Elemente der Gegenwart, wertzuschätzen. Wir würden keine sozialistische Wirtschaft errichten, die die Produktion von Fleisch wegen ihrer hohen Kosten für Gesellschaft und Umwelt verhindert, solange wir nicht gewillt sind, das Fleischessen aufzugeben. Eine unumgängliche Aufgabe einer vernünftigen Wirtschaft wird die Beseitigung der Tierausbeutungsindustrien sein und das wird deutlich vor der Zeit sein für jene, die die Macht haben, solch eine Wirtschaft zu schaffen (die Menschen). Aber warum sollten wir nach einem System streben, welches in unserer Unfähigkeit Fleisch zu essen endet, wenn wir es nicht schaffen, es jetzt aufzugeben?
Zuletzt ist es wichtig zu bemerken, dass Veränderungen des Lebenswandels, so wie etwa vegan zu sein, wirklich keine Form von konkretem Aktivismus ausmacht. Es gehört viel mehr dazu, ein/e Aktivistin zu sein, als bloß einen Stellung zu beziehen, vor allem wenn es eine leise ist.
[1] Menschen, die an moderate politische Veränderungen und soziale Verbesserungen durch Handlungen von Regierungen glauben; ursprünglich Anhängerinnen einer „Progressive Party“, derer es im Laufe der U.S. Geschichte mehrere gab.
[2] Die direkte deutsche Übersetzung wäre „farbige Menschen“. Da „People of Color“ in englischsprachigen Veröffentlichungen als eine politische Definition für Menschen unterschiedlicher Hautfarben, Nationalitäten und Herkunft gebraucht wird, habe ich mich dafür entschieden, den englischen Begriff unübersetzt beizubehalten. In den U.S.A. umfasst der Begriff „People of Color“ sowohl Native Americans, African Americans, Mexican Americans und Asian Americans als auch Immigrantinnen aus Trikontländern.
[3] Menschen, die sich gegen die Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen auflehnen. Da diese Art der Unterdrückung im deutschsprachigen Raum meines Wissens nach noch kaum thematisiert würde, ist leider keine adäquate deutsche Übersetzung des Begriffes möglich.
[4] Im englischen Original „The Liabilities of Lifestyleism“