#title Nützliche Arbeit oder nutzlose Plackerei #author William Morris #SORTauthors Morris, William; #SORTtopics Arbeit, Kapitalismus #date 1884 #source Entnommen aud der gleichnamigen Broschüre. Auch erschienen auf [[https://williammorristexte.com/2013/01/23/nutzliche-arbeit-oder-nutzlose-plackerei/]] #lang de #pubdate 2018-07-08T18:26:33 #notes Useful Work versus Useless Toil, 1884, Übersetzung von Paul Seliger, in Zeichen der Zeit, Leipzig, Hermann Seemann Nachfolger, 1902. Überarbeitete Fassung, 2013 Dieser Titel wird manchen vielleicht seltsam vorkommen, denn von den meisten Leuten wird heutzutage geglaubt, jede Arbeit sei nützlich, und von den meisten Wohlhabenden, jede Arbeit sei erstrebenswert. Die meisten Leute, wohlhabend oder nicht, glauben, dass selbst wenn jemand eine sichtbar nutzlose Arbeit verrichtet, er damit doch immerhin seinen Lebensunterhalt erwirbt – er ist »beschäftigt«, wie die Redensart geht, und die meisten jener Wohlhabenden ermuntern den glücklichen Arbeiter mit Glückwünschen und Lobsprüchen, wenn er nur genügend »fleißig« ist und sich aller Genüsse und aller Ruhe im Dienste der heiligen Sache der Arbeit beraubt. Kurz, es ist ein Glaubensartikel der modernen Ethik geworden, dass jede Arbeit an sich gut sei – ein bequemer Glaube für diejenigen, die von der Arbeit anderer leben. Aber denen, von welchen sie leben, rate ich, ihn nicht auf Treu und Glauben anzunehmen, sondern etwas tiefer in die Frage einzudringen. Wir wollen zunächst einräumen, dass die Menschheit ohne Arbeit zugrunde gehen muss. Die Natur gewährt uns unseren Lebensunterhalt nicht umsonst; wir müssen ihn durch Arbeit irgendwelcher Art und eines bestimmten Maßes erwerben. Deshalb wollen wir sehen, ob sie uns nicht einen Ersatz für diesen Zwang zur Arbeit gewährt, da sie doch offenbar auf anderen Gebieten dafür sorgt, dass die für die Erhaltung des Individuums und der Art erforderlichen Handlungen nicht nur erträglich, sondern sogar mit Genuss verbunden sind. Ihr könnt überzeugt sein, dass sie dies tut; dass es dem Wesen des Menschen entspricht, wenn er nicht krank ist, unter bestimmten Voraussetzungen Vergnügen an seiner Arbeit zu finden. Und doch müssen wir es gegenüber dem soeben erwähnten heuchlerischen Lob der Arbeit (welcher Art diese auch sein mag) aussprechen, dass es eine Arbeit gibt, die, weit entfernt, ein Segen zu sein, ein Fluch ist; dass es für die Gesamtheit und den Arbeiter besser wäre, wenn er seine Hände in den Schoß legte und sich weigerte zu arbeiten, um entweder zu verhungern oder ins Arbeitshaus oder Gefängnis gesteckt zu werden – was Ihr wollt. Ihr seht, es gibt zwei Arten von Arbeit – die eine gut, die andere schlecht; eine nicht weit davon entfernt, ein Segen, ein Lichtblick des Lebens zu sein; die andere ein wahrer Fluch, eine Last des Lebens. Worin besteht nun der Unterschied zwischen beiden? Er besteht darin, dass die eine Hoffnung mit sich führt, die andere nicht. So wie es mannhaft ist, die eine Art von Arbeit zu verrichten, ist es mannhaft, die andere zurückzuweisen. Welcherart also ist die Hoffnung, die die Arbeit, in der sie enthalten ist, verrichtenswert macht? Sie ist dreifach, glaube ich – Hoffnung auf Ruhe, Hoffnung auf das Produkt, Hoffnung auf Vergnügen bei der Arbeit selbst. Verbunden mit der Hoffnung, das alles reichlich und in guter Beschaffenheit zu bekommen: ausreichend Ruhe und bequem genug, dass es sich lohnt, sie zu haben; ein Produkt, das für jeden erstrebenswert ist, der weder ein Narr noch ein Asket ist; genügend Freude, die wir während der Arbeit bewusst erleben können und nicht eine reine Gewohnheit, deren Verlust wir so empfinden, wie ein Zappelphilip den Verlust des Stückchens Schnur, an dem er herumspielt. Ich habe die Hoffnung auf Ruhe zuerst genannt, weil sie den einfachsten und natürlichsten Teil ausmacht. Welches Vergnügen auch immer in einer Arbeit liegen mag, so ist zweifellos mit Arbeit auch ein Unbehagen verbunden: die für das Tier typische Unlust, die schlummernden Kräfte zu aktivieren; die tierische Furcht vor einer Veränderung, wenn unsere Lage einigermaßen behaglich ist. Die Entschädigung für dieses tierische Unbehagen ist die tierische Ruhe – wir müssen während unserer Arbeit das Gefühl haben, dass die Zeit kommen wird, in der wir nicht zu arbeiten brauchen. Auch muss die Ruhe, wenn sie kommt, lang genug sein, damit wir uns darauf freuen können; sie muss länger sein als notwendig ist, die auf die Arbeit verwendete Kraft wiederherzustellen, und sie muss auch darin tierische Ruhe sein, dass sie nicht durch Sorgen gestört wird, weil wir sonst ihrer nicht froh werden könnten. Wenn wir dieses Maß und diese Art von Ruhe haben, werden wir soweit nicht schlechter dran sein als die Tiere. Was die Hoffnung auf das Produkt betrifft, so habe ich gesagt, dass die Natur uns zwingt, für dieses zu arbeiten. Es bleibt uns übrig, darauf zu achten, dass wir tatsächlich Etwas herstellen, kein Nichts oder wenigstens etwas Nichtiges, das wir wollen und dem sonst nichts entgegensteht. Wenn wir darauf sehen und von unserem gemeinsamen Willen Gebrauch machen, werden wir soweit schon etwas Besseres sein als Maschinen. Die Hoffnung auf Vergnügen bei der Arbeit selbst: wie seltsam muss diese Hoffnung manchen meiner Leser – ja den meisten unter Euch – vorkommen! Doch ich glaube, dass alle Lebewesen Vergnügen in der Betätigung ihrer Kräfte finden und dass sich selbst die Tiere ihrer Gewandtheit, Schnelligkeit und Stärke freuen. Aber ein arbeitender Mensch, der etwas herstellt, was, wie er fühlt, im Entstehen ist, weil er daran arbeitet und es will, betätigt ebenso seine geistigen und seelischen Kräfte wie seine körperlichen. Gedächtnis und Phantasie unterstützen ihn bei seiner Arbeit. Nicht allein seine eigenen Gedanken, auch die der Menschen vergangener Jahrhunderte leiten seine Hand, und er bringt etwas hervor als Teil des Menschengeschlechts. Wenn wir so arbeiten, werden wir Menschen sein, und unsere Tage werden glücklich und ereignisreich verlaufen. So führt wertvolle Arbeit mit sich die Hoffnung auf den Genuss der Ruhe, die Hoffnung auf Genuss bei der Verwendung dessen, was sie herstellt, und die Hoffnung auf Genuss in unserer täglichen schöpferischen Tätigkeit selbst. Jede andere Arbeit außer dieser ist wertlos, ist Sklavenarbeit – eine reine Plackerei um zu leben, damit wir leben können, um uns zu plagen. Da wir somit gleichsam eine Waage besitzen, auf die wir die jetzt in der Welt verrichtete Arbeit legen können, so lasst uns das tun; lasst uns den Wert der Arbeit, die wir leisten, abschätzen – nach so vielen Jahrtausenden voll Mühe und Plage, nach so vielen Verheissungen vereitelter Hoffnungen, so grenzenlosem Jubel über den Fortschritt der Zivilisation und den Gewinn von Freiheit. Der erste Punkt, der bei der in den zivilisierten Ländern verrichteten Arbeit in Betracht kommt und der auch sofort in die Augen springt ist der, dass sie höchst ungleichmäßig auf die verschiedenen Gesellschaftsklassen verteilt ist. Zuerst gibt es Leute – nicht wenige – die nicht arbeiten und auch keinerlei Verlangen danach tragen. Dann gibt es Leute – und zwar sehr viele – die ziemlich schwer arbeiten, allerdings mit reichlich Arbeitserleichterungen und Feiertagen, die man ihnen freiwillig oder erzwungen gewährt, und zuletzt gibt es Leute, die so schwer arbeiten, dass man sagen kann, sie tun überhaupt nichts anderes als arbeiten, und die »die arbeitenden Klassen« genannt werden, zur Unterscheidung vom Mittelstand und den Reichen oder Aristokraten, von denen ich oben gesprochen habe. Es ist klar, dass diese Ungleichheit schwer auf der »arbeitenden Klasse« lastet und ersichtlich dazu beiträgt, zumindest ihre Hoffnung auf Ruhe zu zerstören und sie in dieser Hinsicht schlechter zu stellen als die Arbeitstiere auf dem Acker; aber das ist noch nicht der Gipfel und das Ende unserer Torheit, mit der wir nützliche Arbeit in nutzlose Plackerei verwandeln, sondern nur der Anfang davon. Was zunächst die Klasse der nicht arbeitenden reichen Leute betrifft, so wissen wir alle, dass sie sehr viel verbraucht und nichts hervorbringt. Daher muss sie auf Kosten der Arbeitenden erhalten werden, genau wie die Armen, und sie sind damit eine bloße Last für die Gesamtheit. In unseren Tagen sind viele zu dieser Einsicht gekommen, auch wenn sie nicht tiefer in die Mißstände unseres gegenwärtigen Systems eingedrungen sind und sich keine Meinung über mögliche Maßnahmen gebildet haben, die uns von dieser Last befreien könnten. Allerdings tragen sie eine unbestimmte Hoffnung, dass Veränderungen im Wahlsystem für das Parlament wie durch Zauberschlag etwas in dieser Richtung bewegen könnten. Mit solchen Hoffnungen oder abergläubischen Vorstellungen brauchen wir uns nicht länger aufzuhalten. Außerdem ist diese Klasse, die Aristokratie, die einst als höchst unentbehrlich für den Staat galt, zahlenmäßig klein und hat jetzt keine eigene Macht mehr, sondern ist von der Unterstützung der nächsten Klasse unter ihr abhängig – dem Mittelstand. Tatsächlich besteht sie entweder aus den erfolgreichsten Männern jener Klasse oder deren unmittelbaren Nachkommen. Der Mittelstand, der Handel, Kleinindustrie und die Selbständigen einschliesst, scheint tatsächlich angestrengt genug zu arbeiten, und so könnte man auf den ersten Blick glauben, er sei der Allgemeinheit eine Hilfe, anstatt sie zu belasten. Aber bei weitem die Mehrzahl von ihnen produziert nichts obwohl sie arbeiten, und selbst wenn sie etwas produzieren, wie es bei denen der Fall ist, die mit der (verschwenderischen) Verteilung der Güter beschäftigt sind, oder bei den Ärzten oder (echten) Künstlern und Schriftstellern, so verbrauchen sie doch weit über das Maß eines gebührenden Anteils hinaus. Die Handels- und Industriekreise, der einflussreichste Teil, verwenden ihr Leben und ihre Kraft auf den Kampf unter sich selbst um ihren persönlichen Anteil an dem Reichtum, den sie die wahren Arbeiter zwingen, für sie zu schaffen; die anderen sind fast nur ein Anhängsel von ihnen; sie arbeiten nicht für die Allgemeinheit, sondern für die privilegierte Klasse – sie sind die Parasiten des Eigentums, bald wie die Rechtsanwälte (ganz offenkundig), bald wie die Ärzte und anderen obenerwähnten Schichten, mit der Behauptung, Nutzen zu stiften, aber nur zu oft ohne jeden anderen Zweck, als Stützen zu sein für das System aus Torheit, Betrug und Tyrannei, von dem sie einen Teil bilden. Und sie alle haben, wie wir uns erinnern müssen, durchgängig ein Ziel im Auge: nicht das Hervorbringen nützlicher Dinge, sondern den Gewinn einer Stellung entweder für sich selbst oder für ihre Kinder, in der sie es überhaupt nicht mehr nötig haben zu arbeiten. Es ist ihr Ehrgeiz und der Endzweck ihres ganzen Daseins, wenn nicht für sich selbst, so doch wenigstens für ihre Kinder die stolze Stellung zu erreichen, der Gesamtheit offenkundig zur Last fallen zu können. Um ihre Arbeit kümmern sie sich trotz des Anscheins von Würde, mit dem sie sie umgeben, nicht im geringsten: außer ein paar Schwärmern, Menschen der Wissenschaft, Kunst oder Literatur, die, wenn sie nicht das Salz der Erde sind, wenigstens (das ist wirklich jammerschade) das Salz des elenden Systems sind, dessen Sklaven auch sie sind; das sie an jeder freien Bewegung hindert, sie einengt und manchmal sogar korrumpiert. Die Klasse, die noch zu betrachten ist, produziert alles, was produziert wird, und unterhält sowohl sich selbst als die anderen Klassen, obwohl sie sich in einer untergeordneten Stellung zu ihnen befindet, in einer tatsächlichen Unterordnung, erniedrigt an Geist und Körper. Aber es ist eine notwendige Folge aus dieser Tyrannei und Torheit, dass wiederum viele unter diesen Arbeitern keine Produzenten sind. Eine große Anzahl von ihnen sind lediglich Schmarotzer des Eigentums, zum Teil ganz offen wie die Soldaten zu Land und zu Wasser, die zur Verfolgung der nationalen Rivalitäten und Feindseligkeiten, wie für den nationalen Kampf um den Anteil am Ertrag der unbezahlten Arbeit unterhalten werden. Aber neben dieser offenkundigen Last auf den Produzenten und der kaum weniger offenkundigen auf der häuslichen Dienerschaft, gibt es zunächst das Heer von Buchhaltern, Verkäufern usw., die im Dienst des Privatkriegs um den Reichtum stehen, der, wie gesagt, die wahre Beschäftigung des wohlhabenden Mittelstandes ist. Dies ist eine größere Anzahl von Arbeitenden als man gewöhnlich glaubt, denn sie schließt unter anderem alle diejenigen ein, die für die Handelskonkurrenz oder, um ein weniger vornehmes Wort zu gebrauchen, die Verhökerung der Waren arbeiten, die es jetzt soweit gebracht hat, dass es viele Dinge gibt, deren Verkauf mehr kostet als ihre Herstellung. Dann kommt die Masse der Leute, die mit der Herstellung aller jener Dinge für törichten Luxus beschäftigt sind, nach denen infolge der Existenz der reichen, nicht-produzierenden Klassen eine so rege Nachfrage herrscht; jener Dinge, nach denen Leute, die ein menschliches und unverdorbenes Leben führen, nicht im Traume verlangen würden. Ich werde mich stets weigern, diese Dinge als Zeichen von Wohlstand anzuerkennen. Wer mir auch immer widersprechen mag: sie sind nicht Anzeichen von Wohlstand, sondern von Verschwendung. Reichtum ist das, was uns die Natur schenkt und was ein vernunftbegabter Mensch aus den Gaben der Natur für seinen eigenen vernünftigen Gebrauch machen kann. Der Sonnenschein, die frische Luft, das unentstellte Antlitz der Erde, notwendige und angemessene Nahrung, Kleidung und Wohnung; das Sammeln von Kenntnissen aller Art und die Fähigkeit, sie zu weiterzugeben; die Mittel der freien Kommunikation von Mensch zu Mensch: Kunstwerke, die Schönheiten, die ein Mensch hervorbringt, wenn er am meisten Mensch ist, d.h. nach dem Höchsten strebt und denkt – alles, was dem Genüsse freier, aufrechter und unverdorbener Menschen dient. Das sind Reichtümer. Und ich kann mir nichts Wertvolles vorstellen, was nicht unter den einen oder anderen dieser Begriffe fiele. Denkt nur, ich bitte Euch, an die Erzeugnisse Englands, dieser Werkstatt der Welt, und werdet Ihr nicht wie ich bei dem Gedanken an die Menge Dinge erstaunt sein, nach denen kein verständiger Mensch Verlangen haben kann, die aber unsere nutzlose Plackerei herstellt und – die verkauft wird? Nun gibt es aber eine noch traurigere Beschäftigung, die vielen, sehr vielen unserer Arbeiter aufgezwungen wird – die Herstellung von Waren, die sie und ihresgleichen nehmen müssen, weil sie eine untergeordnete Klasse sind. Denn wenn viele Leute leben, ohne zu produzieren, ja ihr Leben so leer und zwecklos verbringen müssen, und einen großen Teil der Arbeiter zwingen, Waren herzustellen, die niemand braucht, nicht einmal die Reichen, so folgt daraus, dass die meisten Menschen arm sein müssen, und da sie eben von dem Lohn leben müssen, den sie von denen bekommen die sie unterhalten müssen, können sie die Güter, nach denen Menschen natürlicherweise verlangen, nicht bekommen, sondern müssen mit schlechtem Ersatz vorliebnehmen: mit minderwertiger Nahrung, die nicht sättigt, mit zerschlissener Kleidung, die nicht schützt, mit zerfallenden Häusern, die einen Stadtbewohner in zivilisierten Ländern wohl mit Sehnsucht auf das Zelt des Nomadenstammes oder die Höhle des vorgeschichtlichen Wilden zurückblicken lassen. Gewiss, die Arbeiter müssen bei der größten Erfindung des industriellen Zeitalters, dem verfälschten Ersatz, selbst mitwirken und mit eigenen Händen für ihren Bedarf Schund und Nachäffungen des Luxus der Reichen herstellen; denn die Lohnarbeiter müssen stets so leben, wie die Lohnzahler ihnen vorschreiben, und selbst ihre Lebensgewohnheiten werden ihnen von ihren Herren aufgezwungen. Aber es wäre Zeitverschwendung, die gebührende Verachtung für die Ausgeburten der vielgepriesenen Billigkeit unserer Epoche in Worte kleiden zu wollen. Es muss genügen zu sagen, dass diese Billigkeit unentbehrlich ist für das System der Ausbeutung, das der modernen Industrie zugrunde liegt. Mit anderen Worten, unsere Gesellschaft hält sich eine große Anzahl von Sklaven, die wie Sklaven ernährt, bekleidet, untergebracht und belustigt werden müssen und deren täglichen Bedürfnisse sie zur Herstellung der Sklavenwaren zwingen, mit deren Gebrauch sich ihre Sklaverei fortsetzt. Fassen wir daher die Bemerkungen über die Arbeitsweise in zivilisierten Staaten zusammen. Diese Staaten bestehen aus drei Klassen – einer Klasse, die nicht einmal vorgibt zu arbeiten; einer Klasse, die vorgibt, zu arbeiten, die aber nichts produziert und einer Klasse, die arbeitet, von den anderen beiden Klassen jedoch gezwungen wird, eine oft unproduktive Arbeit zu verrichten. Die Zivilisation vergeudet somit ihre eigenen Ressourcen und wird dies so lange tun, wie das gegenwärtige System besteht. Es sind kalte Worte, mit denen die Tyrannei, unter der wir leiden, beschrieben werden muss; versuchen wir, ihre Bedeutung zu überlegen. Es gibt eine bestimmte Menge an natürlichen Rohstoffen und Naturkräften auf der Welt, ebenso ein bestimmtes Maß an Arbeitskraft, das den einzelnen Menschen, die sie bewohnen, gegeben ist. Getrieben durch ihre Bedürfnisse und Begierden, haben die Menschen viele Jahrtausende an der Aufgabe gearbeitet, sich die Naturkräfte zu unterwerfen und sich die natürlichen Rohstoffe nutzbar zu machen. Da wir nicht in die Zukunft sehen können, scheint dieser Kampf mit der Natur fast vorüber und der Sieg der Menschheit über sie nahezu vollständig zu sein. Und bei einem Rückblick auf die Zeit zu Beginn der Geschichte bemerken wir, dass dieser Erfolg der Menschheit sich in den letzten beiden Jahrhunderten viel rascher und staunenswerter entwickelt hat als je zuvor. Wir Neueren müssten daher unzweifelhaft in jeder Beziehung ungleich besser dran sein als unsere Vorfahren. Unzweifelhaft müssten wir, der Einzelne wie die Gesamtheit, wohlhabend sein und reich versehen mit den Gütern, die der Sieg über die Natur uns gewonnen hat. Wie steht es aber in Wirklichkeit? Wer würde wagen zu leugnen, dass die Mehrzahl der zivilisierten Menschen arm ist? So arm sind sie, dass es nachgerade kindisch wäre, uns darüber den Kopf zu zerbrechen, ob in gewisser Beziehung ihre Lage vielleicht ein klein wenig besser sei als die ihrer Vorfahren. Sie sind arm; auch kann ihre Armut nicht an der Armut eines mittellosen Wilden gemessen werden, denn dieser kennt nichts anderes als seine Armut; dass er friert, hungert, ohne Obdach, schmutzig, unwissend ist, all dies ist ihm so natürlich wie der Besitz seiner Haut. Aber in uns, in den meisten von uns hat die Zivilisation Wünsche erweckt, deren Erfüllung sie uns verweigert, und so ist sie nicht nur ein Geizhals, sondern auch ein Folterknecht. Auf diese Weise sind uns also die Früchte unseres Sieges über die Natur gestohlen worden, auf diese Weise ist der Zwang der Natur zu Arbeit mit Hoffnung auf Ruhe, auf ein Produkt und Vergnügen vom Menschen in einen Zwang zur Arbeit mit Aussicht auf – ein Leben für die Arbeit verwandelt worden! Was sollen wir also tun, können wir eine Besserung herbeiführen? Nun, erinnern wir uns noch einmal daran, dass es nicht unsere entfernten Vorfahren waren, die den Sieg über die Natur errangen, sondern unsere Eltern oder viel mehr noch wir selber. Es wäre für uns daher eine schwer begreifliche Dummheit, ruhig dazusitzen und die Hände in den Schoß zu legen. Seid überzeugt, wir können es wieder zurechtrücken. Was müssen wir dann also zuerst tun? Wir haben gesehen, dass die moderne Gesellschaft in zwei Klassen unterteilt ist, von denen die eine dazu privilegiert ist, von der Arbeit der anderen unterhalten zu werden – d.h. sie zwingt die andere, für sie zu arbeiten und nimmt dieser untergeordneten Klasse alles, was sie ihr nehmen kann, und verwendet den so gewonnenen Reichtum dazu, ihren eigenen Mitgliedern eine überlegene Stellung zu sichern, sie zu Wesen einer höheren Ordnung zu machen, langlebiger, schöner, angesehener, gebildeter als die der anderen Klasse. Ich sage damit nicht, dass sie besorgt wäre, dass ihre Mitglieder absolut langlebig, schön oder gebildet sind, sondern nur, dass sie dies im Vergleich zur niederen Klasse sind. Da sie ferner die Arbeitskraft der unteren Klasse nicht sinnvoll zur Erzeugung wahren Wohlstandes zu verwenden vermögen, so vergeuden sie diese dann vollständig mit der Herstellung wertlosen Zeugs. Es ist die Räuberei und Vergeudung durch eine Minderheit, welche die Mehrheit in ihrer Armut hält; könnte man nachweisen, dass es für den Bestand der Gesellschaft unerlässlich ist, sich dahinein zu fügen, so könnte man wenig dazu sagen, außer dass die Verzweiflung der unterdrückten Mehrheit wahrscheinlich zu der einen oder anderen Zeit die Gesellschaft zertrümmern würde. Es ist im Gegenteil selbst durch so unvollkommene Versuche wie die heutigen (sogenannten) Genossenschaften nachgewiesen worden, dass für die Gütererzeugung die Existenz einer privilegierten Klasse keineswegs notwendig ist, sondern nur für das »Regieren« derer, die die Güter erzeugen, oder mit anderen Worten: für die Aufrechterhaltung des Privilegs. Der erste zu gehende Schritt ist daher die Abschaffung einer Klasse von Menschen, die das Vorrecht besitzt, ihre Menschenpflichten zu umgehen und andere zur Verrichtung der Arbeit zu zwingen, die sie selbst nicht leisten wollen. Alle müssen nach Maßgabe ihrer Fähigkeit arbeiten und so das erzeugen, was sie verbrauchen – d.h. jeder Mensch soll, so gut er kann, für seinen eigenen Lebensunterhalt arbeiten, und sein Lebensunterhalt soll ihm zugesichert sein, d.h. alle Vorteile, welche die Gesellschaft jedem Einzelnen und der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu bieten hat. So würde schließlich eine wahre Gesellschaft begründet werden. Sie würde auf der Gleichheit der Lebensbedingungen beruhen. Niemand würde zum Vorteil eines anderen gequält werden – ja nicht einmal zum Vorteil der Gesellschaft. Es kann in der Tat kein System Gesellschaft genannt werden, das nicht den Vorteil jedes Einzelnen ihrer Mitglieder im Auge hat. Da die Menschen aber schon jetzt, wenn auch ärmlich, leben, während so viele Leute überhaupt nichts produzieren und so viel Arbeit vergeudet wird, ist es klar, dass unter Verhältnissen, in denen alle produzieren und keine Arbeit vergeudet wird, nicht nur jeder mit der sicheren Hoffnung arbeiten würde, durch seine Arbeit den auf ihn entfallenden Teil des allgemeinen Wohlstandes zu erwerben, sondern auch die ihm zustehende Ruhe genießen zu können. Es sind damit zwei von den drei oben als wesentliche Bedingungen für eine wertvolle Arbeit erwähnten Hoffnungen erfüllt. Wenn die Klassenräuberei abgeschafft ist, dann wird jeder Mensch die Früchte seiner Arbeit ernten, jeder wird seine angemessene Ruhe, d.h. Freizeit haben. Einige Sozialisten werden sagen, wir brauchen nicht weiterzugehen als bis hierher; es genüge, dass der Arbeiter den vollen Arbeitsertrag erhalte und ausgiebige Ruhe habe. Aber obwohl der Zwang ausgehend von menschlicher Tyrannei auf diese Weise beseitigt wäre, so fordere ich doch eine Entschädigung für den Zwang, der von der Natur ausgeht. Solange die Arbeit widerwärtig ist, wird sie eine Last sein, die täglich aufgenommen werden muss und unser Leben verbittern würde, selbst wenn die Arbeitszeit kurz wäre. Was wir also tun müssen: unseren Wohlstand vergrößern, ohne unseren Genuss zu vermindern. Die Natur wird nicht endgültig bezwungen sein, ehe unsere Arbeit einen Teil unseres Lebensgenusses bildet. Dieser erste Schritt, die Befreiung der Bevölkerung vom Zwang zu unnötiger Arbeit, wird uns wenigstens auf den Weg zu einem glücklichen Ende bringen; denn wir werden dann Zeit und Gelegenheit haben, dies zu verwirklichen. Wie die Dinge jetzt zwischen Vergeudung von Arbeitskraft in reinem Müßiggang und Vergeudung in unproduktiver Arbeit liegen, ist klar, dass die zivilisierte Welt nur durch einen kleinen Teil ihrer Bewohner unterhalten wird; würden alle nützliche Arbeit leisten, so wäre der auf jeden entfallende Arbeitsanteil nur klein, wenn unsere Lebenshaltung ungefähr den Zuschnitt hätte, den die Wohlhabenden und Gebildeten heute für wünschenswert halten. Wir würden Arbeitskraft sparen und dabei binnen kurzem so reich sein, wie wir nur wollen. Es wird leicht zu leben sein. Wenn wir unter unserem gegenwärtigen System eines Morgens erwachten und es leicht fänden zu leben, so würde dieses System uns zwingen, sofort wieder eine Arbeit anzufangen und es uns schwer machen zu leben; und das sollen wir mit »Vermehrung unserer Ressourcen« oder einem anderen schönen Ausdruck benennen. Die Vermehrung der Arbeit ist zur Notwendigkeit für uns geworden, und solange das andauert, wird kein Scharfsinn in der Erfindung von Maschinen von wirklichem Nutzen sein. Jede neue Maschine wird ein bestimmtes Maß an Elend unter den Arbeitern erzeugen, in deren besonderen Erwerbszweig sie störend eingreift; viele von ihnen werden von geschulten zu ungeschulten Arbeitern herabsinken, dann wird alles ins alte Geleise zurückkehren und anscheinend wieder glatt laufen; und wenn dies alles nicht die Revolution vorbereitete, so würden die Verhältnisse für die Mehrzahl der Menschen genau so bleiben wie vor der neuen wunderbaren Erfindung. Wenn aber die Revolution erst einmal »das Leben leicht gemacht haben wird«, wenn alle in gegenseitiger Eintracht arbeiten und es niemand gibt, der den Arbeiter um seine Zeit, d.h. sein Leben beraubt: in diesen kommenden Tagen wird kein Zwang auf uns ausgeübt werden, Dinge herzustellen, die wir nicht brauchen; kein Zwang, uns für ein Nichts anzustrengen; wir werden in aller Ruhe darüber nachdenken können, wozu wir unseren Reichtum an Arbeitskraft verwenden wollen. Nun, ich für meinen Teil glaube, das Erste, was wir mit diesem Reichtum, dieser Freiheit, tun müssten wäre, all unsere Arbeit, selbst die gewöhnlichste und notwendigste, genussreich zu gestalten. Denn wenn ich genau über diesen Punkt nachdenke, finde ich, dass das einzige Mittel, das Leben trotz aller Zufälle und aller Unruhe unter allen Umständen glücklich zu machen, darin besteht, an allen Einzelheiten des Lebens freudiges Interesse zu nehmen. Und damit Ihr das nicht etwa für eine zu verallgemeinernde Behauptung haltet, damit sie überhaupt Erwähnung verdiene, möchte ich daran erinnern, wie vollkommen die moderne Zivilisation dieser Forderung widerspricht, mit welch schmutzigen und sogar schrecklichen Details sie das Leben der Armen umgibt, welch mechanisches und leeres Leben sie den Reichen aufzwingt und wie selten für uns ein Feiertag ist, an dem wir uns eins mit der Natur fühlen und voller Seelenruhe, gedankenvoll und glücklich auf den Lauf unseres Lebens mit all den kleinen Bezugspunkten blicken können, die es mit dem unserer Mitmenschen verknüpfen und wir so am Bau der großen Gesamtheit der Menschheit beteiligt sind. Ein solcher Feiertag könnte aber unser ganzes Leben sein, wenn wir entschlossen wären, unsere ganze Arbeit vernunftgemäß und vergnüglich einzurichten. Aber wir müssten in der Tat entschlossen sein; denn halbe Sachen bringen uns hier nicht weiter. Ich habe schon gesagt, dass unsere gegenwärtige, freudlose Arbeit und unser gedrücktes und verängstigtes Leben, das dem eines gejagten Wildes gleicht, uns durch das gegenwärtige System der Produktion zum Nutzen der privilegierten Klassen aufgezwungen wurden. Es ist notwendig, sich klarzumachen, was das bedeutet. Unter dem gegenwärtigen System von Lohn und Kapital besitzt der »Manufakturist« (der höchst widersinnig so genannt wird, da man darunter jemand versteht, der mit seinen Händen arbeitet) die Alleinverfügung über die Mittel, durch welche die jedem Menschen innewohnende Arbeitskraft nutzbar gemacht werden kann, und er ist der Herr über die, die kein solches Privileg haben; er, und er allein ist imstande, von der Arbeitskraft Gebrauch zu machen, die anderseits das einzige Mittel ist, durch das sein »Kapital«, d.h. der angesammelte Ertrag früherer Arbeit, produktiv gemacht werden kann. Er kauft somit die Arbeitskraft derer, die ohne Kapital sind und nur leben können, wenn sie ihm diese verkaufen. Seine Absicht bei diesem Unternehmen ist es, das Kapital zu vermehren, Gewinn daraus zu ziehen. Es ist klar: wenn er jenen, mit denen er seinen Vertrag schließt, den vollen Wert ihrer Arbeit bezahlte, d.h. alles, was sie produzieren, dann würde er diesen Zweck verfehlen. Aber da er der Alleinbesitzer der Mittel zu produktiver Arbeit ist, kann er sie zwingen, einen Vertrag zu schließen, der besser für ihn und schlechter für sie ist. Dieser Vertrag besteht darin, dass nachdem sie ihren Lebensunterhalt verdient haben, dessen Höhe ihre friedliche Unterwerfung unter seine Herrschaft gewährleistet, das Übrige (und in der Tat der bei weitem größere Teil) von dem, was sie produzieren, ihm gehört, sein Eigentum sein soll, mit dem er machen kann, was er will, es nach seinem Beheben gebrauchen oder missbrauchen kann. Dieses Eigentum wird, wie wir alle wissen, eifersüchtig bewacht von Heer und Flotte, Polizei und Gefängnis – kurz: von jenem gewaltigen Aufgebot physischer Macht im Hintergrund, das die besitzenden Klassen in die Lage setzt, durch Aberglauben, Gewohnheit und die Angst vor dem Hungertod – mit einem Wort: durch Unwissenheit – die besitzlosen Massen als Sklaven abhängig zu halten. Bei späterer Gelegenheit will ich auf andere Übel eingehen, die aus diesem System entspringen. Was ich Euch jetzt klarmachen möchte ist die Unmöglichkeit, unter diesem System zu attraktiver Arbeit zu gelangen und zu wiederholen, dass es diese Räuberei ist (es gibt keinen anderen Ausdruck dafür), welche die nutzbringende Arbeitskraft der zivilisierten Welt vergeudet, indem sie viele Menschen zwingt, nichts zu tun; viele, sehr viele, nichts Nützliches zu tun, und diejenigen, welche wirklich nutzbringende Arbeit verrichten, zu beschwerlicher Überarbeitung nötigt. Denn ein für allemal, der »Fabrikant« hat in erster Linie das Bestreben, mit Hilfe der Arbeit, die er anderen stiehlt, nicht Güter, sondern Profit zu erzielen, d.h. die über den Lebensunterhalt seiner Arbeiter und die Abnutzung seiner Maschinen hinaus erzeugten »Güter«. Ob diese »Güter« wirkliche oder scheinbare sind, kümmert ihn nicht. Werden sie verkauft und werfen sie ihm einen Gewinn ab, so ist alles gut. Ich habe gesagt, dass infolge der Existenz reicher Leute, die mehr Geld haben, als sie vernünftigerweise ausgeben können, und die deswegen scheinbare »Güter« kaufen, Verschwendung betrieben wird, und dass infolge der Existenz armer Leute, die es sich nicht leisten können, Dinge zu kaufen, welche die Herstellung wert sind, gleichfalls von Verschwendung gesprochen werden muss. Daher ist die »Nachfrage«, die der Kapitalist »befriedigt«, eine falsche Nachfrage. Der Markt, auf dem er verkauft, ist «manipuliert« durch die Ungleichheiten, die das räuberische Lohn- und Kapitalsystem vorgibt. Es ist daher dieses System, zu dessen Beseitigung wir uns entschließen müssen, wenn wir für alle glückliche und nutzbrinende Arbeit erreichen wollen. Der erste Schritt, die Arbeit angenehm zu machen, besteht darin, die Mittel zur Nutzbarmachung der Arbeit, das Kapital mit Einschluss des Landes, der Maschinen, Fabriken usw. in die Hände der Gesamtheit zu legen, damit es gleichermaßen zum Besten aller benutzt wird, so dass wir alle dafür arbeiten können, die wirkliche »Nachfrage« aller Einzelnen und aller zusammen zu »befriedigen«, – Arbeit für die Lebensbedürfnisse statt für die Befriedigung des Gewinnmarktes und für den Profit, d.h. für die Macht, andere Menschen gegen ihren Willen zur Arbeit zu zwingen. Wenn dieser erste Schritt getan ist, und die Menschen einzusehen beginnen, dass nach dem Willen der Natur alle Menschen entweder arbeiten oder verhungern sollen, und sie nicht länger Narren sind, die anderen die Möglichkeit des Stehlens lassen – wenn dieser glückliche Tag gekommen ist, dann werden wir von dem Tribut der Vergeudung befreit sein und herausfinden, dass wir jede Menge an nutzbringender Arbeitskraft besitzen, die uns in den Stand setzen wird, innerhalb vernünftiger Grenzen nach unserem Gutdünken zu leben. Wir werden nicht länger rastlos von der Furcht vor dem Hungertod angetrieben werden, die gegenwärtig nicht minder auf der Mehrzahl der Menschen in den zivilisierten Ländern lastet als auf den Menschen der Frühzeit. Für die ersten und offenkundigsten Bedürfnisse wird in einem Gemeinwesen, in dem es keine Arbeitsvergeudung gibt, so leicht gesorgt werden, dass wir dann Zeit haben werden, uns umzublicken und uns zu überlegen, was wir wirklich brauchen und was wir ohne Überanstrengung unserer Kräfte erreichen können. Denn die oft erwähnte Furcht, dass wir in völlige Trägheit versinken würden, wenn der durch die gegenwärtige Hierarchie ausgeübte Zwang fortfiele, ist allein verursacht durch die Last übermäßiger und unangenehmer Arbeit, die die meisten von uns jetzt zu leisten haben. Ich sage noch einmal, dass nach meinem Dafürhalten der erste Punkt, den wir für so wichtig halten sollten, um ihm einige freie Zeit zu opfern, die Annehmlichkeit der Arbeit sein müsste. Es würde kein allzu schweres Opfer für die Erreichung dieses Ziels erfordert sein, aber etwas von der freien Zeit wird dafür gegeben werden müssen. Aber wir können hoffen, dass die Menschen, die gerade eine Zeit des Kampfes und der Revolution durchgemacht haben, die letzten sein werden, sich mit einem Leben des reinen Utilitarismus zu begnügen, obgleich die Sozialisten manchmal von unwissenden Leuten angeklagt werden, ein solches Dasein anzustreben. Wir müssen beginnen, den ausschmückenden Teil des Lebens von Neuem zu schaffen – seine Genüsse, sinnliche und geistige, wissenschaftliche und künstlerische, gemeinsame und individuelle – auf der Grundlage freiwilliger Arbeit, die wir freudig und in dem Bewusstsein übernehmen, uns selbst und unseren Nachbarn damit Gutes zu tun. Die unbedingt notwendige Arbeit, die an erster Stelle steht, würde nur einen kleinen Teil jedes Tages in Anspruch nehmen und insofern nicht beschwerlich fallen; sie würde aber täglich wiederkehren und uns dadurch die Freude des Tages verderben, wenn sie nicht während ihrer Dauer erträglich gemacht würde. Mit anderen Worten, jede Arbeit, auch die gewöhnlichste, muss anziehend gemacht werden. Wie kann das bewerkstelligt werden? – das ist die Frage, deren Beantwortung der übrige Teil dieses Vortrags gewidmet sein soll. Wenn ich einige Andeutungen dazu gebe, weiß ich, dass zwar alle Sozialisten vielen der gemachten Vorschläge zustimmen, ihnen einige aber seltsam und abenteuerlich vorkommen werden. Man darf mir dabei nicht die Absicht unterschieben, untrügliche Lehrsätze zu verkünden, sie sind im Gegenteil nur der Ausdruck meiner persönlichen Überzeugung. Aus allem vorher Erwähnten folgt, dass die Arbeit, um anziehend zu sein, einen anerkannt nützlichen Zweck haben muss, ausgenommen in den Fällen, wenn sie freiwillig als Zeitvertreib gewählt wird. Auf dieses Moment der anerkannten Nützlichkeit muss man umsomehr bei der Erleichterung sonst unangenehmer Arbeiten zählen, als die soziale Ethik, die Verantwortlichkeit gegenüber dem menschlichen Leben, an die Stelle der theologischen Ethik oder der Verantwortlichkeit gegenüber einem abstrakten Begriff tritt. Daneben wird die tägliche Arbeitszeit kurz sein. Dies braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Es ist klar, dass wenn keine Arbeit vergeudet wird, sie kurz sein kann. Es ist ebenfalls klar, dass viele Arbeiten, die jetzt eine Qual sind, leicht erträglich gemacht werden können, wenn sie erheblich abgekürzt werden. Abwechslung in der Arbeit ist der nächste Punkt und ein sehr wichtiger. Einen Menschen zwingen, Tag für Tag dieselbe Arbeit zu verrichten ohne jegliche Hoffnung auf Erlösung oder Veränderung, bedeutet nichts geringeres als sein Leben zu einer Kerkerqual zu machen. Nur die Tyrannei der Jagd nach Gewinn braucht das. Ein Mensch kann mit geringer Mühe mindestens drei Handwerke lernen und ausüben, wobei sitzende Beschäftigung mit Tätigkeit im Freien abwechseln kann; eine Tätigkeit, welche starke körperliche Anstrengung verlangt, mit Arbeit, bei der der Geist mehr zu tun hat. Es gibt z.B. nur wenige Menschen, die nicht Lust hätten, einen Teil ihrer Lebenszeit auf die notwendigste und angenehmste aller Arbeiten, die Bebauung des Landes, zu verwenden. Ein anderer Punkt, der diese Vielfalt der Beschäftigung ermöglichen wird, ist die Form, die die Erziehung in einem sozial geordneten Gemeinwesen annehmen wird. Gegenwärtig ist alle Erziehung darauf gerichtet, die Menschen fähig zu machen, ihren Platz in der Hierarchie des Handelssystems einzunehmen – die einen als Herren, die anderen als Arbeiter. Die Erziehung der Herren ist sorgfältiger als die der Arbeiter, aber immer noch vom Handelsgeist beherrscht, und selbst auf den klassischen Universitäten wird das Studium an sich gering geschätzt, wenn es sich im Laufe der Zeit nicht bezahlt macht. Wahre Erziehung ist davon ganz verschieden und beschränkt sich darauf, herauszufinden, wozu die verschiedenen Menschen geeignet sind, und ihnen auf dem Weg zu helfen, den sie einzuschlagen geneigt sind. In einer richtig geordneten Gesellschaft werden daher junge Leute in den praktischen Tätigkeiten ausgebildet, zu denen sie Lust haben, als einem Teil ihrer Erziehung, der Übung ihrer körperlichen und geistigen Kräfte, und ebenso werden die Erwachsenen Gelegenheit haben, in denselben Schulen zu lernen, denn die Entwicklung ihrer besonderen Fähigkeiten würde die Hauptsache in der Bildung sein, anstatt wie jetzt die Unterordnung aller Fähigkeiten unter den großen Endzweck des »Geldverdienens« für sich selbst – oder seinen Herrn. Die Summe von Talent und selbst Genie, die das jetzige System unterdrückt und die durch ein solches System gefördert würde, würde unsere tägliche Arbeit leicht und interessant machen. Unter diesem Oberbegriff der Vielfalt will ich ein Beiwerk der Industrie ansprechen, das soviel unter dem Handelsgeist zu leiden hatte, dass man seine Existenz kaum noch bemerkt und das in der Tat in unserer Zeit so fremd geworden ist, dass ich fürchte, es gibt Leute, die meine Äußerungen darüber schwer verständlich finden werden. Trotzdem muss ich über dieses Beiwerk sprechen, da es in Wahrheit sehr wichtig ist. Ich meine die Gattung der Kunst, die von dem gewöhnlichen Handwerker ausgeübt wird oder ausgeübt werden sollte, während er seine tägliche Arbeit verrichtet, und die sehr treffend den Namen »Volkskunst« erhalten hat. Diese Kunst existiert nicht mehr, sie ist vom Handelsgeist unterdrückt worden. Aber vom Beginn des Kampfes des Menschen mit der Natur bis zum Aufkommen des gegenwärtigen kapitalistischen Systems war sie lebendig und blühte allgemein. Als sie noch bestand, wurde jeder von Menschen hergestellte Gegenstand auch verziert, genau wie alles von der Natur hervorgebrachte von ihr geschmückt wird. Während der Handwerker den Gegenstand, an dem er arbeitete, verfertigte, verzierte er ihn so natürlicherweise und so ganz ohne jede bewusste Absicht, dass oft schwer zu entscheiden ist, wo der rein zweckbestimmte Teil der Arbeit aufhörte und der ornamentale begann. Nun lag der Ursprung dieser Kunst in dem Bedürfnis nach Mannigfaltigkeit, das der Arbeiter bei seiner Arbeit empfand, und obgleich die diesem Verlangen entsprungene Schönheit ein großes Geschenk für die Welt war, so war doch der Gewinn von Abwechslung und Freude an der Arbeit für den Handwerker von noch größerer Bedeutung, denn er drückte aller Arbeit den Stempel des Vergnügens auf. All dies ist nun völlig aus der Arbeit in der Zivilisation verschwunden. Wenn Ihr Verzierungen haben wollt, so müsst Ihr besonders dafür bezahlen, und der Arbeiter ist gezwungen, Verzierungen anzufertigen, wie er andere Waren anfertigt. Er ist gezwungen, Freude an seinem Werk zu heucheln, so dass die von Menschenhand geschaffene Schönheit, die einst ein Labsal bei der Arbeit war, jetzt eine neue Last für ihn geworden ist und das Ornament heute nur eine jener Torheiten unnützer Plackerei ist – vielleicht die noch am wenigsten drückende seiner Fesseln. Neben der kurzen Dauer der Arbeit, der beabsichtigten Nützlichkeit und der sie begleitenden Abwechslung gehört noch etwas anderes dazu, was sie anziehend gemacht hat: angenehme Umgebungen. Das Elend und den Schmutz, den wir Menschen der Zivilisation mit so viel Selbstgefälligkeit als notwendiges Übel des Industriesystems ertragen, ist für die Gesellschaft im Ganzen gerade so notwendig wie ein entsprechender Haufen Unrat im Hause eines reichen Privatmannes. Wenn ein solcher Mann es zuliesse, dass die Kohlenasche über seinen ganzen Salon verstreut und ein Klosett in jeder Ecke seines Speisezimmers eingerichtet würde; wenn er seinen einst schönen Garten zu einem Kehricht- und Abfallhaufen machte, nie seine Bettwäsche reinigen ließe oder sein Tischtuch wechselte und seine Familie zu fünft in einem Bette schlafen ließe, so würde er sich zweifellos bald in den Klauen einer Kommission von Psychiatern befinden. Aber solche Handlungen von erschreckender Torheit sind genau das, was unsere gegenwärtige Gesellschaft täglich unter dem Zwange einer vermeintlichen Notwendigkeit tut und die nichts anderes sind als Wahnsinn. Ich bitte Euch, schickt sofort eure Kommission zur Untersuchung des Geisteszustandes ans Krankenbett der Zivilisation! Denn all unsere dichtbevölkerten Städte und konfus machenden Fabriken sind allein die Folge unseres auf Profit ausgerichteten Systems. Kapitalistische Industrie, kapitalistischer Grundbesitz und kapitalistischer Handel zwängen die Menschen in großen Städten zusammen, um sie dort nach ihren Interessen zu handhaben; dieselbe Tyrannei engt den angemessenen Raum für eine Fabrik so ein, dass z.B. das Innere einer großen Textilfabrik einen beinahe ebenso lächerlichen wie furchtbaren Anblick bietet. Es gibt für all dies keine andere Notwendigkeit als die Notwendigkeit, aus dem Leben der Menschen Gewinn zu schlagen und billige Waren zum Gebrauch (und zur Unterwerfung) der Sklaven herzustellen. Noch ist nicht alle Arbeit in Fabriken konzentriert; wo es der Fall ist, liegt oft kein anderer Zwang vor als wiederum die Tyrannei des Gewinns. Menschen, die mit derartiger Arbeit beschäftigt sind, sollten keinesfalls gezwungen werden, sich in engen Stadtteilen zusammenzudrängen. Es liegt kein Grund vor, warum sie ihren Beschäftigungen nicht in ruhigen Häusern auf dem Lande, in Gewerbehöfen, in kleinen Städten oder, kurz gesagt, dort nachgehen sollten, wo sie am liebsten wohnen. Was den Teil der Arbeit betrifft, der im großen Maßstab gemeinschaftlich betrieben werden muss, so würde eben dieses Fabriksystem bei einer vernünftigen Ordnung der Dinge (obgleich meines Erachtens noch Rückschläge vorkommen dürften) zumindest Möglichkeiten zu einem vollen und regen gemeinschaftlichen Leben gewähren, dem viele Genüsse zu Gebote ständen. Die Fabriken könnten auch Mittelpunkte des geistigen Lebens sein und die Arbeit in ihnen sehr abwechslungsreich gestaltet werden; die Bedienung der erforderlichen Maschinen würde jeden Einzelnen nur zu einem Bruchteil seiner täglichen Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Die andere Arbeit könnte im Bestellen der umliegenden Felder oder dem Studium und Ausübung von Kunst und Wissenschaft abwechseln. Es versteht sich von selbst, dass die so beschäftigten Menschen, die dann ihr Leben nach eigenem Ermessen einrichten, sich nicht durch Hast oder Gedankenlosigkeit weiterhin Schmutz, Unordnung oder Platzmangel auflasten würden. Die Zuhilfenahme der Wissenschaft würde sie in den Stand versetzen, Abfall zu vermeiden und all die Unannehmlichkeiten, die heute mit der Verwendung angewandter Maschinerie verbunden sind, wie Rauch, Gestank und Lärm möglichst zu vermindern, wenn nicht völlig zu beseitigen; auch würden sie nicht erlauben, dass die Gebäude, in denen sie arbeiten oder wohnen, hässliche Schandflecke auf der schönen Oberfläche der Erde wären. Beginnend bei der Anlage der Fabriken und der Nebengebäude, die zweckentsprechend eingerichtet wären wie ihre Wohnhäuser, würden sie ganz sicher darauf achten, sie nicht nur nicht schlecht zu machen, nicht nur nicht abstoßend, sondern sogar schön zu gestalten, so dass die glorreiche Kunst der Architektur, die nun schon eine Zeit lang von der Gewinngier zerschlagen wurde, wiedererstehen und aufblühen würde. So habe ich also verlangt, dass die Arbeit in einem wohlgeordneten Gemeinwesen durch das Bewusstsein ihrer Nützlichkeit, durch Ausführen mit verständigem Interesse, durch Abwechslung und durch ihre Verrichtung in einer freundlichen Umgebung attraktiv gemacht wird. Aber ich habe auch verlangt, wie wir es alle tun, dass das Tagwerk nicht bis zur Erschöpfung lang sei. Man könnte fragen: »Wie kann diese letzte Forderung mit den übrigen in Einklang gebracht werden? Wenn die Arbeit so aufgewertet wird, werden die erzeugten Güter dann nicht sehr kostspielig?« Ich gebe zu, wie ich schon erwähnt habe, dass irgend ein Opfer gebracht werden muss, um die Arbeit anziehend zu machen. Ich glaube, wenn wir uns in einem freien Gemeinwesen damit begnügen könnten, in derselben ruhelosen, schmutzigen, unordentlichen, herzlosen Weise zu arbeiten, wie wir es jetzt tun, dann könnten wir unser Tagwerk (alle Arten von Arbeit berücksichtigt) noch viel mehr abkürzen, als wir es nach meinem Dafürhalten tun werden. Wollten wir aber so verfahren, so würde dies bedeuten, dass unsere neuerworbene Freiheit uns so verhärmt und freudlos lassen würde, wie wir es jetzt sind; was, wie ich glaube, unwahrscheinlich ist. Wir sollten bereit sein, die nötigen Opfer zu bringen, um unsere Lebensbedingungen auf den Standard zu heben, den das ganze Gemeinwesen als wünschenswert ansieht. Und nicht nur das. Wir sollten individuell eifrig darangehen, aus freiem Willen noch zusätzlich von unserer Zeit und Bequemlichkeit für die Erhöhung des Lebensstandards zu geben. Die Leute würden, entweder für sich allein oder vereint mit anderen, freiwillig und aus Liebe zur Arbeit und ihren Ergebnissen – angespornt durch das Vergnügen, etwas zu schaffen – die Ausschmückungen des Lebens zum Besten aller herstellen, die sie jetzt gegen Bezahlung zum Gefallen ein paar reicher Leute herstellen. Der Versuch, ein zivilisiertes Gemeinwesen zu schaffen, das ganz ohne Kunst und Literatur auskommen könnte, ist noch nicht gemacht worden. Doch der lange Niedergang und die Verrottung der Zivilisation könnten diesen Verzicht auf Genuss noch der Gesellschaft aufdrängen, wenn sie dabei ist, sich aus ihrer Asche zu erheben. Wenn das sein sollte, werden wir eine vorübergehende Phase des Utilitarismus hinnehmen als Boden einer wieder erstehenden Kunst. Wenn die Krüppel und Hungerleider aus unseren Straßen verschwinden, wenn die Erde uns alle in gleicher Weise nährt, wenn die Sonne für uns alle in gleicher Weise scheint, wenn sich jedem Einzelnen von uns und allen zusammen das herrliche Schauspiel der Erde – Tag und Nacht, Sommer und Winter – als etwas Bedeutendes und Liebenswertes offenbart, so können wir eine Zeitlang warten, bis wir uns von der Beschämung des vergangenen Verfalls gereinigt haben und bis die Kunst von Neuem in einer Bevölkerung erwächst, die sich von der Furcht des Sklaven und der Schande des Räubers freigemacht hat. Bis es soweit ist muss natürlich auf jeden Fall für die Humanisierung und Sinnerfüllung der Arbeit bezahlt werden, aber nicht mit dem Zwang zu langen Arbeitsstunden. Unsere Zeit hat Maschinen erfunden, die früheren Generationen als Ausgeburten wilder Träume erschienen wären, und von diesen Maschinen haben wir bis jetzt keinen Gebrauch gemacht. Sie werden »arbeitsparende Maschinen« genannt – eine allgemein übliche Bezeichnung, die das enthält, was wir von ihnen erwarten; aber unsere Erwartungen gehen nicht in Erfüllung. Was sie in Wirklichkeit tun, ist, den ausgebildeten Arbeiter in die Reihen der ungelernten hinabzudrücken, die »Reservearmee der Arbeit« zu vergrößern, d.h. sie steigern die Unsicherheit des Lebens der Arbeiter und intensivieren die Arbeit derer, die die Maschinen (als Sklaven ihrer Herren) bedienen. All dies machen sie nebenbei, während sie die Gewinne der Unternehmer erhöhen oder sie zwingen, diesen Gewinn in erbitterten Handelskämpfen untereinander zu verbrauchen. In einer wahren Gesellschaft würde man diese Wunder der Erfindungskraft in der ersten Zeit zur Verkürzung der Zeit verwenden, die mit beschwerlicher Arbeit verbracht wird; sie würde mit ihrer Hilfe so verringert werden, dass sie nur eine sehr leichte Last wäre. Das um so mehr, als diese Maschinen zweifellos sehr verbessert werden könnten, wenn es nicht länger davon abhinge, ob ihre Verbesserung sich für Einzelne »bezahlt macht«, sondern vielmehr, ob sie der Gesamtheit nützt. So viel über den gewöhnlichen Gebrauch der Maschinen, der wahrscheinlich nach einiger Zeit etwas eingeschränkt werden würde, wenn die Menschen zu der Überzeugung gelangt sind, dass sie keine Sorge für den nackten Lebensunterhalt zu hegen brauchen und gelernt haben, Interesse und Freude an der Handarbeit zu finden; die, wenn sie mit Überlegung und Verstand ausgeführt wird, anziehender gemacht werden kann als Maschinenarbeit. Da die Menschen ferner, von der ständigen Furcht vor dem Hunger befreit, ihre wirklichen Bedürfnisse herausfinden und sich nur von diesen leiten lassen werden, so werden sie es unterlassen, reine Nichtigkeiten, die man jetzt Luxusgegenstände nennt, oder das Gift und den Schund, die jetzt billige Waren heißen, herzustellen. Niemand wird Plüschhosen anfertigen, wenn es keine Bediensteten gibt, die sie tragen; niemand wird seine Zeit mit der Herstellung von Margarine vergeuden, wenn niemand gezwungen ist, auf echte Butter zu verzichten. Gesetze gegen Verfälschungen sind nur in einer Gesellschaft von Dieben notwendig – und in einer solchen Gesellschaft sind sie ein toter Buchstabe. Sozialisten werden oft gefragt, wie die gröbere und unangenehmere Arbeit in der neuen Ordnung der Dinge ausgeführt werden könne. Wer solche Fragen gründlich oder endgültig beantworten wollte, würde die Unmöglichkeit versuchen, für den Entwurf einer neuen Gesellschaft von den Bestandteilen der alten auszugehen, bevor wir wissen, welche dieser Bestandteile verschwinden und welche die Entwicklung überdauern werden, die uns zu der großen Wende führen. Doch es ist nicht schwer, sich Vereinbarungen vorzustellen, nach denen diejenigen, die die schwerste Arbeit verrichten, die kürzeste Arbeitszeit haben. Und noch einmal, hier findet das schon Gesagte über die Abwechslung in der Arbeit besondere Anwendung. Eine Einrichtung, bei der jemand sein ganzes Leben hoffnungslos mit der Ausführung ein und derselben bedrückenden und nie endenden Arbeit beschäftigt ist, passt sicher gut für die von den Theologen erdachte Hölle, aber kaum für eine andere Form der Gesellschaft. Ist diese schwere Arbeit schließlich von spezieller Art, so können wir annehmen, dass Freiwillige zu ihrer Ausführung gesucht würden, die sich bestimmt finden werden, oder die Menschen müssten im Zustand der Freiheit die Funken von Courage verloren haben, die sie als Sklaven besaßen. Und wenn es dann noch Arbeit gäbe, deren Widerwärtigkeit weder durch kurze Dauer noch durch unterbrechende Pausen, noch durch die Überzeugung ihres besonders herausragenden Nutzens (und des Ehrenvollen ihrer Ausführung) auf Seiten dessen, der sie freiwillig übernimmt, gemildert werden könnte – wenn es eine Arbeit gibt, die nichts anderes als eine Qual für den Arbeiter sein kann, was dann? Nun, dann wollen wir zusehen, ob der Himmel über uns einstürzt, wenn wir sie ungetan lassen, denn das wäre dann besser so. Das Ergebnis einer solchen Arbeit kann seinen Preis nicht wert sein. Wir haben nun gesehen, dass das halbtheologische Dogma, jede Arbeit sei unter allen Umständen ein Segen für den Arbeiter, heuchlerisch und falsch ist, dass jedoch anderseits die Arbeit gut ist, wenn sie von angemessener Hoffnung auf Ruhe und Vergnügen begleitet wird. Wir haben die Arbeit der Zivilisation auf die Waagschale gelegt und zu leicht befunden, da ihr meistens die Hoffnung fehlt, und deswegen erkennen wir auch, dass die Zivilisation einen furchtbaren Fluch über die Menschheit gebracht hat. Wir haben aber auch gesehen, dass die Arbeit der Welt sich hoffnungsvoll und genussreich ausführen lässt, wenn sie nicht durch Torheit und Tyrannei und im unaufhörlichen Kampf zwischen feindlichen Klassen vergeudet wird. Friede ist es daher, was wir brauchen, um hoffnungsvoll und mit Freude leben und arbeiten können. Friede, so heiss ersehnt, wenn wir den Worten Glauben schenken wollen, der aber in den Taten so beharrlich verworfen wird. Wir aber wollen mit ganzem Herzen für ihn eintreten und ihn um jeden Preis gewinnen. Wie hoch der Preis für ihn sein wird – wer vermag es zu sagen? Wird es möglich sein, ihn auf friedliche Weise zu erringen? Ach, wie könnte das sein? Wir sind von Unrecht und Dummheit so umgeben, dass wir in der einen oder anderen Weise unaufhörlich dagegen ankämpfen müssen: wir selbst werden das Ende des Kampfes vielleicht nicht erleben, vielleicht nicht einmal eine sichere Hoffnung darauf. Es kann sein, dass das Beste, was wir zu erleben hoffen können, die täglich zunehmende Verschärfung dieses Kampfes ist, bis er zuletzt in das Niedermetzeln von Menschen in einem wirklichen Kriegszug übergeht, der an die Stelle der langsameren und grausameren Tötungsarten des »friedlichen« Kommerzes tritt. Wenn wir in unserem Leben das noch erleben, werden wir viel gesehen haben; denn es wird bedeuten, dass die besitzenden Klassen selbst ihr Unrecht und ihre Räuberei offen bekennen und bewusst durch direkte Gewalttat verteidigen; und dann wird das Ende näher kommen. Doch auf jeden Fall und welche Form unser Kampf um den Frieden auch immer annehmen mag – wenn wir nur beharrlich und unerschütterlich nach ihm streben und ihn stets im Auge behalten, dann wird ein Abglanz dieses Friedens der Zukunft das Durcheinander und die Sorgen unseres Lebens erleuchten; mögen die Sorgen scheinbar winzig oder offenkundig tragisch sein: wir werden dann, wenigstens in unseren Hoffnungen, das Leben von Menschen führen. Die Gegenwart kann uns keine größere Belohnung als eben diese geben. Dieser Text wurde von William Morris 1884 zunächst als Rede gehalten. Er lebte von 1834 bis 1896 in London.