W. Anderson

Die Herrschenden, das Volk und die Verkünder der Wahrheit

1898

Und es begab sich im Zeitalter der Esel, das den Gelehrten als Zeitalter der Zivilisation bekannt ist, dass gewisse Leute über das Land herrschten. Diese Menschen nahmen (denn das Nehmen war ihre Manie) die Titel von Oberen, Grossgrundbesitzern und Kapitalisten an. Sie lebten vom Volke, denn sie nahmen alles Land und alle Werkzeuge der Produktion, die Verteilung und des Austauschs an sich, und liessen keine für des Menschen Söhne, für das Volk.- Und da das Volk von Brot lebte, so war es gezwungen, bei den herrschenden um die Erlaubnis zu betteln, das Land bearbeiten und die Maschinen benutzen zu dürfen, um Nahrung, Kleidung und Unterkommen für sich und seine Kinder zu beschaffen. Manchmal aber verweigerten die Herrschenden diese Erlaubnis, und so begab es sich, dass Viele verhungerten und auf der Landstrasse starben. Und viele töteten sich selbst, und Andere begaben sich in Sklaverei. Und viele gab es, die nahmen Nahrung, Kleidung und Unterkommen ohne die Einwilligung der Herrschenden; diese wurden ins Gefängnis geworfen und Verbrecher genannt. Denen aber, welchen erlaubt wurde, sich abarbeiten zu dürfen, wurde das Meiste von dem, was sie hervorbrachten, genommen durch das, was man Profit, Zinsen, Pacht, Miete und Steuern nannte.


Und das Volk beugte sich nieder und betete seine Herrscher an und sandte sie an einen Platz, den hiessen sie Parlament, um ein belustigendes Spiel zu treiben, das hiess Politik oder "du hinein, ich hinaus - du hinaus, ich hinein." Der grosse Zweck dieses Spieles war, zu sehen, welche Partei vom Volke den grössten Beifall erlangen und gleichzeitig das Volk um den grössten Betrag an Wohlstand und Freiheit berauben konnte. Zuweilen gewann eine andere Partei; aber das Volk verlor immer, denn es verstand das Spiel nicht. Die Herrschenden vernichteten alles Denken und das Volk verrichtete alles Arbeiten und alles Hungern. Man erzählte dem Volke, dass es immer der Gewinner sei bei dem kunstvollen Spiele Politik, und es glaubte dies, denn es verstand es nicht, und das war seine Natur,[:] dass es glaubte, was es nicht verstand.


Und es begab sich, dass im Laufe vieler Jahre einige vom Volke das Denken lernten, und sie sprachen zum Volke und sagten ihm, dass die Herrschenden Betrüger seien, dass sie das Land und die Mittel der Produktion, welche rechtlich dem Volke gehörten, gestohlen hätten. Und die Herrschenden wurden von Furcht erfüllt; sie wussten dass diese Leute das sprachen, was die Wahrheit war. Sie erregten einen Krieg gegen diese Männer mittels eines Kniffes; dieser Kniff bestand darin, Wahrheit durch Falschheit zu bekämpfen und Schmutz auf ihre Gegner zu werfen.

Und so erzählten die Herrschenden dem Volke, diese Lehrer der Wahrheit seien bezahlte Agitatoren, welche das Geld teilen und alle Leute mit Bomben in die Luft sprengen wollten. Und das Volk, welches die Gebräuche des hinterlistigen Spiels "Politik" nicht kannte, glaubte seinen Herrschern und ging hin und misshandelte und verspottete die Verkünder der Wahrheit. Und die Herrschenden warfen die Verkünder der Wahrheit ins Gefängnis und marterten und henkten sie; aber die Sprecher der Wahrheit liessen den Mut nicht sinken, denn sie sagten:"wir wollen warten".


Original in der anarchistischen Zeitschrift "Der arme Konrad" 1898. Übernommen aus: Mitteilungen deutscher Anarchisten; Ohne Nummer und Datum [ca. 1947]