Titel: Zuschlagen, wo es am meisten Schaden anrichtet
AutorIn: Kaczynski, Ted
Datum: 2002
Bemerkungen: Originaltite: „Hit where it hurts“, deutsche Übersetzung entnommen aus: „Theodore J. Kaczynski – Schriften aus dem Gefängnis“, herausgegeben in der „Reihe ketabha / Packpapierverlag“, 2010, Weggis/Osnabrück.

1. Das Ziel dieses Artikels

Das Ziel dieses Artikels ist es, einen ganz einfachen Grundsatz hinsichtlich des Kampfes und der menschlichen Auseinandersetzung zu aufzuzeigen und zu unterstreichen, einen Grundsatz, welchen die Gegner des technisch-industriellen Systems vernachlässigen. Der fragliche Grundsatz besagt, dass man in jeder Form von Kampf und Konflikt, wenn man gewinnen will, den Feind dort treffen muss, wo es ihm den grössten Schaden zufügt.

Ich meine damit nicht notwendigerweise körperliche Schläge oder jede andere Form von körperlicher Gewalt. In Diskussionen könnte „zuschlagen, wo es am meisten schadet“ etwa bedeuten, dass man die Diskussion und die Konfrontation auf diejenigen Argumente des Gegners bringt, wo er am schwächsten ist. In Präsidentschaftswahlen bedeutete das etwa, die eigenen Gegner gerade in denjenigen Staaten zu schlagen, welche am meisten Elektorenstimmen haben. Um das Prinzip zu diskutieren ist das Beispiel des physischen Kampfes aber recht anschaulich und deutlich..

Wenn jemand euch mit der Fast schlägt, könnt ihr euch nicht wirksam verteidigen, indem ihr auf seine Faust schlägt; so könnt ihr ihn nicht ausser Gefecht setzen. Um im Kampf zu siegen, müsst ihr den Gegner dort treffen, wo es ihm am meisten schadet. Das heisst: den gegnerischen Faustschlag vermeiden und die empfindlichen und verletzlichen Stellen am Körper des Gegners treffen.

Nehmen wir an, ihr wollt einen Bulldozer eines Forstunternehmens, das daran ist, die Wälder in der Nähe von euch zu fällen und die Stämme abzutransportieren, stoppen. Es wäre nun sinnlos, die Schaufel des Bulldozers, das Hauptwerkzeug, anzugreifen. Einen ganzen Tag lang müsste man auf sie loshämmern, um sie gebrauchsunfähig zu machen. Überdies wäre sie relativ leicht zu ersetzen. Gegen diese Schaufel, die „Faust“ des Gegners, kann man wenig. Um den Bulldozer zu besiegen, muss man diese „Faust“ vermeiden und die vitalen Teile des Bulldozers angreifen. Den Motor zum Beispiel kann man schnell und fast ohne Gewaltanwendung auf verschiedene Weise zerstören, wie das viele Radikale gut wissen.

An diesem Punkte muss ich deutlich sagen, dass es nicht meine Absicht, irgendjemandem einzureden, einen Bulldozer anzugreifen oder zu zerstören. (ausser er gehört der betreffenden Person). Auch alles Übrige, das hier steht, soll nicht als Aufforderung zu irgend einer Art ungesetzlicher Handlung verstanden werden. Ich bin Gefangener; ermutigte ich andere zu solchen Handlungen, hätte ich keine Chance, jemals aus dem Gefängnis herauszukommen. Ich benutze das Beispiel des Bulldozers nur, weil es klar und lebendig ist und von den Radikalen richtig verstanden wird.

2. Die Technologie ist das Ziel

Es ist weitherum anerkannt, dass die „Grund-Variable, welche den gegenwärtigen historischen Prozess bestimmt, mit der technologischen Entwicklung gegeben ist“ (Celso Furtado). Es ist die Technologie, welche vor jedem anderen gegenwärtig wirkenden Faktor für die Welt und ihre künftige Entwicklung ausschlaggebend ist und diese kontrolliert. Der „Bulldozer“, den wir zerstören müssen, ist also die moderne Technologie selbst. Viele Radikale haben das begriffen und sie wissen, dass es unsere Aufgabe ist, das ganze Industriesystem zu beseitigen. Unglücklicherweise legen sie aber zu wenig Achtung auf die Notwendigkeit, das System dort zu schlagen, wo es am meisten schadet.

Einen McDonald’s oder Starbuck’s zu zerstören ist unnütz. Um McDonald’s oder Starbuck’s kümmere ich mich nicht. Ich habe nie einen beschädigt und es ist mir auch gleich, ob jemand einen solchen zerstört oder nicht. Ich halte das nicht für eine revolutionäre Handlung. Wenn die ganze Kette von Fastfood-Läden zerstört würde, so wäre das für das System nur ein geringer Schaden; das technisch-industrielle System könnte leicht auch ohne Fastfood-Ketten überleben. Fastfood-Ketten angreifen trifft das System nicht am empfindlichsten Ort.

Vor einigen Monaten habe ich einen Brief von einem dänischen Jungen bekommen; er ist überzeugt, dass das System beseitigt werden muss, denn, wie erschreibt, „was könnte passieren, wenn man in dieser Weise weiterführe?“. Das ist sicher richtig, nur besteht seine Form von „revolutionärer“ Aktivität darin, in Pelzzucht-Farmen einzubrechen. Im Hinblick auf die Schwächung des technisch-industriellen Systems sind solche Aktionen vollständig unnütz. Auch wenn solche Aktionen der Tierbefreiung dazu führten, die Pelzindustrie zu beseitigen, so fügte das dem System keinen Schaden zu; dieses gedeiht auch bestens ohne Pelz weiter.

Ich bin einverstanden damit, dass wilde Tiere hinter Gitter zu halten, nicht toleriert werden kann. Diesem ein Ende zu setzen ist eine edle Sache. Es gibt aber noch viele andere edelmütige mögliche Handlungen, z. B. Verkehrsunfälle verhindern, oder den Obdachlosen eine Unterkunft zu geben, Abfälle zu recyclen, alten Menschen helfen, die Strasse zu überqueren. Trotzdem wäre es aber ziemlich lächerlich, solche Handlungen mit revolutionären zu verwechseln und sich einzubilden, sie schwächten das System.

3. Die holzverarbeitende Industrie ist ein zweitrangiges Problem

Heute kann, um zu einem weiteren Beispiel überzugehen, niemand vernünftigermassen annehmen, dass eine wirklich wilde Landschaft auf die Dauer überleben kann, wenn das technisch-industrielle System weiterbesteht. Viele ökologische Radikale sind davon überzeugt und hoffen auf einen Kollaps des Systems. In der Praxis greifen sie aber nur die holzverarbeitende Industrie an. Natürlich habe ich nichts gegen ihre Angriffe auf diese Industrie. Ja sie liegen mir sehr am Herzen und ich freue mich jedes Mal, wenn die Radikalen im Konflikt mit der Holzindustrie einen Erfolg erringen. Ich bin im übrigen der Meinung, dass die Opposition gegen diese Industrie einen Teil des Kampfes für die Umwälzung des Systems darstellt.

An und für sich ist der Angriff auf die Holzindustrie aber kein wirksamer Ansatz, um gegen das System zu arbeiten. Und gelänge es den Radikalen wirklich, die Fällung der Wälder hier und überall auf der Welt zu stoppen, so würde damit das System nicht über den Haufen geworfen. Auch die wilden Gebiete würden nicht definitiv geschützt. Früher oder später könnte sich das politische Klima wieder ändern und die Niederlegung urtümlicher Wälder würde wieder aufgenommen. Auch wenn das nicht der Fall wäre, würden andere Methoden erfunden, um diese wilden Zonen zu zerstören oder sie wenigstens zu unterjochen und zu zähmen. Tag- und Untertag-Bergbau zur Mineralgewinnung, saurer Regen, Klimawandel und die Ausrottung von Arten zerstören die wilden Gebiete. „Natur“-Pärke unterjochen und zähmen die Natur; für wissenschaftliche Studien zur Ressourcenverwaltung werden u. a. mittels elektronischem Gerät die Ortsbewegungen der Tiere untersucht. Oder Bäche werden mit Zuchtfischen besetzt; genetisch modifizierte Pflanzen und Bäume werden angebaut.

Die wilden Gegenden können nur durch die Beseitigung des techno- industriellen Systems endgültig gerettet werden. Und das kann nicht nur durch den Angriff auf die Holzerei-Industrie geschehen. Das System überlebte den Untergang dieser Industrie leicht. Holz, so nützlich es auch für die Produktion vieler Produkte ist, kann, wenn nötig, durch andere Materialien ersetzt werden.

Das heisst folglich, dass der Angriff auf die Holzerei-Industrie das System nicht dort trifft, wo es dabei am meisten geschädigt wird. Die Holzindustrie ist nur eine der „Fäuste“, mit denen das System die wilden Gebiete zerstört, und genau wie in einem Faustkampf kann man nicht siegen, wenn man auf die Fäuste schlägt. Man muss ihnen ausweichen und die empfindlicheren und lebenswichtigeren Organe treffen. Mit legalen Mitteln natürlich, wie z. B. friedlichen Protesten.

4. Warum das System stark ist

Das technisch-industrielle System ist aufgrund seiner sogenannten demokratischen Struktur und der daraus folgenden Flexibilität ausserordentlich stark. Die diktatorischen Systeme sind eher starr und die gesellschaftlichen Spannungen und der Widerstand können in seinem Innern wachsen und zunehmen, bis es geschädigt und geschwächt wird, woraus eine Revolution folgen kann. Wenn aber in einem „demokratischen“ System die gesellschaftlichen Spannungen und der Widerstand gefährlich ansteigen, so gelingt es dem System, Konzessionen zu machen und Kompromisse einzugehen, bis die Spannungen wieder zu einem unschädlichen Niveau absinken.

Im Verlauf der Sechzigerjahre nahmen die Leute zum ersten Mal zur Kenntnis, dass die Umwelt-Verschmutzung ein ernsthaftes Problem darstellt; vor allem die Luftverschmutzung begann für die Menschen in den grösseren Städten sichtbar und riechbar ein Ärgernis zu werden. Der Protest stieg an bis eine Agentur zum Umweltschutz eingerichtet wurde und Massnahmen zur Behebung des Problems ergriffen wurden. Natürlich wissen wir alle, dass die Verschmutzungsprobleme von ihrer Lösung weit entfernt sind. Immerhin wurde soviel unternommen, dass die Klagen und öffentlichen Proteste nachliessen; der Druck auf das System nahm für eine Reihe von Jahren ab.

Das System angreifen, ist demnach wie auf ein Stück Gummi einschlagen. Ein Hammerschlag vermag ein Gusseisen zu zerschlagen, wenn es leicht und hart ist. Bei einem Stück Gummi gelingt das mit einem Hammer nicht. Gummi ist flexibel und federt den Schlag nur ab. Das „demokratische“ industrielle System ist wie ein Stück Gummi: Es federt den Protest ab, wobei dieser seine Kraft und Wucht verliert. Am Schluss steht es wieder da wie zuvor und unversehrt.

Um das System dort zu treffen, wo es wirklich Schaden erleiden, muss man das System auf diejenigen kritischen Punkte und Probleme untersuchen, auf die es nicht mit einem Kompromiss antworten kann und deshalb auch in seinem Kampf ganz ausser sich gerät. Wir brauchen aber keinen Kompromiss mit dem System, sondern einen Kampf auf Leben und Tod.

5. Es ist unnütz, das System im Sinne seiner eigenen Werte anzugreifen

Es ist wesentlich, das System nicht im Sinne seiner technologischen Werte, sondern im Sinne der nicht-technologischen Werte anzugreifen. Greift man das System gemäss den Werten des Systems an, wird man es nicht dort treffen, wo es wirklich geschädigt wird und es wird diesem gelingen, dem Protest mittels einiger Zugeständnisse und Anpassungen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Wenn man zum Beispiel die Holz-Industrie vor allem mit dem Argument angreift, die Wälder seien für die Bewahrung der Wasserquellen und für die Erhaltung von Zonen der Erholung und Freizeit nötig, dann vermag das System sehr wohl, Schutzzonen freizugeben, um damit dem Protest seine Spitze zu brechen ohne dabei seine eigenen Werte kompromittieren zu müssen: Die Bestrebung zum Schutz der Quellen und Erholungszonen ist mit den Werten des Systems vollständig konform; errichtet das System im Namen des Quellschutzes und der Freizeit Schutzzonen, dann macht es nur einen taktischen Rückzug und erleidet keine strategische Niederlage in seinem Werte-Kodex.
Übt man auf das System Druck hinsichtlich Fragen und Problemen auf, welche Diskriminierung und Unterdrückung betreffen (siehe Rassismus, Sexismus, Homophobie oder Armut), so steht man nicht im Gegensatz zu den Werten des Systems und zwingt es auch nicht, Konzessionen zu machen und Kompromisse einzugehen. Im Gegenteil: Man unterstützt damit das System ganz direkt. Alle gewiefteren und intelligenteren Vertreter des Systems anerkennen, dass der Rassismus, Sexismus, die Verfolgung der Schwulen und der Armen für das System schädlich sind. Das System selbst ist bemüht, diese und viele andere Formen der Diskriminierung und Unterdrückung zu bekämpfen.

Die Sweatshops mit ihren tiefen Löhnen und schlimmsten Arbeitsbedingungen verschaffen gewissen Industrien einen hohen Profit; die intelligenteren und gewiefteren Vertreter des Systems aber wissen sehr wohl, dass das System als ganzes besser funktioniert, wenn die Arbeiter anständig entlohnt werden. Richtet man also die Aufmerksamkeit auf die Frage der Sweatshops, so hilft man dem System und schwächt es in keiner Weise.
Viele Radikale erliegen der Versuchung, sich auf unwesentliche Fragen wie den Rassismus, den Sexismus und die Sweatshops zu konzentrieren, weil das einfache Fragen sind. Sie wählen ein Problem, wo das System sich erlauben kann, Kompromisse zu machen und wo sie auch die Unterstützung von Leuten wie Ralph Nader, Winona La Duke, von Präsidenten und linken Reformisten bekommen. Unter Druck kann das System beträchtliche Konzessionen machen; die Aktivisten werten das als klares Ergebnis ihrer Anstrengung und haben dabei die angenehme Illusion, etwas erreicht zu haben. In Wirklichkeit haben sie für die Beseitigung des technisch-industriellen Systems weniger als nichts erreicht.

Die Frage der Globalisierung ist für die Technologie nicht vollständig irrelevant. Die Gesamtheit von ökonomischen und politischen Massnahmen, welche „Globalisierung“ genannt werden, fördern das ökonomische Wachstum und folglich auch den technologischen Fortschritt. Dennoch ist die Globalisierung von marginaler Bedeutung und ohne revolutionäre Sprengwirkung. Das System kann sich erlauben, in der Frage der Globalisierung Konzessionen zu machen, ohne dabei gänzlich auf die Globalisierung verzichten zu müssen. So kann es negative Auswirkungen der Globalisierung auf Umwelt und Ökonomien mildern und damit der Protestbewegung die Spitze nehmen. Letztlich könnte sich das System sogar erlauben, vollständig auf die Globalisierung zu verzichten. Ökonomisches Wachstum und technologischer Fortschritt wüchsen weiterhin, wenn auch in leicht geringerem Rhythmus. Womit ersichtlich wird, dass mit der Globalisierung nicht die Grundwerte des technisch-industriellen Systems angegriffen werden.
Die Opposition gegen die Globalisierung ist vor allem durch die Sorge um die Aufrechterhaltung anständiger Löhne und die Sorge und den Umweltschutz motiviert. Beide sind mit den Werten des Systems vollständig konform. (Das System kann sich seines Überlebens wegen nicht erlauben, dass die Zerrüttung der Umwelt weiter zunimmt.) Folglich trifft man mit dem Kampf gegen die Globalisierung das System nicht wirklich. Daraus können nur Reformen hervorgehen, die zur Zerschlagung des technisch-industriellen Systems nichts beitragen.

6. Die Radikalen sollen das System in seinen wesentlichen Teilen angreifen.

Um wirksam auf die Beseitigung des technisch-industriellen Systems hinzuarbeiten müssen die Revolutionäre das System an diesen Punkten attackieren, wo dieses sich nicht erlauben kann Terrain abzugeben. Die vitalen Organe des Systems stellen solche Punkte dar.
Natürlich meine ich mit dem Wort „attackieren“ nicht physischen Angriff, sondern ausschliesslich die legalen Formen von Protest und Widerstand.
Beispiele für lebenswichtige Organe des Systems sind:

  1. Industrie der Produktion von Elektrizitätsenergie. Das System hängt zudem vollständig vom Verteilungsnetz ab.

  2. Kommunikationsindustrie. Ohne schnelle Kommunikationslinien wie Telephon, Radio, Fernsehen, e-mail usw. könnte das System nicht überleben.

  3. Computerindustrie. Wir wissen genau, dass das System ohne Computer schnell zusammenbräche.

  4. Propagandaindustrie. Diese schliesst die Unterhaltungsindustrie, die Show, das Bildungssystem, den Journalismus, die Werbung, die Öffentlichkeitsarbeit und den grössten Teil der Politik und der Industrie der Mentalhygiene ein. Das System kann nicht funktionieren, wenn die Leute nicht brav und gleichgeschaltet genug sind, damit sie sich ordnungsgemäss verhalten, damit das System gut funktioniert. Die Funktion der Propagandaindustrie besteht darin, die Leute anzuleiten, wie sie denken und sich verhalten müssen.

  5. Die biotechnologische Industrie. Das System ist noch nicht (soweit ich weiss) physisch von der fortgeschrittenen Biotechnologie abhängig. Dennoch kann sich das System nicht erlauben, die biotechnologische Herausforderung abzuschlagen; sie ist von lebenswichtiger Bedeutung, wie demnächst kurz zeigen möchte.

Noch einmal: Wenn man diese lebenswichtigen Organe des Systems angreift, so darf das nicht in Bezug auf die Werte des Systems selbst geschehen, sondern nur in Bezug auf die Werte, welche diesen vollständig entgegengesetzt sind. Ein Beispiel: Wenn man die heutige Industrie zur Erzeugung von elektrischer Energie deshalb angreift, weil sie die Umwelt verschmutze, so kann das System dem Protest die Spitze brechen, indem sie Mittel und Werkzeuge entwickelt, welche Elektrizität auf sauberer und sichere Weise herstellen. Letztlich könnte das System dazu übergehen, gänzlich auf Solar- und Windenergie überzugehen. Damit würden die Umweltschäden stark verringert, das technisch- industrielle System wäre dabei aber nicht an sein Ende gelangt und auch die Grundwerte des Systems erlitten keine Niederlage. Um etwas wirklich dem System Entgegengesetztes zu bewirken, muss man die ganze Produktion von elektrischer Energie angreifen; das ist eine Prinzipienfrage, welche auf der Tatsache beruht, dass die Abhängigkeit von der Elektrizität die Menschen vom System abhängig macht. Diese prinzipielle Sichtweise ist mit den Werten des Systems vollständig unvereinbar.

7. Die Biotechnologie könnte das beste Ziel für einen politischen Angriff bilden

Wahrscheinlich stellt die biotechnologische Industrie das am meisten versprechende Ziel eines politischen Angriffs dar. Wen die Revolutionen auch im allgemeinen von einer Minderheit gemacht werden, so ist es doch ziemlich nützlich, einen gewissen Grad von Unterstützung, von Sympathie und letztlich sogar von Zustimmung von Seiten der Mehrheit der Bevölkerung zu haben. Diese Unterstützung oder Zustimmung zu erlangen ist das Ziel politischen Handelns. Konzentriert sich dagegen der Angriff auf die Industrie der elektrischen Energie, ist es sehr schwierig, über den kleinen Kreis der Radikalen hinaus eine gewisse Unterstützung zu erlangen, ist doch der Grossteil der Leute nicht bereit, die eigene Lebensweise zu ändern, weil das Unannehmlichkeiten und beschwerliche Umstellungen mit sich bringt. Somit werden nur wenige Menschen fest entschlossen sein, die Elektrizität aufzugeben.

Noch fühlen sich die Menschen aber von der fortgeschrittenen Biotechnologie nicht abhängig, anders als von der Technologie der Elektrizität. Das heisst, dass die Beseitigung der Biotechnologie ihr Leben nicht radikal verändert. Im Gegenteil, man muss den Menschen zeigen, dass die fortgesetzte Entwicklung der Biotechnologie ihre Lebensweise verändern wird und die traditionellen menschlichen Werte vernichtet. Damit könnten die Radikalen im Kampf gegen die Biotechnologie zu ihren Gunsten den natürlichen Widerstand der Menschen gegen Änderungen mobilisieren.

Auf dem Feld der Biotechnologie kann es sich aber das System nicht erlauben, zu verlieren. Es wird sich dafür bis zum Äussersten schlagen, und genau das macht die Sache für uns interessant. Aber auch hier, ich wiederhole das, ist es wichtig, die Biotechnologie nicht im Sinne der Werte des Systems, sondern im Sinne der Werte anzugreifen, welche diesen entgegengesetzt sind.
Greift man zum Beispiel die Biotechnologie hauptsächlich darum an, weil sie der Umwelt schadet oder weil die genetisch veränderten Lebensmittel für die Gesundheit schädlich sind, so kann das System den Angriff aufspalten, Konzessionen machen oder Kompromisse eingehen, etwa, indem grössere Kontrollen in der Genforschung durchgeführt wird oder strengere Normen und Prüfungen an den genetisch modifizierten Organismen durchgeführt werden. Damit sinkt die Angst der Leute.

8. Die ganze Bio-Technologie muss aus Prinzip angegriffen werden.

Statt diese oder jene negative Konsequenz der Biotechnologie anzugreifen, muss die ganze moderne Biotechnologie auf der Grundlage folgender Prinzipien angegriffen werden: a) sie stellt eine Beleidigung alles Lebendigen dar; b) sie stellt für das System eine zu grosse Macht in ihren Händen dar; c) sie wirft die grundlegenden Werte der Menschen über den Haufen, welche sich in Tausenden von Jahren herausgebildet haben; und weitere Prinzipien, welche den Werten des Systems entgegengesetzt sind.

Das System wird solche Angriffe bekämpfen. Es kann sich niemals erlauben, einen Angriff zu ignorieren, der es sehr zurückwirft; die Biotechnologie ist zu zentral und grundlegend für das komplexe Vorhaben des technologischen Fortschritts; in dieser Angelegenheit zurückgeworfen zu werden, bedeutete für das System nicht nur einen taktischen Rückzug, sondern bedeutete, eine grosse Niederlage im Kodex der eigenen Werte hinzunehmen. Diese Werte sähen sich untergraben und es öffnete sich die Tür zu weiteren politischen Angriffen, welche die Grundlagen des Systems zertrümmerten. Unlängst hat die Deputiertenkammer der Vereinigten Staaten ein Gesetz verabschiedet, welches die Klonung menschlicher Wesen verbietet und einige Mitglieder des Kongresses haben sogar gute Argumente für seine Anwendung vorgebracht. Sie waren in religiösen Begriffen formuliert. Jenseits davon, was man über religiöse Argumente in dieser Sache auch denken mag, so sind diese Argumente technologisch nicht annehmbar. Und das ist es, was zählt.

Diese Entscheidung der Kongressmitglieder bezüglich Klonung von Menschen war also eine wirkliche Niederlage für das System. Es war aber nur eine kleine Niederlage, denn das Verbot betrifft nur einen kleinen Teil der Biotechnologie und die Klonung von menschlichen Wesen ist für das System in naher Zukunft keine Notwendigkeit. Immerhin zeigt der Fall, dass die Frage der Biotechnologie ein Schwachpunkt des Systems ist und dass ein breiterer Angriff auf die Biotechnologie dem System und seinen Werten schweren Schaden zufügen kann.

9. Die Radikalen greifen die Biotechnologie noch nicht effizient an

Einige Radikale greifen die Biotechnologie politisch und physisch an, erklären sich aber, ich weiss nicht warum, in Wertkategorien, die dem System nicht fremd sind. Ihre Proteste weisen auf die Gefahr der schweren Umweltschädigung und Gefahr für die Gesundheit.

Damit wird aber die Biotechnologie nicht da getroffen, wo es am meisten Schaden anrichtet. Um wieder einen Vergleich mit einem körperlichen Kampf zu bringen: Sagen wir, wir müssten uns gegen eine Riesenkrake verteidigen. Da nützt es wenig, Tentakel abzuschneiden; man muss den Kopf treffen. Soviel ich von Aktionen von Radikalen gegen die Biotechnologie gelesen habe, so schneiden sie, um im Vergleich zu bleiben, nur Tentakel ab. Sie versuchen gewöhnliche Bauern individuell davon zu überzeugen, kein genetisch verändertes Saatgut zu verwenden. Nun gibt es aber Tausende von Landwirtschaftsbetrieben; dieses Unternehmen, einen Bauern nach dem andern zu gewinnen, ist folglich extrem wenig effizient. Da wäre es schon aussichtsreicher, die Wissenschafter in der Biotech-Industrie oder die Funktionäre auf dem Feld, etwa von Gesellschaften wie Monsanto, zu überzeugen von der Biotechnologie abzulassen. Die guten Forscher haben eine Spezialausbildung und sind daher schwierig zu ersetzen. Das gilt auch für die Manager und Kader der grossen Unternehmen. Nur schon wenige von ihnen zu überzeugen, hätte eine ungleich grössere schädliche Auswirkung auf die Biotech-Industrie.

10. Zuschlagen, wo es am meisten Schaden macht

Es ist eine offene Frage, ob die Biotechnologie wirklich der Schwachpunkt ist, wo das System am besten angegriffen werden kann. Zweifellos vergeuden die Radikalen von heute viel von ihrer Energie auf Fragen, die wenig oder keine Relevanz für das Überleben des Systems haben. Und wo sie die richtigen Schwachpunkte sehen, greifen sie sie nicht so an, dass ein wirklich grosser Schaden entsteht. Statt den verschiedenen Gipfeltreffen des Weltmarktes hintennach zu rennen und seine Wut gegen die Globalisierung abzulassen, täten die Radikalen gut daran, ein bisschen nachzudenken und das System daraufhin zu untersuchen, wo man es am entscheidendsten treffen kann.
Mit legalen Mitteln, selbstverständlich ...