Anonym

My little Big Brother

Wie der persönliche Assistent das Leben verkümmert

1.1.2019

Endlich! Jemand, der mir immer hilft, der mir lästige zeitraubende Aufgaben abnimmt. Jemand, der die Schnauze hält wenn ich Ruhe brauche und mich Unterhält wenn ich in Stimmung bin. Und weiß was mich wirklich interessiert. Jemand, der Intelligent ist wie Wikipedia und erkennt, was für mich in der Informationsflut entscheidend ist. Jemand, der meinem Leben Struktur gibt und auf den Verlass ist. Jemand, der überall und immer für mich da ist. Jemand, der mir gehorcht.

Ein moderner persönliche Diener soll das Leben erleichtern und dir mehr Zeit für die „wesentlichen“ Dinge im Leben ermöglichen. Per Zuruf die Zeitung vorlesen lassen, eine Serie auf dem Fernseher starten, das Licht dimmen, eine E-mail schreiben, Chatten, einen Friseurtermin buchen lassen, Aktien verwalten, virtuelle Tiere simulieren, Schuhe kaufen, eine lockere Unterhaltung führen oder auch einfach nur für dich da sein. Ohne lästige Widerrede, ganz ohne Scham. Das alles verspricht der Google Assistant oder Anwendungen anderer Anbieter von beispielsweise Apple oder Amazon, die mit künstlichen Intelligenzen (KI) arbeiten. Diese KIs sind erreichbar über das Smartphone, den Lautsprecher Google Home, die Google Glass - Brille, eine Smartwatch, die Mikrowelle oder über Autos. Sie sollen in Zukunft in möglichst vielen Geräten überall um uns herum vernetzt sein und sind damit ein Baustein der totalen Überwachung des Smart Home und der Smart City.

Die KI mit automatischer Gesichts- und Stimmerkennung, die auf den Servern beispielsweise bei Google läuft und immer überall erreichbar ist, erstellt mit der Zeit ein persönliches Profil, „lernt dich kennen“ und lernt dich optimal zu unterstützen und dir Aufgaben abzunehmen. Dieses Kennenlernen basiert auf „Big Data“, also der Sammlung möglichst umfangreicher Informationen, ohne die ein Agieren einer KI oder das Eingehen auf individuelle Wünsche nicht möglich wäre. Die Personalisierung der Geräte ist also untrennbar verbunden mit der exzessiven Sammlung von persönlichen Informationen durch Konzerne. Der „gläserne Mensch“ alter Science-Fiction steht kurz bevor. Belohnt wird dieser Wahnsinn mit absoluter Praktikabilität und dem Gefühl umsorgt zu sein, da einem Aufgaben abgenommen werden. Ein kleiner technischer Trick, der jedoch niemals die menschliche Wärme und Unberechenbarkeit, die zwischenmenschliche Spannung, ersetzen kann.

Außerdem benötigt ein selbstständiges und empathisches Wesen Fähigkeiten der Selbstorganisation, der Planung, des Strukturierens, der eigenen Überwindung und des Agierens in Konflikten. Diese Fähigkeiten müssen erlernt und geübt werden, sie sind Grundlage selbstbestimmten und verantwortungsvollen Handelns und somit jeder Freiheit. Durch die Abgabe von Aufgaben, Herausforderungen und auch einfachsten Handlungen, gehen diese Fähigkeiten verloren und die Freiheit wird im Netz gefangen.

Hinzu kommt, dass Monopole der Informationen entstehen, von denen die Geheimdienste jeder je existierten Diktatur nur träumen konnten. Denn die Sammlung personalisierter Informationen ermöglicht Überwachung und Steuerung, das ist nichts neues. Wozu nun die Daten irgendwann genutzt werden weiß niemand, aber erst einmal sind sie für immer da und bieten die Grundlage einer Kontrolle und Beeinflussung, die tief in unsere alltäglichen Gewohnheiten, unsere sexuellen Vorlieben, in unsere Beziehungen und Gefühle eingreifen.

Das ist der Grund des Google Assistant: die totale Kontrolle und damit Verwertbarkeit jedes Bereiches des Lebens. Uns muss bewusst sein, dass entgegen der Annahme, diese Dinger seien hilfreich für uns, diese Konzepte für die Ausbeutung durch die Konzerne und die Abhängigkeit von Produkten konzipiert wurden.

Doch wie nun damit umgehen, wenn unsere Umgebung immer mehr vernetzt wird von Geräten, die immer mithören? Eine Möglichkeit ist, mit Leuten nicht mehr zu reden wenn Alexa oder Google Home zuhören oder die Google Glass mitschaut. Endgeräte können auch zerschlagen oder mit einem starken Magnet beschädigt werden. Dauerhaft werden sie aber wohl fast überall auftauchen, was es jedoch nicht weniger notwendiger macht, die eigene Ablehnung auszudrücken und gleichzeitig die Schaffung strahlungsfreier Inseln mittels Jammern (Sendungsunterbrecher) notwendig macht.

Neben den Leuten, die diese Geräte nutzen, tragen die Firmen und die pushende Politik jeglicher Couleur die Hauptverantwortung an diesen Entwicklungen. Diese Ideen und Strukturen können also auch konkret attackiert werden. Das umfassende Netz ist überall und somit überall angreifbar, die Firmen und Start-Ups die an Künstlicher Intelligenz und smarter Überwachung arbeiten, sind leicht heraus zu finden. Diese Verwundbarkeiten können Hebel sein, die Ideen der digitalen Herrschaft anzugreifen und die Selbstorganistion sowie die eigene Verantwortung einer Welt ohne Ausbeutung und Fremdbestimmung entgegen zu stellen und zu üben.


SHITSTORM – Anarchistische Zeitung – Berlin, Januar 2019 - #3