Titel: Postaktivistische Perspektiven
Untertitel: Interview mit Leuten, die bei der Besetzung des Dannenröder Forst dabei waren. Über die Zerstörung, die uns umgibt. Und jene, die wir begrüßen und vorantreiben.
AutorIn: In der Tat
Datum: Frühling 2022
Quelle: Entnommen aus der Zeitschrift In der Tat. Anarchistische Zeitschrift. Nummer 14, Frühling 2022

Was hat euch ursprünglich motiviert zur Waldbesetzung dazuzustoßen?

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Ich hab schon seit ein paar Jahren als Landstreicher gelebt, aber ich wollte nicht nur außerhalb des Systems leben, sondern was gegen das System tun und der Zerstörung der Umwelt etwas entgegensetzen. Bevor ich in den Dannenröder Forst bin, war ich im Hambi, aber der Hambi war zu der Zeit nicht besonders aktiv und ich hatte nicht das Gefühl dort besonders viel machen zu können, deshalb hat es Sinn gemacht die neue Besetzung auszuchecken.

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Ich finde Besetzungen einen guten Weg Räume von der kapitalistischen Logik zu „befreien“. Es entsteht Raum für Spontanität, Kreativität und um ein anderes Miteinander auszuprobieren. Das wollte ich miterleben und den Cops die Räumung erschweren. Walder zu zerstören geht nicht klar und die staatliche Durchsetzung von Kapitalinteressen auch nicht. Wälder sind auch Rückzugsund Freiräume inmitten der durchgeplanten Welt. Der Wald bietet Schutz, ist weniger überwacht (Kameras etc.) und da es keine Straßen und Mauern gibt eröffnet es neue Wege, Verstecke und Lebensweisen.

Hattet ihr spezifische und greifbare Ziele als ihr in den Wald gekommen seid? Seid ihr mit bestimmten Projektualitäten in den Wald gekommen, die über den spezifischen Kampf (gegen die A49) hinausgehen? Haben sich diese Projektualitäten während euer Erfahrungen im Wald verändert?

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Ich hatte keine greifbaren Ziele. Also vor allem ging ich da auch nicht mit der Erwartung hin, dass wir den Wald „retten“ könnten, aber etwas gegen die Räumung zu tun. Ich finde eine gewisse Erwartungslosigkeit schafft Freiraum im Handeln. Die Besetzung geht für mich klar über den Kampf gegen die A49 hinaus, weil dort ein Momentum entsteht, das sich den Regeln des kapitalistischen Systems widersetzt und das kann viele Ausdrucksund Aktionsformen annehmen. An meinen Zielen Machtstrukturen anzugreifen, aufzubrechen und abzubauen hat sich nicht viel geändert die Motivation das zu tun hat sich durch die Erfahrungen im Wald, die so schön wie hart waren, noch weiter verfestigt.

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Nicht wirklich. Ich hatte keinen Plan. Als ich zur Besetzung dazugestoßen bin, bin ich nichtmal davon ausgegangen mehr als ein paar Wochen zu bleiben.

Was könnt ihr über soziale Beziehungen in solchen breit aufgestellten aktivistischen Kämpfen, wie Waldbesetzungen, sagen? Konntet ihr Affinitäten, die über den spezifischen Kampf hinausgehen, entwickeln?

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Auf jeden Fall. Für mich war der Danni der Beginn eines neuen Lebens. Die meisten Leute, mit denen ich Zeit verbringe und mit denen ich was zusammen mache, sind Freundinnen aus dem Danni. Nach der Räumung haben wir alle verschiedene Richtungen eingeschlagen, aber wenn ich an irgendeine Action oder ein Projekt denke, dann sind fast alle Leute, die mir einfallen, wenn’s darum geht wer mitmachen könnte, Leute aus dem Wald. Mit ein paar Freundinnen aus dem Wald wollen wir auch ein Stück Land kaufen und eine anarchistische Kommune gründen, wo wir länger leben können. Ich weiß auch, dass wenn ich irgendeine Form der Unterstützung brauche, dass es eine Menge Freundinnen aus dem Danni gibt, auf die ich zugehen kann. Im Danni zu leben und Widerstand gegen die Räumung zu leisten war eine einprägsame Erfahrung und wir wissen alle noch wer die Gefährtinnen waren, die an unserer Seite gestanden sind und bei vielen glaube ich, dass wir bis zu unseren letzten Tagen Freundinnen bleiben werden.

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Die Menschen im Wald hatten so ziemlich verschiedene Ansichten. Dafür gabs da auch gefühlt genug Raum. Es bildeten sich unterschiedliche „Barrios“ in welchen unterschiedliche politische Sichtweisen und Lebensarten fokussiert wurden (z.B. strictly-vegan, anti-deutsch, „we dont do dishes and plenaries“). Klar gabs kapitalismus- und herrschaftskritische Grundgedanken und gleichzeitig auch viel Diskussion und Reibung. Was alle irgendwie vereint hat war der gemeinsame Kampf und so pathetisch das klingt, auch die daraus entstandene Solidarität. Von Anwohner*Innen, die nachts um zwölf warmes Essen bringen oder vor den Gefangenensammelstellen warteten, zu den vielen Menschen, die sich morgens um fünf in die Bäume hängen um da den ganzen Tag rumzusitzen um sich am Ende einsacken zu lassen. Desto länger die Cops die Leute im und um den Wald terrorisiert haben, desto stärker wurde auch dieses Gefühl des gemeinsamen Kämpfens. Ich erinnere mich wie ich mal am Feuer saß, inmitten all der Zerstörung. Alle wussten, dass unser Barrio sehr bald komplett geräumt werden würde und ich sah schöne und mutige Menschen um mich rum, die sich all dem entgegenstellten und zusammenhielten. Diese Momente haben mein Herz gewärmt und mir auch weiter Kraft gegeben Nacht für Nacht Baumstämme durch den Wald zu tragen oder andere Dinge zu tun... Und genau das ist auch eine gefühlte und sehr erlebbare Einstellung, welche dieser Welt, die uns so voneinander entfremdet, entgegensteht. Ich möchte hier auch Ella erwähnen, die seit der Räumung im Knast sitzt: Du bist nicht allein. Im Wald sind für mich so einige tiefgehende Freund*Innenschaften entstanden. Menschen, mit denen ich sehr close und im Austausch bin. Was wir zusammen erlebt haben, verbindet uns auf jeden Fall sehr. Wir haben seitdem auch noch einige weitere Aktionen zusammen gemacht oder uns dabei unterstützt. Diese Affinitäten bestärken mich auch weiterhin, jetzt wo ich gerade wieder mehr in städtischen Strukturen eingebunden bin und versuche vieles, was mir im Kontext des Waldes leichter fiel, mehr in meinen Alltag zu integrieren.

Was bedeutet der Begriff „Aktivismus“ für euch? Hat sich eure Einstellung zum Aktivismus durch eure Erfahrungen geändert?

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Ich finde das Label „Aktivismus“ und „Aktivist?1 schwierig, als bräuchte es eine bestimmte Fähigkeit „aktiv“ zu werden. Und wo fängt „aktiv werden“ überhaupt an? Gleichzeitig schafft es eine Trennung zwischen denen die „nur“ Supporten oder unsichtbare Dinge tun und denen, die sich an die vorderste Front begeben (können), über was sich dann auch mehr profiliert werden kann. Es gibt schon öfters in Strukturen dieses mackerhafte „rein die Aktion zählt“. Mal im Ernst, ohne all die Arbeiten im Hintergrund wäre die ganze aktionistische Komponente gar nicht erst möglich. Strukturen aufbauen und stärken, sowie „Arbeit nach Innen“ ist für mich die Basis und wird auch zunehmend relevanter, besonders im Hinblick darauf, nachhaltig „aktiv“ bleiben zu können. Ich bin mir auch nicht mehr so sicher, ob und in wie weit ich mich den Cops in so einem Szenario noch „direkt aussetzen“ will. Keine Frage, dass wir unsere „körperliche Unversehrtheit“ den Bullen in den Weg stellen ist ein wichtiges Mittel für eine Besetzung. Jedoch sitzt eins dann dort oben auf den Bäumen so ziemlich in der Falle, die Cops bekommen dich, bekommen Informationen über dich, beladen dich mit Repressionen. Außerdem ist das alles zunehmend kein unvorhersehbarer Aktionsraum mehr für Cops. Neben der daily occupation routine gibt es noch ein ganzes Spektrum an überraschenden, unvorhersehbaren Aktionen. Ich denke, das wieder mehr in den Fokus zu rücken, das wird zunehmend wichtiger. Denn Cops rüsten ständig auf, sammeln eine Unmenge an Daten und bereiten sich noch weiter auf derartige Szenarien vor.

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Ich hasse den Begriff Aktivismus. Meinen Überzeugungen und meiner Moral zu folgen ist etwas ganz Normales und wenn wir damit anfangen das Aktivismus zu nennen, dann trennen wir das von unserem alltäglichen Leben. Aktivismus wird dann zu einer Handlung, die du nur manchmal machst und die nur Aktivistinnen machen. Einen Wald für eine Autobahn zu roden ist nach meinen Überzeugungen falsch und deshalb werde ich, wenn ich die Kapazitäten habe, versuchen etwas dagegen zu tun. Ich glaube, dieses ganze Aktivismus-Ding ist einer der vielen Gründe für die Passivität der Leute. Wir müssen mit diesem ganzen Aktivismus-Scheiß aufhören und eine Gesellschaft schaffen, in der alle versuchen nur Dinge zu tun, die sie richtig finden und mit Dingen aufzuhören, die sie falsch finden. Unser größtes Problem sind nicht die paar Leute an der Macht sondern die stille Mehrheit, die blind gehorsam ist und nicht Verantwortung übernimmt um das Richtige zu tun. Das zeigt sich auch stark darin, wenn Leute bei Waldbesetzungen in zwei Gruppen unterteilt werden: Aktivistinnen und Unterstützetinnen. Aktivistinnen sind jene Leute mit Aufnähern auf ihrer dunklen Kleidung, die in Bäumen leben. Die anderen Leute sind nur Unterstützetinnen, die ihnen Schokolade bringen oder sie zum Bahnhof fahren. Ich habe beobachtet, dass viele Leute in dieser Unterstützer*innen-Rolle bleiben wollen und nicht selbst direkte Aktionen setzen wollen. Aber wir Waldleute fordern sie darin oft auch und stecken alle, die nicht Teil unserer Subkultur sind, in die Unterstützer*innen-Rolle. Wir müssen diese Trennung loswerden und anstatt Aktivistinnen und Unterstützerinnen zu sein, sollten wir einfach Leute sein, die alle verschiedene Handlungen für ein gemeinsames Ziel setzen. Jede*r von uns die Art von Handlung, die zu uns passt. Das Erste, was wir tun können, ist aufzuhören uns Aktivistinnen und andere Leute Bürgis oder Unterstützerinnen zu nennen. Im letzten Wald, in dem ich gelebt habe, habe ich Leute, die mit uns gekämpft aber nicht im Wald gelebt haben, einfach Freundinnen genannt.

Wann immer wir spezifischen Kämpfen begegnen, finden wir eine starke Tendenz zu Aufrechnungen, z.B. wieviel Schaden wurde während der Aktionen angerichtet und wieviel Schaden verhindert. Was denkt ihr darüber? Denkt ihr außerdem, dass es einen Wert hat, eine Rechnung über den Schaden aufzustellen, der den „bösen“ Firmen zugefügt wurde?

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Die Räumung mit tausenden Cops kostet viel Geld, was auf der einen Seite natürlich auch Schadenfreude in mir auslöst — und gleichzeitig ist es wohl auch die Sprache unserer kapitalistischen Welt, eben alles einen Wert zu geben, denn nur dann ist es etwas „wert“. Jeder Baum bekommt einen Preis... Zumindest gabs schon einen kleinen „Aufschrei“ und es wurde ein überregionales Thema, aber inwieweit für die Leute rüberkam wie absurd der ganze Einsatz einfach ist, bleibt fraglich. Obwohl es offensichtlich ist, dass eine Autobahn einen uralten Wald und ein Trinkwasserreservat zerstört und der Staat sich für Kapitalinteressen durch Wälder prügelt. Währenddessen hetzt die „Bild-Zeitung“ gegen die nichtarbeitenden Waldbesetzis, die das Steuergeld der Arbeiterinnen verschwenden und dabei die „arme“ Polizei mit allerhand bewerfen. Es erschreckt mich immer wieder wie tief kapitalistisch bedingte Denkmuster vom Outcome und Wert einer Sache in uns sitzen. Oder wie es mir während den Monaten im Wald schwer viel, auch einfach mal nichts zu tun, nicht „produktiv“ zu sein. Klar, wurde der Druck von außen immer größer, das spielt da schon auch mit rein. Ich versuche mich zunehmend von dieser Sprache und Denke frei zu machen, die mir ein Leben lang eingetrichtert wurde und so Raum für Spontanität zu schaffen oder dafür, dass nicht alles was wir tun, „funktionieren“ muss. Es tut mir gut, Aktionen außerhalb ihrer „Effektivität“ zu sehen, sondern wie sie sich im Moment anfühlen, wie sie die Rahmenbedingungen unserer Welt mal kurz ins Wanken bringen, wenn auch nur für mich und einige wenige. Ich will mein Tun nicht daran bemessen, wie viele Leute es auf die Straßen / Bäume bringt, wie viele Euro Schaden es verursacht — klar, kann das ein Nebeneffekt sein. Aber ich habe Bock ganz in dem einzutauchen, was ich tue und mag es auch nur noch so ein kleiner Furz ins Angesicht dieser verödeten Welt sein.

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Ich glaube es macht immer Sinn darüber nachzudenken was unsere Aktionen mit sich bringen. Wenn ich zum Beispiel gekaufte Plastikseile benutze um damit zu verhindern, dass viele Tonnen Beton in einen Wald geschüttet werden um eine Autobahn zu bauen, dann macht das Sinn. Aber, wie gesagt, wenn wir Dinge wie Plastik oder andere zerstörerische Dinge benutzen, sollten wir immer nachdenken ob das Sinn macht und ob wir das nicht vermeiden können und vielleicht eher Recyclingmaterialien oder natürliche Materialien benutzen können. Im Dann! haben wir 40.000 Euro für Plastikseile ausgegeben. Die sind billig, also haben wir die Umwelt mit unheimlich viel Plastik belastet. Ich denke, es hat Sinn gemacht die Seile zu benutzen, aber was mir nicht gefallen hat war, dass oft verschwenderisch mit ihnen umgegangen werden ist. Wir hätten halb so viel Polyprop-Seile mit den gleichen Ergebnissen nutzen können, aber naja... Was den Schaden an Firmen betrifft: Ich denke jeder Schaden ist gut. Größerer Schaden ist natürlich besser als kleinerer Schaden, aber in jedem Fall sind wir bei Firmen wie der STRABAG weit davon entfernt sie durch den ökonomischen Schaden, den wir durch unsere Aktionen anrichten, zu zerstören. Deshalb denke ich, dass das was zählt, die Aktion selbst ist und nicht wieviel Euro diese Firmen verloren haben.

Jeglicher Struggle, der leichter zugänglich ist, zieht Menschen an, die gerne das Spiel der Medien mitspielen, z.B. darauf zu achten was für „die Öffentlichkeit“ gut oder schlecht aussehen könnte. Was denkt ihr darüber? Wie geht ihr mit diesen Menschen um?

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Solange wir das Spiel der Medien und Mehrheitsgesellschaft mitspielen, unterstützen wir das patriarchale System, das uns unterdrückt. Uns wurde ein Leben lang eingetrichtert, wie wir da reinpassen und auch welche Arten von „Ungehorsam“ und „Widerstand“ noch ok sind, nämlich unter anderem „gewaltfreie“. Es ist fast egal was die Medien schreiben, denn sie reproduzieren immer wieder die gleichen Denkmuster und so bleiben die Grundfesten dieses gewalttätigen Systems so ziemlich dieselben, ohne überhaupt als gewalttätig zu gelten. Cops haben Menschen auf 20 Metern Höhe gefasert, Seile wo Leben dranhängen durchgeschnitten und Leute eingesperrt was „gesellschaftlich toleriert“ wird. Solange alles was wir tun sich daran orientiert wie gut das für unser „Image“ ist, nur damit uns die Leute nett finden, bleiben wir stecken. Irgendwo im Wald stand ein Tag im Sinne von „An das pazifistische Arschloch, das meine Tags gegen die Cops durchstreicht: reflektiere deine Privilegien.“ Die „Pressearbeit“ übernahmen im Danni Menschen, die sich dazu aus irgendeinem Grund berufen fühlten. Da geschah auf jeden Fall ein einseitiges Framing, das den „öffentlichkeitswirksamen“ Teil der Meinungen innerhalb der Besetzungen abbildete. Klar diskutiere ich auch mal mit ihnen und kann ihre Punkte mehr Menschen auf gewissen Problematiken aufmerksam zu machen, ja auch irgendwo sehen. Ich möchte da persönlich aber eher die Absurdität unserer Verhaltensnormen aufzeigen. In einer anderen Besetzung haben wir während einem Interview mit einem Lokalpolitiker für eine Lokalzeitung eine „Flute-Rave“-Intervention gestartet und sind brüllend und tanzend durch das Interview gesprungen. In der Zeitung wurde dann unsere „Ernsthaftigkeit“ in Frage gestellt sehr gut. Es ist für mich befreiend Menschen zunehmend weniger von meinen Positionen überzeugen zu wollen, sondern diese in die Realität umzusetzen. In einer Welt, in der „Seriosität“ und „Professionalität“ (was auch immer das sein mag) gepriesen werden, macht es Leute oft rasend wenn das nicht eingehalten oder ins Lächerliche gezogen wird. Orte oder Momente zu kreieren, die eben anders funktionieren als die Norm haben deshalb eine solche Sprengkraft. Die Medien schreiben am Ende eh das was in ihre Agenda passt. Die Leute, die dann wirklich bei der Besetzung vorbeigeschaut haben und das waren tatsächlich einige mit denen kann ein Dialog entstehen und die waren oft auch geflasht oder schockiert von vielem was sie dort sehr direkt erlebt haben. Das kann dann der Ausgangspunkt für eine Veränderung sein.

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Ich war überrascht, wie sehr das bei uns im Danni passiert ist. Vor der Räumung sind Leute zur Besetzung gekommen um unser Presseteam zu werden. Ein paar von ihnen hatte ich noch nie dabei gesehen im Wald selbst irgendwas gemacht zu haben und das erste Mal, dass ich sie gesehen habe, war als sie uns angekündigt haben unser neues Presseteam zu sein. Das Ziel der meisten Medienarbeit im Danni war es eine große Reichweite in den kapitalistischen Medien zu bekommen und die Leute davon zu überzeugen, dass Autobahnen nicht gut sind. Das was wir gegenüber den Mainstream-Medien kommunizieren neigt dazu weniger radikal und reformistischer zu sein. Niemand würde dem Fernsehen gegenüber sagen, dass wir (oder zumindest viele von uns) wollen, dass alle Cops sterben, aber es wird immer Leute geben, die über die dumme Verkehrswende reden. Dieses ganze Verkehrswende-Dinge war ein wenig unglücklich. Aus der Besetzung heraus gab es viel Medienkommunikation, die sich um die Verkehrswende gedreht hat, ohne dass sich irgendwer darum gekümmert hat, dass es im Wald auch Leute gibt, denen die Verkehrswende und andere grüne Reformen egal sind. Ich stell mir vor, was wir das nächste Mal machen könnten, ist eine Kultur von „Keine reformistischen Forderungen“ zu schaffen und allgemein sehr kritisch gegenüber Medien zu sein. Wir sollten darüber reden ob wir mit kapitalistischen Medien überhaupt sprechen wollen und wenn ja unter welchen Bedingungen. Die netten Pressesprecherinnen werden immer zu einem offenen Umwelt-Kampf kommen sobald er viel mediale Aufmerksamkeit erhält und wir müssen uns ein Konzept überlegen bevor diese Leute kommen. Und wenn sie das Konzept nicht einhalten, müssen wir ihnen sagen, dass sie sich verpissen sollen.

Aus eurer Sicht: Was kann getan werden, um jegliche Reintegration in die Logik der Politik zu verhindern? Damit meinen wir, auf Politikerinnen zu hören, seien sie von einer politischen Partei oder außerparlamentarisch.

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In unserer Komunikation also konkret mit Bannern, Gesprächen, Artikeln und Zines haben wir versucht Patriarchat, Zivilisation, Kapitalismus, Demokratie und all die anderen Fratzen anzugreifen. Die Demokratie zu kritisiern führte zu super nervigen Diskussionen mit vielen „Bürgis“, aber insbesondere zu Konflikten mit Politikerinnen, Parteien, NGOs oder Massenorganisationen wie XR, FFF, Ende Gelände usw. Es ist schon erstaunlich, dass genau dort wo die Gewalt dieses „demokratischen“ Systems so offensichtlich ist, Leute dieses panisch versuchen zu verteidigen und behaupten wir müssten uns nur so oder so verhalten, damit sich etwas ändert und all die Bullen abziehen und die Zerstörung aufhört. In unseren Taten haben wir versucht die Gegenstände und diejenigen anzugreifen, welche dieses System und diese Logik repräsentieren. Ich denke da können wir nur weiter machen.

Einen Wald zu besetzen, hat viele archaische und primitivistische Aspekte. Was ist eure Sicht auf Technologie und die Benutzung von technischen Geräten für den Kampf?

:: Technologie ist ein zweischneidiges Schwert, denn auch darin manifestieren sich die herrschenden Verhältnisse. Wer profitiert von bestimmten Technologien? Wem nützen sie und wer darf sie benutzen? Viele der heutigen Technologien sind auch aus einem militärischen Kontext entstanden. Auch im Wald wurde Technologie genutzt, ob Internet, Solar-Panels oder die riesige Küfa Infrastruktur. Auch ohne Transportmittel hätte die Besetzung ganz anders ausgesehen. Und ohne Kletterstuff, Bohrer, Polyprop-Seile und Headlamps... Ich denke wir sollten uns damit auseinandersetzen wie Technologie auch anders gedacht werden kann, zum Beispiel im Sinne von Zugänglichkeit oder dem Reparieren und Umfunktionieren von Bestehendem. Und wie wir die Technologien der Cops umgehen oder lahm legen können. Klar sind technische Geräte im Kampf nützlich, aber wo wir ein Walkie Talkie, ein paar Steine, Stöcke und Laub haben, haben die Cops Funkmasten, Panzer, Helis und Wärmebildkameras. Also ein starkes technologischs Ungleichgewicht, dennoch hatten die Cops es nicht leicht und waren spürbar nervös. Deren Infrastruktur zu stören, kann ein gewisses Chaos und Unvorhersehbarkeit auslösen, deswegen wird das alles ja auch so streng bewacht. Eine recht sinnbildliche Szene, die mir zu dem Thema im Kopf geblieben ist, war als eine HightechDrohne der Cops über dem Barrio „Unräumbar“ abstürzte und direkt feierlich verbrannt wurde. Danach kamen sie mit all ihrem schweren Gerät und das Barrio wurde geräumt.

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Ich denke wir sollten so wenig Technologie wie möglich benutzen. Unglücklicherweise sind nicht alle bei Besetzungen gegen Technologie oder teilen meine antizivilisatorischen Ansichten, deshalb hatte ich zum Beispiel sehr oft die gleiche Diskussion mit einer Person, die in unserem Barrio Solarpanele anbringen wollte, WiFi installieren wollte und uns dazu bringen wollte blöde Funkgeräte zu benutzen. Die Technologie neigt dazu sich auszuweiten und diese Tendenz können wir auch in Waldbesetzungen feststellen. Glücklicherweise bringen Besetzungen genügend Autonomie für Individuen und Gruppen dahingehend mit sich, zu entscheiden wie technologisch oder primitiv sie Leben wollen, sodass wir nie die Solarpanele und auch kein WiFi in unserem Teil des Waldes bekommen haben.

Was könnt ihr über „alternative“ und „erneuerbare“ Energie sagen, die mit der Smartifizierung unserer Leben einhergeht?

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Grundsätzlich finde ich es gut nicht, nass und kalt im Wald sitzen zu müssen. Energie, sei es ein „renewable“ Lagerfeuer, das uns Wärme und Licht gibt oder auch mal der Strom, der das Soundsystem befeuert, ist schon fein. Ich finde es auch besser, wenn der Strom dafür aus Wasser, Feuer, Sonne oder Wind kommt statt aus Kohle oder Atomspaltung. Doch die sog. „Energiewende“ findet auf einer ganz anderen Ebene statt, da geht es nicht um Grundbedürfnisse, nicht um Menschen, sondern um die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Status Quo und der Profite; ein absurder Versuch einen immergierigen Schlund „nachhaltig“ zu füttern. Wem oder was nützt denn die „neue“ Energie? Der ganze Technik-krams, Solarpanele, Windräder etc. sind sehr ressourcenund flächenintensiv und der Pestizid-Mais für die Biogasanlage saugt die Böden genauso aus, wie die an der „Energiewende“ verdienenden Bonz*innen die Menschen und Natur aussaugen. Das ist 1:1 derselbe „Wahnsinn“ nur mit einem grün-moralistischen Anstrich. Doch es wird noch schlimmer: innerhalb „der (Öko-) Linken“ wird oft behauptet erneuerbare Energien dezentralisieren die Energieproduktion (hunderte Windräder, statt einem großen Kohlekraftwerk usw.) und seien somit „besser“ und fast schon „revolutionär“. Aber was sie nicht sehen ist: Abhängigkeiten (z.B. Stromnetz, Fläche, Kapital), Informationen (Smartmeter, Smartwaschmaschine etc.) und somit Macht werden dadurch immer weiter ausgebaut und zentralisiert, sind jedoch weniger sichtbar. Die E-Branche (hippe Start-ups und weitere tech-öko-Kapitalist*innen) und „Expertinnen“ schreien nach Vernetzung alles muss vernetzt, vorhersehbar und kontrollierbar sein damit die Energiewende klappt. Die, die von all dem profitieren, argumentieren jetzt auch noch dies sei quasi eine Notwendigkeit für die „Rettung der Welt“. Doch müssten die Verursacherinnen der Umweltzerstörung auch dafür „zahlen“, wären viele von denen wohl nicht mehr so gehyped.

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Es gibt ganz einfach keine Energiequelle, die im großen Maßstab benutzt werden kann und dabei ökologisch ist. Ich hasse Windräder sogar noch mehr als Kohleminen. Kohleminen geben wenigsten nicht vor irgendwas zu sein. Alle wissen, dass sie ein dreckiges Geschäft sind. Wenn es mal eine Besetzung gegen Windräder geben würde (vor ein paar Jahren gab es mal eine in Frankreich), dann bin ich gerne dabei. Kapitalismus und Industrie sind scheiße, auch wenn es grüner Kapitalismus ist. Es ist weder pessimistisch noch zynisch zu behaupten, dass der Planet wie wir ihn als Lebensraum kennen im Grunde im Arsch ist.

Wie geht ihr mit dem Szenario um, in dem „gewinnen“ im herkömmlichen Sinne unmöglich ist, da die Abwärtsspirale nur immer schneller wird?

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Was meinst du? Unsere Regierung wird den Klimanotstand ausrufen, Schluss mit Kohle machen, genügend Solaranlagen bauen, alle Autos zu Elektroautos machen und alles wird gut, oder etwa nicht? Für mich macht es Sinn nicht Teil des zerstörerischen Systems zu sein und dagegen zu kämpfen. Natürlich können wir niemals vollkommen „gewinnen“ aber jeder Wald, der nicht gerodet wird, und jeder Bagger, der abbrennt, ist ein kleiner Sieg.

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So gern wir an ein gutes Ende glauben möchten, im Angesicht des ungebremsten Ausmaßes der Zerstörung bleibt nur noch der Weg der Desillusionierung. Die große Frage ist wohl wie wir daran nicht verzweifeln, sondern uns auch davon in irgendeiner Weise „befreien“ können und somit handlungsfähig bleiben. Indem wir das eben nicht nur verdrängen, sondern Wege finden mit der Hoffnungslosigkeit und Unsicherheit umzugehen. Denn nur so können wir die Gegenwart mitgestalten, gegen die vielen Formen der Unterdrückung kämpfen und Momente kreieren die uns und andere freier und lebendig fühlen lassen, inmitten einer so entfremdeten und beklemmenden Welt. Also dem ganzen angepassten, in Vernunft gekleideten Wahnsinn mit unserem eigenen Wahnsinn ins Auge zu blicken und dabei immer noch mit Inbrunst Lachen zu können, das macht der Komfortund Sicherheitsgesellschaft Angst. Das was uns wohl bleibt ist es die Dinge tun um sie zu tun, aus unserer Wut über diese Zustände heraus, des Widerstands wegen oder weil sie sich für uns echt, richtig und wichtig anfühlen. Doch irgendwie liegt es ja auch außerhalb unseres Handlungsspielraums was unser Tun am Ende bewirkt. Da spielen einfach so viele Faktoren mit rein. Vielleicht liegt das Problem darin, dass wir uns so fest daran klammern gewinnen zu wollen, die Kontrolle über Situationen zu haben, oder alle von unseren Ideen und Taten zu überzeugen. Daran können wir nur scheitern, aber lieber immer wieder scheitern und etwas daraus lernen, als zu erstarren. Auch wenn alles um mich herum tot zu sein scheinen mag, will ich mich dennoch spüren, will wissen wie es sich anfühlt am Leben zu sein, schreien, toben, lachen, weinen, und die Bullen mit Scheiße beschmeißen. Warum? Das weiß ich nicht, aber es platzt aus mir heraus, es sprudelt, es ist da, es lebt.

Wenn „gewinnen“ keine Option mehr ist, was motiviert euch weiterzumachen?

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Das klingt vielleicht komisch, aber es sind Hass und Wut, die mich sehr stark motivieren. Jedes Mal wenn ich mit den Cops in Berührung komme oder eine Kohlemine sehe, werde ich daran erinnert wie sehr ich sie hasse und ich kann nicht einfach weiter machen ohne zu versuchen etwas dagegen zu tun. Selbst wenn wir nicht gewinnen können, müssen wir kämpfen: Widerstand zahlt sich immer aus.

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Ich tue die Dinge nicht um zu gewinnen, sondern weil ich die Zustände wie sie sind nicht einfach akzeptieren kann. Und weil ich schon daran glaube, dass eine andere Welt möglich ist, dass wir anders miteinander sein können, zumindest im Kleinen. Das kommt tief von innen heraus. Menschen motivieren mich. Menschen mit denen ich sehr nah bin und Menschen, die ich gar nicht kenne. Es sind die unzähligen Geschichten und Momente des Aufbegehrens, viel mehr als das „Gewinnen“ selbst, welche mich stärken. Mich motiviert außerdem, dass „die Revolution“ (welche Revolution?) nicht in irgendeiner fernen Zukunft passieren mag, sondern revolutionäre Splitter auch im Kleinen, im Hier und Jetzt, in jedem Augenblick stattfinden können. In jedem Moment stecken unendlich viele Möglichkeiten, so viel Spontanes, Unvorhersehbares, das volle Leben, Anarchie. Ich träume oft davon durch den Wald zu rennen und irgendwie einfach nur zu sein, frei von all den Konstrukten, die über mich und andere bestimmen. Wie das wohl wäre?