Pierleone Porcu
Revolutionäre Solidarität
Es gibt viele Wege, um Solidarität mit GefährtInnen zu demonstrieren, welche vom Staat kriminalisiert werden, wobei jeder davon ein direkter Ausdruck der Form ist, in der man im allgemeinen sozialen Zusammenprall interveniert.
Da sind diejenigen, die Solidarität darin sehen, diesem oder jenem inhaftierten Gefährten, mit einem sozialen Dienst unter die Arme zu greifen, und das ist die Form in der sie ihre Aktivität ausüben: nach AnwältInnen suchen, Kleider und Geld in den Knast schicken, Besuche und so weiter. Diese rein humanitäre Solidarität, überträgt sich auch in die Errichtung von Verteidigungs Kommitees und dementsprechenden Kampagnen, die darauf ausgerichtet sind, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Dann gibt es jene, die Solidarität als eine strikt politische Sache betrachten und sich damit beschäftigen, einen Haufen “Unterscheidungen” zu machen, die darauf abzielen, das Bild ihrer eigenen Aktivität, nicht zu kompromitieren. Aus opportunistischen Gründen, verteidigen und zeigen sie Solidarität mit denjenigen, die sich selbst als unschuldig erklären und nicht mit denen, die Verantwortung für ihre eigenen Aktionen übernehmen.
Andere bringen sofort Flugblätter und Broschüren heraus, in formeller Solidarität mit dieser oder jener verhafteten Gefährtin, wenn diese sehen, daß es aus der Sicht der politischen Propoganda, etwas zu gewinnen gibt, d.h. sie verkünden Solidarität in Worten, während in deren Praxis keine Spur davon zu finden ist.
Dann gibt es Solidarität in einem ideologischen Zusammenhang. Das ist der Fall der Marxisten-Leninisten, in der Version der revolutionären Kampfpartei. Diese zeigen Solidarität mit denen, dessen Haltungen den eigenen ähnlich sind, und halten Abstand zu denen, die ihre eigene politische Linie oder Strategie nicht teilen oder erkennen. Oftmals unter Verwendung von Zensur und Ächtung gegenüber jenen, die sie als unbequem betrachten.
Welchen Sinn denken wir also, sollte revolutionäre Solidarität haben?
Der erste Aspekt ist der, Solidarität als eine Erweiterung der aufständischen sozialen Praxis zu sehen, die man bereits innerhalb des Klassenzusammenpralls ausführt. D.h. als eine direkte Demonstration von Aktionen gegen alle Strukturen der Macht, die im eigenen Umfeld präsent sind, egal ob groß oder klein. Denn diese Strukturen müssen in jeder Hinsicht für alles als verantwortlich bezeichnet werden, für was in der sozialen Realität passiert, einschließlich der Kriminalisierung und Verhaftung von GefährtInnen, wo auch immer diese sein mögen. Es wäre kurzsichtig, die Frage der Repression gegen GefährtInnen zu etwas zu reduzieren, das strengstens mit dem legalen und polizeilichen Apparat verknüpft ist. Die Kriminalisierung und Verhaftung von GefährtInnen, sollte im Kontext des sozialen Kampfes als Ganzes gesehen werden, gerade weil diese immer die eiligen Mittel sind, die der Staat verwendet, um die Radikalisierung überall abzuschrecken. Ganz gleich wie groß oder unbedeutend er sein mag, so macht doch jeder Akt der Repression,Teil der Beziehungen des sozialen Kampfes aus, welcher gegen die Herrschaftsstrukturen im Gange ist.
Der zweite Aspekt ist, daß jeder revolutionärer Gefährte, jede Gefährtin, schon aus Prinzip verteidigt werden sollte, ungeachtet der Anschuldigungen, die vom staatlichen Justiz und Polizeiapparat, gegen ihn oder sie vorgebracht werden. Zu allererst weil es darum geht, ihn oder sie aus seinen Klauen zu entreißen, d.h. aus der Position des/der „Gegeiselten“, zu der er oder sie reduziert wurden. Darüber hinaus dreht es sich auch darum, die Gelegenheit nicht zu verpassen, den Angriff gegen das “Gesetz” zu intensivieren, welches dazu dient, die Äusserungen aller Machtsbeziehungen, innerhalb der bestehenden Ordnung, zu regulieren.
Beim dritten Aspekt handelt es sich um die Weigerung, die Logik der Verteidigung zu akzeptieren, die inhärent im verfassungsgebenden Gesetz liegt, so wie etwa das Problem der “Unschuld” oder “Schuld” der involvierten GefährtInnen. Wir haben mehr als genug Gründe dafür, um sie zu verteidigen und niemand kann den politischen Opportunismus rechtfertigen, dies nicht zu tun. Wir können und dürfen uns selbst nicht als AnwältInnen betrachten, sondern als revolutionäre AnarchistInnen, die an allen Fronten im Krieg sind, gegen die verfestigte soziale Ordnung. Wir wollen diese Gesellschaft von unten nach oben radikal zerstören und wir sind nicht daran interessiert über diese Ordnung zu urteilen, wie sie ein Urteil über uns fällt. Aus diesem Grund, bezeichnen wir jegliche Verurteilung, die von den staatlichen Geiern gegen ProletarierInnen in der Revolte gefällt werden, und mehr noch, wenn diese GefährtInnen sind, als eine Verurteilung gegen uns selbst und als solche rächen wir sie mit all den Mitteln, die wir als passend erachten, gemäß unserer Veranlagung und unserer persönlichen Neigung.
Der vierte und letzte Aspekt, bezieht sich auf unser Verhalten gegenüber den inhaftierten GefährtInnen. Wir fahren fort, uns ihnen gegenüber auf die selbe Weise zu verhalten, wie zu der Zeit, als sie nicht im Knast waren. Das bedeutet, daß wir mit der revolutionären Solidarität immer und in jedem Fall eine radikale Kritik vereinen. Wir können und werden Solidarität mit inhaftierten GefährtInnen zeigen, ohne uns dafür ihren Ideen zu verschreiben. Diejenigen, die Solidarität zu inhaftierten GefährtInnen zeigen, teilen nicht unbedingt deren Meinungen und Sichtweisen, und umgekehrt. Wir unterstützen alle inhaftierten GefährtInnen aber nur bis zu dem Punkt hin, wo das, was wir für sie tun, nicht in Kontrast oder in Widerspruch kommt, mit unserem revolutionären aufständischen Dasein. Unseres Beziehung ist einzig jene zwischen rebellierenden sozialen Revolutionären, nicht die von eintauschbaren Positionen. Wir opfern nicht den geringsten Teil von uns selbst, genau so, wie wir von anderen nicht erwarten dies zu tun.
Wir sehen Solidarität als eine Art Komplizenschaft, dem wir wechselseitiges Vergnügen entnehmen können. Es soll in keiner Weise eine Pflicht oder ein Opfer für die “gute und heilige Sache” sein. Es geht immer um unsere Sache, um uns selbst.
Deswegen ist revolutionäre Solidarität von primärer Bedeutung, in der Entwicklung der eigenen anarchistischen aufständischen Aktion; womit sie den Sinn bekommt, der ihr zusteht. Denn simple materielle Unterstützung, würden wir jedem Freund der im Knast endet, zukommen lassen.
Revolutionäre Solidarität macht einen wesentlichen Teil unseres Daseins als aufständische AnarchistInnen aus. Dies in einer Dimension, in der sie ein ununterbrochener Schwerpunkt darstellt und zwar einfach weil sie keine Unterbrechung bedeutet, sondern eine Fortsetzung und Ausbreitung von dem, was wir bereits tun.