Peter Kropotkin
Gerechtigkeit und Sittlichkeit
Vorrede der russischen Ausgabe
Die Redaktionskommission, die die vorliegende Arbeit von P. A. Kropotkin „Gerechtigkeit und Sittlichkeit“ herausgibt, hält es für unerläßlich, dieser Broschüre einige Worte vorangehen zu lassen.
Wie aus der Vorrede von Peter Kropotkin zu dieser Broschüre hervorgeht, ist sie die Wiedergabe eines öffentlichen Vortrages, den Kropotkin zuerst in Manchester in der Ankotaer Brüderschaft (im Jahre 1888 oder 1898) gehalten und später mit kleinen Ergänzungen in der Londoner Ethischen Gesellschaft wiederholt hat.
Die Ideen, die Kropotkin in diesem Vortrag ausspricht, bilden den Ausgangspunkt für alle seine weiteren Arbeiten auf dem Gebiete der Ethik. Seit er diesen Vortrag gehalten hatte, beschäftigte sich Kropotkin, neben seinen anderen Arbeiten, stets mit der Untersuchung der ethischen Fragen. Bereits in den Jahren 1904–1905 schrieb er in englischer Sprache zwei größere Aufsätze über dieses Thema: The Ethical Need of the Present Day (Die sittliche Forderung der Gegenwart) und The Morality of Nature (Die Ethik in der Natur). Diese beiden Aufsätze wurden veröffentlicht in der englischen Monatszeitschrift Nineteenth Century (Augustnummer 1904 und Märznummer 1905). Sein Gesundheitszustand, verschiedene dringende Arbeiten und der dann ausgebrochene Weltkrieg lenkten Kropotkin von der eingehenden Beschäftigung mit den Fragen der Ethik ab, und erst später, als Kropotkin im Jahre 1918 im Städtchen Dmitrow sich niedergelassen hatte, beschloß er, sich wieder gänzlich der Untersuchung seiner Theorie über den Ursprungg der Ethik, ihre Entwicklung und Bedeutung im Leben der Menschheit zu widmen.
Bei der Sichtung seines Materials über diese Frage fand er den Text der Vorträge, die er in Manchester und London gehalten hatte und er beschloß, sie zu bearbeiten und als selbständige Broschüre herauszugeben vor der Veröffentlichung seiner großen Arbeit über Ethik. Zu diesem Zwecke Übersetzte er den Vortrag aus dem Englischen ins Russische und schrieb dazu eine kurze Vorrede, die den Vermerk trägt „Dmitrow, Januar l920“.
Das ganze Jahr 1920 arbeitete Kropotkin hauptsächlich an seinem großen Werk über die Ethik, und Ende des Jahres 1920, das heißt einige Monate vor seinem Tode, beschloß er nochmals, einen Versuch zur Herausgabe seiner Arbeit „Gerechtigkeit und Sittlichkeit“ zu machen. Zu diesem Zwecke sah er wiederum das Manuskript durch, trug einige Korrekturen ein und versah den Umschlag des Manuskriptes mit dem Vermerk „Zum Druck“ und „endgültig durchgesehen 12.-15. Dezember 20“.
Auf diese Weise ist die vorliegende Broschüre von Kropotkin selbst endgültig für den Druck fertig gemacht, und die Redaktionskommission hält es für ihre moralische Pflicht, den Willen des verstorbenen Kropotkin unverzüglich zu erfüllen und die russischen Leser mit dieser Arbeit des großen russischen Revolutionärs und Humanisten bekannt zu machen, umsomehr, als es unter den gegebenen ungünstigen Bedingungen wohl kaum bald möglich sein wird, den ersten Band seiner letzten großen Arbeit „Ethik, ihr Ursprung und ihre Entwicklung“ zu veröffentlichen (Anm.: Ist inzwischen im Verlag „Der Syndikalist“ erschienen), in der er ausführlich seine Theorie über Ethik darlegt und begründet, deren Hauptelemente kurz und populär schon in seinem Vortrag „Gerechtigkeit und Sittlichkeit“ enthalten sind.
Die Redaktionskommission.
Dmitrow, 1. September 1921.
Vorwort des Autors
Den Vortrag „Gerechtigkeit und Sittlichkeit“ hatte ich zuerst vor der Ankotaer Bruderschaft in Manchester gehalten, vor einem Auditorium, das zum größten Teil aus Arbeitern, zum anderen Teil aus Personen, die an der Arbeiterbewegung teilnahmen, bestand. In dieser Bruderschaft wurden an jedem Sonntag im Winter wichtige Vorträge gehalten. Sich an eine faßliche Darstellung haltend, konnte man vor dieser Zuhörerschatt die ernstesten Fragen untersuchen.
Das genaue Datum, an dem ich diesen Vortrag hielt, kann ich mit Bestimmtheit nicht feststellen. Ich weiß nur, daß es kurz danach war, als der berühmte Darwinist, Professor Huxley, – der Hauptverbreiter der Darwinschen Ideen – an der Oxforder Universität im Jahre 1888 eine Vorlesung hielt, welche alle seine Freunde überraschte, weil er in ihr bewies, im Gegenteil zu Darwin, daß die Sittlichkeit keinen natürlichen Ursprung im Menschen haben kann; daß die Natur den Menschen nur Böses lehre.
Die Vorlesung von Huxley, die in der Februarnummer der Zeitschrift „Nineteenth Century“ abgedruckt wurde und bald danach als Broschüre erschien, hat allgemeines Erstaunen hervorgerufen, und der durch sie erweckte Eindruck war noch lebendig, als ich meinen Vortrag über den natürlichen Ursprung der Sittlichkeit vorbereitete.
Zwei bis drei Jahre später wiederholte ich diesen Vortrag in der Londoner Ethischen Gesellschaft, ihn etwas in dem Teil erweiternd, in dem ich von der Gerechtigkeit sprach.
Da ich die in englischer Sprache geschriebenen ausführlichen Konzepte, zum Teil den wörtlichen Text des Vortrages, wie auch die Ergänzungen, die ich für die Wiederholung des Vortrages in der Londoner Ethischen Gesellschaft hinzufügte, aufbewahrt habe, so habe ich diesen Vortrag in russisch aufgeschrieben und gebe nun diesen Text heraus.
In den letzten dreißig Jahren bin ich, wenn auch mit Unterbrechungen, immer wieder zu den Lehren über Moral zurückgekehrt, und könnte jetzt einige der hier ausgesprochenen Ansichten weiter entwickeln, ich habe mich jedoch entschlossen, den Vortrag in der Fassung zu bewahren, wie er vor dem Ankotaer Auditorium gehalten wurde, und habe ihn nur ergänzt durch das, was ich für den Vortrag in der Ethischen Gesellschaft aufgeschrieben hatte.
Dmitrow, Januar 1920. P. K.
Gerechtigkeit und Sittlichkeit
Freunde und Kameraden!
Als ich zum Gegenstand unserer Unterhaltung Gerechtigkeit und Sittlichkeit wühlte, so war es natürlich nicht meine Absicht, Euch eine Moralpredigt zu halten. Mein Ziel ist ein ganz anderes. Ich möchte vor Euch untersuchen, wie man jetzt die Entstehung der sittlichen Begriffe in der Menschheit, ihre wirklichen Ursprünge, ihr allmähliches Wachsen, zu erklären beginnt, und Euch zeigen, was ihrer weiteren Entwicklung förderlich sein kann.
Eine solche Untersuchung ist besonders jetzt nötig. Ihr fühlt wohl selbst, daß wir in einer Zeit leben, die etwas Neues in der Struktur der sozialen Beziehungen erfordert. Die rapide, sowohl geistige wie industrielle Entwicklung, welche die vorgeschrittenen Völker in den letzten Jahren durchgemacht haben, macht die Lösung wichtiger sozialer Fragen unaufschiebbar. Es wird die Notwendigkeit empfunden, das Leben auf eine gerechtere Basis zu stellen. Und wenn ein solches Bedürfnis in der Gesellschaft heranreift, so kann man es als eine Regel betrachten, daß es unvermeidlich sein wird, die Grundbegriffe der Sittlichkeit aufs neue zu untersuchen.
Das kann nicht anders sein, weil die zur Zeit existierende Gesellschaftsordnung – ihre Institutionen, ihre Sitten und Gebräuche – ihre eignen Begriffe von Sittlichkeit in der Gesellschaft unterstützt. Jede wesentliche Änderung in den Beziehungen der verschiedenen Gesellschaftssclrichten ist mit einer wesentlichen Veränderung der geltenden sittlichen Begriffe verbunden.
Betrachtet doch das Leben der Völker, die auf verschiedenen Kulturstufen stehen. Nehmt zum Beispiel das Lehen der jetzigen Nomadenvölker: der Mongolen, Tungusen und jener, die wir „Wilde“ nennen. Bei ihnen gilt es als eine Schande, ein Schaf zu schlachten und sein Fleisch zu essen, ohne sämtliche Bewohner der Ansiedlung zur Teilnahme an dem Mahl einzuladen. Ich weiß das aus eigner Erfahrung, die ich auf den Wanderungen durch die entlegenen Gegenden Sibiriens, in den Sajanschen Bergketten, gesammelt habe. Oder nehmt die ärmsten Wilden Südafrikas, die Hottentotten. Noch vor gar nicht langer Zeit galt es bei ihnen für ein Verbrechen, wenn jemand seine Mahlzeit im Walde begann, ohne dreimal laut zu rufen: „Ist vielleicht jemand hier, der mit mir mein Essen teilen will“.
Selbst bei den tiefststehenden Wilden Patagoniens fiel Darwin folgender Zug auf: das kleinste Quantum Nahrung, das er einem von ihnen gab, wurde sofort unter allen Anwesenden geteilt. Noch mehr in ganz Nord- und Mittelasien gilt die Sitte, wie ein Gesetz, daß, wenn ein Nomade einem Wanderer die Unterkunft verweigert und dieser infolgedessen vor Hunger oder Kälte umkommt, der Stamm des Verstorbenen das Recht hat, den Betreffenden, der die Unterkunft verweigert hat, wie einen Mörder zu verfolgen und von ihm eine Art Buße, wie sie für einen Mord üblich ist, zu verlangen.
Solche und andere Begriffe von Sittlichkeit haben sich bei Naturvölkern gebildet. Bei uns sind diese Sitten verschwunden, seit wir begonnen haben, in Staaten zu leben. In unseren Städten und Dörfern hat der Polizeibeamte die Pflicht, sich eines obdachlosen Wanderers anzunehmen und ihn im Polizeirevier, Gefängnis oder im Arbeitshause unterzubringen falls dem Armen droht, auf der Straße zu erfrieren. Jeder von uns darf natürlich einen Wanderer aufnehmen; das Gesetz verbietet es nicht, aber keiner hält sich für verpflichtet, es zu tun. Und wenn in einer finsteren Winternacht ein obdachloser Wanderer in einer Straße von Ankota vor Hunger oder Kälte stirbt, so wird es seinen Verwandten nicht einfallen, Euch des Mordes anzuklagen. Noch mehr, es kann sein, daß der Wanderer gar keine Angehörigen besitzt, was beim Sippenwesen unmöglich ist, denn der ganze Stamm ist eine Familie.
Ich will hier keinen Vergleich zwischen Sippenwesen und Staatswesen anstellen. Ich will nur zeigen wie die sittlichen Begriffe der Menschen sich verändern, je nach der Gesellschaftsordnung, in der sie leben. Die Gesellschaftsordnung eines Volkes zu einer gegebenen Zeit ist eng verbunden mit der obwaltenden Moral.
Und deshalb ist es jedesmal, wenn die Notwendigkeit entsteht, die Beziehungen unter den Menschen in einer Gesellschaft zu verändern, unvermeidlich, daß eine lebhafte Diskussion über die Kernfragen der Moral entsteht. Und in der Tat, es wäre äußerst leichtsinnig, von dem Umbau einer Gesellschaftsordnung zu sprechen, ohne sich gleichzeitig Gedanken über die Umwandlung der Ansichten über die herrschende Moral zu machen.
Eigentlich liegen allen unseren Diskussionen über politische und wirtschaftliche Fragen, Fragen ethischer Natur zu Grunde. Nehmen wir zum Beispiel einen gelehrten Ökonomisten, der über Kommunismus urteilt. „In der kommunistischen Gesellschaft“, sagt er, „wird keiner arbeiten, weil keiner sich vom Hunger bedroht fühlen wird“. „Warum nicht“, antwortet der Kommunist, „werden denn die Menschen nicht verstehen, daß, wenn sie zu arbeiten aufhören werden, ein allgemeiner Hunger eintreten wird. Es wird alles davon abhängen, welchen Kommunismus man einführen wird“. Und in der Tat, bedenkt, wieviel Kommunismus im Leben der Städte von Europa und den Vereinigten Staaten durchgeführt worden ist, in Form von Straßenpflasterung, Beleuchtung, städtischen Schulen, elektrischen Bahnen usw.
Ihr seht also, wie eine rein wirtschaftliche Frage zu einer Betrachtung der sittlichen Natur des Menschen führen muß. Es ist also die Frage: Ist der Mensch fähig, in der kommunistischen Gesellschaft zu leben? Aus dem Gebiete der Wirtschaft wird die Frage auf das Gebiet der Sittlichkeit übertragen.
Oder nehmt zwei politische Führer, die sich über irgend eine Neuerung des sozialen Lebens unterhalten, zum Beispiel, von der Lehre der Anarchisten oder sogar vom Übergang der Alleinherrschaft in einem Staate zur demokratischen Verfassung.
„Ich bitte Sie“, sagt der Verteidiger der absolutistischen Macht, „es werden alle zu rauben anfangen, sobald der starke Arm fehlen wird, um sie im Zaume zu halten“. „Also, würden auch Sie“, antwortet der Andere, „ohne Angst vor dem Gefängnis, ein Räuber werden?“ Somit würde auch hier aus der Frage nach der politischen Gesellschaftsform eine Frage über die Wirkung der gegebenen Institutionen auf das sittliche Antlitz des Menschen.
In der letzten Zeit sind nicht wenig Arbeiten über diese äußerst wichtige Frage erschienen. Aber nur bei einer von ihnen will ich verweilen, nämlich bei dem von dem berühmten Professor Huxley kürzlich an der Oxforder Universität gehaltenen Vortrag über das Thema: „Evolution und Sittlichkeit“. Man kann aus ihr vieles lernen, da Huxley in seiner Vorlesung recht eingehend die Frage nach dem Ursprung der Sittlichkeit untersucht hat. [1] Der Huxley‘sche Vortrag wurde von der Presse als eine Art Manifest der Darwinisten aufgenommen und als ein wissenschaftliches Resumé der Grundlagen der Sittlichkeit und ihres Ursprunges, — eine Frage, die fast alle Denker beschäftigt hat seit dem alten Griechenland bis auf unsere Tage.
Eine besondere Bedeutung erhielt dieser Vortrag dadurch, daß er nicht nur die Meinung des berühmten Gelehrten und wichtigsten Deuters der Darwinschen Entwicklungstheorie wiedergab, auch nicht durch die Tatsache, daß dieser Vortrag vom Autor in einer so vollkommenen literarischen Form gehalten wurde, daß man ihn als eines der schönsten britischen Prosaerzeugnisse bezeichnete, – die besondere Bedeutung dieses Vortrages bestand darin, daß er leider die Ge- danken äußert, die unter den gebildeten Klassen zur Zeit die verbreitetsten sind, so daß man sie als das Bekenntnis der Mehrzahl dieser Klassen betrachten kann.
Der leitende Gedanke bei Huxley, zu dem er in seinem Vortrag immer wieder zurückkehrte, war der folgende: Es gibt in der Welt zwei Arten von Erscheinungen, es geschehen zwei Prozesse: der kosmische Prozeß der Natur und der ethische, d.h., der sittliche Prozeß, der sich nur im Menschen äußert, und zwar in einem gewissen Stadium seiner Entwicklung.
Der „kosmische Prozeß“ – das ist das ganze Leben der Natur, der toten und lebendigen, einschließlich Pflanzen, Tiere und Menschen. Dieser Prozeß, behauptete Huxley, ist nichts anderes, als „ein blutiger Kampf mit Zähnen und Krallen“. Das ist der verzweifelte Kampf ums Dasein, der alle sittlichen Momente ablehnt. „Das Leiden ist das Schicksal der ganzen Familie der mit Empfindungen ausgestatteten Wesen“ – „es bildet den wesentlichen Teil des kosmischen Prozesses“.
Die Methoden des Tigers und des Affen im Kampfe ums Dasein sind die echten charakteristischen Merkmale dieses Prozesses. Sogar für die Menschheit haben sich „Selbstbehauptung, gewissenlose Aneignung von allem, was man nur erraffen kann, hartnäckiges Festhalten an allem, was man sich nur aneignen konnte, was die Quintessenz des Daseinskampfes bildet, – als die geeignetesten Kampfesmittel herausgestellt“.
Die Lehre, die wir von der Natur erhalten, ist also „die Lehre des organisch Bösen“. Die Natur kann man nicht einmal als amoralisch bezeichnen, d.h., man kann nicht behaupten, daß sie keine sittliche Fragestellung oder keine Beantwortung der sittlichen Fragestellung kennt. Sie ist ausgesprochen unmoralisch. „Die kosmische Natur ist keinesfalls eine Schule der Sittlichkeit; umgekehrt, sie ist das Hauptquartier des Feindes aller Sittlichkeit“ (Seite 27 der ersten Ausgabe des Vortrages als Broschüre). Deshalb kann man aus der Natur keinesfalls Hinweise schöpfen „daher, daß das, was wir gut nennen, dem, was wir böse nennen, vorzuziehen ist“ (Seite 31). „Die Erfüllung dessen, was vom sittlichen Standpunkte besser erscheint, was wir gut und tugendhaft nennen, zwingt uns zu einer Handlungsweise, die in jeder Beziehung der Handlungsweise entgegengesetzt ist, die im kosmischen Daseinskampfe zum Siege füh1t“ (Seite 33). Das ist nach Huxley die einzige Lehre, die der Mensch aus dem Leben der Natur entnehmen könne.
Aber ganz plötzlich, kaum daß die Menschen sich in organisierte Gemeinschaften vereinigt haben, tritt bei ihnen auf unbekannte Weise ein „ethischer Prozeß“ ein, zweifellos allem, was sie die Natur gelehrt hat, entgegengesetzt. Das Ziel dieses Prozesses ist nicht die Erhaltung aller derer, die den gegebenen Verhältnissen am angepaßtesten sind, sondem die Erhaltung derer, „die vom sittlichen Standpunkte die besseren sind“ (Seite 33). Dieser neue Prozeß unbekannter Herkunft, jeden falls nicht der Natur entstammend, – beginnt durch Gesetz und Gebräuche zu wirken (Seite 35). Er wird von unserer Zivilisation unterstützt, und aus ihm entsteht unsere Sittlichkeit.
Was aber hat diesen Prozeß hervorgebracht?
Es hieße keine Antwort auf die Frage geben, wollten wir mit Hobbes [2] behaupten, daß die sittlichen Begriffe den Menschen von den Gesetzgebem beigebracht worden sind, weil ja Huxley bestimmt behauptet, daß die Gesetzgeber sie nicht aus den Beobachtungen in der Natur entnehmen konnten: einen ethischen Prozeß gab es weder in der vormenschlichen Tiergesellschaft, noch bei den Wilden. Woraus folgt, – wenn Huxley Recht hat, – daß der ethische Prozeß im Menschen keinesfalls einen natürlichen Ursprung haben konnte. Als einzige mögliche Erklärung seines Auftretens bliebe also ein übernatürlicher Ursprung. Wenn die sittlichen Gewohnheiten – Wohlwollen, Freundschaft, gegenseitige Unterstützung, persönliche Zurückhaltung von Ausbrüchen der Leidenschaften und Selbstaufopferung – sich keinesfalls aus der vormenschlichen Periode oder aus der urmenschlichen Herdenform entwickeln konnten, so bleibt ihr Ursprung ein übernatürlicher, eine göttliche Eingebung.
Dieser Schluß eines Darwinisten, des Naturwissenschaftlers Huxley, überraschte alle, die ihn als einen Agnostiker, d.h. einen Ungläubigen, kannten. Diese Schlußfolgerung aber war unvermeidlich. Wenn Huxley behauptete, daß der Mensch aus dem Leben der Natur unter keinen Umständen die Lehren der Sittlichkeit schöpfen konnte, blieb nichts anderes übrig, als den übernatürlichen Ursprung des Sittlichen anzuerkennen. Darum brachte auch George Meward, ein ergebener Katholik und gleichzeitig ein bekannter Naturforscher, kurz nach Erscheinen des Huxleyschen Vortrages in der Nineteenth Century einen Artikel unter der Überschrift „Die Wandlung des Hernn Huxley“, in dem er dem Autor des Vortrages zu seiner Rückkehr zu den Lehren der Kirche gratulierte.
Meward folgert vollkommen richtig. Eins von beiden: Entweder hat Huxley Recht, der behauptet, daß es in der Natur keinen „ethischen Prozeß“ gibt, oder aber Darwin, der in seiner zweiten grundlegenden Arbeit „Entstehung des Menschen“ mit Bacon und Auguste Comte behauptet, daß bei den in Herden lebenden Tieren infolge dieses Lebens in Herden der Gemeinschaftsinstinkt sich stark entwickelt und so stark und ausschlaggebend wird, daß er sogar über den Instinkt der Selbsterhaltung triumphiert [3]. Und da Darwin mit Shaftesbury [4] bewies, daß dieser Instinkt genau so stark im Urmenschen ist, nur daß er sich bei diesem immer mehr durch Überlieferung entwickelte, infolge seiner Fähigkeit zu sprechen, so ist es klar, daß, wenn diese Auffassung richtig ist, der sittliche Ursprung im Menschen nichts anderes sein kann, als die weitere Entwicklung des Instinktes der Geselligkeit, der allen lebenden Wesen eigen ist und in der ganzen lebenden Natur beobachtet wird.
Bei den Menschen hat sich dieser Instinkt mit der Entwicklung der Vernunft, der Erfahrungen und der entsprechenden Gewohnheiten immer mehr entwickelt. Die Fähigkeit des Sprechens und später die Kunst des Schreibens haben dem Menschen viel geholfen, Lebenserfahrungen zu sammeln und immer mehr die Gewohnheiten der gegenseitigen Hilfeleistung und Solidarität, d.h. gegenseitige Abhängigkeit aller Gesellschaftsmitglieder von einander, zu entwickeln. Auf diese Weise wird es verständlich, woher das menschliche Pflichtbewußtsein entstammt, das Pflichtbewußtsein, dem Kant so herrliche Zeilen gewidmet hat, aber in jahrelangen Untersuchungen darüber keine natürliche Erklärung geben konnte.
So erklärte Darwin, ein in den Naturgesetzen so gut bewanderter Mensch, das sittliche Gefühl. Aber gewiß, wenn man das Leben der Tiere nach den Exemplaren in den zoologischen Gärten beurteilt und vor dem wirklichen Leben der Natur die Augen schließt und sie nach unseren düsteren Stimmungen beschreiben will, dann bleibt wirklich nur eins: die Erklärung der sittlichen Gefühle in irgendwelchen geheimnisvollen Mächten zu suchen.
In diese Lage hatte sich Huxley selbst versetzt. Aber — wie seltsam das auch ist — einige Wochen nach dem Abhalten seines Vortrages, als er ihn als Broschüre erscheinen ließ, ergänzte er ihn durch eine Reihe von Amnerkungen, deren eine den Hauptgedanken seines Vortrages – von den zwei „Prozessen“ – gänzlich widerlegte.
Wie kam Huxley dazu, eine solche Ergänzung zu machen, die dem wesentlichen Gedanken von dem, was er noch vor so kurzer Zeit predigte, unstreitbar widerlegte? — das wissen wir nicht. Man kann nur annehmen, daß er es unter dem Einfluß seines Freundes tat, des Oxforder Professors Romanes, der, wie bekannt, zu dieser Zeit Material für seine Arbeit über die Sittlichkeit bei den Tieren vorbereitete und unter dessen Leitung Huxley den Vortrag an der Universität abhielt. Es kann sein, daß auch ein anderer von seinen Freunden diesen Einfluß auf ihn ausgeübt hatte. Doch ich will nicht die Gründe einer solchen frappanten Sinnesänderung untersuchen. Vielleicht werden das die Biographen des Professor Huxley unternehmen.
Für uns ist nur folgendes festzustellen wichtig: jedem, der sich ernstlich mit der Frage nach den Ursprüngen der Sittlichkeit in der Natur beschäftigt, muß es klar werden, daß die Tiere, die ein Herdenleben führen, von der Natur gezwungen werden, sich gewisse Instinkte anzueignen, das heißt, erbliche Gewohnheiten sittlichen Charakters.
Ohne solche Gewohnheiten wäre das Leben in Gemeinschaften nicht möglich. Darum finden wir in den Gemeinschaften von Vögeln und höheren Warmblütern (und erst recht bei Ameisen, Wespen und Bienen, die an der Spitze der Insektenklasse stehen) die ersten Ansätze von sittlichen Begriffen. Wir treffen bei ihnen die Gewohnheit, in Gesellschaften zu leben, die für sie eine Notwendigkeit wurde, und eine andere Gewohnheit: den anderen das nicht zu tun, was du nicht willst, daß man dir tue. Wir sehen dort auch oft Selbstaufopferung für die Interessen ihrer Gesellschaft.
Wenn ein junger Papagei aus dem Nest eines anderen ein Ästchen wegschleppt, überfallen ihn die Übrigen aus der Herde. Wenn im Frühling eine Schwalbe nach der Rückkehr aus Afrika in unsere Länder ein Nest besetzt, das in den früheren Jahren ihr nicht gehörte, wird sie von den anderen Schwalben dieser Gegend ans dem Nest hinausgeworfen. Wenn eine Pelikanherde in den Fischfangrayon einer anderen Pelikanherde eindringt, wird sie hinausgeworfen usw. Ähnliche Tatsachen, die bereits im vorigen Jahrhundert von den Begründern der beschreibenden Zoologie nachgeprüft und später auch von vielen modernen Beobachtern bestätigt wurden, sind zahllos. Sie sind nur jenen Zoologen unbekannt, die nie in der freien Natur gearbeitet haben [5].
Man kann deshalb mit Bestimmtheit behaupten, daß die Sitten der Gemeinschaft und der gegenseitigen Unterstützung bereits im Tierleben sich entwickelten und daß der Urmensch diese Züge aus dem Leben der Tiere sehr gut kannte, wie das aus den Überlieferungen und Religionen der Urmenschen zu schließen ist [6]. Auch das Studium der noch jetzt existierenden primitiven Völker beweist, daß sich bei ihnen die Sitten der Gemeinschaft immer weiter entwickeln. Wir entdecken bei ihnen sogar eine Reihe von Gebräuchen und Gewohnheiten, welche die Willkür der Einzelnen zähmen und die Grundlagen der Gleichberechtigung bestimmen.
Im Grunde bildet die Gleichberechtigung die Basis der Sippenwirtschaft. Wenn z.B. jemand das Blut eines Mitgliedes einer anderen Sippe in einer Schlägerei vergossen hat, so muß sein Blut im gleichen Maße vergossen werden. Wenn er einen aus seiner oder einer fremden Sippe verwundet hat, so darf, vielmehr muß jemand von den Verwandten ihm eine Verwundung in gleicher Größe zufügen. Das biblische Gesetz „Auge um Auge, Zahn um Zahn. Leben um Leben, aber nicht mehr“ – bildet die Regel, die von allen Völkern, welche in Sippengemeinschaften leben, heilig gehalten wird. Auge um Zahn oder eine tödliche für eine oberflächliche Wunde würde dem üblichen Begriff von Gleichberechtigung und Gerechtigkeit widersprechen. Man merke sich noch folgendes, dieser Begriff ist so tief im Bewußtsein der primitiven Völker eingewurzelt, daß, wenn ein Jäger das Blut eines, nach ihrer Vorstellung der menschlichen Art nahe stehenden Tieres, z.B. eines Bären, vergießt, werden von den Verwandten, und wenn auch nur einige Tropfen des Blutes des Jägers vergossen im Namen der Gerechtigkeit gegen die Bärenfamilie. Viele von den Sitten sind als Überbleibsel der früheren Zeiten, auch bei den zivilisierten Völkern neben den hochentwickelten sittlichen Regeln bis auf unsere Tage geblieben [7]. In denselben Sippengemeinschaften beginnen allmählich sich auch andere Begriffe zu entwickeln. Ein Mensch, der jemandem eine Beleidigung zugefügt hat, ist verpflichtet, Versöhnung zu suchen, und seine Verwandten haben die Pflicht, als Friedensvermittler aufzutreten.
Wenn man die Vorstellungen der primitiven Völker über Gerechtigkeit, d.h. über die Gleichberechtigung, näher untersucht, stellt sich heraus, daß sie schließlich und endlich nichts anderes enthalten, als die Pflicht, ein anderes Mitglied der eigenen Sippe nicht so zu behandeln, wie du nicht wünschest, daß man dich behandele, das heißt, dasselbe, was die Grundlage aller Sittlichkeit und aller Wissenschaft von der Sittlichkeit – der Ethik – bildet.
Aber noch mehr. Wir finden bei den allerprimitivsten Repräsentanten der Menschheit auch höhere Begriffe. So betrachten wir z.B. die sittlichen Regeln der Aleuten, die einen Zweig der allerprimitivsten Völker, der Eskimos, bilden. Sie sind uns, dank der Arbeiten eines seltsamen Menschen, des Missionars Wenjaminow [8], gut bekannt, und wir können sie als das Muster der sittlichen Begriffe des Menschen der Nachdiluvialperiode ansprechen, umso mehr, als wir ähnliche Regeln auch bei anderen wilden Völkern treffen. Und doch enthalten diese Regeln etwas, was aus dem Rahmen der primitiven Gerechtigkeit heraustritt.
Bei den Aleuten gibt es zwei Arten Regeln: obligatorische Vorschriften und einfache Ratschläge. Die erste Art, wie auch die Regeln, von denen ich am Anfang dieses meines Vortrages gesprochen habe, beruhen auf dem Prinzip der gleichen Behandlung aller, d.h. auf dem Prinzip der Gleichberechtigung. Dazu gehören die Forderungen: unter keinem Vorwand ein Mitglied seiner Sippe zu töten, zu verwunden, die Pflicht, den Mitgliedern seiner Sippe jegliche Hilfe zu leisten und mit ihnen den letzten Bissen zu teilen; ihn vor Überfällen zu schützen; die Götter seiner Sippe zu achten usw. Diese Regeln bilden so selbstveständlich die Basis der Sippenwirtschaft, daß sie nicht einmal besonders hervorgehoben werden.
Aber neben diesen strengen Gesetzen gibt es bei den Aleuten und Eskimos gewisse sittliche Forderungen, die nicht gefordert, sondern nur empfohlen werden. Sie sind nicht mit der Formel auszudrücken: „das und das sollst du tun“, auch die griechische Formel „das soll getan werden“, paßt dafür nicht; der Aleute sagt in diesem Falle „es ist eine Schande, dies und dies nicht zu tun“.
Es ist z.B. eine Schande, nicht stark zu sein und bei einer Expedition, während alle anderen hungern, schwach zu werden. Es ist eine Schande, bei starkem Wind nicht in die See zu gehen oder mit dem Kahn im Hafen umzukippen; mit anderen Worten, es ist eine Schande, feig zu sein, ungeschickt zu sein und nicht mit dem Sturm kämpfen zu wollen. Es ist eine Schande, auf der Jagd nicht das beste Stück dem Genossen anzubieten; mit anderen Worten, gierig zu sein. Es ist eine Schande, in Gegenwart Fremder mit seiner Frau zärtlich zu sein; und es ist eine große Schande, beim Warentausch für seine Ware selbst den Preis zu machen. Der ehrliche Verkäufer nimmt den Preis an, den der Käufer ihm bietet, so war mindestens die allgemeine Regel nicht nur bei den Aleuten in Alaska, bei den Tschuktschen im nordöstlichen Sibirien, sondern auch bei der Mehrzahl der Eingeborenen der Inseln des Atlantischen Ozeans.
Was die Aleuten sagen wollen mit den Worten: „Es ist eine Schande, nicht so stark, nicht so geschickt, nicht so freigebig zu sein, wie die Anderen“, ist ja sehr klar. Sie wollen damit sagen: „es ist eine Schande, schwach zu sein, d.h. körperlich und geistig den anderen nicht gleich zu sein“. Mit anderen Worten, sie verurteilen diejenigen, die der erstrebten Gleichheit in der Bewertung aller Männereiner Sippe nicht entsprechen. „Beweise keine Schwäche, die Milde erfordert“.
Die gleichen Wünsche finden Ausdruck in den Liedern, die die Eskimofrauen in den langen Nächten des Nordens singen, und in denen die Männer verhöhnt werden, die sich in den obenbeschriebenen Situationen nicht auf der Höhe erwiesen haben oder die ohne ausreichenden Grund in Zorn kamen oder die sich unverträglich oder lächerlich erwiesen [9].
So sehen wir, daß neben den einfachen Prinzipien der Gerechtigkeit, die nichts anderes sind als Beweise der Gleichheit und Gleichberechtigung, die Aleuten noch gewisse ideale Wünsche aufstellen. Sie äußern den Wunsch, daß alle Mitglieder der Sippe bestrebt sein sollen, dem stärksten, gescheitesten, verträglichsten, freigebigsten von ihnen gleich zu sein. Diese Verhaltungslinien, die noch nicht zur Regel erhoben sind, bedeuten schon etwas Höheres als die einfache Gleichberechtigung. Sie sind der Ausdruck des Bestrebens nach sittlicher Vervollkommung. Und diesen Zug treffen wir zweifellos bei allen primitiven Völkern. Sie wissen, daß bei den in Gesellschaften lebenden Tieren die stärkeren Männchen zur Verteidigung der Weibchen und Kinder herbeistürzen, oft dabei ihr Leben opfernd; in ihren Märchen und Liedern rühmen die primitiven Völker jene aus ihrem Kreise, die im Kampfe mit der Natur oder mit den Feinden, die ihrigen verteidigend, ihr Leben ließen. Sie schufen ganze Zyklen von Liedern über solche, die Außerordentliches an Kühnheit, Liebe, Geschicklichkeit, Findigkeit geleistet haben für das Wohl der Anderen, ohne zu fragen, was sie selbst als Lob dafür empfangen.
Nach diesen Hinweisen ist es klar, daß der „ethische Prozeß“, von dem Huxley spricht, schon in der Tierwelt beginnend, auf den Menschen übergegangen ist, und hier durch Überlieferung, durch Poesie und Kunst sich immer weiter entwickelt hatte. Seine höchsten Stufen erreichte er in den „Helden“ der Menschheit und in einigen ihrer Lehrer. Die Bereitschaft, sein Leben für den Bruder zu lassen, wurde in der Dichtung aller Völker glorifiziert und ist später in die Religionen des Altertums übergegangen. Mit der Hinzufügung der Verzeihung an seinen Feinden, anstatt der früher obligatorischen Rache, wurde sie die Grundlage des Buddhismus und des Christentums, und hat am meisten den Sieg des Christentums gesichert, so lange es nicht zu einer Staatsreligion wurde und sich von diesen seinen grundlegenden Gedanken, der das Christentum von den anderen Religionen unterschied, lossagte.
So haben sich die sittlichen Begriffe in der Natur überhaut und später in der Menschheit entwickelt.
Ich möchte Euch gerne eine kurze Übersicht ihrer weiteren Entwicklung in den Schriften der Denker vom Altertum bis auf die heutigen Tage geben. Ich muß aber heute davon Abstand nehmen, da ich damit in einem Vortrag nicht fertig werden könnte. Ich will nur darauf hinweisen, daß eine naturwissenschaftliche Erklärung des Sittlichen im Menschen bis in das 19. Jahrhundert hinein unmöglich gewesen ist, obwohl Spinoza sehr nahe daran war, und auch Bacon bestimmt davon sprach. Dafür besitzen wir jetzt nachgeprüfte Angaben, um uns davon zu überzeugen, daß die sittlichen Begriffe mit der Existenz lebender Wesen eng verbunden sind, daß der Kampf ums Dasein ohne sie nicht durchzufechten gewesen wäre; daß die Entwicklung solcher Begriffe ebenso unvermeidlich war, wie die ganze Fortschrittsbewegung von den einfachsten Organismen bis zu dem Menschen; und daß diese Entwicklung nicht möglich gewesen wäre, wenn die Mehrzahl der Tiere nicht Anlagen zum Herdenwesen, zum Gemeinschaftsleben und sogar unter Umständen zur Selbstaufopferung besessen hätte.
Zum Beweise dieser Behauptung besitzen wir jetzt sehr viel Material. So brachte Darwin in seinem Buche „Entstehung des Menschen“ in dem Kapitel über die Entstehung der Sittlichkeit aus Brehms „Tierleben“ die Schilderung eines Kampfes zweier Hunde seiner Karawane mit einer Herde Paviane in Ägypten. Bei der Annäherung der Karawane kletterten die Affen einen felsigen Berg hinauf. Als die älteren männlichen Affen die Hunde erblickten, ließen sie sich, obwohl sie in dem Felsen außer Gefahr waren, hinunter und stürzten sich mit solcher Wut auf die Hunde, daß diese erschrocken zu ihren Herren zurückkehrten. Es war nicht leicht, sie wieder auf die Affen zu hetzen. Sie überfielen dann eine junge, kaum halbjährige Äffin, die von der Herde zurückgeblieben war und in einem Felsen saß. Ein alter Affe kehrte allein um, ging im langsamen Schritt an den Hund heran, verjagte ihn, streichelte das Junge über den Rücken und kehrte mit ihm zur Herde zurück.
Die alten Affen frugen sich in diesem Augenblick nicht, im Namen welchen Prinzips oder auf wessen Befehl sie so zu handeln hatten. Aus Sympathie eilten sie herbei, die ihrigen zu retten, aus dem Herdengefühl, das in Jahrtausenden sich bei ihnen entwickelt hat; und schließlich kraft des Bewußtseins ihrer Stärke und ihrer Verwegenheit.
Ein anderer Fall ist von einem ebenso zuverlässigen Naturforscher, Stansbury, beschrieben worden. Er fand einst einen alten blinden Pelikan, den zu ernähren andere Pelikane heranflogen und ihm Fische brachten; Darwin bestätigte diese Tatsache. Für die Selbstaufopferung der Tiere für andere ihrer Gattung – bei Ameisen, alpinischen Ziegen, bei den Steppenpferden, bei Vögeln usw. sind jetzt so viele Bestätigungen vorhanden, sie sind von unseren besten Naturforschern so oft beschrieben worden, daß wir beim Studium der Natur einen festen Boden besitzen für unsere Ansichten über die Entstehung und Entwicklung sittlicher Begriffe und Gefühle.
Dabei unterscheiden wir leicht drei Grundelemente, drei Bestandteile der Sittlichkeit: anfangs den Herdeninstinkt, aus dem sich die weiteren Sitten und Gewohnheiten entwickeln, später den Begriff der Gerechtigkeit: aus diesen beiden entwickelt sich das Gefühl, das wir nicht ganz richtig Selbstentäußerung oder Selbstaufopfertung, Altruismus, Großmut nennen, ein Gefühl, das von der Vernunft bestätigt wird und das eigentlich das sittliche Gefühl genannt werden sollte. Aus diesen drei Elementen, die sich in jeder menschlichen Gemeinschaft ganz natürlich ausbilden, besteht die Sittlichkeit. Wenn die Ameisen einander helfen, ihre Puppen aus einem Nest zu retten, das von einem Menschen zerstört wurde; wenn die kleinen Vögel zusammenfliegen, um ein Raubtier abzuwehren; wenn die Zugvögel mehrere Tage vor dem Abziehen jeden Abend an bestimmten Plätzen zusammenkommen, um Probeflüge zu veranstalten; wenn viele Tausende Ziegen oder Widder sich versammeln, um gemeinsam umzuziehen; kurz, wenn Tiere in ihrer Gemeinschaft Sitten und Gebräuche äußern, welche ihnen helfen, den Kampf ums Dasein gegen die Natur zu erleichtern oder mit ungünstigen Verhältnissen zu kämpfen, so beweist das die notwendige Herausbildung eines Instinktes, ohne den sie zweifellos ausgestorben wären. Die Gemeinschaft war und ist noch die Grundform des Kampfes ums Dasein, und gerade dieses Gesetz der Natur haben die meisten Darwinisten übersehen, wohl deshalb, weil Darwin selbst in seiner ersten Arbeit „Die Entstehung der Arten“, diese Tatsache nicht genügend beachtet hatte, und davon erst in seinem zweiten grundlegenden Buche „Die Entstehung des Menschen“ zu sprechen begann. Aber gerade in diesem Instinkt finden wir die ersten Ursprünge der Sittlichkeit, aus denen sich später alle hohen Gefühle und Ideale entwickelt haben.
Bei den Menschen entwickelt sich das Gefühl der Solidarität dank ihrem Lebens in Gemeinschaften mehr und mehr. In der Natur konnten die allerersten Wilden beobachten, daß die Tiere, die in geschlossenen Gemeinschaften lebten, im Kampfe ums Dasein siegten, sie begriffen, wie sehr das Leben in Gesellschaft den Kampf mit der Stiefmutter Natur erleichterte. Ihre Beobachtungen hinterließen sie ihren Nachkommen in Überlieferungen, als Sprichwörter, Märchen, Lieder, Religionen und sogar Vergötterungen von einigen in Gesellschaften lebenden Tieren. Auf diese Weise übertrug sich der Gesellschaftsinstinkt von Geschlecht auf Geschlecht und befestigte sich durch Sitten.
Aber der Gesellschaftsinstinkt allein würde doch nicht ausreichen, um die Regeln der Sippengemeinschaft, von denen ich anfangs sprach, herauszuarbeiten. In Wirklichkeit entwickelte sich bei dem primitiven Menschen allmählich, ein bewußterer und höherer Begriff, der Begriff der Gerechtigkeit, und dieser Begriff wurde grundlegend für die weitere Entwicklung der Sittlichkeit.
Wenn wir sagen: „Du sollst dem Anderen das nicht tun, was du nicht willst, das man dir tue“, dann fordern wir Gerechtigkeit, deren Wesen die Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Mitglieder der menschlichen Gesellschaft ist folglich ihre Gleichberechtigung und Gleichheit, die die Mitglieder der Gesellschaft aneinander stellen dürfen. Gleichzeitig bedeutet es die Ablehnung der Ansprüche Einzelner, sich über die Anderen zu stellen. Ohne diesen Ausgleichsbegriff könnte die Sittlichkeit nicht entstehen. In der französischen und englischen Sprache entstammen die Worte Gerechtigkeit und Gleichheit ein und demselben Ursprung: equite und egalité, equity und equality. Aber woher und wann kam dieser Begriff?
Im Keime trifft man ihn schon bei Herdentieren. Bei einigen merkt man zwar das Vorherrschen des Männchens, aber nicht bei allen. Bei vielen Tieren sind Jugendspiele sehr verbreitet (wie wir es jetzt aus dem Buche von Karl Gross „Spiele der Tiere“ genau kennen) und bei diesen Spielen wird sehr achtgegeben auf die strengste Gleichstellung aller Beteiligten, wie wir das auch selbst beobachten können beim Spielen junger Ziegen und anderer Tiere. Man kann das auch bei Tiersäuglingen beobachten, die es nicht dulden, daß einer die Mutter mehr ausnützt als die anderen. Wie wir bereits gesagt haben, kann man das Gerechtigkeitsgefühl bei Zugvögeln beobachten, wenn sie zu ihren alten Nestern zurückkehren. Solche Beispiele lassen sich unendlich viele bringen.
Umsomehr ist das Gefühl der Gerechtigkeit bei den Menschen vertreten, sogar bei den wildesten Völkern, solange sie noch keine lokalen Herrscher über sich haben. Einige Beispiele habe ich schon gebracht, ich will jetzt nur noch hinzufügen, seit die Gelehrten begonnen haben, das Sippenwesen zu studieren und es nicht mehr mit den primitiven Monarchien verwechseln (wie wir sie jetzt in Mittelafrika antreffen), könnte man ganze Bände mit Beispielen der Gleichberechtigung bei den primitiven Völkern füllen.
Man wird mir vielleicht erwidern, daß man schon bei den primitivsten Völkern militärische Führer, Zauberer, Schamanen trifft, die besondere Rechte genießen. Gewiß, das Bestreben, besondere Rechte zu erobern, äußert sich bereits in den frühesten menschlichen Gemeinschaften, und die Schulgeschichte pflegt (aus Ehrfurcht vor den Machthabern) liebevoll bei diesen Tatsachen zu verweilen, so daß man die Schulgeschichte als eine Erzählung von der menschlichen Ungleichheit betrachten kann. Aber gleichzeitig haben die Menschen überall hartnäckig gegen die entstehende Ungleichheit der Rechte gekämpft, so daß man ebenso gut die Geschichte als eine Erzählung betrachten kann, in der einzelne Personen bestrebt waren, einen Stand zu bilden, der sich über die Gesamtheit erhebt und wie die Gesamtheit sich dem widersetzte und die Gleichberechtigung verteidigte. Alle Institutionen der Sippe waren darauf gerichtet, die Gleichberechtigung durchzuführen. Aber leider wissen davon die Geschichtsschreiber sehr wenig, weil man bis zur zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, als zwei neue Wissenschaften entstanden sind: vom Menschen und von den Formen des menschlichen Lebens – Anthropologie und Ethnologie, – den primitiven Formen des menschlichen Lebens sehr wenig Aufmerksamkeit erwiesen hatte. Jetzt jedoch, nachdem eine ganze Menge Tatsachen gesammelt worden sind, sehen wir, daß der Grundbegriff der Gerechtigkeit schon bei den primitivsten Menschen anzutreffen ist und daß er zur Regel wird bei der allerprimitivsten Gemeinschaftsform – der Sippe.
Aber noch mehr. Wir können noch weiter gehen, und ich wage es, in der Wissenschaft folgende Frage aufzuwerfen: „Hat nicht die Gerechtigkeit ihre Begründung in der menschlichen Natur? Und wenn es so ist, bildet sie vielleicht doch die grundlegende physiologische Eigenschaft unseres Denkens?“
Um in der Sprache der Metaphysik zu sprechen, kann man fragen: bildet nicht der Begriff von der Gerechtigkeit die grundlegende „Kategorie“, d.h. die grundlegende Fähigkeit unseres Denkens? Oder, um in der Sprache der Naturwissenschaft zu sprechen: ist nicht die Neigung unseres Denkens, die „Gleichberechtigung“ zu suchen, eine Folge unseres Denkapparats? In diesem Falle, ist es vielleicht die Folge des zweiseitigen oder zweihemisphärischen Baues unseres Gehims? Ich glaube, wenn man sich mit dieser Frage beschäftigen wird, muß man sie bejahen.
Die Tatsache, daß unser Denken sich stets in einer Form vollzieht, die in der Mathematik als Gleichung bekannt ist, und daß sich physische Gesetze, die wir entdecken, in dieser Form äußern, gibt der von mir vorgeschlagenen Erklärung eine gewisse Berechtigung. Es ist auch bekannt, daß bevor wir irgend einen Entschluß fassen, in unserem Gehirn eine Art Gespräch stattfindet, in dem alle pro und contra angeführt werden, und manche Physiologen sehen in dieser Erscheinung, wenn nicht eine Doppelsymmetrie im Bau unseres Gehirns, so jedenfalls seinen komplizierten Bestand [10]. Jedenfalls, ist es eine nebensächliche Frage, ob meine Vermutung über den physiologischen Begriff der Gerechtigkeit richtig ist oder nicht. Wichtig ist nur, daß die Gerechtigkeit der grundlegende Begriff der Sittlichkeit ist, da es keine Sittlichkeit ohne Gleichberechtigung, das heißt, ohne Gerechtigkeit geben kann. Und wenn die Meinungen der Gelehrten, die sich mit der Frage der Ethik beschäftigten, bis jetzt so auseinandergingen, so liegt der Grund darin, daß die Mehrzahl dieser Gelehrten nicht anerkennen wollte, daß die Gerechtigkeit der Ursprung der Sittlichkeit ist. Diese Anerkennung wäre gleichzeitig die Anerkennung der politischen und sozialen Gleichberechtigung der Menschen und müßte folglich zur Ablehnung der Klassenunterschiede führen. Aber gerade damit wollte sich die Mehrzahl derer, die sich mit den Fragen der Sittlichkeit beschäftigt, nicht abfinden.
Beginnend mit Platon, der in seinem Entwurf zu einer idealen Gesellschaftsform die Sklaverei beibehielt, fortsetzend mit dem Apostel Paulus und endend mit den vielen Schriftstellern des 18. und 19. Jahrhunderts, haben alle, wenn nicht direkt die Ungleichheit verteidigt, so jedenfalls sie nicht abgelehnt, sogar nicht nach der Französischen Revolution, die auf ihr Banner Gleichheit und Brüderlichkeit neben Freiheit schrieb. Godwin in England und Proudhon in Frankreich, die die Gerechtigkeit als den Ausgangspunkt jeglicher sittlichen Gesellschaftsform anerkannte, nehmen noch bis jetzt eine Ausnahmestellung ein [11].
Jedoch stellt die Gerechtigkeit noch nicht die ganze Sittlichkeit dar. Da sie ja nur eine Gleichheit im Austausch gegenseitiger Dienste bedeutet, so unterscheidet sie sich in dieser Beziehung nicht viel von einem Handel. Daß sie im Aufbau der Sittlichkeit eine entscheidende Bedeutung besitzt, unterliegt keinem Zweifel. Es wird darum die tiefste Umwälzung im ganzen menschlichen Leben bedeuten, wenn der Begriff von der Gleichberechtigung die Basis des sozialen Lebens bilden wird. Nicht umsonst strebten alle Volksbewegungen, die in Judäa zur Zeit Julius Cäsar begonnen haben und im Christentum, später in der Reformation und schließlich in der Großen Französischen Revolution endeten, – zur Gleichheit und Gleichberechtigung.
Die offene Proklamierung der Gleichberechtigung aller Mitglieder der Gesellschaft vor dem Gesetz geschah jedoch erst am Ende des 18. Jahrhunderts in der Französischen Revolution. Aber auch jetzt noch sind wir weit entfernt von der Verkörperung der Gleichheit im sozialen Leben. Die zivilisierten Völker sind bis heute in Klassen geteilt, die wie Schichten aufeinander liegen. Erinnert Euch nur an die Sklaverei, die in Rußland bis zum Jahre 1881 herrschte, und in Nordamerika bis 1864. Erinnert Euch an die Leibeigenschaft, die sich in Bezug auf die Bergarbeiter in England bis zum Jahre 1797 hielt, und an die Kinder der Armut, die man in England „Lehrlinge aus den Arbeitshäusern“ [12] (workhouse apprentice) nannte, und die von besonderen Agenten, welche im ganzen Lande herumreisen, bis ans Ende des 18. Jahrhunderts weggenommen und nach Lancashire gebracht wurden, um sie dort in den Baumwollfabriken arbeiten zu lassen. Denkt schließlich an die niederträchtige Behandlung der sogenannten zivilisierten Völker, die sie jetzt jenen angedeihen lassen, die sie „niedere Rassen“ nennen. Der erste Schritt, den die Menschheit machen muß in ihrer sittlichen Entwicklung, wäre also, die Anerkennung der Gerechtigkeit, das heißt, der Gleichheit aller menschlichen Wesen.
Ohne Gerechtigkeit bleibt die soziale Sittlichkeit das, was sie bis jetzt war, das heißt, eine Heuchelei, und diese Heuchelei unterstützt jene Zwiespältigkeit, von der die gegenwärtige persönliche Sittlichkeit durchsetzt ist.
Aber die Gemeinschaftlichkeit und die Gerechtigkeit bilden noch immer nicht den ganzen Inhalt der Sittlichkeit. Sie besteht noch aus einem dritten Teil, den man aus Mangel eines besseren Namens, als die Bereitschaft zur Selbstaufopferung, als Großmut bezeichnen kann.
Die Positivisten nennen es Altruismus, das heißt, die Fähigkeit zum Nutzen Anderer und im Gegensatz zum Egoismus (Eigenliebe) zu handeln. Sie vermei- den durch diese Bezeichnung den christlichen Begriff Nächstenliebe, und sie vermeiden es darum, weil das Wort „Nächstenliebe“ die Gefühle unrichtig wiedergibt, welche den Menschen bewegen, wenn er seine unmittelbaren Vorteile zum Nutzen anderer opfert. Und wirklich, in den meisten Fällen denkt der Mensch, der so handelt, nicht an ein Opfer und fühlt keinerlei Liebe zu den „Nächsten“. Meistens kennt er sie gar nicht. Aber auch die Worte „Altruismus“, wie „Selbstaufopferung“ geben den Charakter solcher Handlung nicht genau wieder, denn solche Handlungen sind dann als „gut“ zu bezeichnen, wenn sie selbstverständlich sind und vollbracht werden ohne Zwang von irgendwelcher Seite und ohne Erwartung einer Belohnung im Leben oder nach dem Tode; nicht aus Erwägungen sozialer oder persönlicher Nützlichkeit, sondern aus unüberwindlichem inneren Bedürfnis heraus bekommen diese Handlungen den Charakter des Guten, und nur dann gehören sie zum Gebiet der Sittlichkeit und verdienen eigentlich nur in diesem Falle die Bezeichnung „sittlich“.
Seit den frühesten Zeiten war die menschliche Gesellschaft bemüht, die Neigung zu solcher Art Handlungen zu wecken. Erziehung, Volkslieder, Märchen, Dichtung, Kunst und Religion hatten diese Tendenz. Solche Handlungen war man in der menschlichen Gesellschaft stets bemüht, zur Pflicht und zur „Ehrenpflicht“ zu machen und sie in jeder Weise zu fordern. Aber leider demoralisierten die Menschen sich und ihre Mitmenschen durch das Versprechen der Belohnung für sittliche Handlungen. Und erst jetzt beginnt der Gedanke aufzukommen, daß in einer Gesellschaft, die auf Gerechtigkeit oder Gleichberechtigung aller aufgebaut sein wird, keine Art Vergeltungen für Selbstaufopferung nötig sein wird. Das Wort „Selbstaufopfer1mg“ beginnt sogar allmählich einen neuen Sinn zu bekommen, denn in den meisten Fällen fragt nicht der Mensch, der seine Kraft in den Dienst der Allgemeinheit stellt, was er dafür bekommen wird. Er handelt so und nicht anders, weil das seine Natur ist; weil er nicht anders handeln kann, wie jener Pavian, der das Junge gegen die Hunde verteidigen ging und der niemals von Religion, noch vom Kantschen Imperativ gehört hat oder gar aus irgendwelchen utilitaristischen Erwägungen handelte.
Das „Pflichtgefühl“ ist sicherlich eine sittliche Kraft. Aber es sollte nur dann entscheiden, wenn sich in uns zwei natürliche Veranlagungen kreuzen und uns in unserer Handlung schwankend machen. Die sogenannten „selbstaufopferungsfähigen“ Menschen kommen in den meisten Fällen ohne dem aus.
Der äußerst sympathische und leider zu früh verstorbene französische Denker Marc Guyau hat, glaube ich, als erster, den wahren Charakter dessen, was ich den dritten Bestandteil der Sittlichkeit nenne, erklärt. Er hat es begriffen, daß sein Wesen nichts anderes ist, als das menschliche Bewußtsein seiner Kraft; der Überfluß an Energie, der Überfluß an Kraft, die danach drängt, sich in Taten zu äußern.
Wir haben, schrieb er, mehr Gedanken als wir für uns selbst benötigen, und wir werden gezwungen, uns den Anderen mitzuteilen, weil wir nicht anders können. Wir besitzen mehr Tränen oder mehr Lustigkeit, als wir selbst brauchen, und wir geben von dem Überfluß gerne ab.
Und schließlich besitzen manche von uns mehr Willenskraft und mehr Energie, als sie zu ihrem persönlichen Leben brauchen. Manchmal erzeugt dieser überschüssige Wille, wenn er von einem kleinen Geist geleitet wird, einen Eroberer, wenn er aber von einem größeren Geist und Gefühl in die Richtung des Sozialen entwickelt und geleitet wird, entsteht daraus ein Begründer einer neuen Religion oder einer neuen sozialen Bewegung, welche die Erneuerung der menschlichen Gesellschaft verursacht.
Aber in allen diesen Fällen leitet uns in erster Linie das Bewusstsein der eigenen Kraft und das Bedürfnis, sie anzuwenden.
Wenn dieses Gefühl noch von der Vernunft bestätigt wird, so erfordert es keiner Sanktion mehr, keiner höheren Fürsprache und keiner äußeren Verpflichtung so zu handeln [13]. Das wird selbst zu einem Zwang, denn in diesem Moment kann der Mensch nicht anders handeln. Das Bewußtsein seiner Kraft und seiner Fähigkeit, für jemanden oder für die Menschen im allgemeinen etwas zu tun, was die Kontrolle der Vernunft gutheißt, enthält schon in sich selbst den Zwang zur Handlung. – Das nennen wir „Pflicht“.
Gewiß, führt Guyau weiter aus, geht in uns oft ein Kampf vor, ehe wir uns zu einer Handlung entschließen. Der Mensch ist eben nichts Ganzes, aus einem Wurf Gegossenes. Vielmehr besteht jeder von uns aus verschiedenen Individualitäten, verschiedenen Charakteren: wenn unsere Neigungen und Veranlagungen sich im Gegensatz zu einander befinden und auf jedem Schritt einander widersprechen, – dann wird das Leben unerträglich. Alles andere, sogar der Tod ist angenehmer, als die ewige Zerrissenheit, die ewigen Kollisionen, die einen zum Wahnsinn bringen können. Dann entschließt sich der Mensch für das Eine oder das Andere.
Es kommt vor, daß unser Gewissen und unsere Vernunft sich gegen einen gefaßten Entschluß auflehnen, als gegen einen unehrlichen, kleinlichen, banalen, und dann denkt sich der Mensch irgend einen Sophismus, das heißt einen Selbstbetrug, zur Rechtfertigung aus. Bei starken und ehrlichen Menschen hilft jedoch ein Sophismus nicht; wenn auch unbewußt siegen in Zweifelsfällen die tieferen, inneren Gründe. Dann wird die Eintracht zwischen der Vernunft und dem, was wir Gewissen nennen, hergestellt, und es entsteht eine Harmonie, die uns die Möglichkeit gibt, das Leben in seiner ganzen Fülle zu erleben, das intensive, freudige Leben, vor dem die Leiden verblassen... Wer dieses Leben gelebt hat, wer ein solches Leben gekannt hat, wird es nicht gegen ein klägliches Dasein voller Zweifel vertauschen.
Wenn jemand dabei auch „Opfer“, wie man das nennt, bringt, so empfindet er sie gar nicht als Opfer. Eine Pflanze muß blühen, schrieb Guyau, wenn auch darauf unvermeidlich der Tod folgt. Ebenso der Mensch, der in sich einen Überschuß an Mitgefühl für menschliche Leiden empfindet, der das Bedürfnis nach geistiger Produktivität, nach schöpferischer Arbeit hat, – er gibt frei seine Kräfte hin, welche Folgen es auch nach sich ziehen mag.
Gewöhnlich nennt man solches Handeln Selbstaufopferung, Selbstentäußerung, Altruismus. Aber alle diese Bezeichnungen sind falsch, weil der Mensch, der so handelt, in den meisten Fällen, die physischen und manchmal sogar moralischen Leiden, die sie ihm mitunter eintragen, nicht vertauscht hätte gegen eine viehische Teilnahmslosigkeit und noch weniger gegen eine mangelnde Willenskraft, die ein solches Handeln erfordert.
Hier ein Beispiel – eines aus vielen.
Als ich am Südufer Englands in einem kleinen Dorfe war, in dem sich eine Station der Gesellschaft zur Rettung auf dem Wasser Verunglückter befindet, unter hielt ich mich mit den Matrosen der Quaiwache (Coast guarde). Einer von ihnen erzählte uns, wie sie im vergangenen Jahr die Besatzung eines kleinen spanischen Schiffes, das mit Apfelsinen beladen war, retteten. Das Schiff wurde während eines fürchterlichen Schneesturmes auf einen flachen Platz hinausgetragen, der in der Nähe unseres Dorfes lag. Die Riesenwellen sprangen über das kleine Schiff; die Besatzung, die aus fünf Männern und einem Jungen bestand, band sich an die Segelstangen fest und flehte laut um Hilfe. Ein Rettungsboot konnte jedoch nicht abfahren, weil die Wellen es jedesmal zurück ans Ufer warfen.
„So standen wir alle am Ufer“, sagte der Erzähler, „und konnten nichts unternehmen, bis wir etwa um drei Uhr, es begann schon zu dämmern, es war im Februar, die verzweifelten Schreie des Knaben, der sich an den Mast gebunden hatte, vernahmen. Da konnten wir es nicht mehr aushalten. Die, die früher behauptet hatten, daß es Wahnsinn sei hinauszufahren, wir würden nie das Meer erreichen, begannen als Erste zu schreien: „Wir wollen es doch versuchen“. Wir ließen nochmals ein Rettungsboot hinunter, kämpften lange mit dem Sturm, bis wir doch in das Meer hinausgelangten. Die Wellen schlugen das Boot zweimal um. Zwei von uns ertranken. Der arme Dago verwirrte sich an Bord in die Stricke und erstickte vor unseren Augen in den Wellen... Es war schrecklich anzusehen. Schließlich kam eine starke Welle und schmiß uns alle ans Ufer. Mich fand man am nächsten Tag im Schnee, zwei Meilen von hier entfernt. Die Spanier wurden von einem großen Rettungsboot aus Dengenes gerettet...“.
Oder Ihr erinnert Euch doch noch der Bergarbeiter des Rondatales, die sich zwei Tage den Weg durch eine zusammengestürzte unterirdische Galerie ebneten, um ihre verschütteten Kameraden zu erreichen. Jeden Moment erwarteten sie, daß sie von einer neuen Explosion oder von einem neuen Absturz erschlagen würden. „Die Explosionen dauerten an, aber wir hörten das Klopfen der Kameraden: sie gaben uns Zeichen, daß sie noch lebten... Und wir gingen weiter“.
So ist der Inhalt aller wahrhaft altruistischen Taten, der großen und der kleinen. Ein Mensch, dem die Fähigkeit, sich mit seiner Umgebung zu identifizieren, anerzogen ist, ein Mensch, der sich der Macht seines Herzens, seines Willens bewußt ist, stellt seine Fähigkeit frei in den Dienst der Anderen, ohne in dieser oder in einer anderen Welt dafür eine Belohnung zu erwarten. Vor allem besitzt er die Fähigkeit, Gefühle anderer zu begreifen, sie mitzuerleben. Dies genügt. Er teilt mit den Anderen Leid und Freud. Er hilft ihnen, die schweren Zeiten ihres Lebens zu ertragen. Er fühlt seine Kräfte und verbraucht großmütig seine Fähigkeiten, andere zu lieben, andere zu begeistern, in ihnen den Glauben an eine bessere Zukunft zu wecken und sie zum Kampf für diese Zukunft hinzureißen. Welches Schicksal ihn auch erreicht, er nimmt es nicht als Leid, sondem als Erfüllung seines Lebens, als Reichtum des Lebens, das er nicht gegen ein pflichtloses Vegetieren eintauschen möchte, er zieht eventuelle Gefahren einem kampf- und inhaltslosen Leben vor.“
Sogar jetzt, wo der krasseste Individualismus in Wort und Schrift propagiert wird, bleibt die gegenseitige Hilfe der wesentlichste Bestandteil im Leben der Menschheit. Und es hängt von uns selbst, nicht von äußeren Umständen ab, der gegenseitigen Hilfe eine immer größere und größere Bedeutung einzuräumen, nicht etwa in Form einer Wohltätigkeit, sondern durch die natürliche Pflege der in uns vorhandenen Gesellschaftsinstinkte.
Wollen wir jetzt betrachten, wie sich uns das, was wir sittliche Pflicht nennen, von dem von mir entwickelten Gesichtspunkte aus darstellt. Fast alle, die über Sittlichkeit schrieben, versuchten sie auf irgend einen Ursprung zurückzuführen: auf die Eingebung von oben, auf ein angeborenes Gefühl oder auf einen vernunftmäßig verstandenen persönlichen oder allgemeinen Vorteil.
In Wirklichkeit stellt sich heraus, daß die Sittlichkeit ein kompliziertes System von Gefühlen und Begriffen ist, die sich bei der Menschheit langsam entwickelt haben und sich noch entwickeln. Man muß in der Sittlichkeit mindestens drei Bestandteile unterscheiden:
-
den Instinkt, d.h. die vererbte Gewohnheit der Gemeinschaftlichkeit;
-
die begriffsmäßige Vorstellung von Gerechtigkeit und schließlich,
-
das von der Vernunft unterstützte Gefühl, das man Selbstaufopferung, Selbstentäußerung nennen könnte, wenn es nicht seinen höchsten Ausdruck dann gefunden haben würde, wenn es weder Aufopferung, noch Entäußerung enthält, sondern der Ausdruck der höchsten Befriedigung der mächtigen Forderungen seiner Natur ist. Sogar das Wort Großmut gibt den Inhalt dieses Gefühls falsch wieder, denn „Großmut“ setzt eine hohe Selbsteinschätzung seiner Tat voraus, während der sittliche Mensch gerade diese Einschätzung verneint. Darin besteht die wahre Kraft des Sittlichen.
Die Menschen lieben es, ihre sittlichen Regungen übernatürlichen Eingebungen zuzuschreiben; dieser Versuchung hielten die wenigsten Denker stand; während die Anderen, die Utilitaristen, bemüht waren, die Sittlichkeit mit der beim Menschen entwickelten Vorstellung vom Vorteil zu erklären. So entstanden zwei sich widersprechende Schulen. Aber diejenigen von uns, die das menschliche Leben kennen und sich von den Vorurteilen der Kirche befreit haben, wissen, wie wichtig für die Menschheit die gegenseitige Hilfe war und noch ist, wie wichtig ein vernünftiges Urteil über die Gerechtigkeit und die uneigennützigen Regungen der Menschen mit festem Herzen und festem Willen ist.
Sogar jetzt, wo der krasseste Individualismus, d.h., die Regel: „denke zuerst an dich selbst“ propagiert wird, könnte die Menschheit auch nicht ein Dutzend Jahre existieren ohne gegenseitige Hilfe und ohne selbstlose Tätigkeit im Dienste der Allgemeinheit. Leider haben diese Gedanken über das Wesen der Sittlichkeit und ihre Entwicklung unter den Vertretern der modernen Wissenschaft keinen Widerhall gefunden. Huxley, der als der beste Darwinforscher gilt, solange er den „Kampf ums Dasein“ und seine Bedeutung für die Entwicklung neuer Ideen erläuterte, verließ seinen großen Lehrer in der Frage der Entwicklung der sittlichen Begriffe im Menschen. Darwin erklärte sie als einen Gesellschaftsinstinkt, der Menschen und Tieren in gleicher Weise eigen ist. Anstatt der Sittlichkeit eine naturwissenschaftliche Erklärung zu geben, hat dieser ehemals entschiedene Naturwissenschaftler es vorgezogen, die Lehren der Natur mit kirchlichen Dogmen zu verbinden.
Herbert Spencer, der sein Leben der Ausarbeitung einer rationalen Philosophie, welche auf der Entwicklungstheorie basiert, gewidmet und viele Jahre sich mit den Fragen der Sittlichkeit beschäftigt hat, ist ebenfalls der Darwinschen Erklärung des sittlichen Instinktes nicht gänzlich gefolgt. Nach der verspäteten Anerkennung der gegenseitigen Hilfe bei den Tieren (erst im Juni 1888 in der Zeitschrift Nineteenth Century) und nach dem Geständnis, daß bei manchen von ihnen Ansätze des sittlichen Gefühls vorhanden sind, blieb Spencer trotzdem ein Anhänger Hobbes, der das Vorhandensein des sittlichen Gefühls bei den primitiven Völkern, „solange sie keinen Gesellschaftsvertrag geschlossen haben“ und sich den Regeln der auf geheimnisvolle Art inspirierten weisen Gesetzgeber unterworfen haben, bestritt. Und wenn Spencer in den letzten Jahren seines Lebens seinen Standpunkt etwas änderte, so blieb doch der primitive Mensch für ihn, wie für Huxley, ein streitsüchtiges Tier, das man erst durch Gesetze zähmen mußte und das sich schließlich zum Teil durch egoistische Berechnungen einen Begriff von sittlichen Beziehungen zu seinen Mitbrüdern gebildet hat. Aber die Wissenschaft sollte schon längst das Faust-Kabinett verlassen, wohin Licht nur durch die matten Scheiben dringt.
Es ist Zeit, daß die Gelehrten die Natur kennen lernen nicht nach den verstaubten Bücherschränken, sondern nach den freien Bergen und Tälern im vollen Glanze des Sonnenlichtes, wie das am Anfang des 19. Jahrhunderts die Begründer der wissenschaftlichen Zoologie in den freien Steppen Amerikas gemacht haben, wie auch die Begründer der wahren Anthropologie, die mit den primitiven Völkern zusammenlebten nicht um sie zum christlichen Glauben zu bekehren, sondern um ihre Sitten und Gebräuche kennen zu lernen.
Dann werden sie sich überzeugen, daß die Sittlichkeit der Natur nicht fremd ist. Sie werden sehen, wie die Mutter in der ganzen Tierwelt ihr Leben aufs Spiel setzt, um ihr Kind zu retten, sie werden sehen, wie die Herdentiere solidarisch gegen ihre Feinde kämpfen, wie sie sich in großen Gemeinschaften sammeln, um vereint neue Weiden zu suchen; dort werden sie sehen, wie die Urstämme der Wilden Lehren der Sittlichkeit von den Tieren empfangen; dann werden sie sehen, woher das stammt, worauf unsere geistigen Lehrer so stolz sind und sich als die Stellvertreter Gottes auf Erden wähnen. Und anstatt zu wiederholen, daß die Natur „unsittlich“ ist, würden sie begreifen, daß, wie auch ihre Begriffe von Gut und Böse sein mögen, sie nichts anderes sind, als der Ausdruck dessen, was ihnen zuerst die Natur und später der langsame Prozeß der Entwicklung gegeben hat.
Das höchste sittliche Ideal, zu dem sich die Besten unter uns erhoben haben, ist nichts anderes, als was wir bereits bei den Tieren und wilden Stämmen, wie auch in der zivilisierten Gesellschaft unserer Tage beobachten, wenn sie ihr Leben für ihre Nächsten und für das Glück der kommenden Generationen weggeben. Über dieses Ideal hat sich bisher keiner erhoben und kann sich keiner erheben.
[1] Kurz nachdem er ihn gehalten hatte, erschien der Vortrag von Huxley in der Zeitschrift „Nineteenth Century“ und einige Monate später, noch im selben Jahre als Broschüre, durch längere Anmerkungen ergänzt. Dieser Vortrag ist auch im Buche von Huxley „Collected Essays“ enthalten, wo ihm eine längere Einleitung (prolegomena) angefügt ist, wie auch in seinen Essays „Ethical und Political“ in der billigen Ausgabe von Mac Millan, erschienen im Jahre 1903. In russischer Übersetzung erschien der Vortrag im Jahre 1893 in der Zeitschrift „Russkaja Mist“, leider jedoch ohne die obengenannten Anmerkungen.
[2] Hobbes ist ein englischer Denker, äußerst konservativer Richtung, der kurz nach der englischen Revolution, 1639–48, zu schreiben begann.
[3] Als Instinkt bezeichnet man Gewohnheiten, die so in Fleisch und Blut übergehen, daß sie sich bei Menschen oder Tieren vererben. So beginnen Küken, sobald sie sich aus dem Ei herausschälen, auch wenn sie ohne Henne durch Wärme ausgebrütet werden, mit den Füßchen die Erde zu scharren, genau wie jedes erwachsene Hulm.
[4] Ein englischer Denker, der über das Wesen der Sittlichkeit schrieb, geb. im Jahre 1671, gest. 1713
[5] Siehe mein Buch „Gegenseitige Hi1fe“, in dem ebenfalls Quellen angegeben sind.
[6] Der Frage der Übernahme der sittlichen Regeln durch den Urmenschen vom Tierreiche habe ich einige Seiten meines Artikels „Sittlichkeit in der Natur“ in der Zeitschrift „Nineteenth Century“, März 1905 gewidmet.
[7] Gewiß, beginnen sich schon in den frühesten Zeiten der Sippenphasen Gewohnheiten herauszubilden, die die Gleichberechtigung verletzen. Der Wahrsager, der Weise, der Kriegshäuptling gewinnen in der Sippe eine solche Bedeutung, daß sich allmählich (hauptsächlich durch geheime Gesellschaften) Klassen der Zukunftsdeuter, Priester, Schamanen, Krieger herausbilden, die eine besondere privilegierte Stellung in der Sippengemeinde einnehmen. Später als sich in den Sippen Familienverbände herauszubilden begannen zu der Zeit, als die Frauen zuerst durch Überfall und Unterjochung fremder Sippen und dann durch einfachen Raub angeeignet wurden, entstand eine Ungleichheit, die gewisse Familien für immer vor den anderen bevorzugte. Aber die Sippengemeinden bemühten sich und bemühen sich noch jetzt, wo sie existieren, diese Ungleichheit zu mildern; so sehen wir z.B. bei den Normannen, daß der Kriegsführer die Familie des Ermordeten um Verzeihung bitten und ihr eine übliche Buße zahlen mußte. (Näheres über diese Sitten siehe in meinem Buche „Gegenseitige Hilfe“.)
[8] Des späteren Moskauer Metropoliten Innozenz.
[9] Siehe darüber den Bericht der dänischen Expedition, die im Jahre 1886 auf dem Ostufer von Grönland überwintert hat und bei Dr. Ranke in dessen Arbeit über die Eskimos.
[10] Ich füge hinzu, daß, wie ich erst später erfuhr, der bekannte positivistische Denker Littré zur gleichen Hypothese kam, in einem Artikel über die Sittlichkeit, der in seiner Zeitschrift „Philosophie Positive“ veröffentlicht wurde.
[11] Das Buch von Godwin „Political justice“, 2 Bände, erschien in den Jahren 1792–1793 (in der zweiten Ausgabe sind von der Zensur Kürzungen getroffen worden). Proudhons „De la justice dans la Revolution et dans 1’ég1ise“ erschien 1858–1859.
[12] So nannte man die Kinder jener Armen, die nach jahrelangem vergeblichen Kampf mit der Armut gezwungen waren, in die Arbeitshäuser zu gehen, eigentlich Gefängnisse mit Zwangsarbeit; ihnen nahm man die Kinder weg und gab sie den Fabrikherren für die Arbeit in den Fabriken.
[13] Guyau: „Sittlichkeit ohne Pflicht“.