John Zerzan
Warum Primitivismus?
Der Biograph von Guy Debord hat die Frage aufgeworfen, warum »die Resultate menschlicher Aktivität der Menschheit so sehr schaden«[387]. Dies lenkt unsere Aufmerksamkeit auf ein Problem, das vor beinahe 50 Jahren so formuliert wurde: »Was wurde aus der Möglichkeit, zu einer Menschlichkeit zu gelangen, deren Absicht nicht darin liegt, >die Natur zu kontrollieren< ?«[388]
Die soziale und ökologische Krise verschärft sich zusehends in allen Bereichen unseres Lebens. Auf der biosphärischen Ebene ist dies mittlerweile so deutlich, dass es banal erschiene, darauf zu verweisen, wenn es nicht so fürchterlich wäre: das Aussterben von Lebensarten, die Verschmutzung der Meere, Ozonlöcher, verschwindende Regenwälder, Treibhauseffekt, die allgegenwärtige Vergiftung von Luft, Wasser, Erde usw. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind oft unmittelbar, etwa in Form der weit verbreiteten pharmazeutischen Kontaminierung unseres Grundwassers. [389] Zahlreiche Entfremdungsprozesse — oft von exzessivem Drogengebrauch maskiert — treiben diese Zerstörung weiter voran. Auch die physischen Konsequenzen sind offensichtlich: In den USA steigt die Anzahl von Fällen lebensbedrohlicher Fettleibigkeit beständig an, und Millionen von Menschen leiden an ernsthafter Depression und Stresssymptomen.[390] Es kommt zu Amokläufen in der Familie, der Schule oder am Arbeitsplatz, und die Selbstmordrate unter Jugendlichen hat sich in den letzten Jahrzehnten beinahe verdreifacht.[391] Fibromyalgie, chronisches Erschöpfungssyndrom und andere »mysteriöse« psychosomatische Krankheiten sind epidemisch und konkurrieren mit der hartnäckigen Präsenz — bzw. weiteren Ausdehnung — bekannter Virus- und Infektionskrankheiten: Ebola, Lassafieber, AIDS, Legionärskrankheit. Die Illusion technologischer Kontrollierbarkeit wird deutlich durch die Rückkehr von antibiotikaresistenter Tuberkulose und Malaria — um die Ausbrüche von E.coli-Infektionen, Rinderwahn, West-Nil-Fieber usw. gar nicht zu nennen. Permanente Anspannung, ein Gefühl innerer Leere, Verlust des Glaubens an die sozialen Institutionen und hohe Stresswerte tragen darüber hinaus zu dem bei, was Claude Kamoouh »den zunehmenden Zerfall des sozialen Netzes« genannt hat.[392]
Die Wirklichkeit, der wir uns heute gegenübersehen, macht die Unangemessenheit unserer Diagnosen ebenso deutlich wie die Auflösung des Glaubens an den »Fortschritt«. Was es noch an Leben auf der Erde gibt, wird vernichtet. Wo ist die Analyse, die wirklich Antwort gibt auf die Bedrohung der Menschheit und des Planeten? Ist die Zerstörung alles, was bleibt? Die Krise ist vielfältig und überall deutlich. Ulrich Beck formuliert: »Menschen haben begonnen, die Moderne in Frage zu stellen ..., deren Voraussetzungen brüchig geworden sind. Viele Menschen sind zutiefst enttäuscht, was den Kartenhaus-Charakter des Superindustrialismus anlangt.«[393]
Je weiter wir uns von der Natur fort bewegen, desto verletzlicher werden wir, entgegen allen Ideologien von »Fortschritt« und »Entwicklung«.[394] Teil der allgemeinen Ernüchterung ist das Gefühl, dass es einer Alternative bedarf. Das heißt jedoch, dass wir in eine Tiefe vordringen müssen, die beinahe vollständig verleugnet wird. Um den totalen sozialen Zusammenbruch zu vermeiden, muss sich die analytische Perspektive radikal ändern.[395] Dazu bedarf es zunächst der Zurückweisung von Foucaults Behauptung, dass menschliche Beziehungen zwangsläufig technologisiert seien.[396] Wie Voegelin formuliert: »Der Tod des Geistes ist der Preis des Fortschritts.«[397] Aber wenn der Fortschritt des Nihilismus identisch mit dem Nihilismus des Fortschritts ist, wie kann es dann zu radikaler Veränderung kommen? Wie können wir Fortschritt, Technologie und Modernität überwinden?
Ein rascher Blick genügt, um einzusehen, dass wir in den gegenwärtigen akademischen Trends keine Antworten auf diese Fragen finden werden. Fredric Jameson erklärt den Postmodernismus als Resultat eines »Modernisierungsprozess, der zum Abschluss gebracht wurde und in dem die Natur ein für alle mal verschwunden ist«.[398] Postmodernismus ist ein Ethos von Niederlage und Reaktion[399], ein Scheitern des Willens und Intellekts, der neue Extreme von Entfremdung und Zerstörung geschaffen hat. Widerstandsmöglichkeiten gibt es für Postmodernistlnnen nicht: die Wirklichkeit ist zu »konfus«, »inkonstant«, »komplex«, »unbestimmt« und Widerstände nichts als ewig falsche »Binaritäten«. Postmodernistlnnen scheinen zu glauben, dass uns stattdessen sinnloses Gefasel und ewiges Ausweichen weiterbringen. Wie kann es in einer Definition von Freiheit, die an die Welt des Konsums geknüpft ist — »diesem komplexen Knoten, wo Technologien verbreitet, wo Technologien gewählt werden « [400] je etwas Falsches geben?[401] Die Fixierung auf die Oberfläche (»Tiefe« ist schließlich eine Illusion — dasselbe gilt für »Präsenz« und »Unmittelbarkeit«), die Aufgabe »vereinheitlichender« Theorien und Analysen von Ursprünglichkeit, die Indifferenz bezüglich Methode und Beweis, die Betonung von »Effekt« und »Originalität« — all dies findet seinen Ausdruck in postmoderner Kultur. Diese Einstellungen dehnen sich überallhin aus, zusammen mit der Technologie, für die sich alle vorbehaltlos begeistern. Glücklicherweise häufen sich jedoch die Zeichen, dass dieses triviale und langweilige »Denken« seinen Reiz verliert.[402] Im Besonderen die sogenannte »Antiglobalisierungsbewegung« hat ein starkes Gegengewicht zum Postmodernismus geschaffen.[403]
Lyotard selbst, der einst den Möglichkeiten der Technologie huldigte, schreibt jetzt über die Entwicklung einer neo-totalitären, strukturellen Einsperrung. Schon vor einiger Zeit verwies er auf den Verlust des Mitgefühls als Teil der Postmoderne. Mittlerweile rechnet er diesen Verlust der techno-wissenschaftlichen Hegemonie zu. Kranke Individuen sind in Lyotards Analyse ein Teil der pathologischen Effekte instrumenteller Vernunft. Im Gegensatz zur Auffassung von Jürgen Habermas wird die Herrschaft instrumenteller Vernunft keineswegs von »kommunikativem Handeln« herausgefordert.[404] Sich auf die globale Urbanisierung beziehend, schreibt Lyotard: »Wir bewohnen die Megalopolis nur zu dem Grade, in dem wir sie für unbewohnbar erklären. Ansonsten sind wir dort nur untergebracht.« Er fügt hinzu, dass »mit der Megalopolis das, was der Westen genannt wird, seinen Nihilismus zu Ende führt und damit auflöst. Dies nennen wir >Entwicklung<.« [405] Mit anderen Worten: Es scheint einen Weg aus der postmodernen Sackgasse zu geben — zumindest für manche.
Diejenigen, die sich immer noch als Teil der Linken begreifen, haben ein ganz anderes Vermächtnis über Bord zu werfen — eines, welches über den Bereich des »nur« Kulturellen hinauszugehen hat. Nachdem die Linke als realistische Alternative diskreditiert und gestorben ist, muss nun die gesamte linke Ideologie verschwinden. Was passiert, wenn das nicht der Fall ist, können wir bei selbstdeklarierten militanten Kommunisten wie Michael Hardt und Antonio Negri sehen: sie verstehen schlicht die gegenwärtige Krise nicht. Stattdessen fahren sie damit fort, nach Alternativen innerhalb der Moderne zu suchen. Sie verorten die Kraft, von der die kommunistische Revolution kommen soll, in »den neuen produktiven Praktiken und der Konzentration produktiver Arbeit auf dem plastischen und fließenden Terrain der neuen kommunikativen, biologischen und mechanischen Technologien«.[406] Die linke Analyse hält tapfer das Herz des produktionistischen Marxismus aufrecht — trotz der immer deutlicher werdenden zerstörerischen Dimension der Technologie. Kein Wunder, dass es Hardt und Negri nicht gelingt, die Zerstörung der Natur und indigener Kulturen in ihre Analyse miteinzubeziehen — genauso wenig wie die globale Bedrohung völliger Entmenschlichung.
Kamoouh meint, dass »die Idee, dass Fortschritt in der totalen Kontrolle des genetischen Bestands aller lebenden Wesen besteht«, monströs sei. Einer solchen Idee zu folgen, würde zu einer Unfreiheit führen, »die selbst die blutigsten Totalitarismen des 20. Jahrhunderts überbieten würde«.[407] Hardt und Negri würden davor anscheinend nicht zurückschrecken, da sie keine einzige der Voraussetzungen dieser Idee in Frage stellen, genauso wenig wie ihre Dynamik oder Bedingungen.
Es liegt wohl eine gewisse Ironie in der Tatsache, dass es einer ihrer weltanschaulichen Feinde ist, der das Unverständnis der Empire-Militanten entblößt, was die Geschichte der Moderne anlangt. Oswald Spenglers Der Untergang des Abendlandes ist ein Meisterwerk der Weltgeschichte, und Spenglers Verständnis der inneren Logik westlicher Zivilisation ist in seiner Voraussicht beinahe unheimlich. Besonders aufschlussreich sind Spenglers Ausführungen in Bezug auf die technologische Entwicklung und ihre sozialen, kulturellen und ökologischen Implikationen. Er sah, dass die dynamische, prometheische (Faustische) Natur globaler Herrschaft sich in Form der selbstzerstörerischen Massengesellschaft und der ebenso verhängnisvollen modernen Technologie manifestiert. Die Unterwerfung der Natur führt, Spengler zufolge, unvermeidlich zu ihrer Zerstörung und zur Zerstörung der Zivilisation. »Eine künstliche Welt durchsetzt und vergiftet die natürliche. Die Zivilisation ist selbst eine Maschine geworden, die alles maschinenmäßig tut oder tun will.«[408] Der zivilisierte Mensch ist ein »kleiner Schöpfer wider die Natur« und »dieser Revolutionär in der Welt des Lebens ist der Sklave seiner Schöpfung geworden. Die Kultur, der Inbegriff künstlicher, persönlicher, selbstgeschaffener Lebensformen, entwickelt sich zu einem Käfig mit engen Gittern für diese unbändige Seele.«[409]
Während Marx die industrielle Zivilisation als verkörperte Vernunft und unwiderrufliche Errungenschaft sah, begriff Spengler, dass sie in Konflikt mit ihrer natürlichen Umgebung steht und daher nie etwas anderes als ein selbstmörderisches Übergangsstadium sein kann. »Der höhere Mensch ist eine Tragödie. Mit seinen Gräbern macht er die Erde zu einem Schlachtfeld und einer Wüste. Er reißt die Pflanzen- und Tierwelt, die Meere und die Berge in seinem Verfall mit sich. Er hat das Gesicht der Erde mit Blut bemalt, entstellt und misshandelt. «[410] Spengler verstand, was unvermeidlich ist: »Die Geschichte dieser Technik nähert sich schnell dem unausweichlichen Ende. « [411] Theodor Adornos Denken folgt dem Spenglers: »Gegen den Untergang des Abendlandes steht nicht nur die auferstandene Kultur, sondern die Utopie, die im Bilde der untergehenden wortlos fragend verschlossen liegt.« [412] Adornos und Horkheimers Dialektik der Aufklärung beinhaltet eine Zivilisationskritik, die anhand des Bildes des Odysseus illustriert wird, der mit Gewalt den Eros des Lieds der Sirenen unterdrückt. Die zentrale These des Buches ist, dass die Geschichte der Zivilisation »die Geschichte der Entsagung« sei.[413]
Aber wenn keine Befreiung mehr möglich ist, wozu sich dann noch darum bemühen? Herbert Marcuse versuchte in Triebstruktur und Gesellschaft einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden, indem er die Zivilisation von der Moderne trennte. Er meinte, dass es einer »nicht-repressiven« Zivilisation bedürfe, um die »Errungenschaften« der Moderne zu erhalten. Marcuse wollte von der »zusätzlichen Unterdrückung« loskommen, was impliziert, dass er bestimmte Formen von Unterdrückung für unvermeidlich hielt. Nachdem die Moderne von der Produktion abhängt, die selbst eine repressive Institution ist, kann die Neudefinition der Arbeit als »freies Spiel« sowohl die Moderne als auch die Zivilisation retten. Dies ist eine ungereimte, sogar verzweifelte Verteidigung der Zivilisation. Marcuse gelingt es nicht, Freuds Einsicht zu überwinden, dass die Zivilisation nicht reformierbar ist.
Freud argumentierte, dass eine nicht-repressive Zivilisation unmöglich sei, da das Fundament der Zivilisation die Unterdrückung instinktiver Freiheit und des Eros ist. Um Arbeit und Kultur zu ermöglichen, muss diese Unterdrückung permanent werden. Nachdem diese permanente Unterdrückung für die Zivilisation wesentlich ist, schafft universale Zivilisierung eine universale Neurose.[414] Als guter Bourgeois rechtfertigte Freud die Zivilisation damit, dass Arbeit und Kultur notwendig seien und dass die Zivilisierung es den Menschen erlauben würde, auf einem feindseligen Planeten überleben zu können. »Es ist ja die Hauptaufgabe der Kultur, ihr eigentlicher Daseinsgrund, uns gegen die Natur zu verteidigen.« Und weiter: »Aber wie undankbar, wie kurzsichtig überhaupt, eine Auffassung der Kultur anzustreben! Was dann übrig bleibt, ist der Naturzustand und der ist weit schwerer zu ertragen.«[415] Die möglicherweise stärkste ideologische Legitimation der Zivilisation ist in Hobbes‘ Charakterisierung des Lebens im vorzivilisatorischen Naturzustand als »widerwärtig, brutal und kurz« zu finden. Natürlich verschrieb sich Freud dieser Ansicht, ebenso wie Adorno und Horkheimer.
In den 1960er Jahren ist es zu neuen anthropologischen Perspektiven auf die Vorgeschichte gekommen.[416] Die Hobbes’sche Hypothese des Naturzustands wurde auf der Basis neuer archäologischer und ethnographischer Forschung von der Mainstream-Anthropologie verworfen. Das Leben vor oder abseits der Zivilisation wird heute spezifisch als soziale Existenz vor der Domestizierung von Tieren und Pflanzen gesehen. Es gibt immer mehr Indizien dafür, dass vor dem neolithischen Wechsel von Sammler-und-Jäger-Gemeinschaften zu landwirtschaftlichen Lebensformen die meisten Menschen viel Müßiggang hatten, eine bemerkenswerte Gleichheit zwischen den Geschlechtern herrschte, es einen egalitären Ethos gab, kollektiv geteilt wurde und keine organisierte Gewalt bestand. Archäologinnen finden immer mehr Bestätigungen, dass die Menschen des Paläolithikum zwei Millionen Jahren lang eine weitgehend friedliche, egalitäre und gesunde Existenz genossen. Zusätzlich bestätigen archäologische Funde, die auf den Gebrauch von Feuer zur Essenszubereitung vor beinahe zwei Millionen Jahren wie auf ausgedehnte Seereisen vor etwa 800.000 Jahren schließen lassen, dass die Intelligenz der damaligen Menschen mit der heutiger vergleichbar ist.[417]
Gentechnik und bevorstehendes menschliches Klonen sind nur die aktuellsten Manifestationen der Geschichte der Naturbeherrschung, welche vor 10.000 Jahren ins Rollen gebracht wurde, als unsere Vorfahren damit begannen, Tiere und Pflanzen zu domestizieren. In den 400 Generationen seither ist alles natürliche Leben bis in seine tiefsten Dimensionen kolonisiert worden — parallel zu einer immer gründlicheren Kontrolle des sozialen Lebens. Heute vermögen wir diese Geschichte als das zu erkennen, was sie wirklich ist: eine Geschichte, die eine unvermeidliche und allumfassende Zerstörung mit sich brachte, die in keiner Weise notwendig gewesen wäre. Archäologische Forschung zeigt, dass viele Gesellschaften, die mit landwirtschaftlichen oder pastoralen Lebensformen experimentierten, diese später wieder aufgaben, um zu einer Jäger-und-Sammler-Kultur zurückzukehren. Andere weigerten sich über Generationen, die domestizierenden Praktiken ihrer Nachbarn anzunehmen.
An dieser Stelle setzt die primitivistische Alternative an. Eine ausgesprochen lange Periode nicht-entfremdeten Lebens während der menschlichen Vorgeschichte wird einer immer offensichtlicher unhaltbaren Moderne gegenübergestellt.[418] Im Zuge seiner Kritik an Habermas schreibt Joel Whitebook: »Das Ausmaß und die Tiefe der sozialen und ökologischen Krise mag so groß sein, dass sie nur durch eine epochale Transformation unserer Weltanschauung bewältigt werden kann.« [419] Cornelius Castoriadis hat den Schluss gezogen, dass eine solche radikale Transformation mit »einem Angriff auf die Arbeitsteilung in ihren bisher gekannten Formen« beginnen muss.[420] Die Arbeitsteilung, die sich langsam im Laufe der Vorgeschichte entwickelte, bildete das Fundament der Domestizierung und stützt bis heute den technologischen Imperativ. Die Herausforderung, die sich uns stellt, ist es, George Grants These zu widerlegen, dass »nur eine Katastrophe die Entfaltung der technologischen Möglichkeiten verlangsamen kann«[421], und Kamoouhs Urteil zu aktualisieren, dass die Revolution keine ist, wenn sie sich nicht gegen den Fortschritt richtet.[422]
[387] Anselm Jappe, Guy Debord , Berkeley: California University Press 1999, S. 3.
[388] Joseph Wood Krutch, Human Nature and the Human Condition , New York: Greenwood 1959, S. 192.
[389] Janet Raloff, »More Waters Test Positive for Drugs« , in: Science News 157, 1. April 2000.
[390] Das dramatische Ansteigen gesundheitsgefährdender Fettleibigkeit hat viel Aufmerksamkeit erregt, aber es ist schwierig, an genaue Zahlen zu kommen. Was Depression und Stresssymptome anlangt, so wird der Prozentsatz unter erwachsenen US- AmerikanerInnen auf 27 geschätzt. Siehe G. S. Malhi u.a., »Recognizing the Anxious Face of Depression« , in: Journal of Nervous and Mental Diseases 190, June 2002.
[391] S. K. Goldsmith/T. C. Pellner/A. M. Kleinman/W. E. Bunney (Hrsg.), Reducing Suicide: A National Imperative , Washington, DC: National Academy Press 2002.
[392] Claude Kamoouh, »On Interculturalism and Multiculturalism«, in: Telos 110, Winter 1998, S. 133.
[393] Ulrich Beck, Ecological Enlightenment: Essays an the Politics of the Risk Society, Atlantic Highlands, NJ: Prometheus Books 1995, S. 37.
[394] Agnes Heller, Can Modernity Survive?, Berkeley: University of California Press 1990, S. 60.
[395] Siehe Michel Houellebecq, The Elementary Particles (übers. v. Frank Wynne), New York: Knopf 2001. – Nüchterner charakterisieren Zygmunt Bauman (Liquid Modernity, Cambridge: Blackwell 2000) und Pierre Bourdieu (Acts of Resistance: Against the Tyranny of the Market, übers. v. Richard Nice, New York: New Press 1999) die moderne Gesellschaft in diesem Sinne.
[396] Michel Foucault, »What is Enlightenment?«, in: The Foucault Reader, hrsg. von Paul Rabinow, New York: Random House 1984, S. 47–48.
[397] Eric Voegelin, The Collected Works of Eric Voegelin, Vol. 5: »Modernity Without Restraint«, Columbia, MO: University of Missouri Press 2000, S.105. (Hier zitiert nach dem Original aus: Eric Voegelin, Die neue Wissenschaft der Politik.)
[398] Fredric Jameson, Postmodernism, or. The Cultural Logic of Late Capitalism, Durham, NC: Duke University Press 1991, S. ix.
[399] John Zerzan, »The Catastrophe of Postmodernism«, in: Future Primitive, New York/ Columbia, MO: Autonomedia & Anarchy/C.A.L. Press 1994. So fordert Daniel White »ein postmodern-ökologisches Paradigma, das über das traditionelle Entweder-Oder zwischen Unterdrückerinnen und Unterdrückten hinausgeht« (Daniel White, Postmodern Ecology, Albany: State University of New York Press 1998, S. 198). Bourdieu bezog sich auf »die Sinnlosigkeit der heftig erhobenen Forderungen >postmoderner< Philosophlnnen nach einer >Unterdrückung der Dualismen>. Diese Dualismen, die tief in Dingen (Strukturen) wie in Körpern verankert sind, kommen nicht von einem einfachen Akt verbalen Benennens und können daher auch nicht durch einen einfachen Akt performativer Magie abgeschafft werden« (Pierre Bordieu, Masculine Domination, Stanford: Stanford University Press 2001, S. 103).
[400] Siehe Mike Michael, Reconnecting Culture, Technology and Nature, London: Routledge 2000, S. 8. Der Titel selbst legt Zeugnis davon ab, wie sehr die Herrschaft als unüberwindbar akzeptiert wird.
[401] Als eloquenter Repräsentant postmoderner Verirrung fragt sich Iain Chambers, ob Entfremdung nicht einfach unvermeidlich sei: »Was aber wenn Entfremdung eine zwangsläufige weltliche Bedingung ist, dazu geschaffen, den >Fortschritt< zu frustrieren, der allen Teleologien innewohnt? Vielleicht gibt es keine separate, autonome Alternative zu der kapitalistischen Struktur der gegenwärtigen Welt? Modernität, Europäisierung und Globalisierung mögen die Begriffe der ökonomischen, politischen und kulturellen Ordnung sein, welche die Zukunft für uns bereithält« (Iain Chambers, Culture After Humanism, London: Routledge 2002, S. 122 and 41).
[402] So lassen etwa jüngere Publikationen auf einen entsprechenden Wandel schließen. Siehe z.B. Martin Beck Matustic/William L. McBride (Hrsg.), Calvin 0. Schrag and the Task of Philosophy After Postmodemity, Evanston, IL: Northwestern University Press 2002, sowie Camel Flaskas, Family Therapy beyond Postmodernism, New York: Taylor and Francis Inc.. 2002. Das von Tilottama Rajan und Michael J. Driscoll herausgegebene Buch After Poststructuralism: Writing the Intellectual History of Theory (Toronto: University of Toronto Press 2002) folgt den Fragen des Primitiven und der Ursprünglichkeit.
[403] Ungeachtet der begrifflichen Differenzen zwischen »Postmodernismus« und »Poststrukturalismus« steht diese Analyse Zerzans in interessantem Gegensatz zu jener der »Postanarchistlnnen« – vgl. Kapitel 11. (GK)
[404] Jean-Francois Lyotard, »Domus and the Megalopolis« (ein Text, der in anti-postmodernem Jargon wohl auch »From Domus to the Megalopolis« hätte genannt werden können), in: The Inhuman: Reflections of Time, Stanford: Stanford University Press 1991, S. 200.
[405] Ebda., S. 200, und Jean-Francois Lyotard, Postmodern Fahles, Minneapolis: University of Minnesota Press 1997, S. 23.
[406] Michael Hardt/Antonio Negri, Empire, Cambridge, MA: Harvard University Press 2000, S. 218.
[407] Claude Kamoouh, »Heidegger an History and Politics as Events«, in: Telos 120, Summer 2001, S. 126.
[408] Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik. Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, München: Beck 1971 [1931], S. 55.
[409] ebda., S. 39.
[410] Oswald Spengler, Frühzeit der Weltgeschichte #20, zit. n.: John Farrenkopf, Prophet of Decline, Baton Rouge, LA: University of Louisiana Press 2001, S. 224.
[411] Spengler, Der Mensch und die Technik, a.a.O., S. 61.
[412] Theodor W. Adorno, Prismen. Kulturkritik und Gesellschaft, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1976 [1955], S. 67.
[413] Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt/Main: Fischer 1969 [1947], S. 62. Wie Albrecht Wellmer sagte: »Die Dialektik der Aufklärung ist die Theorie einer hoffnungslos dunklen Moderne» (Albrecht Wellmer, Endgames: the Irreconcilable Nature of Modernity, Cambridge, MA: MIT Press 1998, S. 255).
[414] Sigmund Freud, Civilization and its Discontents, New York: Random House 1994. Bereits Durkheim hatte angemerkt, dass mit dem »Fortschritt« der Zivilisation und der Arbeitsteilung »das allgemeine Wohl der Gesellschaft« abnimmt (Emile Durkheim, The Division of Labor in Society, New York: Simon and Schuster 1997 [1893 im Original als De la division du travail social (GK)], S. 249).
[415] Sigmund Freud, Die Zukunft einer Illusion, Leipzig/Wien/Zürich: Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1928, S. 22. [Zerzan zitiert hier eine englische Ausgabe, in der »Kultur« mit »civilization« übersetzt ist. (GK)]
[416] Eine irrefiihrend so genannte »Man the Hunter«-Konferenz an der University of Chicago trug 1966 wesentlich zur Diskreditierung der Hobbes’schen Ansicht bei, die jahrhundertelang als Rechtfertigung für die repressiven Institutionen einer komplexen, imperialistischen westlichen Kultur fungierte. Bestätigung findet der anthropologische Paradigmenwechsel auch in den Arbeiten von Archäologlnnen und AnthropologInnen wie Marshall Sahlins, Richard B. Lee, Adrienne Zihiman und vielen anderen. Siehe z.B.: Eleanor Leacock/Richard B. Lee, Politics and History in Band Societies, New York: Cambridge University Press 1982; Richard B. Lee/Richard Daly, The Cambridge Encyclopedia of Hunters and Gatherers, Cambridge: Cambridge University Press 1999; Marshall Sahlins, Stone Age Economics, Chicago: Aldine de Grecyter 1972; Colin Turnbull, The Forest People, New York: Simon and Schuster 1988; Adrienne Zihiman, et al., The Evolving Female, Princeton: Princeton University Press 1997.
[417] Siehe z.B. M. J. Morwood u.a., »Fission-track Ages of Stone Tools and Fossils on the East Indonesian Island of Flores«, in: Nature, March 12, 1998.
[418] Eine entsprechende Kritik wird in den USA in zunehmendem Maße artikuliert, vor allem in Zeitschriften wie Anarchy, Disorderly Conduct, The Final Days, Green Anarchy, Green Journal und Species Traitor. Siehe auch Chellis Glendinning, My Name is Chellis and I’m in Recovery from Western Civilization, Boston: Shambhala Publications 1994; Derrick Jensen, Culture of Make Believe, New York: Context Books 2002; Daniel Quinn, Ishmael, New York: Bantam 1995; John Zerzan, Running on Emptiness: The Pathology of Civilization, Los Angeles: Feral House 2002.
[419] Joel Whitebook, »The Problem of Nature in Habermas«, in: Telos 40, Summer 1979, S. 69.
[420] Cornelius Castoriadis, Crossroads in the Labyrinth, Cambridge, MA: MIT Press 1984, S. 257. Siehe auch Keekok Lee, »To De-Industrialize—Is It So Irrational?«, in: The Politics of Nature, hrsg. v. Andrew Gobson und Paul Lucardie, London: Routledge 1993.
[421] George Grant, Technology and Empire, Toronto: University of Toronto Press 1969, S. 142. Die Situation wird immer schlimmer und plötzliche, schreckliche Katastrophen immer wahrscheinlicher. Siehe M. Sheffer of al., »Catastrophic Shifts in Ecosystems«, in: Nature, 11. Oktober 2001, und – zur wachsenden Wahrscheinlichkeit von Desastern – M. Marion und W.M. Evan, »Technological Catastrophes: their causes and preventions«, in: Technology in Society 24, 2002, S. 207–224.
[422] Claude Kamoouh, »Technology and Destiny«, in: Telos 124, Summer 2002), S. 71–94.