Titel: Landwirtschaft
AutorIn: Zerzan, John
Datum: 1988
Quelle: Zündlumpen #080, Entnommen am 28.02.2021 von https://zuendlumpen.noblogs.org/post/2021/01/29/landwirtschaft/
Bemerkungen: Übersetzung aus dem Englischen: Agriculture von John Zerzan Text veröffentlicht in "John Zerzan: Elements of Refusal", Left Bank Books/Seattle, 1988. 2. Revised Edition bei C.A.L. Press/Paleo Editions 1999.

Landwirtschaft, die unverzichtbare Grundlage der Zivilisation, gab es bereits, bevor Zeit, Sprache, Zahl und Kunst siegten. Als Verwirklichung der Entfremdung ist die Landwirtschaft der Siegeszug von Entfremdung und endgültiger Trennung zwischen Kultur und Natur und der Menschen voneinander.

Landwirtschaft ist die Geburt der Produktion und zwar mit all ihren wesentlichen Funktionen und ihrer Umformung des Lebens und des Bewusstseins. Das Land selbst wird zu einem Instrument der Produktion und die Spezies der Planeten zu ihren Objekten. Wild oder zahm, Unkraut oder Nutzpflanze zeugen von dieser Dualität, die den Geist unserer gesamten Existenz verkrüppelt, und relativ schnell den Despotismus, den Krieg und die Verelendung der entwickelten Zivilisation über diese langanhaltende frühere Einheit mit der Natur brachte. Der Gewaltmarsch der Zivilisation, den Adorno in der »Prämisse einer irrationalen Katastrophe zu Beginn der Geschichte« verortete, den Freud als »etwas, das der trotzenden Mehrheit aufgezwungen wurde«, empfand, in dem Stanley Diamind nur »Wehrpflichtige, keine Freiwilligen« fand, wurde durch die Landwirtschaft diktiert. Und Mircea Eliade lag richtig darin, ihr Aufkommen als »Aufstände und spirituelle Zusammenbrüche hervorrufend«, deren Tragweite der moderne Verstand nicht begreifen kann, bewertet zu haben. »Die menschliche Landschaft einebnen und standardisieren, ihre Unregelmäßigkeiten beseitigen und ihre Überraschungen bannen«, diese Worte von E. M. Cioran beschreiben die Logik der Landwirtschaft ausgezeichnet, das Ende des Lebens als vorrangig sinnliche Betätigung, die Verkörperung und der Erzeuger des vereinzelten Lebens. Künstlichkeit und Arbeit haben sich seit ihrer Begründung beständig vermehrt und sind als Kultur bekannt geworden: Durch die Domestizierung von Tieren und Pflanzen domestizierte sich der Mensch notwendigerweise selbst. Historisch ist die Zeit, ebenso wie die Landwirtschaft, keine zwangsläufige soziale Realität, sondern eine Auferlegung. Die Dimensionen der Zeit oder der Geschichte sind eine Funktion der Unterdrückung, deren Fundament die Produktion oder Landwirtschaft ist. Das Leben der Jäger*innen und Sammler*innen war antizeitlich in seiner gleichzeitigen und spontanen Offenheit; das bäuerliche Leben schaffte ein Gefühl für Zeit durch seine engstirnige schrittweise Arbeit, seine geregelte Routine. Als die nicht abgeschlossenen und vielfältigen Formen altsteinzeitlichen Lebens der buchstäblichen Einhegung der Landwirtschaft wichen, übernahm die Zeit die Macht und fuhr fort, den Charakter eines abgeschlossenen Raumes zu verbreiten. Formalisierte zeitliche Referenzpunkte – Zeremonien mit festen Daten, die Benamung von Tagen, usw. – sind für die Bestellung der Welt der Produktion unerlässlich; als Zeitplan der Produktion ist der Kalender wesentlich für die Zivilisation. Umgekehrt wäre nicht nur die industrielle Gesellschaft ohne Zeitpläne unmöglich, sondern das Ende der Landwirtschaft (der Basis jeder Produktion) wäre auch das Ende der historischen Zeit.

Repräsentation beginnt mit der Sprache, einem Mittel der Zügelung des Verlangens. Durch die Verschiebung von eigenständigen Bildern hin zu verbalen Symbolen wird das Leben reduziert und unter rigorose Kontrolle gebracht; jede direkte, unvermittelte Erfahrung wird von dieser höchsten Art symbolischen Ausdrucks, der Sprache, subsumiert. Sprache zerstückelt und organisiert die Realität, wie es Benjamin Whorf ausdrückt, und diese Aufspaltung der Natur, ein Aspekt von Grammatik, schafft die Grundlage für Landwirtschaft. Julian Jaynes folgert vielmehr, dass die neue linguistische Mentalität relativ direkt zur Landwirtschaft führte. Unbestreitbar ist die Auskristallisierung der Sprache in Schrift, verursacht vor allem von dem Bedürfnis landwirtschaftliche Transaktionen feszuhalten, ein Zeichen dafür, dass die Zivilisation begonnen hat. Im nicht kommodifizierten, egalitären Jäger*innen/Sammler*innen-Ethos, dessen Grundlage (wie so oft gesagt) das Teilen war, war die Zahl unerwünscht. Es gab keinen Grund Dinge zu quantifizieren, keinen Grund etwas Ganzes zu teilen. Dieses kulturelle Konzept setzte sich erst mit der Domestizierung von Tieren und Pflanzen flächendeckend durch. Zwei der Gründerväter der Zahl beweisen eindrücklich ihre Verknüpfung mit Trennung und Eigentum: Pythagoras, zentral für einen sehr einflussreichen religiösen Kult um die Zahl, und Euklid, Vater der Mathematik und Wissenschaft, der seine Geometrie entwickelte, um Felder zu Zwecken der Eigentümerschaft, Besteuerung und Sklavenarbeit zu vermessen. Eine der frühen Formen der Zivilisation, die Häuptlingsschaft, beinhaltet eine lineare Rangordnung, bei der jedem Mitglied ein exakter numerischer Platz zugewiesen wird. Schon bald folgte auf die unnatürliche Linerarität der Pflugkultur der unflexible 90-Grad-Gitternetzplan für selbst die ältesten Städte, die sich entwickelten. Ihre nachdrückliche Regelmäßigkeit stellt an sich eine repressive Ideologie dar. Die nun mit Zahlen versehene Kultur wird enger umgrenzt und leblos. Auch die Kunst betont in ihrer Beziehung zur Landwirtschaft beide Institutionen. Sie beginnt als ein Mittel, die Realität zu interpretieren und zu unterwerfen, die Natur zu rationalisieren und entspricht dem großen Wendepunkt, den die Landwirtschaft in ihren Grundzügen ausmacht. Die präneolithischen Höhlenmalereien beispielsweise sind lebendig und verwegen, eine dynamische Begeisterung für die tierische Anmut und Freiheit. Die neolithische Kunst der Bäuer*innen und Hirten jedoch versteift in stilisierten Formen; Franz Borkenau beschrieb ihre Töpfereien als »beschränkte, ängstliche Stümperei von Materialien und Formen«. Mit der Landwirtschaft verlor die Kunst ihre Vielfalt und wurde in geometrische Entwürfe standardisiert, die dazu neigten, in langweilige, sich wiederholende Muster auszuarten, eine perfekte Widerspiegelung des standardisierten, beengten und regelgeprägten Lebens. Und während es in der paläolithischen Kunst keinerlei Repräsentationen davon gab, wie Menschen andere Menschen töten, entwickelt sich in der neolithischen Periode eine Obsession für die Darstellung von Konfrontationen zwischen Menschen, und Kampfszenen werden üblich. Zeit, Sprache, Zahl, Kunst und all der Rest der Kultur, die der Landwirtschaft vorausgehen und zu ihr führen, basieren auf Symbolisierung. Ebenso wie Autonomie der Domestizierung und Selbstdomestizierung voranging, gehen das Rationale und das Soziale dem Symbolischen voraus. Die Produktion von Nahrungsmitteln, so wird es ewig und dankenswerterweise verkündet, »erlaubte die Entwicklung des kulturellen Potentials der menschlichen Spezies«. Aber wie verhält sich diese Tendenz gegenüber dem Symbolischen, gegenüber der Erarbeitung und Auferlegung beliebiger Formen? Es ist die wachsende Fähigkeit zur Objektifizierung, durch die das, was lebt, als Gegenstand verdinglicht wird. Symbole sind mehr als die Grundbausteine der Kultur, sie sind Auslesefilter, um uns von unseren Erfahrungen zu entfremden. Sie klassifizieren und reduzieren, »um die andernfalls beinahe untragbare Bürde, eine Erfahrung mit einer anderen zu verbinden, zu beseitigen«, um es in Leakey und Lewins beeindruckenden Worten zu sagen. Dadurch wird die Kultur vom Gebot der Umgestaltung und Unterwerfung der Natur beherrscht. Die künstliche Umgebung der Landwirtschaft erreichte diese ausschlaggebende Vermittlung durch den Symbolismus von Objekten, die zur Schaffung von Herrschaftsstrukturen manipuliert wurden. Denn es ist nicht nur die externe Natur, die unterworfen wird: Die Begegnung von Angesicht zu Angesicht des prä-landwirtschaftlichen Lebens selbst schränkte Herrschaft erheblich ein, während die Kultur sie ausbaut und legitimiert.Vermutlich wurden bereits während des paläolithischen Zeitalters Objekten und Ideen bestimmte Formen und Namen auf eine symbolisierende Art und Weise zugewiesen, allerdings auf eine wechselnde, unbeständige, vielleicht spielerische Art und Weise. Der Wille zu Gleichheit und Sicherheit, der sich in der Landwirtschaft beobachten lässt, bewirkte, dass die Symbole ebenso statisch und beständig wurden wie das bäuerliche Leben. Regularisierung, Regel-Strukturierung und technologische Ausdifferenzierung unter dem Banner der Arbeitsteilung wirken zusammen, um die Symbolisierung zu begründen und zu etablieren. Landwirtschaft vollendet die symbolische Veränderung und der Virus der Entfremdung hat das unverfälschte freie Leben bezwungen. Es ist der Sieg der kulturelle Kontrolle oder wie es der Anthropologe Marshall Sahlin ausdrückt: »Die Pro-Kopf-Menge an Arbeit wächst mit der Evolution von Kultur und die Pro-Kopf-Menge an Muße sinkt.«

Heute bevölkern die wenigen überlebenden Jäger*innen/Sammler*innen die am wenigsten »ökonomisch interessanten« Gebiete der Welt, in die die Landwirtschaft nicht vorgedrungen ist, so wie die Eislandschaften der Inuit oder die Wüste der australischen Aborigines. Und trotzdem lohnt sich die Verweigerung der landwirtschaftlichen Plackerei selbst in diesen nachteiligen Umgebungen. Die Hazda in Tansania, die philippinischen Tasaday, die !Kung von Botswana oder die !Kung San der Kalahari-Wüste – die Richard Lee eine mehrjährige, schwere Dürre mit Leichtigkeit überleben sieht, während benachbarte Bäuer*innen verhungerten – beweisen ebenfalls Holes und Flannerys Zusammenfassung, dass »keine Gruppe auf der Erde mehr Mußezeit zur Verfügung hat als Jäger*innen/Sammler*innen, die diese vorrangig mit Spielen, Plaudereien und Entspannung verbringen.« Service hat diesen Zustand richtigerweise auf »die besondere Einfachheit der Technologie und das Fehlen von Kontrolle über die Umwelt« solcher Gruppen zurückgeführt. Und doch waren einfache paläolithische Methoden auf ihre eigene Art und Weise »fortgeschritten«. Stell dir eine einfache Kochtechnik vor, wie das Dünsten von Essen durch heiße Steine in einer abgedeckten Grube; das ist sehr viel älter als jede Töpferware, Kessel oder Körbe und ist doch die gesündeste Art zu kochen, viel gesünder als Essen in Wasser zu kochen beispielsweise. Oder denke an die Herstellung solcher Steinwerkzeuge wie der langen und außerordentlich dünnen »Lorbeerblatt«-Messer, filigran abgeschlagen, aber stabil, die moderne industrielle Techniken nicht reproduzieren können. Der Jäger*innen/Sammler*innen-Lebensstil repräsentiert die erfolgreichste und beständigste Anpassung, die von der Menschheit je erreicht wurde. In den gelegentlichen prälandwirtschaftlichen Phänomenen wie dem intensiven Sammeln von Nahrung oder der systematischen Jagd einer einzelnen Spezies können Anzeichen eines bevorstehenden Zusammenbruchs einer genussvollen Art und Weise zu leben gesehen werde, die so lange beständig geblieben war, eben weil sie genussvoll war. Die »Armut und ganztägige Schinderei« der Landwirtschaft, um Clark zu zitieren, ist das Vehikel der Kultur, die nur in ihrem permanenten Ungleichgewicht »rational« ist und ihrem logischen Fortschreiten in Richtung immer größerer Zerstörung, wie unten dargelegt werden wird.

Auch wenn der Begriff Jäger*innen/Sammler*innen eigentlich umgedreht werden müsste (und von nicht wenigen zeitgenössischen Anthropolog*innen auch wurde), weil das Sammeln den bei weitem größeren Anteil für das Überleben ausmacht, zeigt die Natur des Jagens einen hervorstechenden Kontrast zur Domestizierung. Die Beziehung der*des Jäger*in zu dem gejagten Tier, das souverän und frei ist und als gleichwertig betrachtet wird, unterscheidet sich offensichtlich qualitativ von der der*des Bäuer*in oder Hirt*in zu dem versklavten Vieh, über das er absolut herrscht. Beweise für das Verlangen Ordnung zu schaffen oder zu unterwerfen können in den Zwangsriten und Unreinheits-Tabus der aufkeimenden Religion gefunden werden. Die letztendliche Unterwerfung der Welt, was Landwirtschaft ist, hat zumindest einen Teil ihrer Grundlagen dort, wo unklares Verhalten ausgeschlossen und Reinheit und Befleckung definiert und erzwungen werden. Lévi-Strauss definierte Religion als den Anthropomorphismus [1] der Natur; frühere Spiritualität nahm Anteil an der Natur und projizierte keine kulturellen Werte oder Eigenschaften auf sie. Die heiligen Mittel, durch die die Trennung vollzogen wurde, Rituale und Formalisierung, wurden zunehmend von den Aktivitäten des täglichen Lebens getrennt und unter die Kontrolle von Spezialist*innen wie Schamanen und Priestern gebracht, was eng mit Hierarchien und institutionalisierter Macht verbunden ist. Religion entsteht und legitimiert die Kultur mithilfe einer »höheren« Ordnung der Realität; sie wird ganz besonders in ihrer Funktion, die Solidarität der Gesellschaft aufrechtzuerhalten, von den unnatürlichen Forderungen der Landwirdschaft benötigt. In dem neolithischen Dorf Catal Hüyük im türkischen Anatolien wurde einer von drei Räumen zu rituellen Zwecken genutzt. Burkert zufolge können Pflügen und Säen als rituelle Entsagung betrachtet werden, einer Form der systematischen Unterdrückung, die von einem aufopfernden Element begleitet wird. Wo wir schon von Opfern sprechen: Das Töten domestizierter Tiere (oder gar Menschen) zu rituellen Zwecken ist in landwirtschaftlichen Gesellschaften allgegenwärtig und kann nur dort beobachtet werden. Einige der größten neolithischen Religionen versuchten oft eine symbolische Heilung des landwirtschaftlichen Bruchs mit der Natur durch die Mythologie von Mutter Erde, die – eigentlich ist es unnötig das zu sagen – natürlich nichts unternahm, um die verlorene Einheit wiederherzustellen. Fruchtbarkeitsmythen sind ebenfalls zentral; der ägyptische Osiris, die griechische Persephone, Baal von den Kanaaiten und Jesus aus dem neuen Testament sind Götter, deren Tod und Wiederauferstehung die Ausdauer der Erde bezeugen, ganz zu schweigen von der menschlichen Seele. Die ersten Tempel symbolisierten den Aufstieg von Kosmologien basierend auf einem Modell des Universums als eine Arena der Domestizierung oder eine Scheune, die im Gegenzug dazu dienten, die Unterdrückung menschlicher Autonomie zu rechtfertigen. Während die präzivilisierte Gesellschaft, wie Redfield schreibt, von »größtenteils unerklärten, aber beständig umgesetzten ethischen Konzeptionen zusammengehalten« wurde, entwickelte sich die Religion als ein Weg, Bürger zu kreieren und die moralische Ordnung unter öffentliche Verwaltung zu stellen.

Domestizierung beinhaltete die Einführung der Produktion, erheblich fortgeschrittene Arbeitsteilungen und die vollendeten Fundamente sozialer Schichtung. Das trug zu einer epochalen Veränderung sowohl des Charakters menschlicher Existenz als auch ihrer Entwicklung bei und trübte letztere mit immer größerer Gewalt und Arbeit. Entgegen des Mythos, dass Jäger*innen/Sammler*innen gewalttätig und aggressiv seien, zeigen jüngere Beweise übrigens, dass existierende Nicht-Bauern wie die Mbuti (»Pygmäen«), die von Turnbull studiert worden sind, offensichtlich selbst das Töten ohne jede aggressive Einstellung tun, sogar mit einer Art von Bedauern. Krieg und die Bildung jeder Zivilisation oder jedes Staates dagegen sind untrennbar miteinander verbunden.

Urvölker kämpften nicht um Gebiete, in denen unterschiedliche Gruppen in ihrem Sammeln und Jagen aufeinander getroffen sein mögen. »Territorial«kämpfe sind nicht einmal Teil der ethnografischen Literatur und es ist noch viel unwahrscheinlicher, dass diese in der Vorgeschichte aufgetaucht wären, als die Ressourcen größer waren und es keine Kontakte mit der Zivilisation gegeben hat. Tatsächlich hatten diese Stämme keine Vorstellung von Privateigentum, und Rousseaus metaphorisches Urteil, dass die geteilte Gesellschaft von denjenigen begründet wurde, die als erstes ein Stück Land bestellt hätten und gesagt hätten »Dieses Land gehört mir« und andere gefunden hätten, die ihnen glaubten, ist essentiell richtig. »Mein und Dein, die Saat allen Unheils, sind ihnen nicht bekannt«, kann man in einer Erzählung von Pietro aus dem Jahre 1511 lesen, die von den Ureinwohner*innen bei Kolumbus zweiter Seereise handelt. Jahrhunderte später fragen überlebende Ureinwohner*innen Amerikas, »Die Erde verkaufen? Warum nicht auch die Luft, die Wolken und das Meer?« Landwirtschaft schafft und überhöht Besitztümer; betrachte die Sehnsucht nach Eigentum, als ob dieses jemals den Verlust kompensiert hätte. Arbeit als eine eigenständige Kategorie des Lebens existierte vor der Landwirtschaft vermutlich nicht. Die menschliche Rolle an Felder und Herden gebunden zu sein, übertrug sich recht schnell. Die Nahrungsmittelproduktion überwand die allgemeine Abwesenheit oder Armut an Ritualen und Hierarchien in der Gesellschaft und schuf zivilisierte Tätigkeiten wie die Zwangsarbeit des Tempelbauens. Hier liegt die wirkliche »kartesische Trennung« zwischen innerer und äußerer Realität, der Trennung, durch die die Natur zu etwas verkam, das bloß »bearbeitet« wurde. Auf dieser Grundlage einer sesshaften und sklavischen Existenz basiert der gesamte Überbau der Zivilisation mit ihrer wachsenden Unterdrückung. Männliche Gewalt gegenüber Frauen entstand mit der Landwirtschaft, die Frauen in Lasttiere und Züchterinnen für Kinder verwandelte. Vor der Landwirtschaft galt die Gleichheit des nahrungssuchenden Lebens »ebenso für Frauen wie für Männer«, urteilte Eleanor Leacock, aufgrund der Unabhängigkeit von Aufgaben und der Tatsache, dass Entscheidungen von denjenigen getroffen wurden, die diese auch ausführten. In Abwesenheit der Produktion und ohne eine Sklavenarbeit, die für Kinderarbeit geeignet war, wie etwa Unkrautjäten, wurden Frauen nicht die beschwerliche Hausarbeit oder die beständige Versorgung von Säuglingen überlassen. Gemeinsam mit dem Fluch beständiger Arbeit durch die Landwirtschaft sagte Gott bei der Verbannung aus dem Garten Eden zur Frau: »Ich werde dein Leiden und deine Empfängnis erheblich vergrößern; In Schmerzen sollst du Kinder zur Welt bringen; Und du sollst dem Verlangen deines Ehemannes dienen und er soll über dich herrschen.« Ähnlich sehen auch die ältesten bekannten kodifizierten Gesetze, die des sumerischen Königs Ur-Namu, den Tod für Frauen vor, die ihr Verlangen außerhalb der Ehe befriedigten. Entsprechend spricht Whyte vom Stand, den die Frauen »im Verhältnis zu Männern verloren, als die Menschen erstmals einen einfachen Jäger*innen/Sammler*innen-Lebensstil aufgaben« und Simone de Beauvoir sah in der kulturellen Gleichsetzung von Pflug und Phallus ein geeignetes Symbol für die Unterdrückung der Frau.

Ebenso wie wilde Tiere in träge Fleischproduktionsmaschinen verwandelt werden, ist auch das Konzept des »Kultiviert«-Werdens eine Tugend, die den Menschen aufgezwungen wird, die das Unkrautjäten der Freiheit aus der eigenen Natur im Dienste der Domestizierung und Ausbeutung meint. In Sumer, der ersten Zivilisation, hatten die ersten Städte Fabriken mit ihrem charakteristischen hohen Organisationsgrad und der Brechung von Fähigkeiten, wie Rice betont. Von diesem Moment an fordert die Zivilisation menschliche Arbeit und die Massenproduktion von Nahrung, Gebäuden, Krieg und Autoritäten ein. Für die Griechen war Arbeit nichts als ein Fluch. Ihr Name dafür – Ponos – hat die gleiche Herkunft wie das lateinische poena, was so viel wie Leid bedeutet. Der berühmte alttestamentarische Fluch der Landwirtschaft als die Verbannung aus dem Paradies (Genesis 3:17-18) erinnert uns an die Ursprünge der Arbeit. »Konformität, Wiederholung und Geduld waren die Schlüsselelement dieser [neolithischen] Kultur […] der langmütigen Fähigkeit zur Arbeit«, schreibt Mumford. In dieser Monotomie und Passivität der Pflege und des Wartens werden gemäß Pail Shepard die »tiefsitzenden, latenten Ressentiments, die krude Mischung aus Rechtschaffenheit und Schwerfälligkeit und der Mangel an Humor« des Bauern geboren. Man mag ebenso eine stoische Gefühllosigkeit und das Fehlen von Vorstellungskraft, unzertrennlich verbunden mit religiösem Glauben, Verdrossenheit und Misstrauen ergänzen als Teil der Charakterzüge, die vor allem dem domestizierenten Leben der Landwirtschaft zugeschrieben werden.

Auch wenn die Nahrungsmittelproduktion schon von Natur aus eine latente Bereitschaft für politische Herrschaft beinhaltet und obwohl die zivilisierende Kultur von Beginn an ihre eigene Propagandamaschinerie war, brachte der Übergang einen gewaltigen Kampf mit sich. Fredy Perlmans Against His-story, Against Leviathan! ist darüber konkurrenzlos, es erweitert Tonybees Behandlung des »inneren« und »äußeren Proletariats« um das Unbehagen innerhalb und außerhalb der Zivilisation. Nichtsdestotrotz findet während der Entwicklung vom Grabstock-Ackerbau über Pflug-Landwirtschaft bis hin zu ausdifferenzierten Bewässerungssystemen notwendigerweise ein beinahe absoluter Genozid an Sammler*innen und Jäger*innen statt.

Die Erzielung und Lagerung von Überschüssen sind Teil des domestizierenden Willens, zu kontrollieren und etwas statisch zu machen, was ein Aspekt der Tendenz ist zu symbolisieren. Als Bollwerk gegen den Lauf der Natur nimmt Überschuss die Form von Tierherden und Kornspeichern an. Gelagertes Getreide war das erste Medium der Äquivalenz, die älteste Form von Kapital. Nur durch das Aufkommen von Wohlstand in Form von lagerbarem Getreide kann die Einteilung der Arbeit und in soziale Klassen fortgesetzt werden. Obwohl es mit Sicherheit wildes Getreide vor all dem gab (wobei wilder Weizen übrigens aus 24 Prozent Proteinen besteht, statt aus 12 Prozent wie domestizierter Weizen), machte der Einfluss der Kultur den entscheidenden Unterschied. Die Zivilisation und ihre Städte beruhten ebensosehr auf Getreidespeichern wie auf Symbolisierung. Das Mysterium der Ursprünge der Landwirtschaft erscheint umso undurchdringlicher im Lichte der jüngsten Widerlegung lange verbreiteter Auffassungen, dass die vorangehende Ära eine der Feindschaft zur Natur und des Mangels an Muße war. »Man kann nicht mehr länger annehmen«, schreibt Arme, »dass die frühen Menschen Pflanzen und Tiere domestizierten, um Schinderei und Hunger zu entfliehen. Wenn überhaupt, dann ist das Gegenteil der Fall und der Beginn der Landwirtschaft setzte der Unschuld ein Ende.« Lange Zeit war die Frage gewesen, »Warum wurde die Landwirtschaft nicht viel früher in der menschlichen Evolution angenommen?« Heute wissen wir, dass die Landwirtschaft »weder einfacher ist als Jagen und Sammeln, noch eine qualitativere, schmackhaftere oder sichere Nahrungsmittelbasis bietet«, um es in Cohens Worten zu sagen. Daher lautet die allseitige Frage nun, »Warum hat sie sich überhaupt durchgesetzt?«

Dazu wurden viele Theorien aufgestellt, aber keine ist überzeugend. Childe et al. argumentieren, dass ein Anstieg der Bevölkerung die menschlichen Gemeinschaften in engeren Kontakt mit anderen Spezies brachte, was zu Domestizierung führte und zur Notwendigkeit zu produzieren, um die zusätzlichen Mäuler zu stopfen. Aber es wurde recht eindeutig bewiesen, dass das Bevölkerungswachstum der Landwirtschaft nicht voranging, sondern von ihr verursacht wurde. »Ich sehe nirgendwo auf der Welt irgendeinen Beweis«, folgerte Flannery, »der nahelegt, dass der Bevölkerungsdruck verantwortlichfür den Beginn der Landwirtschaft war.« Eine andere Theorie besagt, dass die größeren klimatischen Veränderungen, die gegen Ende des Pleistozens, vor rund 11.000 Jahren, das alte Jäger*innen/Sammler*innen-Leben umwarfen und direkt zu der Kultivierung bestimmter Grundnahrungsmittel für das Überleben führten. Jüngere Datierungsmethoden haben diesen Ansatz gesprengt; Es hat keine solche klimatische Veränderung gegeben, die diese neue Lebensweise erforderlich gemacht hätte. Nebenbei bemerkt gibt es eine Menge an Beispielen dafür, dass Landwirtschaft in jeder Art von Klima übernommen – oder verweigert – wurde. Eine weitere bedeutende Hypothese ist, dass Landwirtschaft durch eine Zufallsentdeckung oder -erfindung eingeführt wurde, als ob es den Spezies vor einem bestimmten Zeitpunkt niemals bekannt gewesen wäre, dass beispielsweise Nahrung aus gekeimten Samen wächst. Es scheint gesichert zu sein, dass die paläolithische Menschheit ein geradezu unerschöpfliches Wissen über die Flora und Fauna besaß, schon viele zehntausende Jahre, bevor die Kultivierung von Pflanzen begann, was diese Theorie ganz besonders schwach dastehen lässt. Es genügt tatsächlich die Zustimmung zu Carl Sauers Zusammenfassung, dass »Landwirtschaft nicht aus einer wachsenden oder chronischen Nahrungsmittelknappheit entstand«, um buchstäblich alle originären Theorien, die entwickelt wurden, abzulehnen. Eine überbleibende Idee, die von Hahn, Isaac und anderen formuliert wird, behauptet, dass die Nahrungsmittelproduktion vor allem als religiöse Handlung begann. Diese Hypothese kommt der Plausibilität am nächsten.

Die ersten Tiere, die domestiziert wurden, waren Schafe und Ziegen, von denen man auch weiß, dass sie breitflächig in religiösen Zeremonien eingesetzt wurden und zu Opferzwecken auf eingezäunten Weiden aufgezogen wurden. Bevor sie domestiziert wurden, war die Wolle der Schafe zudem nicht zur Herstellung von Textilien geeignet. Der hauptsächliche Gebrauch von Hennen im Südosten Asiens und dem östlichen Mittelmeerraum – den frühesten Zentren der Zivilisation – »schien« Darby zufolge »vielmehr in Opfern und Prophezeiungen zu liegen, als zur Nahrung.« Sauer ergänzt, dass das »Eierlegen und die Fleisch produzierenden Fähigkeiten« von gezähmtem Geflügel »relativ späte Konsequenzen ihrer Domestizierung sind«. Wilde Rinder waren stürmisch und gefährlich; weder die Fügsamkeit von Ochsen noch das veränderte Fleischgewebe solcher Kastrierter konnten vorhergesehen werden. Rinder wurden erst Jahrhunderte nach ihrer ursprünglichen Gefangennahme gemolken und Repräsentationen weisen darauf hin, dass ihre ersten bekannten Anschirrungen vor Wägen in religiösen Prozessionenen stattfanden. Pflanzen, die als nächstes kontrolliert werden würden, weisen, soweit das bekannt ist, ähnliche Hintergründe auf. Man denke an das Beispiele aus der Neuen Welt vom Kürbis, der ursprünglich als zeremonielle Rassel verwendet wurde. Johannessen diskutierte die religiösen und mystischen Motive, die mit der Domestizierung von Mais verbunden sind, der wichtigsten Nutzpflanze Mexikos und dem Zentrum seiner einheimischen, neolithischen Religion. Ebenso untersuchte Anderson die Auswahl und Entwicklung bestimmter Arten verschiedener kultivierter Pflanzen aufgrund ihrer magischen Bedeutung. Die Schamanen, das sollte ich dazu sagen, befanden sich in Machtpositionen, die es ihnen erlaubten, die Landwirtschaft mithilfe der Zähmungen und Anpflanzungen, die in Ritualen und Religionen stattfanden, wie oben skizziert wurde, einzuführen. Auch wenn die religiöse Erklärung der Ursprünge der Landwirtschaft etwas Übersehenes ist, bringt sie uns meiner Meinung nach zur Schwelle einer wirklichen Erklärung der Geburt der Produktion: dieser irrationalen kulturellen Kraft der Entfremdung, die sich in Form von Zeit, Sprache, Zahl und Kunst ausbreitete und schließlich das materielle und psychische Leben durch die Landwirtschaft kolonisierten. »Religion« ist eine zu enge und zu konzeptionalisierte Vorstellung dieser Ansteckung und ihres Wachstums. Herrschaft ist zu schwerwiegend, zu allumfassend, um nur von der Pathologie der Religion übertragen zu werden.

Aber die kulturellen Werte der Kontrolle und Einheitlichkeit, die Teil der Religion sind, sind mit Sicherheit Teil der Landwirtschaft und zwar von Beginn an. Indem er bemerkt, dass sich bestimmte Stämme von Mais sehr leicht kreuzen lassen, studiert Anderson die äußerst primitiven Landwirte von Assam, dem Naga-Stamm, und ihre Maissorte, die von Pflanze zu Pflanze keinerlei Unterschiede aufweist. Er zeigt, dass die Naga ihre Sorte gemäß der Kultur »nur durch ein fanatisches Festhalten an einem idealen Typus« seit Beginn der Produktion so unverfälscht gehalten haben. Das versinnbildlicht die Heirat von Kultur und Produktion in der Domestizierung und ihren unausweichlichen Nachwuchs, die Unterdrückung und Arbeit.

Die gewissenhafte Pflege bestimmter Pflanzenarten hat ihre Parallele in der Domestizierung von Tieren, die ebenso der natürlichen Selektion trotzt und die kontrollierbare organische Welt auf einer entwürdigten künstlichen Ebene wiederherstellt. Wie Pflanzen sind auch Tiere bloße Dinge, die manipuliert werden; Eine Milchkuh beispielsweise wird als eine Art Maschine betrachtet, die Gras in Milch verwandelt. Von einem Zustand der Freiheit in den von hilflosen Parasiten verwandelt, werden diese Tiere für ihr Überleben vollständig vom Menschen abhängig. Bei domestizierten Säugetieren beispielsweise, von denen Exemplare produziert werden, die mehr Energie auf ihr Wachstum verwenden und weniger auf ihre Aktivität, nimmt die Größe des Gehirns relativ ab. Friedlich und bevormundet, vielleicht versinnbildlicht durch das Schaf, das am meisten domestizierte Herdentier; die beachtliche Intelligenz wilder Schafe ist in ihren gezähmten Gegenstücken vollständig verloren gegangen. Die sozialen Beziehungen unter Haustieren sind auf die absoluten Grundzüge reduziert. Nichtreproduktive Teile des Lebenszyklus werden auf ein Minimum reduziert, das Balzverhalten wird gestutzt und selbst die Fähigkeit des Tieres, seine eigene Spezies zu erkennen, wird gestört. Landwirtschaft schuf auch das Potenzial für rapide Umweltzerstörung und die Herrschaft über die Natur begann schon bald den grünen Mantel, der die Geburtsstätten der Zivilisation umgab, in unfruchtbare und unbelebte Gebiete zu verwandeln. »Ganze Regionen haben ihr Aussehen vollständig verändert«, bewertet Zeiner, »immer zu scheinbar trockeneren Bedingungen, seit Beginns des Neolithikums.« Wüsten bedecken nun die meisten der Gebiete, in denen die Hochzivilisationen einst aufblühten und es gibt viele historische Beweise dafür, dass diese frühen Bildungen ihre Umwelt zerstört haben.

Überall im Mittelmeerraum und im angrenzenden Nahen Osten und Asien hat die Landwirtschaft üppige und wirtliche Ländereien in erschöpfte, trockene und steinige Gebiete verwandelt. In den Kritias beschreibt Plato Attika als »ein von der Krankheit dahingerafftes Skelett« und bezieht sich dabei auf die Abholzung der Wälder Griechenlands und vergleicht es mit seinem früheren Reichtum. Das Abgrasen durch Ziegen und Schafe, die ersten domestizierten Wiederkäuer, war ein wesentlicher Faktor in der Entblößung Griechenlands, Libanons und Nordafrikas und der Versteppung der römischen und mesopotamischen Imperien. Ein anderer, direkterer Einfluss der Landwirtschaft, der in den letzten Jahren zunehmend ans Licht gebracht wurde, betraf das physische Wohlbefinden seiner Subjekte. Die Forschung von Lee und Devore zeigt, dass »die Ernährung von sammelnden Stämmen bei weitem besser war als die der Landwirte, dass Hungersnöte selten waren, dass ihre Gesundheit allgemein besser war und dass es ein geringeres Vorkommen von chronischen Krankheiten gibt.« Umgekehrt fasste Farb zusammen, dass »die Produktion eine schlechtere Ernährung basierend auf einer beschränkten Anzahl an Nahrungsmitteln bietet, aufgrund von Schädlingsbefall und den Launen des Wetters viel weniger verlässlich und bei weitem kostenintensiver im Hinblick auf die benötigte menschliche Arbeit ist.«

Das neue Feld der Paläopathologie kommt sogar zu noch empathischeren Schlussfolgerungen, indem es wie Angel die »starke Abnahme im Wachstum und der Ernährung« betont, »der vom Übergang vom Essensammeln zur Essensproduktion verursacht wurde.« Frühere Erkenntnisse hinsichtlich der Lebensdauer wurden ebenfalls revidiert. Obwohl Augenzeugenberichte von Spanier*innen aus dem sechzehnten Jahrhundert existierten, die davon berichteten, dass die indigenen Väter Floridas die Geburt der fünften Generation nach ihnen erlebten, bevor sie verstarben, wurde lange davon ausgegangen, dass primitive Menschen in ihren 30ern oder 40ern starben. Robson, Boyden und andere haben die Verwirrung über die Lebenserwartung vertrieben und entdeckt, dass zeitgenössische Jäger*innen/Sammler*innen, abgesehen von Verletzungen und schwerwiegenden Erkrankungen, oft länger leben, als ihre zivilisierten Zeitgenoss*innen. Während des industriellen Zeitalters vor nur kurzer Zeit verlängerte sich erst die Lebensdauer der Spezies und es ist nun weitläufig anerkannt, dass Menschen im Paläolithikum langlebige Tiere waren, wenn erst einmal bestimmte Risiken überwunden worden waren. DeVries liegt mit seiner Beurteilung richtig, dass sich die Lebenserwartung bei Kontakt mit der Zivilisation dramatisch verringerte. »Tuberkulose und Durchfallerkrankungen mussten auf den Aufstieg der Landwirtschaft warten, Masern und Beulenpest auf das Aufkommen großer Städte«, schrieb Jared Diamond. Malaria, vermutlich die bei weitem häufigste Todesursache von Menschen, und so gut wie alle anderen Infektionskrankheiten sind das Erbe der Landwirtschaft. Ernährungs- und Degenerationskrankheiten im Allgemeinen treten mit der Herrschaft von Domestizierung und Kultur auf. Krebs, Koronarthrombose, Anämie, Zahnkaries und Geisteskrankheiten sind nur einige Gütesiegel der Landwirtschaft; zuvor gebaren Frauen ohne Schwierigkeiten unter nur wenigen oder keinen Schmerzen. Die menschlichen Sinne waren bei weitem ausgeprägter. R. H. Post berichtete, dass die !Kung San eine Einpropellermaschine aus 70 Meilen Entfernung hören konnten und viele von ihnen mit bloßem Auge vier Monde des Jupiters ausmachen konnten. Die zusammenfassende Beurteilung von Harris und Ross ist, dass »die allgemeine Abnahme in der Qualität und vermutlich auch in der Länge des menschlichen Lebens bei Landwirt*innen verglichen mit früheren Jäger*innen/Sammler*innen-Gruppen« nicht genug betont werden kann.

Es ist eine der beständigsten und universellsten Vorstellungen, dass es einst ein Goldenes Zeitalter der Unschuld gegeben haben muss, bevor die Geschichte begann. Hesiod beispielsweise bezog sich auf die »lebenserhaltende Erde, die ihre reichen Früchte ohne die Bestechung durch Schufterei hergegeben hat«. Eden war ganz klar das Zuhause der Jäger*innen/Sammler*innen und die Sehnsucht, die durch die historischen Bilder vom Paradies ausgedrückt wird, muss die desillusionierter Ackerbauern der Erde gewesen sein, nach einem verlorenen Leben der Freiheit und relativen Leichtigkeit.

Die Geschichte der Zivilisation zeugt von der zunehmenden Entfernung der Natur von der menschlichen Erfahrung, die teilweise durch die Verringerung der Nahrungsmittel veranschaulicht wird. Gemäß Rooney haben prähistorische Stämme mehr als 1500 Spezies wilder Pflanzen zur Nahrung gehabt, wohingegen »alle Zivilisationen«, wie uns Wenke erinnert, »auf der Kultivierung von mehr oder weniger nur sechs Pflanzenarten basierten: Weizen, Gerste, Hirse, Reis, Mais und Kartoffeln.« Es ist eine auffallende Wahrheit, dass über die Jahrhunderte »die Anzahl verschiedener essbarer Nahrungsmittel, die tatsächlich gegessen werden«, wie Pyke hervorhebt, »kontinuierlich abgenommen hat.« Die Weltbevölkerung ist für den Großteil ihrer Ernährung heute von bloß rund 20 Pflanzengattungen abhängig, während deren natürlichen Stämme durch künstliche Hybride ersetzt werden und der Genpool dieser Pflanzen immer kleiner wird.

Die Vielfalt an Nahrungsmitteln neigt dazu zu verschwinden oder abzuflachen, wenn sich die Menge produzierter Lebensmittel erhöht. Heute werden dieselben Lebensmittelprodukte weltweit verteilt, sodass Inuit und ein*e Afrikaner*in schon bald das gleiche, in Wisconsin hergestellte Milchpulver verzehren werden oder die gleichen Fischstäbchen aus einer einzigen Fabrik in Schweden. Wenige multinationale Konzerne, so wie Unilever, der weltweit größte Nahrungsmittelproduzent, stehen einem hochvernetzten Produktionssystem vor, dessen Anliegen es nicht ist, zu ernähren oder auch nur zu füttern, sondern der Welt einen immer zunehmenden Konsum fabrizierter verarbeiteter Produkte aufzuzwingen.

Als Descartes das Prinzip ausdrückte, dass die vollste Ausbeutung der Materie zu jedem beliebigen Zweck die ganze Pflicht des Menschen sei, war unsere Trennung von der Natur so gut wie abgeschlossen und der Weg für die industrielle Revolution war bereitet. Dreihundertfünfzig Jahre später hallte dieser Geist in der Person Jean Vorsts wieder, dem Museumsdirektor des französischen Museums für Naturgeschichte, der betonte, dass unsere Spezies »wegen ihres Intellekts« nicht wieder unter einen bestimmten Grenzwert der Zivilisation fallen könne und wieder zu einem Teil des natürlichen Habitats werden. Er fuhr fort, indem er perfekt den ursprünglichen und standhaften Imperialismus der Landwirtschaft ausdrückte, »Da die Erde in ihrem primitiven Zustand nicht für unsere Expansion geeignet ist, muss der Mensch sie in Ketten legen, um die menschliche Bestimmung zu erfüllen.« Die frühen Fabriken ahmten das landwirtschaftliche Modell geradezu nach, und wiesen damit erneut darauf hin, dass die Landwirtschaft der Ausgangspunkt aller Massenproduktion ist. Die natürliche Welt muss gebrochen und zur Arbeit gezwungen werden. Man denkt an die mittelamerikanischen Prärien, in denen die Siedler*innen sechs Ochsen ins Joch spannen mussten, um die Erde das erste Mal durchzupflügen. Oder an eine Szene aus den 1870ern aus Der Octopus von Frank Norris, in dem Gruppen-Pflüge wie »eine große Kolonne Feld-Atillerie« durch das San Jaquin Valley gefahren wurden und dabei 175 Furchen auf einmal gruben. Heute wird das, was vom Organischen übrig geblieben ist, unter der Schirmherrschaft weniger petrochemischer Unternehmen mechanisiert. Ihre Kunstdünger, Pestizide, Herbizide und ihr beinahes Monopol auf das weltweite Saatgut definieren eine totale Umwelt, die die Nahrungsproduktion vom Anpflanzen bis zum Verzehr umfasst. Auch wenn Lévi-Strauss richtig damit liegt, dass die »Zivilisation Monokulturen wie Zuckerrüben produziert«, hat seit dem zweiten Weltkrieg eine vollständig synthetische Ausrichtung die Vorherrschaft übernommen.

Landwirtschaft entnimmt der Erde mehr organisches Material, als sie ihr wieder zurückgibt und Erderosionen gehen grundsätzlich mit den jahrelangen Monokulturen einher. Letztere werden dem Land mit verheerenden Folgen aufgedrückt; Neben Baumwolle und Sojabohnen ist auch Mais, der in der derzeitigen domestizierten Form hinsichtlich seiner Existenz absolut abhängig von der Landwirtschaft ist, besonders verheerend. J. Russell Smith nannte ihn »den Tod der Kontinente […] und einer der schlimmsten Feind der menschlichen Zukunft.« Die Erosionskosten eines Scheffels Mais aus Iowa sind zwei Scheffel Mutterboden, was die allgemeinere flächendeckende industrielle Zerstörung des Ackerlandes hervorhebt. Die bestände Bestellung durch große Monokulturen unter massivem Einsatz von Chemikalien und ohne den Einsatz von Gülle oder Hummus hebt die Verschlechterung und den Verlust des Erdbodens offensichtlich auf eine viel größere Ebene. Die vorherrschende landwirtschaftliche Methode beinhaltet den Bedarf gigantischer Infusionen von Chemikalien, die von Ingenieuren überwacht werden, deren über allem stehendes Ziel die Maximierung der Produktion ist. Kunstdünger und alles andere aus dieser Perspektive eliminieren die Erforderlichkeit des komplexen Lebens der Erde und verwandeln sie tatsächlich in ein bloßes Werkzeug der Produktion. Das Versprechen der Technologie ist absolute Kontrolle, eine vollständig durchgeplante Umwelt, die schlicht die natürliche Balance der Biosphäre ablöst.

Aber es ist mehr und mehr Energie erforderlich, um die großen monokulturellen Erträge zu erkaufen, die begonnen haben, zurückzugehen, um nicht von der giftigen Kontamination der Erde, des Grundwassers und des Essens zu sprechen. Die Landwirtschaftsbehörde der USA sagt, dass die Erosion von Ackerfläche in diesem Land bei zwei Milliarden Tonnen Erde im Jahr liegt. Die Nationale Akademie der Wissenschaften schätzt, dass über ein Drittel des Mutterbodens bereits für immer verschwunden ist. Das durch die monokulturelle Bewirtschaftung und Kunstdünger verursachte ökologische Ungleichgewicht führt zu einer Zunahme an Schädlingen und Pflanzenkrankheiten; Seit dem zweiten Weltkrieg hat sich der Ernteverlust durch Insekten bereits verdoppelt. Die Antwort der Technologie ist natürlich eine Spirale der Anwendung von mehr Kunstdüngern und »Unkraut«- und »Schädlings«-Bekämpfungsmitteln, die das Verbrechen gegen die Natur beschleunigen.

Ein weiteres Nachkriegsphänomen war die Grüne Revolution, die als die Rettung der verarmten Dritten Welt durch das amerikanische Kapital und die amerikanische Technologie angekündigt wurde. Aber statt die Hungernden zu ernähren, vertrieb die Grüne Revolution Millionen armer Menschen von den Anbauflächen Asiens, Lateinamerikas und Afrikas als Opfer des Programms, das große Genossenschaftsfarmen förderte. Es trug zu einer enormen technologischen Kolonisierung bei und schuf Abhängigkeiten von der kapitalintensiven Agrarwirtschaft, zerstörte den früheren landwirtschaftlichen Kommunalismus, erforderte einen gigantischen fossilen Brennstoffverbrauch und schädigte die Natur in einem beispiellosen Ausmaß. Die Wüstenbildung oder der Verlust von Erde aufgrund der Landwirtschaft haben seitdem beständig zugenommen. Jedes Jahr wird weltweit eine Gesamtfläche, die mehr als zweimal so groß ist wie Belgien, in Wüste verwandelt. Das Schicksal der weltweiten tropischen Regenwälder ist ein Faktor in der Beschleunigung dieser Wüstenbildung: Rund die Hälfte davon wurde in den letzten dreißig Jahren gerodet. In Botswana sind die letzten Wildnis-Regionen Afrikas verschwunden, ebenso wie ein Großteil des Amazonas-Regenwalds und beinahe die Hälfte des Regenwalds in Zentralamerika, vorrangig um die Rinder für den Hamburger-Markt in Europa und den USA aufzuziehen. Die wenigen Gebiete, die vor Kahlschlag geschützt sind, sind die, in denen Landwirtschaft nicht ökonomisch ist. Die Zerstörung des Landes erstreckt sich in den USA über ein größeres Gebiet als das von den ursprünglich dreizehn Kolonien umspannte, ebenso wie sie Ursprung der großen Afrikanischen Hungersnot Mitte der 80er Jahre war und der Auslöschung einer Spezies wilder Tiere und Pflanzen nach der anderen.

Hinsichtlich der Tiere wird man an die Erzählung der Genesis erinnert, in der Gott zu Noah sagte, »Und die Angst und das Grauen vor dir soll in jedem Vogel am Himmel, in allem, das auf der Erde wandelt und in den Fischen des Ozeans wohnen; sie sind deinen Händen ausgeliefert.« Als neu entdeckte Gebiete das erste Mal von der Avantgarde der Produktion betreten wurden, zeigten die wilden Säugetiere und Vögel, wie eine große Bandbreite an Literatur beschreibt, keinerlei Angst oder etwas ähnliches vor den Entdeckern. Die landwirtschaftlich-kulturelle Mentalität jedoch, wie es in der biblischen Passage so treffend vorausgesagt wird, projiziert einen übertriebenen Glauben an den Grimms wilder Kreaturen, dem eine zunehmende Entfremdung und der Verlust der Beziehung zur Welt der Tiere folgt, sowie das Bedürfnis Macht über sie auszuüben.

Das Schicksal domestizierter Tiere wird davon bestimmt, dass die landwirtschaftlichen Ingenieur*innen beständig nach den Fabriken als Modelle für eine Verfeinerung ihres eigenen Produktionssystems sehen. Die Natur wird aus diesen Systemen verbannt, wenn die gehaltenen Tiere zunehmend in ihren entstellten Leben immobil gehalten werden, dicht zusammengedrängt und in absolut künstlichen Umgebungen. Milliarden Hühner, Schweine und Fleischkälber beispielsweise bekommen überhaupt kein Tageslicht mehr zu Gesicht und wandern noch weniger auf den Feldern, Felder wachsen in immer größerer Totenstille, umso mehr und mehr Weiden umgepflügt werden, um Futter für diese abscheulich eingesperrten Wesen anzubauen.

Die Hightech-Hühner, deren Schnabelenden abgeschnitten werden, um die Tode aus stressbedingten Kämpfen zu reduzieren, leben oft zu viert oder fünft in einem 12 x 18 Zoll (ca. 30 x 45 cm) großen Käfig und werden regelmäßig für bis zu zehn Tage ihres Essens und Wassers beraubt, um ihren Eierlegezyklus zu regulieren. Schweine leben auf Betonböden ohne Einstreu; Fußfäule, Schwanzabbeißen und Kanibalismus sind aufgrund ihres physischen Zustands und ihres Stresses vorherrschend. Säue stillen ihre Ferkel durch Metallstäbe voneinander getrennt, die Mutter und ihr Nachwuchs werden von natürlichem Kontakt getrennt. Fleischkälber werden oft in Dunkelheit großgezogen, in Ställe gesperrt, die so eng sind, dass sie sich nicht einmal umdrehen oder irgendeine andere normale Haltungsveränderung machen können. Diese Tiere befinden sich allgemein unter dem Regiment einer konstanten Medikation aufgrund der angewandten Folter und ihrer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten; die automatisierte Tierproduktion basiert auf Hormonen und Antibiotika. So eine systematische Grausamkeit, um nicht von der Art von Essen zu sprechen, die daraus resultiert, ruft in Erinnerung, dass für die Gefangenschaft selbst und jede Form der Versklavung die Landwirtschaft Modell stand oder diese begründete. Nahrung war einst einer unserer direktesten Kontakte zur natürlichen Umwelt, aber wir werden zunehmend stärker von einem technologischen Produktionssystem abhängig gemacht, in dem schließlich sogar unsere Sinne überflüssig werden; Der Geschmackssinn, einst unabkömmlich, um die Qualität und Sicherheit von Nahrungsmitteln zu beurteilen, wird nicht länger empfunden, sondern vielmehr von einem Label zertifiziert. Insgesamt wird das, was wir konsumieren, immer ungesünder und Land, das einst zur Herstellung von Nahrung kultiviert wurde, produziert nun Kaffee, Tabak, Korn für Alkohol, Marihuana und andere Drogen, die die Grundlage für Hungersnöte schaffen. Selbst die nichtverarbeiteten Nahrungsmittel, wie Früchte und Gemüse, werden heute gezüchtet, geschmacklos und gleichförmig zu sein, da die Anforderungen der Bearbeitung, des Transports und der Lagerung, nicht die Nahrhaftigkeit oder der Genuss die wichtigsten Aspekte sind. Der totale Krieg der Landwirtschaft wurde während des Vietnamkrieges übernommen, um Millionen Morgen Land in Südostasien zu entlauben, aber die Plünderung der Biosphäre setzt sich in ihrer täglichen, globalen Form sogar noch heftiger fort. Nahrung als ein Erzeugnis der Produktion ist selbst auf der offensichtlichsten Ebene absolut gescheitert: Die Hälfte der Welt leidet, wie jede*r weiß, unter Mangelernährung bis hin zum Verhungern.

Unterdessen werden die »Zivilisationskrankheiten« von Eaton und Konner im New England Journal of Medicin vom 31. Januar 1985 diskutiert und der gesunden, prä-landwirtschaftlichen Ernährung gegenübergestellt, wobei die freudlose, kränkliche Welt chronischer Verhaltensgestörtheit, die wir als Beute der Hersteller von Medizin, Kosmetika und fabrizierter Nahrung beleben, unterstrichen wird. Die Domestizierung erreicht neue pathologische Höhepunkte in der genetischen Nahrungsmittelproduktion mit neuen Arten von Tieren am Horizont, sowie künstlichen Mikroorganismen und Pflanzen. Aller Logik nach wird die Menschheit selbst ebenfalls in dieser Ordnung domestiziert werden, da die Welt der Produktion uns ebenso bearbeitet, wie sie jedes andere natürliche System herabwürdigt und entstellt.

Das Projekt der Unterwerfung der Natur, das mit der Landwirtschaft begonnen hat und durchgesetzt wurde, hat gigantische Ausmaße angenommen. Der »Erfolg« des Fortschritts der Zivilisation, ein Erfolg, der von der früheren Menschheit niemals beabsichtigt gewesen ist, schmeckt mehr und mehr nach Asche. James Serpell fasste das folgendermaßen zusammen: »In Kürze scheinen wir das Ende der Linie erreicht zu haben. Wir können nicht weiter expandieren; wir scheinen nicht in der Lage dazu zu sein, die Produktion zu intensivieren ohne weitere Verwüstung zu betreiben und der Planet entwickelt sich schnell zu einem Ödland.« Der Physiologe Jared Diamond bezeichnete den Beginn der Landwirtschaft als »Katastrophe, von der wir uns niemals erholt haben.« Landwirtschaft war und bleibt eine »Katastrophe« auf allen Ebenen, eine, die die gesamte materielle und spirituelle Kultur der Entfremdung untermauert, die uns nun zerstört. Befreiung ohne ihre Zersetzung ist unmöglich.

[1] Anthropomorphismus (Vermenschlichung) bezeichnet die Projektion von menschlichen Gefühlen, Empfindungen, Eigenschaften, Wesenszügen, usw. auf nichtmenschliche Dinge und Lebewesen (Anm. d. Übers.).