Fernweh
Nieder mit der Polizei!
„Ich brauche keine Sicherheits-Wache vor meinem Hause, weil man mir nichts stehlen kann. Plünderer gibt es immer nur da, wo ein Mensch mehr besitzt als er braucht und der andere nicht satt wird. Ihr aber braucht die Polizei. Wenn euch jemand einen alten Pantoffel wegnimmt, so holt ihr die Polizei. Durch euch wird die Polizei fett, durch euch mästen sich die Richter. Ihr ruft die Polizei und gebt ihr dadurch das Recht, ihre Notwendigkeit zu beweisen. Aber ich sage euch: Zehnmal besser und in Ewigkeit besser ist es, daß die Polizei euch holt, als daß ihr die Polizei holt. Wer die Polizei braucht, der wird von ihr gefressen, aber wer sie nicht braucht, der wird sie vernichten.” – Ret Marut
Wenn ich mich mit Menschen auf der Straße über die Welt, über Vorstellungen oder Träume auseinandersetzte, wenn ich die Bullenpressemitteilungen lese, wenn ich von der Bullerei kontrolliert werde und alle, bis auf seltene Ausnahmen, glotzend vorbeigehen als ob sie einem Film schauen würden in dessen Handlung man ohnehin nicht eingreifen kann, oder wenn ich höre wie Leute sich über dies und das aufregen und deshalb mehr Verbote fordern und die Polizei für ihre Arbeit loben, passiert es mir häufig, dass mich plötzlich der Gedanke heimsucht, ob ich beinahe alleine mit meiner Ablehnung von Bullen dastehe. Es werden ziemlich hohe Töne auf die Bullen gesungen und da fragt man sich wieso.
Dieser Text will eigentlich nichts diskutieren, er soll lediglich ein Versuch sein, meine Abneigung gegen Bullen, gegen jene, die sich wie welche verhalten, gegen jene, die gern welche sein würden und auch gegen jene, deren Gesetzestreue nicht erlaubt meine Abneigung zu verstehen, zu Papier zu bringen. Ich versuche lediglich denen, die mit mir eine gewisse Ablehnung gegenüber Bullen teilen, eine argumentative Unterstützung zu geben und sie aufzufordern ihre Ansichten auszudrücken und vielleicht bei den hunderten täglichen Kontrollen, Razzien und Verhaftungen ihren Mut zu zeigen und die Beamten anzupissen oder ihre Wut auf andere Art auszudrücken.
Bullen sind ein armselige Haufen, deren Job es ist dem Gesetz Achtung zu verschaffen, auf Grund von Gesetzesüberschreitungen zu ermitteln und dafür zu sorgen Leute zu liefern, die angeklagt werden können. Genauso wie unsere Leben von Gesetzen geregelt und beschnitten werden, wird der Bulle durch seine Arbeit nicht von den Zwängen des Gesetzes befreit. Was sie eigentlich noch armseliger macht, da sie ein Gesetz durchsetzen, das sich genauso gegen sie richtet, es aber gleichzeitig egal ist welche Macht nun die Gesetze erlässt, welche Macht Gesetze verabschiedet, verändert oder aufhebt, die Konstante bleibt der Bulle, der gutmütig weiterhin seinen Job macht. Heute sind eine Menge Drogen verboten, deswegen suchen die Bullen nach Drogen, wenn sie Kontrollen durchführen und triumphieren, wenn sie was finden und sind begeisterte Anhänger der Idee, dass der Besitz von Drogen dazu führen sollte im Gefängnis zu landen. Würde sich aber plötzlich etwas ändern, die Regierung ihren Kurs wechseln (so wie vor kurzem in einigen US-Staaten geschehen), würde jemand erkennen, dass mit einer Legalisierung eine Menge Kohle verdient werden könnte und gleichzeitig der Schwarzmarkt vernichtet werden würde und deswegen die Gesetzeslage verändern (selbstverständlich nicht einfach aus dem Strafgesetzbuch streichen, sondern neue Gesetze, tausende Regeln und Bestimmungen einführen, da Bürokratie bekanntlich die Logik des Umwegs ist), dann ist das dem Bullen genauso recht und von einem Tag auf den anderen sucht er also einfach nicht mehr nach Drogen. Heute ist das Protestieren legal und sogar in einem bestimmten Rahmen erwünscht. Sollte sich aber über Nacht die soziale, politische oder ökonomische Situation drastisch verändern und jeder öffentliche und nicht-öffentliche Auflauf von Menschen eine potentielle Gefährdung für die angekratzte Ordnung der Dinge darstellen und Versammlungen deshalb per Notstandsgesetz verboten werden, kämen die Bullen und würden die sich in den Straßen sammelnde Mobs, deren Demonstrationsrecht sie gestern noch schützten, vertreiben und zerschlagen. Gestern ein Instrument der Sozialdemokratie, schützen Bullen heute den Abbau des Sozialstaates und Kürzungen aller Art und dienen morgen vielleicht der vorübergehenden Militärdiktatur bei der Zerschlagung jeder Bedrohung für die gegenwärtige Ordnung der Herrschaft. Die Polizei ist also nichts weiter als ein bloßer Spielball der Macht, also jener, die in dieser autoritären Gesellschaftsorganisation das Kommando innehaben. Dabei bleibt die Polizei unverändert ein Instrument zur Durchsetzung des sich mit der jeweiligen Arten der Herrschaft wandelnden Gesetzes. Und ein Gesetz richtet sich grundsätzlich gegen jeden, die Frage nach dem Nutzen für die einen und den Schaden für die anderen beiseite gelassen (denn diesen Charakter hat jedes Gesetz und dabei ist es egal welche Regierung es erlässt) und so dient jedes Gesetz als eine Richtlinie für das menschliche Verhalten in einer Welt, die das Verhalten seiner Bürger einem universellen Maß unterordnen muss um ihre Vormachtstellung und Existenz der gegenwärtigen Gesellschaftsorganisation zu schützen. Es gibt so viele Gesetze, die unser komplettes Leben, jeden einzelnen Aspekt unserer Beziehungen, unserer sozialen Interaktionen, die tausenden verschiedenen Situationen in denen wir stecken können, verwalten und alle Übertretungen dennoch unter Strafe stehen. Es gibt Regeln, Gesetze, gesellschaftliche Normen, ungeschriebene Gesetze, zu verehrende Traditionen…. es gibt so viel was man falsch machen kann, dass es nur eine Frage der Zeit ist, irgendeine all dieser unter Strafe stehenden Handlungen zu begehen.
Wer das verneint, muss all diese zwanghaften Verhaltensregeln so sehr verinnerlicht haben, dass sein Leben bereits so zwanghaft künstlich ist, dass er oder sie ohnehin nicht mehr überlegt, wie man Situationen zu seinem möglichst großen Vorteil, also großer Freiheit, Lust oder Freude nutzen kann.So wie die Straffälligkeit für viele unvermeidbar ist, liegt sie für andere in eingebildeter Ferne. Dennoch hat die Behauptung teilweise ihre Richtigkeit, dass es so wie es jene gibt, die überlegt und entschieden das Verbrechen wählen, auch etliche von jenen gibt, die komme was wolle die Legalität wählen, die ihr Verhalten an ihren gesetzestreuen Glauben anpassen. Das ist der Teil der Menschen, die das Gesetz zu einer höheren Kraft außerhalb von sich machen, und anstelle ihrer Denkfähigkeit und der Möglichkeit freie Entscheidungen zu treffen, das Gesetz walten lassen. Diejenigen, die an die Stelle des eigenen Willens den herrschenden Willen setzen.
"Wie jemand, der an einer grünen Ampel ohne zu schauen die Straße betritt und sich trotz der heranrasenden Autos darauf verlässt, dass das Recht auf seiner Seite ist, da es ja illegal ist über rot zu fahren. Den Rücken durch die alltägliche Routine und Gewohnheit gestärkt und auf Kosten der eigenen Verantwortung im Namen des Gesetzes gerechtfertigt, merkt er das Auto erst beim Aufprall und stürzt so mit zerschmettertem Schädel auf den Asphalt, der tausende solcher Geschichten erzählen könnte, wenn man ihm nur zu hören würde."
Damit wir in dieser auf Ausbeutung und Unterdrückung basierenden Welt leben dürfen und können, werden allen Menschen Verhaltensweisen aufgezwungen. Sei es das Arbeiten, Unterwürfigkeit gegenüber dem System (egal ob Demokratie, Diktatur oder einem sozialistischem Abklatsch), der Gehorsam gegenüber den Traditionen und Ritualen einer Gesellschaft, die Gewohnheit alles bei einem Amt zu erbetteln oder zu melden, im Supermarkt zu bezahlen, die Rollenspiele aufzuführen, die sich an der allzu bekannten Trennung in gesellschaftliche Kategorien beteiligen… Diese Ordnung erhält der Staat am Leben, indem er die Apparate schafft, die mit einer gesellschaftlichen Befugnis ausgestattet sind tatsächliche physische Gewalt auszuüben. Die folgsame Herde muss die folgsame Herde bleiben, damit diese Ordnung auch funktionieren kann, und diese Herde bleibt auch offenbar folgsam.
Ich denke also, dass diese Welt auf der Unterdrückung der einzelnen Menschen zu Gunsten einem übergeordneten Wohl oder einer übergeordneten Macht, welche der Aufrechterhaltung der Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse dient, basiert. In diesem Licht betrachtet kann der Bulle machen was er will, nett sein wie er will, so oft schießen wie er will, Augen zudrücken wie er will – er wird die Person bleiben, die sich mit seiner völligen Verantwortung dazu entschieden hat die oben angerissene Situation zu schützen… Er ist und bleibt Handlanger der Unterdrückung und Feind jeglicher Freiheit, die auf der absoluten Freiheit jedes Einzelnen beruht. Also nicht mit den Vorstellungen dieser Welt und ihren Apparaten zu kollidieren, würde die Verleugnung meiner Selbst bedeuten, anders gesagt, kann der legale Mensch nur das Abbild der totalen Unterwerfung sein.
Andererseits ist das Verbrechen nicht notwendigerweise befreiend oder eine revolutionäre Tat. Es gibt eine Unmenge Verbrechen, die ich verachte. Aber nicht weil sie Verbrechen sind, sondern weil die zu Grunde liegenden Akte unvereinbar mit meinen individuellen Wertvorstellungen sind. Somit geht es mir nicht darum zwischen den falschen Gegensätzen von legal und illegal Stellung zu beziehen und jedes Verbrechen gutzuheißen, denn das hieße nichts anderes als die Logik des Bullen umzudrehen, sondern es geht mir darum mich von jeglichem Gesetz anderer zu befreien und das heißt jenseits des Gesetzes zu leben. Jenseits des Gesetzes zu leben und zu handeln bedeutet sich in einer Welt der Entfremdung, Angepasstheit und Unterwerfung zu behaupten, es bedeutet, da wo sich alle mit einer gesellschaftlichen Legitimierung ausgestattet an ihrer eigenen Unfreiheit beteiligen, bewaffnet mit den eigenen Fähigkeiten und Träumen alleine für sich selbst einzustehen und angesichts aller äußeren Widrigkeiten seine Unabhängigkeit zu bestimmen, sich dem Leben in und als eine Masse zu verweigern und eigene Pfade jenseits von fremden Rechtfertigungen, Erlaubnissen und Gesetzen zu suchen. Und deshalb leitet sich für mich die Selbstverständlichkeit ab, dass ich Bullen bei jeder Möglichkeit in die Fresse spucke.
„Des Staates Betragen ist Gewalttätigkeit, und seine Gewalt nennt er „Recht“, die des Einzelnen, „Verbrechen“. Verbrechen also, so heißt die Gewalt des Einzelnen, und nur durch Verbrechen bricht er die Gewalt des Staates, wenn er der Meinung ist, daß der Staat nicht über ihm, sondern er über dem Staate sei.“ – Max Stirner