Titel: Die Justiz sabotieren!
AutorIn: Fernweh
Datum: Januar 2014
Bemerkungen: Anonym veröffentlicht in "Fernweh", Nr. 7, München, Januar 2014, S. 1-2.

Mir geht es, wenn ich diesen Beitrag hier verfasse, nicht darum objektiv zu berichten (falls es so etwas überhaupt geben sollte), sondern meine Motivation ist in erster Linie eine eigennützige: Meine Gedanken über diese Welt zu Papier zu bringen um mich mit dieser auseinanderzusetzen und die Ideen, die ich von ihrer Zerstörung habe, zu verbreiten. Dabei kann es gut sein, dass wir (also ich und du, der du das liest) komplett unterschiedliche Anschauungen haben und du empört, erbost oder wütend über die Sachen bist, die ich sage, genauso gut aber kann es sein, dass du dich vielleicht in dem ein oder anderem was ich denke wiedererkennst und vielleicht schon einmal den selben Gedanke hattest. Falls nicht ist das im Grunde genommen aber auch egal, denn dieser Text ist nicht darauf ausgelegt, dass jeder etwas mit ihm anfangen kann, er richtet sich im speziellen an bestimmte Personen: An Personen die eine Abneigung gegenüber Autoritäten hegen, an Personen die es hassen sich morgens in die Arbeit quälen zu müssen; an Personen die ein ungutes Gefühl haben, wenn sie unter tausend Kameras durchlaufen müssen und insbesondere an Personen, die bereit sind ihrer Abneigung auch Taten folgen zu lassen; kurz: An die letzten Rebellen, an all jene, die erkennen, dass diese Gesellschaft nicht die Ihre ist..

 

Doch wessen Gesellschaft ist es dann? Um das herauszufinden, ist es am einfachsten sich zu fragen, wem nutzt diese Gesellschaft? Dies ist nicht schwer zu beantworten und alle, die nicht mit geschlossenen Augen durch die Welt laufen, werden wohl zu dem selben Schluss gekommen sein wie ich: Sie nutzt vor allem denen, die am Meisten davon profitieren, einfach gesagt, den Reichen und Mächtigen. Jetzt wäre es natürlich einfach zu sagen, dass „die da oben“ an allem Schuld sind und Politiker und Vorstandsvorsitzende tragen natürlich eine größere Verantwortung für die Zerstörung des Planeten und unserer Leben, als jemand der nur ihre Büros putzt oder an der Supermarktkasse arbeitet, aber nichtsdestotrotz, die Herrschaft ist nur ein Ausdruck unserer sozialen Beziehungen untereinander, Macht kann es nur geben wo es Knechtschaft gibt. Ohne die freiwillige Unterwerfung, ohne unser stilles Mitwirken an unserer eigenen Unterdrückung, könnte uns niemals jemand beherrschen. Diese Welt nicht anzugreifen (ob durch Worte oder Taten), also zu schweigen, bedeutet wie immer schon Zustimmung. Ich verachte alle, die aktiv an meiner Unterdrückung teilhaben, aber all jene die sich im Heute eingerichtet haben und ein Eigenheim und einen guten Job als das Höchste aller Gefühle ansehen, verurteile ich nicht dafür, dass das ihr privates Glück sein mag, sondern ich verachte sie wegen der elenden Armseligkeit ihrer Begierden. Ich verachte alle, die aktiv an meiner Unterdrückung teilhaben, aber all jene, die sich im Heute eingerichtet haben und deren Gedanken sich nur um Eigenheim und eine Kleinfamilie drehen, kritisiere ich nicht dafür, dass das gerade ihr privates Glück sein mag, ich verachte sie, weil sie sich damit zufrieden geben. „Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit“, wie es mal schön formuliert wurde.

Eine ständige Bedrohung

Wenn ich sage, dass die Reichen und Mächtigen am Meisten von dieser Gesellschaft profitieren, dann bedeutet das für mich nicht, wie leider für viele andere, dass ich auch zu diesen gehören will. Ich will genauso wenig über andere bestimmen, wie ich will das andere über mein Leben entscheiden.

Woher nehmen andere Leute die Macht um über mich zu bestimmen? Durch Gesetze und Regeln, diese in Blei gegossenen Abbilder unserer sozialen Beziehungen. Die Gesetze werden immer von denen gemacht, die an der Macht sind und jeder, der solch eine Macht hat, wird sie auch (aus)nutzen, das weiß jedes Kind, nur komischerweise glaubt ein Großteil der Leute, dass das in einer Demokratie anders wäre, dass hier die Gesetze im Interesse der Allgemeinheit gemacht werden würden. Und natürlich, ganz blöd stellen sich die Gesetzesmacher auch nicht an, es geht immerhin um ihre Zukunft. Ihr Ziel ist es, ihre eigene Macht durch die Gesetze für immer sicherzustellen. Sie vermischen jene Regeln, welche nur ihnen selbst, also den Herrschenden, nützlich sind (zum Beispiel der Schutz des Eigentums, das uneingeschränkte Gewaltmonopol des Staates, etc.) mit allgemeinen Gebräuchen, welche kein Gesetz sein müssten um eingehalten zu werden.

Ein Gesetz jedoch sind erst mal nur Worte auf Papier, Worte für welche sich wahrscheinlich niemand interessieren würde, wenn sie nicht durch die Macht einer ganzen Gesellschaft durchgesetzt werden würden. Ohne die Gewalt des Staates welche uns als ständige Drohung umgibt und die nur auf den kleinsten Regelverstoß von uns wartet um uns zu bestrafen, würde wohl niemand auf die für ihn schädlichen Gesetze hören. Wer würde sich noch dafür interessieren, dass man Miete zahlen muss, wenn nicht Staatsanwälte und Richter alles aufs genauste überwachen würden, immer bereit uns ihre Bluthunde, die Bullen, auf den Hals zu hetzen? Das Gesetz ist also keinesfalls neutral, es ist immer mit Gewalt und Autorität verbunden und damit Gesetze existieren können und befolgt werden, benötigt es immer eine zentrale Gewalt, den Staat.

Ein Angriff auf uns alle

Die Justiz, die ja den Anspruch hat „gerecht“ und „neutral“ zu sein, ist jedoch, genau wie das Gesetz, immer dazu da, die Macht zu erhalten, also dafür zu sorgen, dass die heutige Gesellschaft auf ewig fortbesteht. Nur dass es hier nicht zu Verwirrungen kommt: Die Justiz ist nichts abstraktes, sie setzt sich zusammen aus den Richtern, Staatsanwälten, Gerichtsdienern; kurz: allen Personen die in diesem Bereich arbeiten; und aus den Gerichtsgebäuden, Staatsanwaltschaften, Jugendgerichtshilfen, etc.; kurz: allen Gebäuden und Strukturen die die Mitarbeiter der Justiz benötigen. Wenn ich also von der Justiz spreche, meine ich all diese Personen und Gebäude, ich verwende nur zur Abkürzung den Begriff Justiz. Dieser riesige Apparat, die Justiz, hat nun den Plan, sich in München ein neues Monument zu bauen, all die Verstreuten Gerichte und Staatsanwaltschaften und alle Mitarbeiter sollen an einem Ort gebündelt werden: dem neuen Justizzentrum am Leonrodplatz. Dieser Palast der Unterdrückung der ab 2015 gebaut werden soll, hat das Ziel die Justiz effektiver zu machen, also noch mehr Leute, noch schneller bestrafen zu können. Dieser Bau ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die zumindest noch ein Hauch von Leben und Drang nach Freiheit in sich haben. Die Machtlosigkeit, das Gefühl, dass man ja „sowieso nichts ändern kann“, soll durch diesen imposanten Palast noch verstärkt werden.

Doch warum stört sich scheinbar niemand an solchen Projekten der Herrschaft, die doch ganz offensichtlich darauf ausgelegt sind, unsere eigene Unterdrückung bis in die Unendlichkeit fortzuführen? Vielleicht weil die Justiz, noch mehr als andere unterdrückende Institutionen, als irgendwie notwendig angesehen wird? Im Gegensatz zur Polizei, die ja wohl niemand ernsthaft mag, erscheint die Justiz als irgendwie gerecht. Doch was wäre die Polizei ohne die Justiz? Nichts! Was wären alle Gesetze ohne die Justiz, was wäre eine Mieterhöhung ohne die Justiz die sie legitimiert? Die Justiz ist die Struktur, die die gesamte Unterdrückung und Ausbeutung mit Adleraugen beobachtet und uns bei dem kleinstem Regelverstoß verurteilt; die Justiz sorgt dafür das die Gesellschaft nach den Regeln der Herrschaft funktioniert. Somit ist jeder von der Justiz betroffen, sie ist bereit jeden von uns zu bestrafen, auch wenn du jetzt denkst, dass du noch nie was „falsches“ getan hast, also ein braves Schäfchen in der Herde des Staates bist – ihre Richter und Staatsanwälte (Anwälte des Staates, was kann es abscheulicheres geben, als eine solche Pest?) warten nur auf den kleinsten Regelverstoß von dir.

Die Justiz ist ein Angriff auf uns alle und das neue Justizzentrum am Leonrodplatz hat genug Plätze auf den Anklagebänken für alle von uns.

Die Revolte braucht alles…

„Was soll ich schon machen, wir können doch sowieso nichts verändern…“, wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Diese Resignation ist genau die Meinung die wir haben sollen. Darauf zielt die Macht ab und darauf verlässt sie sich. Ihre scheinbare Übermacht, das Gefühl das man nichts verändern kann, ist lebensnotwendig für jede Form der Machtausübung. Doch es ist möglich sich Projekten der Herrschaft in den Weg zu stellen und diese zu verhindern. Umso weiter sich die Macht ausdehnt, umso mehr sie in jeden Aspekt unseres Lebens eindringt, desto angreifbarer wird sie auch. Aber es geht auch darum, wie wir uns diesen Projekten in den Weg stellen. Es geht nicht darum irgendjemanden hinterher zu laufen oder seine Verantwortung an jemanden abzugeben, sondern darum selber die Initiative zu ergreifen. Jede unserer Handlungen hat Auswirkungen auf unsere Umgebung, jede Aktion gegen die Herrschaft und ihre Projekte wie das Justizzentrum, bewirkt etwas, auch wenn wir diese Auswirkungen oft nicht direkt wahrnehmen können. Es gibt tausende Möglichkeiten gegen das Justizzentrum zu kämpfen: Flugblättern verteilen, Diskussionen führen, gesprühte Parolen, Angriffen auf Verantwortliche, Sabotagen des Baus oder der Justizmaschinerie,…

„Die Revolte braucht alles Zeitschriften und Bücher, Waffen und Sprengsätze, Überlegung und Blasphemie, Gifte, Dolche und Brandstiftungen. Die einzige interessante Frage ist, wie sie kombinieren?“ Diese Entscheidung muss jeder selber treffen, wann welches Mittel am angebrachtesten ist, beurteilt jede Person anders. Ziele gibt es mehr als genug, alle Strukturen und Personen die Teil der Justizmaschinerie sind, oder bei dem Bau des neuen Justizzentrums mitarbeiten, sind kleine (oder auch größere) Zahnrädchen der Justiz. Und da Zahnräder bekanntlich ineinander greifen müssen, damit die Maschine als Ganzes läuft, dürfte ja wohl klar sein was passiert, falls eines oder mehrere dieser Zahnrädchen nicht mehr richtig funktionieren…

Lasst uns die Justizmaschinerie sabotieren!