#title Der individualistische Amoralismus und die Anarchie #author Errico Malatesta #LISTtitle Individualistische Amoralismus und die Anarchie #SORTauthors Malatesta, Errico; #SORTtopics Individualismus, Moral, 1910-1919, 0riginal: Italienisch, #date 1913/1914 #source Aus: Errico Malatesta: Anarchistische Interventionen – Ausgewählte Schriften (1892–1931) #lang de #pubdate 2015-05-18T19:40:29 #notes Veröffentlicht als Broschüre unter dem Titel L’Amoralisme Individualiste et L’Anarchie in »Les Editions de L’Emanzipateur« (Belgien, 1913/1914) Der erste Teil, »Die tragischen Banditen«, erschien wohl ursprünglich unter dem Titel »Banditi rossi« in der Zeitschrift Volonta (Ancona, 15. Juni 1913), der zweite Teil, »Anarchismus und Amoralismus«, geht auf den Artikel »Errori e Rimedi«, erschienen in L’Anarchia (London, August 1896) zurück. Die Herkunft des dritten Teils »Das Recht zu urteilen« ließ sich nicht klären. Möglicherweise war es eine Antwort auf eine Polemik des (späteren) Attentäters Emile Henry (1872- 1894) gegen Malatestas Artikel »Ein wenig Theorie« (in diesem Band), in der er die Position vertrat, dass Anarchisten kein Recht hätten, über anarchistische Attentate negativ zu urteilen. Aus dem Französischen übersetzt von Gabriel Kuhn. ** Der individualistische Amoralismus und die Anarchie (1913/1914) [1] *** I. Die tragischen Banditen [2] Es scheint eigentlich zu spät, um über dieses Thema zu sprechen. Doch das Thema bleibt aktuell. Zwar geht es um vergangene Ereignisse und Diskussionen, aber auch um solche, die sich jederzeit wiederholen können – vor allem, solange die Bedingungen, die zu ihnen fuhren, nicht beseitigt sind. Wir sprechen von ein paar Individuen, die gestohlen und dafür getötet haben. Sie waren nicht wählerisch und schossen auf jeden, der sich zwischen sie und das Geld stellte, das sie wollten. Ihre Opfer waren Menschen, die sie nicht kannten, darunter Arbeiter, die genauso, oder sogar noch mehr, unter den gesellschaftlichen Verhältnissen zu leiden haben wie sie. Im Grunde ist das Ganze wenig überraschend. Vom Baum des Privilegs fallen immer unreife Früchte. Das gesamte gesellschaftliche Leben ist von Betrug und Gewalt gekennzeichnet. Menschen, die arm geboren werden, sehen sich Sorgen und Erniedrigungen aller Art ausgesetzt. Geld ist zur Befriedigung unserer Bedürfnisse und dem Erlangen sozialen Respekts unverzichtbar. Gleichzeitig ist es für viele Menschen unmöglich, eine ehrliche und würdige Arbeit zu finden. Wie soll es da erstaunen, wenn sich von Zeit zu Zeit unglückliche und unterdrückte Seelen von der bürgerlichen Moral beeinflussen lassen? Und was sollen diese Seelen tun? Sie können sich nicht unter dem Schutz der Polizei die Arbeit anderer aneignen – also stehlen sie. Sie können keine militärischen Feldzüge oder den Verkauf von Gift, das sie als Lebensmittel anpreisen, planen – also bedienen sie sich eines Dolchs oder Revolvers. So weit ist alles recht einfach. Nun gibt es aber unter diesen »Banditen« welche, die sich als Anarchisten bezeichnen. Das macht vieles schwieriger. Die Bürger nutzen den Eindruck, den diese Aktivitäten auf die Öffentlichkeit machen, um den Anarchismus zu verunglimpfen und ihre eigene Macht zu festigen. Auch die Polizei profitiert davon. Oft genug werden die besagten Aktivitäten sogar von der Polizei angezettelt. Damit wächst die Bedeutung der Beamten, die gleichzeitig ihre Bedürfnisse der Kriminalisierung und des Tötens zufrieden stellen können. Außerdem verdienen sie gut an vergossenem Blut (in der Form von barem Geld genauso wie durch Beförderungen). Dem gegenüber stehen Genossen, die es nicht wagen, Menschen zu verurteilen, die sich als Anarchisten bezeichnen. Einige unter ihnen, die Romantiker des Abenteuers, feiern zudem den Mut dieser Menschen und den Gesetzesbruch, ohne sich um das Wie und Warum zu kümmern. Mir erscheint es jedoch wichtig, das Phänomen in Ruhe zu untersuchen. Nur so können wir Schlussfolgerungen für unser eigenes Handeln ziehen und anderen Menschen Ratschläge erteilen. Wir müssen uns fragen, in welchem Verhältnis die Aktivitäten dieser Männer zu unseren Überzeugungen stehen. Es reicht nicht aus, sie alleine nach ästhetischen Kriterien zu beurteilen. Sicher, diese Männer waren mutig, und der Mut ist eine schöne und noble Eigenschaft. Aber abgesehen davon, dass Mut manchmal nichts anderes heißt, als in guter physischer Verfassung zu sein, kann er dem Guten wie dem Schlechten dienen. Mutige Männer finden sich unter den Märtyrern der Freiheit genauso wie unter den schlimmsten Tyrannen. Sie finden sich unter Revolutionären genauso wie unter Soldaten, bei der Polizei oder in der Camorra. Gewöhnlich bezeichnen wir diejenigen, die ihren Mut in den Dienst des Guten stellen, als Helden, während wir diejenigen, die Schlechtes tun (und im schlimmsten Fall rücksichtslose und blutrünstige Scheusale sind), als Schurken bezeichnen. Damit haben wir durchaus recht. Dass den Aktivitäten, um die es hier geht, etwas Romantisches und in gewissem Sinne ästhetisch Ansprechendes innewohnt, verleugne ich keineswegs. Doch entlässt das auch die poetischen Bewunderer der »schönen Tat« nicht aus der Verantwortung nachzudenken.[3] Ein schnelles Auto, das von Menschen gelenkt wird, die mit Brownings bewaffnet Schrecken verbreiten und eine Spur des Todes hinterlassen, ist zweifelsohne ein modernes Phänomen[4] – aber das macht diese Menschen nicht besser als die Brigadiers mit Federhüten und Donnerbüchsen, die eine Gruppe Reisender überfallen und ausrauben, oder die feudalen Barone, die in ihrer Rüstung hoch zu Ross die Abgabe des Leibeigenen fordern. Würde die italienische Regierung nicht nur aus Schauspielern, Dummköpfen und Dieben bestehen, hätte sie den Feldzug in Libyen vielleicht auch ästhetisch ansprechend gestalten können – aber wäre er deshalb weniger kriminell und verwerflich gewesen?[5] Freilich handelte es sich bei unseren Banditen nicht (oder nicht nur) um gewöhnliche Verbrecher. Es gab unter diesen Dieben desillusionierte Idealisten und unter diesen Mördern heroische Naturen, die sich unter anderen Umständen – oder unter dem Einfluss anderer Ideen – als solche hätten beweisen können. Für alle, die diese Menschen kannten, steht außer Zweifel, dass sie reflektierten und dass ihre starke Reaktion gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse sowie ihr leidenschaftlicher Versuch, dem eigenen Willen zu folgen und die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, einem speziellen Verständnis des Lebens und des Kampfes entsprang. Aber sind ihre Vorstellungen anarchistische? Können sie sich, selbst im weitesten Sinne, mit dem Anarchismus in Einklang bringen lassen? Oder stehen sie in völligem Gegensatz zu ihm? Das ist die Frage, um die es hier geht. *** Der Definition nach ist ein Anarchist jemand, der weder Unterdrücker noch Unterdrückter sein will. Er ist jemand, der sich nach dem größtmöglichen Glück, der größtmöglichen Freiheit und der größtmöglichen Selbstverwirklichung aller Menschen sehnt. Seine Ideale und Wünsche beruhen auf Mitgefühl, Liebe und Respekt. Diese Empfindungen müssen stark genug sein, um das Glück anderer genauso anzustreben wie das eigene und auf persönliche Vorteile zu verzichten, die von anderen Opfer verlangen. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, wie kann der Anarchist dann ein Feind der Unterdrückung sein, anstatt selbst zu einem Unterdrücker zu werden? Der Anarchist weiß, dass Einzelne nicht außerhalb der Gesellschaft leben können. Er weiß, dass sich die Menschlichkeit der Einzelnen den Errungenschaften vergangener Generationen verdankt und ihr Überleben von der Zusammenarbeit mit ihren Zeitgenossen abhängt. Er weiß, dass die Handlungen der Einzelnen direkt oder indirekt das Leben aller anderen beeinflussen. Kurz, er begreift das Gesetz der Solidarität, welches das natürliche ebenso wie das gesellschaftliche Leben prägt; und nachdem er sich nach Freiheit für alle sehnt, muss er darauf bedacht sein, dass dieses Gesetz auch von allen begriffen wird, da nur dies gleiche Voraussetzungen schaffen kann. Solange Menschen dies nicht bewusst ist, bleibt viel dem Zufall überlassen und eine Minderheit kann herrschen und ausbeuten und vom Nachteil anderer profitieren. Es gibt nur die folgenden Alternativen: unterdrückt sein, unterdrücken oder zum Wohle aller zusammenzuarbeiten. Die Anarchisten bemühen sich, es könnte nicht anders sein, um Letzteres: um freie und freiwillige Formen der Zusammenarbeit. Wir wollen hier nicht philosophieren und von Egoismus, Altruismus und anderen großen Dingen sprechen. Ja, wir sind Egoisten in dem Sinne, dass wir nach unserer eigenen Befriedigung streben. Doch für Anarchisten besteht die größte Befriedigung im Glück aller, in einer Gesellschaft von Brüdern, von gesunden, intelligenten, gebildeten und frohen Menschen. Dafür kämpfen sie. Niemand, der bereit ist, in einer Gesellschaft von Sklaven zu leben und von Sklavenarbeit zu profitieren, kann jemals Anarchist sein. Es gibt starke, kluge und leidenschaftliche Individuen mit hohen materiellen und geistigen Ansprüchen, die das Schicksal zu Unterdrückten gemacht hat und die sich um jeden Preis von diesem Schicksal befreien wollen. Sie zögern dabei nicht, selbst zu widerwärtigen Unterdrückern zu werden. Diese Individuen finden sich in der gegenwärtigen Gesellschaft eingeengt und betrachten daher jede Form von Gesellschaft mit Misstrauen und Hass. Gleichzeitig wissen sie, dass sie ohne andere Menschen nicht existieren können. Also versuchen sie, anderen ihren Willen aufzuzwingen. Manche stellen dabei gerne ihre Belesenheit zur Schau und nennen sich »Übermenschen«. Sie wollen »ihr eigenes Leben leben«, und zwar skrupellos. Die Revolution – und die Zukunft überhaupt – wird ihnen zum Gegenstand des Spotts. Es geht ihnen um das Jetzt, das sie erleben wollen, ohne Rücksicht auf andere. Sie opfern ihre Menschlichkeit – wie es manche von ihnen ausdrücklich formuliert haben – dem »intensiven Leben«.[6] Diese Menschen sind Rebellen, aber keine Anarchisten. Ihre Mentalität ist die missglückter Bürger. Wenn sie die Möglichkeit haben, zu richtigen Bürgern zu werden, ergreifen sie diese. Ihre Rolle spielen sie dabei ausgezeichnet. Sie mögen im Zuge des Kampfes an unserer Seite auftauchen, aber wir können, sollen und wollen nicht mit ihnen verwechselt werden. Und sie wissen das. *** Trotzdem bezeichnen sich viele von ihnen gerne als Anarchisten. Das ist wahr – und bedauerlich. Auf der einen Seite können wir den Namen, den sie für sich wählen, nicht beeinflussen. Auf der anderen Seite können wir selbst nicht einen Namen aufgeben, der unsere Ideen treffend zusammenfasst und der uns logisch wie historisch zukommt. Wir können jedoch unnötige Verwirrung vermeiden – zumindest so weit wie möglich. Wie kann es dazu kommen, dass Individuen einen Namen für sich in Anspruch nehmen, der in direktem Gegensatz zu ihren Handlungen steht? Wie können sie den gleichen Namen verwenden wie Menschen, die ganz andere Ziele haben? Von den dubiosen Machenschaften der Polizei war bereits die Rede. Es ist nicht schwierig zu beweisen, dass manche Taten, die man anarchistisch genannt hat, in den Lasterhöhlen der Pariser Polizei erdacht und auf Befehl der Polizeichefs – Andrieux, Goron und anderer – durchgeführt wurden. Als der Anarchismus in Frankreich immer stärkere Verbreitung fand, hatte die Polizei die geniale Idee, die Bewegung von innen zu bekämpfen. Dies war der Taktik der schlauesten Jesuiten würdig. Es wurden Provokateure in die Reihen der Anarchisten eingeschleust, die sich einen ultrarevolutionären Anstrich gaben und die anarchistischen Ideen so sehr pervertierten, dass sie grotesk und zum völligen Gegenteil ihrer Ursprünge wurden. Die Polizei gründete und finanzierte Zeitungen und provozierte sinnlose Verbrechen, die man dann als anarchistisch ausgab. Man missbrauchte junge, naive und idealistische Menschen, die man kurz darauf fallen ließ. Gleichzeitig gelang es mithilfe der bürgerlichen Presse, einen Teil der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass diese Menschen tatsächlich den Anarchismus repräsentierten. Die französischen Genossen haben gute Gründe zu glauben, dass diese Taktik immer noch angewandt wird und auch auf die Aktivitäten Einfluss hatte, von denen hier die Rede ist. Manchmal wurden Taten begangen, die über die Pläne der Polizei hinausgingen. Doch der Polizei nutzten sie in jedem Fall. Die Polizei ist aber nicht der einzige Faktor. Es gibt noch andere, weniger widerliche, aber nicht weniger verhängnisvolle. So sind Schriftsteller und Journalisten immer gerne bereit, sich aufsehenerregenden Themen zu widmen. Als daher spektakuläre Attentate die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Anarchismus lenkten, begannen viele von ihnen, sich mit diesem zu beschäftigen. Das Bild, das sie von ihm malten, entsprach ihrer bürgerlichen Gesinnung. Der Anarchismus wurde zu einem spannenden Thema für neugierige junge Mädchen und gelangweilte alte Damen, hatte aber nicht das Geringste mit einer emanzipatorischen Massenbewegung zu tun. Menschen, die gut schreiben, können alles Mögliche behaupten, das niemand versteht, und gerade deshalb bewundert werden, hat es immer gegeben. Hieß es nicht irgendwann in Italien, dass Gabriele dAnnunzio[7] ein Sozialist sei? *** Doch nach einiger Zeit kehren praktisch alle dieser »Intellektuellen« wieder in den Schoss der bürgerlichen Gesellschaft zurück, wo sie ihren Ruf ausschlachten. Sie offenbaren sich damit als nach Anerkennung strebende Abenteurer des Wortes, die großen Schaden anrichten. Dazu würde es freilich nie kommen, gäbe es auf der Welt nur Menschen mit klaren Ideen, die genau wissen, was sie wollen und dementsprechend handeln. Doch dem ist nicht so. Es gibt viele Menschen, deren Geist zerstreut und deren Seele unsicher ist und die von einem Extrem zum anderen pendeln. Und so gibt es beispielsweise jene, die sich als Anarchisten bezeichnen und ernsthaft glauben, solche zu sein, wenn sie abscheuliche (wenn auch angesichts der gesellschaftlichen Umstände erklärbare) Taten rechtfertigen, indem sie sagen, dass die Bürger ebenso und sogar noch schlimmer handeln. Das ist wahr. Aber warum sollte man selbst besser sein, wenn man nicht besser handelt? Die Bürger werden angeklagt, weil sie dem Arbeiter den Ertrag seiner Arbeit nehmen; doch alle schweigen, wenn jemand diesem Arbeiter auch noch das Bisschen nimmt, das ihm der Bürger lässt. Alle empören sich darüber, dass Kapitalisten Menschen unter schlechten Bedingungen arbeiten lassen; aber niemand empört sich über jene, die diese Arbeiter niederstechen, um an ein klein bisschen Geld zu kommen. Alle verachten den Kredithai, der einem armen Teufel für zehn geliehene Francs einen Franc Zinsen abverlangt; aber niemand erhebt seine Stimme, wenn jemand diesem armen Teufel alle zehn Francs nimmt, ohne ihm vorher irgendetwas geliehen zu haben. Die Leute, von denen ich hier spreche, sind arm im Geiste; gerade deshalb glauben sie, anderen Menschen von Natur aus überlegen zu sein. Sie verachten die »dummen Massen« und fugen den Arbeitern, Armen und Unglücklichen ungeniert Schaden zu, da diese »nicht rebellieren und daher die gegenwärtige Gesellschaftsordnung unterstützen«. Ich kenne einen rücksichtslosen und gewissenlosen Kapitalisten, der sich in Cafés gerne als Sozialist, ja sogar als Anarchist, ausgibt. Er verleugnet nicht, ein brutaler Ausbeuter zu sein, aber er erklärt dies auf ähnliche Weise. »Meine Arbeiter«, sagt er, »verdienen es, so behandelt zu werden, wie ich sie behandle, weil sie sich mir unterwerfen; sie sind sklavische Naturen und unterstützen damit das bürgerliche Regime.« Und so weiter. Genau so sprechen die Anarchisten, die den Unterdrückten weder Sympathie noch Solidarität entgegenbringen. Der Schluss dieser Logik wäre aber, dass die wirklichen Freunde der Anarchisten die Kapitalisten und ihre wirklichen Feinde die Masse der Unterdrückten sind. Wie kann man dann aber von Emanzipation reden? Anarchisten dieser Art sollten sich vielmehr mit den Bürgern unterhalten und uns in Frieden lassen. *** Ich habe genug gesagt und sollte abschließen. Ich tue das, indem ich denjenigen einen Rat erteile, die »ihr eigenes Leben leben wollen«, ohne sich in irgendeiner Weise um das Leben anderer zu kümmern. Diebstahl und Mord sind gefährliche Methoden und im Allgemeinen wenig produktiv. Solche Methoden zu wählen, fuhrt meist dazu, im Gefängnis oder unter der Guillotine zu landen, vor allem, wenn man unvorsichtig ist und die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zieht, indem man sich als Anarchist bezeichnet und unter Anarchisten verkehrt. Man macht also ein sehr schlechtes Geschäft. Im Gegensatz dazu ist es leicht, eine bürgerliche Karriere zu machen, wenn man schlau, motiviert und skrupellos ist. Insofern ist es ein viel besseres Geschäft, mithilfe legalen Diebstahls und Mordes zu einem guten Bürger zu werden. Das empfehle ich den Anarchisten, von denen hier die Rede ist; zumal sie es damit auch vermeiden, dem Anarchismus Schaden zuzufügen, was in ihrem Sinne sein sollte, wenn sie nun wirklich intellektuelle Sympathien für ihn hegen. *** II. Anarchismus und Amoralismus Es gibt heute eine ganze Reihe von Menschen, die sich als Anarchisten bezeichnen. Die Auffassungen des Anarchismus sind dabei vielfältig und oft genug widersprüchlich. Es verwundert demnach nicht, wenn Menschen, die mit unseren Ideen in keiner Weise vertraut sind, nicht auf Anhieb zwischen zwei einander entgegengesetzten, aber unter dem gleichen Namen auftretenden Strömungen unterscheiden können; genauso wenig wie es verwundert, wenn sie uns und unserer Botschaft mit Argwohn und Skepsis begegnen. Wir können, wie bereits gesagt, andere nicht davon abhalten, den Namen zu verwenden, den sie für sich verwenden wollen. Gleichzeitig nutzt es nichts, wenn wir selbst diesen Namen aufgeben. Die Menschen würden einfach glauben, dass wir unsere Ansichten geändert haben. Gleichzeitig können – und müssen – wir den Unterschied zwischen uns und denjenigen klarmachen, deren Auffassung des Anarchismus sich von der unseren unterscheidet oder die auf der Basis der gleichen theoretischen Überzeugungen andere praktische Schlussfolgerungen ziehen. Wir können dies aber nur tun, wenn wir unsere Ideen deutlich aussprechen und ohne zu zögern klarstellen, wenn ihnen – oder den mit ihnen einhergehenden moralischen Werten – etwas widerspricht. Dabei dürfen wir keine Rücksicht auf die Personen oder Gruppen nehmen, deren Handlungen zu einer solchen Klarstellung Anlass geben. Schließlich ist die angebliche Zusammengehörigkeit von Personen, die nicht zusammengehören, einer der Hauptgründe für die gegenwärtigen Unklarheiten. Es gibt Genossen, die sich für Handlungen begeistert haben, die sie ablehnen, sobald sie von Bürgern begangen werden. Es scheint so, als gäbe es für diese Genossen nur ein einziges Kriterium, um eine gute von einer schlechten Handlung zu unterscheiden: Wurde sie von einer Person begangen, die sich als Anarchist bezeichnet, oder nicht? Hinter einer solchen Auffassung liegen viele Missverständnisse. Das Resultat ist, dass einige Genossen in der Praxis Aktionen gutheißen, die sie theoretisch ablehnen, und andere Genossen diesen Widerspruch akzeptieren. In jedem Fall befinden sich heute in unserer Mitte Leute, die sich über den Sozialismus, die Anarchie und alles, was nicht unmittelbar mit ihren eigenen Interessen zu tun hat, mokieren. Die erwähnten Missverständnisse können hier nicht methodisch und auch nicht vollständig präsentiert werden. Ich werde mich daher auf die offensichtlichsten bzw. häufigsten von ihnen konzentrieren. *** Lasst uns von der Moral sprechen. Nicht selten begegnet man Anarchisten bzw. Leuten, die sich als solche bezeichnen, die jede Moral verneinen. Ursprünglich wollen sie damit nur auf theoretischer Ebene klarstellen, dass sie keiner absoluten, ewigen und unveränderlichen Moral das Wort reden. Auf praktischer Ebene wollen sie gegen die bürgerliche Moral revoltieren, welche die Ausbeutung der Massen legitimiert und alles sanktioniert, was die Interessen der Privilegierten schwächt oder bedroht. Dann kommt es jedoch zu einer bekannten Entwicklung: Schritt für Schritt wird das rhetorische Mittel zu einer Wirklichkeit, und einige vergessen, dass die gegenwärtige Moral nicht nur aus Dogmen von Priestern und Kapitalisten besteht, die damit ihre Herrschaft absichern wollen, sondern auch aus Richtlinien des Handelns, ohne die unsere kollektive Existenz unmöglich wäre. Tatsächlich machen diese Richtlinien den Großteil der gegenwärtigen Moral aus. Die Zurückweisung durch Zwang auferlegter Regeln bedeutet also nicht, sich jeder moralischen Rücksichtnahme und Verantwortung zu entziehen. Eine bestimmte Moral kann nur dann bekämpft werden, wenn man ihr eine theoretisch wie praktisch überlegene Moral gegenüberstellt. Die Kritiker der Moral vergessen das oft. Manchen von ihnen werden – unter dem Einfluss ihrer Persönlichkeit und der gesellschaftlichen Bedingungen – »amoralisch« (eigentlich »unmoralisch«), das heißt, Menschen ohne jede Regeln, ohne jede Richtlinien für ihr Handeln, völlig dem Impuls hingegeben. So mögen sie heute auf ihr letztes Stück Brot verzichten, um einem Genossen zu helfen, während sie morgen einen Menschen töten, um ins Freudenhaus gehen zu können! Die Moral bezeichnet das Handeln, das die Menschen als gut ansehen. Man mag die Moral einer bestimmten Zeit, eines bestimmten Landes oder einer bestimmten Gesellschaft ablehnen (so wie wir beispielsweise die bürgerliche Moral ablehnen), aber eine Gesellschaft ohne jede Moral ist undenkbar. Genauso undenkbar ist es, dass ein Mensch zwar Bewusstsein, aber keine Kriterien für gutes bzw. schlechtes Handeln hat, und zwar für ihn selbst wie auch für andere. Wenn wir die gegenwärtige Gesellschaft bekämpfen, stellen wir die Moral der Liebe und der Solidarität der bürgerlichen, individualistischen Moral bzw. der Moral des Kampfes und der Konkurrenz gegenüber. Gleichzeitig versuchen wir, Institutionen zu etablieren, die unseren Vorstellungen menschlicher Beziehungen entsprechen. Wenn uns das kein Anliegen wäre, warum sollten wir es dann ungerecht finden, wenn die Bürger das Volk ausbeuten? *** Wir stoßen oft auf die folgende verheerende Argumentation, die manche ernst meinen und andere als Ausrede verwenden: die gegenwärtige Gesellschaft erlaubt es nicht, moralisch zu sein, weswegen sich die gegenwärtige Gesellschaft auch nicht auf moralischem Wege verbessern lässt; vielmehr müssen wir die herrschenden Bedingungen zu unserem Vorteil wenden, das heißt, auch wir müssen ohne Rücksicht auf andere handeln; ändern können wir unser Verhalten erst, wenn sich die gesellschaftlichen Verhältnisse verändert haben. Jeder Anarchist und Sozialist versteht, dass das gegenwärtige ökonomische System die Menschen dazu fuhrt, gegeneinander zu kämpfen. Er versteht auch, dass die persönliche Veränderung alleine die gesellschaftlichen Bedingungen nicht verändern kann. Doch gleichzeitig kann es ohne persönliche Veränderung keine gesellschaftliche Veränderung geben. Wir alle sind gezwungen, im Widerspruch zu unseren Ideen zu leben. Ausnahmslos. Wir sind jedoch Anarchisten und Sozialisten, weil wir darunter leiden und versuchen, diesen Widerspruch so weit wie möglich zu minimieren. Wenn wir uns einfach an die gesellschaftlichen Verhältnisse anpassen, geht diese Dimension verloren und wir werden zu ganz normalen Bürgern; zu Bürgern ohne Geld vielleicht, aber nichtsdestotrotz zu Bürgern in unserem Denken und Handeln. *** III. Das Recht zu urteilen Man könnte Bände über die Probleme schreiben, die von sprachlichen Mängeln herrühren, und selbst dann wäre das Thema noch nicht ausgeschöpft. Es gibt Synonyme, Wörter mit doppelter Bedeutung usw. Ein Beispiel bieten die Verwirrungen, zu denen es kommt, wenn es um unser Recht zu urteilen geht. Die Minderheit der glücklichen und privilegierten Menschen, die historisch die arbeitenden Massen unterdrückt und ausgebeutet haben, hat schrittweise Werte und Institutionen geschaffen, die ihre Herrschaft absichern, rechtfertigen und fortsetzen. Mithilfe des Militärs und anderer Formen physischen Zwangs (der immer das erste Mittel der Verteidigung und das letzte Mittel der Unterdrückung ist) wurde eine »Moral« geschaffen, die den Interessen der Herrschenden entspricht und alles, was diesen Interessen widerspricht, kriminalisiert. Das Gesetz soll die Unterdrückten zwingen, die Moral der Herrschenden zu respektieren. Implementiert wird das Gesetz von den Beschützern und Verteidigern der bestehenden Ordnung, die wir »Richter« nennen: sie bestimmen die Verfehlungen und bestrafen die Täter. Daher überrascht es nicht, wenn die Herrschenden den Richtern seit jeher besonderes gesellschaftliches Ansehen und besondere Privilegien sichern. Die Justiz gehört zu den größten Schandflecken der Menschheit. Die Richter verfolgen jeden rebellischen Gedanken und jede rebellische Handlung. Sie machen all jene zu Märtyrern, die ein wenig Licht ins Dunkel bringen und einen Teil der Wahrheit offenbaren. Sie schicken all jene ins Gefängnis oder aufs Schafott, die sich gegen Herrschaft auflehnen und für Gerechtigkeit kämpfen. Sie füllen Gefängnisse mit Menschen, die vom Leben benachteiligt wurden. Die Menschen, die wir in den Gefängnissen finden, sind – selbst, wenn sie grauenhafte Taten begangen haben – aufgrund der gesellschaftlichen Umstände dort. Sie sind dort aufgrund eines Regimes, das sie bestraft, um sich selbst zu verteidigen. Die Richter sichern dem System Anerkennung und Unterstützung, indem sie sich als Garanten der Gerechtigkeit inszenieren. Würde sich das System einzig auf militärische Macht stützen, würde dies nie gelingen. Die angebliche Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit der Richter (das eine ist verlogener als das andere) macht sie zu ebenso eifrigen wie gehorsamen Instrumenten der Herrschaft und der Rache großer wie kleiner Tyrannen. Die Richter haben eine wichtige gesellschaftliche Position inne, sie verfügen über das Leben, die Freiheit und die Bedürfnisse anderer, und sie machen das Urteilen zu ihrem Beruf. All dies fuhrt zu einem moralischen Verfall, der sie letzten Endes zu Monstern macht, die für jedes Gefühl der Menschlichkeit taub sind und für die es zur Selbstverständlichkeit wird, andere leiden zu lassen. Es überrascht in keiner Weise, wenn die Richter und ihre Institutionen der »Gerechtigkeit« seit jeher ein Angriffsziel derjenigen sind, die Freiheit und wirkliche Gerechtigkeit lieben und für sie kämpfen. All das Wissen, das wir heute vom Einfluss des Erbes und der gesellschaftlichen Bedingungen auf die menschliche Persönlichkeit haben, macht deutlich, wie begrenzt das Prinzip der »individuellen moralischen Verantwortung« ist. Die Psychologie bietet im Allgemeinen keine Erklärungen für das Handeln von Menschen, sondern macht in erster Linie deutlich, wie komplex das menschliche Seelenleben ist. Angesichts dessen wird verständlich, warum manche behaupten, dass der Mensch kein Recht zu urteilen habe. Wir Anarchisten wollen alle Gewalt und allen Zwang aus menschlichen Beziehungen beseitigen. Das heißt auch, dass wir mehr Grund als alle anderen haben, gegen das Recht zu urteilen zu protestieren, in dessen Namen Menschen bestraft werden, die sich nicht dem Gesetz der Herrschenden unterwerfen. *** Doch Urteilen bedeutet auch, seiner Meinung bzw. Einschätzung Ausdruck zu verleihen. In diesem Sinne handelt es sich um nichts anderes als das einfache Recht der Kritik bzw. das Recht, zu allem und jedem seine Gedanken zu formulieren. Dieses Recht ist der Grundstein jeder Form von Freiheit. Es Menschen vorzuenthalten, bedeutet nicht nur, jede Möglichkeit des Fortschritts zu verhindern, sondern überhaupt jede intellektuelle und moralische Kultur. Es ist außerordentlich schwierig, gerecht zu urteilen, wenn es um die moralischen Dimensionen einer menschlichen Handlung geht. Wir alle machen Fehler. Das bedeutet auch, dass wir alle in unserem Urteilen vorsichtig sein müssen. Wir müssen bereit sein, unsere Urteile zu ändern und dürfen niemals den Anspruch der Unfehlbarkeit erheben. Wir müssen versuchen, eine Handlung als Handlung zu beurteilen, ungeachtet dessen, wer sie begangen hat. Doch bedeutet das nicht, dass uns irgendjemand das Recht des Urteilens an sich absprechen kann, das heißt, das Recht zu denken und das Recht zu sagen, was man denkt. Wie erwähnt, jeder Mensch kann sich irren und in seinem Urteil ungerecht sein. Aber die Freiheit, sich zu irren, ist untrennbar mit der Freiheit verbunden, das zu verteidigen, was wahr und gerecht ist. Jeder Mensch muss die absolute Freiheit haben, das zu sagen und zu verbreiten, was er will, unter der Bedingung, dass er anderen seine Ansicht nicht mit Gewalt aufzwingt und keine Waffen gebraucht außer jenen der Vernunft. Die doppelte Bedeutung des Wortes »urteilen« hat in gewissen anarchistischen Kreisen für Konfusion gesorgt. Manche Genossen haben den Schluss gezogen, dass Anarchisten niemals urteilen dürfen. Dies wurde besonders deutlich anlässlich einiger Aktionen, die von Anarchisten unterschiedlich eingeschätzt wurden. Aber warum sollen Anarchisten einem Recht entsagen (dem der absoluten Freiheit), das sie für alle anderen einfordern? Anarchisten wettern gegen Doktrinen und Päpste aller Art. Sie wollen permanenten gesellschaftlichen Fortschritt. Doch wie soll es zu diesem kommen, wenn man das Recht bzw. die Praxis gegenseitiger Kritik aufgibt und damit das wichtigste Mittel jeden Fortschritts? Anarchisten sollen kein Recht zu urteilen haben? Aber wie sollen sie die gegenwärtige Gesellschaft bekämpfen können, wenn sie diese nicht als verwerflich verurteilen? Außerdem: ist es nicht ein Urteil zu behaupten, dass man kein Recht zu urteilen hat? Urteilt man dann nicht über den, der urteilt? Im Grunde handelt es sich hier um nichts anderes als um eine – mehr oder weniger unbewusste – Heuchelei des Geistes als Resultat sprachlicher Verwirrung. Die Wahrheit ist, dass manche Menschen denjenigen das Recht zu urteilen absprechen wollen, die nicht so urteilen wie sie. Gut, in manchen Fällen spricht man sich auch selbst das Recht zu urteilen ab – nämlich dann, wenn man nicht weiß, wie man urteilen soll. [1] Veröffentlicht als Broschüre unter dem Titel L’Amoralisme Individualiste et L’Anarchie in »Les Editions de L’Emanzipateur« (Belgien, 1913/1914) Der erste Teil, »Die tragischen Banditen«, erschien wohl ursprünglich unter dem Titel »Banditi rossi« in der Zeitschrift Volonta (Ancona, 15. Juni 1913), der zweite Teil, »Anarchismus und Amoralismus«, geht auf den Artikel »Errori e Rimedi«, erschienen in L’Anarchia (London, August 1896) zurück. Die Herkunft des dritten Teils »Das Recht zu urteilen« ließ sich nicht klären. Möglicherweise war es eine Antwort auf eine Polemik des (späteren) Attentäters Emile Henry (1872- 1894) gegen Malatestas Artikel »Ein wenig Theorie« (in diesem Band), in der er die Position vertrat, dass Anarchisten kein Recht hätten, über anarchistische Attentate negativ zu urteilen. Aus dem Französischen übersetzt von Gabriel Kuhn. [2] Hintergrund der Broschüre sind die kontroversen Diskussionen um die Aufsehen erregenden Überfälle der sogenannten Bonnot-Bande in den Jahren 1911/1912, einer Gruppe von Individualanarchisten um Jules Bonnot (1876–1912), die auch als »tragische Banditen« bezeichnet worden waren. [3] Vielleicht eine polemische Anspielung auf Laurent Teilhade (1854- 1919), französischer Satiriker und Dichter, der eine zeitlang im Kontakt mit den Pariser Anarchisten stand und im Zusammenhang mit Akten der »Propaganda der Tat« gesagt haben soll: »Wen interessiert das Opfer, wenn die Geste schön ist.« [4] Die Bonnot-Bande unternahm (anscheinend) als erste Überfälle mit Hilfe von Automobilen. [5] Unter dem Liberalen Giovanni Giolitti beschloss die italienische Regierung im Sommer 1911 der Türkei den Krieg zu erklären und marschierte in die von dieser besetzten Provinz in Nordafrika ein. In der seinerzeitigen Kontroverse sprach sich Malatesta vehement gegen den Eroberungskrieg aus: »Wir verabscheuen den stets brudermordenden, schädlichen Krieg und wollen die soziale Revolution für die Befreiung; wir verurteilen die Kämpfe zwischen den Völkern und rufen auf zum Kampf gegen die herrschenden Klassen. Wenn es aber unglücklicherweise zu einem Konflikt zwischen Volk und Volk kommt, dann sind wir auf der Seite des Volkes, das seine Unabhängigkeit verteidigt. (...) Heute, da Italien in ein anderes Land einmarschiert, und auf dem Marktplatz von Tripoli der Galgen Victor Emanuels errichtet wird, ist edel und tugendhaft die Revolte der Araber gegen den italienischen Tyrannen. (...) Für die Ehre Italiens hoffen wir, dass das wieder zur Vernunft gekommene italienische Volk es schafft, die Regierung zum Rückzug aus Afrika zu zwingen; und wenn nicht, dann hoffen wir, dass es den Arabern gelingt, sie zu vertreiben.« (Franco Bertolucci: »Kein Mann, kein Geld für den Krieg«. Italienische Anarchisten und Syndikalisten und der Erste Weltkrieg, in: Andreas Hohmann (Hg.): Ehern, tapfer, vergessen. Die unbekannte Internationale. Lieh: Edition AV, 2014: 139- 180. Hier: S.146) Siehe hierzu auch Malatestas Artikel »The War and the Anarchists« (1912), in: Davide Turcato (Hg.): The Method of Freedom. Oakland: AK Press, 2014: 353–358. [6] Gemeint sind hier jene (meist individualistische) Anarchisten, die sich auf Max Stirner (1806–1856) und vor allem Friedrich Nietzsche (1844–1900) beriefen. In den 1890er Jahren setzte in Teilen des Anarchismus deren Rezeption ein, die zu vielerlei Auseinandersetzungen führte – und die der Sozialdemokratie immer wieder Munition zu ihrer Polemik gegen den Anarchismus insgesamt gab. [7] Gabriele d’Annunzio (1863–1938): Italienischer Schriftsteller und Dichter.