Die Anonymität
„Also nähere ich mich dem Monster, eine Schale gefüllt mit dunkelfarbenem Wein haltend, und sage ihm:
„Nimm Zyklop, trinke von diesem Wein, da du gerade menschliches Fleisch gegessen hast. Ich will, dass du weißt welch Gebräu ich auf meinem Schiffe versteckt hatte; Ich schenke ihn dir in der Hoffnung, dass du, da du Mitleid mit mir bekommst, mich bald in meine Heimat zurückschickst. Zyklop, deine Tobsüchte sind nun erduldbar! Grausamer Mensch ohne Gerechtigkeit, wie willst du dass von nun an Sterbliche noch an diese Orte kommen?“
Bei diesen Worten nimmt das Monster die Schale und empfindet eine solchen Gefallen daran dieses sanfte Gebräu zu genießen, dass er mit folgenden Worten um ein zweites mal fragt:
„Schenke mir nochmal von diesem köstlichen Wein ein und sag mir deinen Namen, damit ich dir, als Fremden, ein Geschenk gebe, das dich erfreut. Unsere fruchtbare Erde produziert auch Wein, eingeschlossen in schönen Reben, welche der Regen des Jupiters wachsen lässt; aber dieses feinste Gebräu, welches du mir bietest, fließt sowohl aus dem Nektar wie aus der Ambrosia.“
Er sagt es, und unverzüglich schenke ich ihm von diesem funkelnden Likör ein: Drei mal gebe ich dem Zyklopen davon und drei mal trinkt er maßlos davon. Sobald der Wein sich seiner Sinne bemächtigt hat, richte ich jene sanften Worte an ihn:
„Zyklop, da du nach meinem Namen fragst, so werde ich ihn dir sagen; aber schenke mir diese Gastfreundschaft wie du es mir versprochen hast. Mein Name ist Niemand: Niemand nennen mich sowohl mein Vater und meine Mutter, wie auch alle meine treuen Gefährten.“
Das grausame Monster antwortet mir:
„Niemand, wenn ich alle deine Gefährten verschlungen haben werde, werde ich dich als letztes essen: So wird für dich das Geschenk der Gastfreundschaft sein.“
So sprechend, fällt der Zyklop um: Sein riesiger Hals fällt in den Sand. Der Schlaf, der alle Wesen zähmt, ergreift ihn und aus seinem Mund treten der Wein und Fetzen menschlichen Fleisches aus, die er während seiner Trunkenheit ausstößt. Also schiebe ich den Pfahl in die Glut um ihn brennend zu machen, und durch meine Reden rege ich meine Gefährten an, dass sie von der Angst erschrocken mich nicht verlassen. Als der Stamm des Olivenbaums genug erhitzt ist, und obwohl er noch grün ist beinahe Feuer fängt, ziehe ich ihn so glänzend aus dem Feuer, und meine braven Gefährten bleiben um mich herum: Zweifellos flüsterte mir ein Gott diese große Kühnheit zu! Meine treuen Freunde ergreifen den spitzen Pfahl, drücken ihn in das Auge des Zyklopen, und ich, indem ich mich an die Spitze des Pfahls stelle, drehe ihn mit Kraft. – So, wie wenn ein Handwerker mit einem Bohrer den Balken eines Schiffes durchsticht, und unter ihm andere Arbeiter, den Antriebsriemen von beiden Seiten ziehend durchgängig das Werkzeug bewegen: genau so lassen wir den Pfahl im Auge des Zyklopen drehen.
Überall um die entflammte Spitze fließt das Blut; ein glühender Dampf verschlingt die Augenbrauen und Wimpern des Riesen; seine Pupille wird verzehrt, und die Wurzeln des Auges funkeln, verbrannt von den Flammen. – So, wie wenn ein Schmied in die eiskalte Flut eine durch das Feuer gerötete Axt taucht um sie zu härten (denn dieses Härten macht die Stärke des Eisens aus), und diese Instrumente mit großem Lärm beben: Genau so pfeift das Auge des Zyklopen, durchstochen von dem brennenden Pfahl. Das Monster stößt schreckliche Schreie aus, die die Höhle krachen lassen; und wir, von Schreck ergriffen, fangen an zu fliehen. Der Zyklop entreißt seinem Auge diesen mit Blut besudelten Pfahl, und in seiner Wut wirft er ihn weit weg. Sogleich ruft er mit lauten Schreien die anderen Zyklopen, die in den benachbarten Höhlen auf dem Wind ausgesetzten Bergen leben, herbei. Als sie die Stimme Polyphems hören, eilen die Riesen von allen Seiten herbei; sie umringen seine Höhle und fragen mit folgenden Worten nach den Gründen seiner Betrübnis:
„Warum reißen uns mitten in der göttlichen Nacht diese traurigen Rufe aus dem Schlafe? Hat dir einer der Sterblichen ein Lamm oder ein Schaf weggenommen? Fürchtest du, dass jemand dir List oder Gewalt anwendend den Hals durchschneidet?“
Polyphem, vom Grunde seiner Höhle, antwortet ihnen indem er sagt:
„O meine Freunde, wer tötet mich, nicht mit Kraft sondern mit List? Niemand!“
Sofort antworten die Zyklopen:
„Da niemand dir in deiner Einsamkeit Gewalt antut, was willst du dann von uns? Es ist unmöglich den Schmerzen, die uns der große Jupiter schickt, zu entfliehen. Richte dich doch an deinen Vater, den mächtigen Neptun.“
Bei diesen Worten entfernen sich alle Zyklopen. Ich lachte, darüber sinnend wie sehr Polyphem durch meinen angeblichen Namen und meine ausgezeichnete List getäuscht wurde.“
– Homer, Odysse, IX
Seit der Antike hat es sicher nicht an Menschen gefehlt, die die Möglichkeit der Verwendung von Anonymität realisiert und besungen haben. Nur wenn man niemand ist kann man vermeiden von seine Feinden erkannt zu werden. Es handelt sich um eine alte griechische Weisheit, die den Anarchisten der CCF zu fehlen scheint, von denen manche – in einem Text der im Knast von gewissen von ihnen geschrieben wurde, unterschrieben auch von einer anderen inhaftierten Person, und an ein anarchistisches Treffen geschickt, das letzten November (2012) in Zürich stattgefunden hat – den Gründen hinter der Verwendung eines Namens, eines Akronyms und einer präzisen Identität mit welcher ihre eigenen Aktionen des Kampfes bekannt werden, reichlich Platz widmen.
Ihr Text ist besonders da, auch wenn seine Verfasser Teil der wahrscheinlich am bekanntesten anarchistischen bewaffneten Gruppe sind, sie auf gewisse Weise die Mehrheit der weitverbreiteten Kritik gegenüber dem Luttarmatismus (bewaffneten Kampf) begrüßen und sich aneignen, indem sie jegliche Trennung und Spaltung der Rollen zurückweisen. Sie sagen, dass es keinen Unterschied zwischen Kameraden gibt, die an vorderster Front dabei sind Waffen zu bedienen und Kameraden, die im Hintergrund dabei sind Papier zu handhaben, da jedes Mittel eine Waffe ist, kann man genau so gut zum Banner wie zum Feuerzeug, zum Stein wie zum Dynamit greifen. Stahl ist sowohl das Grundelemet für Pistolen und Kugelschreiber, es existiert keine Hierarchie der Mittel, es gibt keinen technischen Fetischismus. Alle Gefährten müssen in der Lage sein alles zu verwenden. Aus mit der Spezialisierung. Perfekt. Dennoch bleibt die unüberbrückbare Frage der Identität bestehen. Sich in der Finsternis zu bewegen anstatt unter den Neonlichtern, davon wollen diese griechischen Gefährten wirklich nichts hören.
Da sie Gründe für ihre Entscheidungen darlegen, was jahrelang viele andere Anarchisten, die ihren Pfad teilten, nicht für nötig hielten zu übernehmen, und somit jegliche Debatte über diese Frage unmöglich machten, und ihren Text an ein anarchistisches Treffen geschickt haben, scheint uns ihre Intention endlich eine Diskussion zu diesen Themen eröffnen zu wollen offensichtlich. Erfreut über ihre Entscheidung, wollen wir hier unseren Beitrag beisteuern.
Lasst uns bei der Frage der Mittel beginnen. Nachdem sie präzisiert haben, dass sie auf keinen Fall der anarchistischen Initiative Grenzen aufzwingen wollen, und nicht alles technische Wissen generalisieren wollen, schreiben diese Gefährten:
„Wir glauben, dass das, was notwendig ist sich anzueignen, der Wille zum anarchistischen Aufstand selbst ist, und die Mittel sind nichts anderes als Objekte, die unsere Hände und Sehnsüchte fähig sind zu entdecken. Daher vermeiden wir die Trennung zwischen niedriger und hoher Intensitäten an Gewalt, und zerstören die Reproduktion des Expertenmythos. Ein typisches Beispiel der polymorphen anarchistischen Aktion sind die Versuche der FAI/FRI, deren Mitglieder sich sowohl zu solidarischen Bannern oder zu der Blockierung der Eingänge von Geschäften mit Klebstoff jeweils in Peru und Bolivien bekennen, als auch zu den Knieschüssen auf einen Vorsitzenden eines Kernkraftunternehmen in Italien oder die Hinrichtung dreier Kommunalbullen in Mexiko. Letzten Endes haben auch wir als Verschwörung der Feuerzellen mehr oder weniger so angefangen und wir sind nie in die Falle der Arroganz der Mittel und ihrer inoffiziellen Hierarchie gefallen.“
Das sind klare Worte, ohne Doppelsinn, aber... begleitet von einem Beispiel, das mindestens absurd ist. Da es wirklich Torheit ist, dass ein einzelnes Akronym so entfernte Aktionen bekennt – was die Konsequenzen anbelangt – wie das Entfalten von Bannern und das Ermorden von Polizisten. Das erste ist ein üblicher Akt, der jedem zugänglich ist, im Gegensatz zum zweiten. Meistens sind die Autoren der ersten Handlung einfacher auffindbar, da man wenig Vorsichtsmaßnahmen braucht. Aber im oben genannten Beispiel, würden sie auch riskieren die Konsequenzen des zweiten zu zahlen, insbesondere da, wo die Aktionen auf demselben Territorium passieren. Oder sollten sich die Anarchisten von Peru und Bolivien der FAI/FRI für immer mit Bannern und Klebstoff aufhalten? Oder legen sie nahe, dass bei ähnlich simplen Akten immer die selbe Aufmerksamkeit notwendig ist, wie in ganz anderen Form von Aktionen?
Diese griechische Gefährten vernachlässigen völlig gewisse Repressionsmechanismen zu beachten, wie zum Beispiel den Delikt der kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung, den sie paradoxer und unfreiwilliger Weise durch ihren identitären Schwung ermutigen. Um klar zu machen, was wir sagen wollen, geben wir zwei konkrete historische Beispiele.
In Spanien, in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, gab es viele soziale Erregungen. Insbesondere im unteren Teil Andalusien vervielfältigten sich die Brandstiftungen an Weinbergen und Ernten, die illegalen Abholzungen, die Diebstähle von Vieh, ganz zu schweigen von den Morden. Im Unterschied zum katalanischen Anarchismus, damals näher an legalistischen Positionen, behielten die andalusischen Anarchisten eine gewisse Neigung zur direkten Aktion. Es ist in diesem Rahmen, dass die Mano Negra 1883 erschien, eine anarchistische Phantom-Organisation, welcher die Autoritäten eine Verschwörung mit dem Ziel alle Landbesitzer der Gegend zu töten andichteten.
Auch wenn es wahr ist, dass diese Tatsachen die Sympathie von vielen andalusischen Anarchisten erregte, ist es auch wahr, dass die Existenz dieser Organisation selbst zweifelhaft bleibt. Die Autoren des L’Incendie millénariste (Das Millenaristische Feuer), die französische Cangaceiros Delhoysie und Lapierre schreiben zum Beispiel: „Es ist auch wahrscheinlich, dass eine Gruppe oder geheime Sekte namens Mano Negra niemals existierte; dieser Name hat dazu gedient ein Ensemble an Aktionen und Sekten ohne Namen zu kennzeichnen. Alles in allem, liefen die Prozesse, die gegen die andalusischen Anarchisten in der Sache Mano Negra geführt wurden auf 300 Gefängnisurteile hinaus.“
Abseits der Frage ob diese „Signatur“ eine reine Polizei-Erfindung oder eine absichtliche Wahl einiger weniger andalusischen Kameraden war, ist es auf jeden Fall sicher, dass sie einerseits alle Aktionen, die ohne Namen zu dieser Periode vollbracht wurden, umfasst, und andererseits der Staatsanwaltschaft dazu diente extrem schwere Strafen gegen jene zu verhängen, die an verschiedenen sozialen Kämpfen teilgenommen haben (und darüber hinaus viele willkürliche Exekutionen von Subversiven zu rechtfertigen). Die Autoren der unzähligen kleinen Aktionen sahen sich also verfolgt und verurteilt, weil sie der Teilnahme an einer bewaffneten Bande angeklagt waren an der sie niemals teilgenommen haben (und die es vielleicht nie gab).
Einige Jahre später trat in Frankreich eine ähnliche Situation ein. Die Aktionen, die von einigen individualistischen Kameraden ausgetragen wurden, wurden einer gewissen „Bonnot Bande“ angerechnet, die nur der Vorstellungskraft eines Journalisten entsprang. In Wirklichkeit hat es niemals eine strukturierte Bande gegeben, sondern nur ein aktives und aufbrausendes Milieu von Kameraden. Individuen trafen sich, vereinigten sich für eine Aktion, trennten sich, ohne irgendeine Homogenität. Aber das Spukgespenst einer „organisierten Gruppe“ wurde von der Staatsanwaltschaft erweckt und dutzende Gefährten für organisierte Verbrechen angeschuldigt, was bei härteren Strafen endete, und ohne die Kreation dieses kollektiven organisatorischen Spuks unmöglich gewesen wären zu verhängen.
Egal ob es eine soziale Bewegung oder ein „Bereich“ einer spezifischen Bewegung war, in beiden Fällen werden die von einzelnen Gefährten vollbrachten kleinen Aktionen, Ausdruck dieses dunklen Waldes der Anarchie, von einer Organisation geschluckt, von einer Gruppe, egal ob sie real ist oder fiktiv. Der Staat hat bestes Interesse daran, dass das passiert. Einerseits, kann er die Idee verbreiten es gäbe nur einige Hitzköpfe, die versuchen ihn zu bekämpfen, das jeglicher aufständische Versuch nur die Frucht des Komplotts einiger einsamer Subversiver gegen den Willen einer zustimmenden Mehrheit an Bürgern ist und somit der Subversion ihren sozialen und generalisierbaren Charakter wegnehmen. Andererseits kann er mit eiserner Faust gegen seine Feinde vorgehen, indem er die Haftstrafen durch die Verwendung des organisierten Verbrechens erhöht.
Nicht nur ziehen die griechische Gefährten diese Aspekte nicht im mindesten in Betracht, sein es auch nur Fragen der Sicherheit, sondern sie verschlimmern sie. Sie verteidigen in der Tat, dass es keinen Unterschied gibt zwischen denen, die Banner ausrollen und denen, die Polizisten töten. Sie können und müssen auf der gleichen Ebene sein, sie sollten zu der selben Organisation gehören, die ihre Aktionen bekennen muss, wenn sie nicht in die Ungenauigkeit geraten will. Musik in den Ohren der Staatsanwaltschaft. Wenn das überdachende Akronym bei der ALF (Animal Liberation Front) funktioniert, ist es weil die Aktionen, die weltweit von ihren Aktivisten durchgeführt werden, sich ähneln, da es sich im allgemeinen um die Befreiung von Tieren handelt. Aber die Beispiele, die von den griechischen Gefährten gegeben werden, sind anderen Ursprungs. Wer ist verrückt genug sich aufgrund eines Banners identifizieren zu lassen, wenn er weiß, dass er anschließend eines Mordes angeklagt werden könnte? Sollte er also beim Aufhängen eines Stück Stoffes die selben Vorsichtsmaßnahmen treffen wie wenn er in Betracht ziehen würde einen Feind zu eliminieren? Auf lange Sicht wird die Hierarchie zwischen den Mittel, welche man mit guter Absicht aus der Tür geschickt hat, aufgrund der harten praktischen Notwendigkeiten durchs Fenster wieder hinein kommen.
Bedauerlich für diese griechischen Gefährten, gibt es nur einen Weg all diese Probleme zu vermeiden: Die Anonymität. Bisher wurde sie als eine Vorsichtsmaßnahme vorgeschlagen, als „strategische“ Entscheidung. Jedoch ist dies nur ein zusätzlicher Aspekt der Frage, unserer Meinung nach der am wenigsten wichtige. Tatsächlich ist die Anonymität auch und vor allem eine Methode, die unseren eigenen Verlangen entspricht. Wir sehen sie nicht nur als nützlich und funktionell an, wir betrachten sie vor allem als richtig.
Die Anonymität eliminiert das Eigentumsrecht des Autors auf das, was getan wurde, depersonalisiert die Aktion indem sie sie von dem einzelnen Menschen befreit, der es getan hat. Auf diese Art erlaubt sie der Aktion ein potentiell vielfacher Akt zu werden (und scheiß drauf, wenn er die Schäbigkeit der Krypto-Angeber anregt). Die anonyme Aktion hat keinen Besitzer, keinen Meister, gehört niemandem. Dass heißt sie gehört allen denen, die sie teilen.
Als Schatten unter Schatten sind wir alle gleich. Niemand ist vorne um zu führen, niemand ist hinten um zu folgen. Was wir in der Finsternis tun, wissen einzig und alleine wir. Und das genügt. Die Finsternis beschützt uns gegen unsere Feinde, aber beschützt uns auch und vor allem vor uns selbst. Keine Führer, keine Herdentriebe, keine Eitelkeit, keine passive Bewunderung, kein Wettbewerb, nichts zu beweisen oder was auch immer. Die Tatsachen, nur die nackten und rohen Tatsachen, ohne Mediation. Eine Bank hat gebrannt, eine Kaserne ist explodiert, ein Pfeiler wurde niedergerissen. Wer hat es getan? Das tut nichts zur Sache. Ob es Anna oder Arthur war, wo ist der Unterschied? Es ist passiert, es ist möglich, tun wir es! In der Finsternis spricht die Aktion für sich selbst. Wenn sie nicht verständlich ist, werden es sicher nicht die tosenden Kommuniqués sein, die von der Propagandamaschine des Staates geschluckt werden, die ihr einen Sinn geben werden. Wie jemand schon einmal bemerkt hat, so ist eine Aktion, die von einem Kommuniqué befolgt wird wie ein Witz, dem eine Erklärung folgt. Indem man das tut, verbessert man nicht den Effekt, sondern banalisiert ihn, man verdirbt ihn. Wenn eine Aktion nicht für sich selbst spricht, so geschieht es nicht, das sich das Problem löst indem man Worte darüber anhäuft, da sich die falsche Wahl offensichtlich davor in der abwegigen Wahl des Ziels befindet.
Angriffsaktionen brauchen keinerlei Rechtfertigung im Nachhinein. Ist es auf einem Planeten, der von Kriegen zerrissen wird, nötig bekannt zu machen, warum man eine Militärbasis angreift? Ist es in einer Welt, die die Beute von Spekulation ist, nötig bekannt zu machen, warum man eine Bank angreift? Ist es nötig in einer Welt, die von Politik korrumpiert ist, bekannt zu geben, warum man Parteien angreift? Nein. Die Gründe sind bereits vor den Augen aller und dort, wo sie es nicht sind, liegt es an der Gesamtheit der Bewegung sich darum zu kümmern die soziale Kritik zu verbreiten um sie verständlich zu machen und deswegen teilbar und deswegen reproduzierbar.
Genauso sehr wie das Verlangen einen Feind anzugreifen menschlich, spontan und unmittelbar ist, genau so ist der Impuls Propaganda daraus zu machen, seine Eigentümerschaft zu bekennen, sich den Verdienst zuzuschreiben, künstlich und kalkuliert. Für wessen Augen? Wenn sich die Autoren einer Aktion in den Vordergrund stellen, ist es so, weil sie erkannt werden wollen, weil sie herausstechen wollen, dass heißt, weil sie bewundert und befolgt werden wollen. Da fängt das Spektakel an, hier beginnt die Rekrutierung. Jene, die sich ins Licht stellen und herausstechen, fangen unumgänglich damit an im Namen von anderen zu sprechen. Es kann auch nicht anders sein, weil sie es sind, auf die alle Scheinwerfer gerichtet sind, sie diejenigen sind, denen man die Mikrophone gibt. Die Anderen, wenn sie sich nicht benutzt fühlen wollen, werden dazu gezwungen sein ihrerseits einen Schritt nach vorne zu machen; die einen um den Spuren der Ersteren zu folgen, die anderen um sich von ihnen zu distanzieren. Das Ende der Anonymität markiert das Ende der Gleichheit, den Anfang der Repräsentation. Die Medien sind immer dazu bereit die Reden jener zu verstärken, die an ihre Tür klopfen, von denen, die die Logik des Spektakels akzeptieren. Und diese Verstärkung ist befriedigend, sie gibt die Illusion von Kraft. Ein anonymer Akt, egal wie bedeutend er sein mag, wird höchstwahrscheinlich verschwiegen werden, während eine Geste, sogar eine banale, aber etikettiert, in alle Himmelsrichtungen heraus posaunt wird – schau, sie sprechen von uns! Hast du gesehen wie stark wir sind?
In der Finsternis jedoch gibt es keine Namen, keine Identität, es gibt nur eine heterogene Bewegung, kochend wie Magma, fragmentarisch, wild. Niemand befiehlt, niemand gehorcht. Akte wie Worte haben Wert wegen ihrem Sinn, wegen ihrem Inhalt, wegen ihren Konsequenzen. Nicht wegen dem Ruf ihrer Autoren. Anstatt das Ende der Anonymität von Aktionen herbeizurufen, müsste man sie im Gegenteil auch in Worten einführen. Um einer Bewegung Leben zu schenken, die anarchistisch, autonom, anonym, entschlossen in ihren Angriffen ist, ohne das Bedürfnis zu fühlen dem Feind irgendeine Erklärung zu geben. Eine Bewegung, die fähig ist Theorie und Praxis vorwärts zu bringen, ohne ein Podium für die Ambitionierten zu errichten. Wo die Gründe für die Aktionen durch Bücher, Zeitungen, Plakate, Flugblätter und von allen von der Bewegung voran gebrachten Theorien in ihrer Gesamtheit ausgedrückt werden. Wo die Leidenschaften der Ideen durch Demonstrationen, Sabotagen, Bränden, Attacken und von allen von der Bewegung voran gebrachten Praktiken ausgedrückt werden.
Die griechischen Gefährten schreiben, dass „der Name jeder Gruppe, an der wir uns beteiligen, unsere Psyche, unsere Seele ist.“. Welch seltsame Äußerung! Was gibt es denn geheimeres, intimeres, unaussprechlicheres, als jemandes Psyche, als jemandes Seele? Wer würde gerne seine Psyche auf die Titelseite geworfen oder seine Seele von einem Bildschirm ausgekotzt sehen? Ein Name ist nur eine Identität. Er dient nur dazu sich bekannt zu machen und erkannt zu werden. Einen Namen von der Gesellschaft der Ware aufgedrückt zu bekommen oder sich einen eigenen auszusuchen, macht keinen großen Unterschied. Es führt nur ein neues Logo ein. Im Angesicht des medialen Geschwätzes, diesem überwältigenden Lärm, so wie im Angesicht des Feindes, gibt es keine Zweifel: Schweigen ist Gold. Werden die Medien anonymen Aktionen den Sinn rauben, indem sie sie je nach ihrem momentanen Bedürfnissen verzerren? Natürlich machen sie das, das ist ihr Beruf. Aber die Verwendung eines Akronyms ändert nichts an dieser Tatsache. Viel eher nimmt man damit nur am Werk der Verwirrung teil. Der, der denkt unmissverständlich innerhalb der Medien sprechen zu können ist recht naiv. In Wirklichkeit, sind es die Medien, die ihn benutzen um durch ihn sprechen zu können.
Und dann, was sagen über diese Idee, dass informelle Gruppen untereinander durch die Kommuniqués diskutieren könnten und sollten! Aber man kann sich fragen, an wen sie sich in Wirklichkeit richten wollen. An die Menschen auf der Straße, die Ausgebeuteten und deswegen an die potentiellen Komplizen, die nicht den Sinn der Aktion verstehen? Oder an die Gefährten von anderswo um zu dialogisieren? Im ersten Fall, jenseits der Illusion die Medien gebrauchen zu können, ist die Anwesenheit all dieser Referenzen über das, was sich innerhalb der Bewegung abspielt, unverständlich: Verzerrte Botschaften, Zitate, Referenzen, alles Dinge, die die Kommuniqués in den Augen der gewöhnlichen Leute unverständlich machen. Ihre Reaktion kann also nur Gleichgültigkeit in Bezug auf den Kampf dieser seltsamen Anarchisten sein, die im Moment der Aktion ein recht enges mentales Universum ausdrücken, unfähig über die Schwelle ihres Hauses zu schreiten. Die Anarchisten gegen den Staat, der Staat gegen die Anarchisten: Ist er nur das, der soziale Krieg? Im zweiten Fall hingegen, versteht man nicht warum man auf solch ein Werkzeug zurückgreift. Warum müsste ein Dialog, eine Diskussion, eine Debatte unter Gefährten durch Massenmedien anstatt durch die Kanäle der Bewegung selbst stattfinden? Warum sollten die Zeitungen, Broschüren, Journale oder sogar Blogs nicht genügen um sich bestimmten Fragen zu stellen? Und inwiefern sind diese Diskussionen interessanter und gültiger, wenn es nicht alle Gefährten sind, die sie führen – vielleicht sogar täglich – sondern die „Militanten der kämpfenden Organisationen“ bei den Anlässen ihrer Aktionen? Während man sich in diesem Spiel purer Selbstdarstellung entlädt, lesen die Bullen und Journalisten unsere Worte, lernen unsere sprachlichen Codes, notieren Ähnlichkeiten, entziffern Referenzen, machen Hypothesen über unsere Verbindungen, leiten Verantwortungen ab... und bereiten sich vor.
Wie eine Gefährtin während des Treffens in Zürich angemerkt hat, haben sich im Laufe der 70er Jahre in Italien zahllose bewaffnete Organisationen zu hunderten Aktionen gegen den Staat bekannt. Aber außerhalb dieses politischen Spektakels, das so sehr dazu beigetragen hat eine völlig irrsinnige revolutionäre Mythologie zu schaffen, die bis zum heutigen Tag Opfer fordert, gab es tausende Aktionen. Die Medien schenkten den ersteren viel Platz, aber taten alles um die zweiten zum Schweigen zu bringen. Ist es wirklich noch einmal nötig die Gründe dafür zu erklären?
Darum haben wir mit Sorgfalt das Dokument dieser griechischen Gefährten gelesen, und wir sind entzückt darüber, dass sie sich klar zu diesem Thema erklärt haben. Aber zwischen der Hypothese, dass die radikale anarchistische Aktion sich mit vereinigten Fronten und anarchistischen Föderationen (vielleicht mit zu unterschreibenden assoziativen Pakten) paart, oder einer, die kleine zerstreute affinitäre Gruppen propagiert, haben wir weiterhin keine Zweifel. Und bevorzugen eine anarchische, autonome, anonyme Revolte...