Aufruhr

Vom Gefängnis Namens Gesellschaft, den Bullen und ihren feuchten Träumen

Februar

      Die Angst vor dem Pöbel

      Gefangene dieser Gesellschaft

      Ein feuchter Traum der Bullen

Die wirkliche Bedeutung der Knäste (das heisst: dieser Bauten, mit Zellen, wo Leute eingesperrt sind) enthüllt sich erst, wenn wir die Knäste nicht länger isoliert wahrnehmen, sondern sie als essenziellen Bestandteil dieser Gesellschaft sehen.

Wenn wir vom Gefängnis sprechen, dann kommen natürlich vor allem auch die Bullen in den Sinn. Die Bullen sind diejenigen, die wir auf der Strasse antreffen, die Leute festnehmen, in Knäste stecken und dort festhalten. Es sind diejenigen, die uns erwischen könnten, wenn wir mal wieder etwas verbotenes tun…

Die Angst vor dem Pöbel

Unvoreingenommen betrachtet sind die Bullen eine Gruppe von Menschen, die sich für nichts anderes organisieren, als nach Menschen zu jagen, die ihre idiotischen Gesetze nicht respektieren, um diese dann zu bestrafen und einzusperren. Das spezielle ist allerdings, dass diese Menschen dafür respektiert werden, weil sie die Gesetze vertreten, die – so wird es an allen Schulen gelehrt – uns alle vor noch viel schlimmeren Zuständen bewahren sollen. Und so, anstatt dass diese Idioten, die glauben, alle hätten nach ihren verkappten Vorstellungen zu leben, auch wie Idioten behandelt werden, müssen wir sehen, dass sich die ganze Gesellschaft längst ihren Vorstellungen unterworfen hat – die Gesellschaft denkt, wir hätten nach diesen Gesetzen zu leben, und unterstützt die Bullen, die ihnen garantieren, das alles so bleibt, wie es ist – beschissen.

Diese Menschen leben in einer und erschaffen stetig eine Welt, die nach den Regeln der Bürger-Freiheit, des heiligen Eigentums, et cetera gebaut ist. Jener Bürger-Freiheit, die eben – wie wir immer wieder betonen müssen – genau gar nichts mit individueller, unbeschränkter Freiheit zu tun hat, sondern nur eine Verstümmelung davon ist, die die Individuen auf ein Bürger-Subjekt reduziert, das sich am Hofe des Souveräns zu benehmen weiss und sich – natürlich – an die Gesetze hält. Und diese Bürger fürchten sich vor dem Pöbel, der das Eigentum nicht respektiert, und den Souverän erst recht nicht, der dieses Eigentum erst ermöglicht. Und deshalb schreien sie nach Brot und Spielen, damit der Pöbel befriedet werde, und deshalb lieben sie die Polizei in all ihren Formen, rufen nach ihr, damit sie ihre kleine heile Welt beschütze…

Nun, wir wollen uns aber nicht länger befrieden lassen, von Brot und Spielen, von Partys um den Rest der Woche zu vergessen, von Games und TV, um gar nichts mehr zu denken. Das ganze langweilt uns nicht nur, es macht uns auch noch kaputt. Die Freizeit ist bloss der Hofgang, in diesem Gefängnis, in dem wir uns verkaufen müssen, um genügend Geld zu haben, um in ihm zu verrotten. Aber wir wollen nicht arbeiten, um irgendetwas zur Existenz dieser bescheuerten Gesellschaft beizutragen. Wir nehmen uns, was wir brauchen, wir wollen uns unser Leben nicht verDIENEN, sondern nehmen. Die ganze Maschinerie, die unsere Unterdrückung aufrechterhält, betrachten wir einzig mit der Absicht, sie zu zerstören…

Gefangene dieser Gesellschaft

Nicht nur, dass die Bullen und ihre Freunde uns schon hinter Schloss und Riegel sehen wollen, bloss weil wir uns nehmen, was wir brauchen (ohne es verDIENT zu haben), ohne zu betteln (wobei man selbst für das bestraft werden kann), nein, wir wollen ihnen auch noch ihr System kaputt machen. Diese Absicht, die eigentlich ziemlich naheliegend ist, wollen sie schnellstmöglich als etwas Absurdes, Unmögliches abtun, und mit der allanwesenden Überwachung und der Drohung mit Knast ersticken. Da das Ende des Systems aber gar nicht so absurd ist, machen sie die Gesellschaft selbst immer mehr zum Gefängnis, sperren uns in sie ein. Wollen wir aus dieser Gesellschaft fliehen, sehen wir bald, dass diese ein Gefängnis ist, die Mauer ist zwar unsichtbar, aber spürbar, und wer sie überwinden will, wird eben ihre Wächter kennenlernen, die uns dann, je nach Art des Fluchtversuchs, in ein physischeres Gefängnis sperren wollen, den Knast oder die Psychiatrie, wenn sie es nicht schaffen, uns durch bloss pädagogische Massnahmen oder Pillen unschädlich zu machen. Es ist keineswegs bloss metaphorisch gemeint, dass diese Gesellschaft ein Gefängnis ist. Sie ist ein Freiluftgefängnis – auch wenn die Luft ziemlich verpestet ist –, die ganze Architektur der Städte, panoptisch übersichtlich, kontrolliert und überwacht, die Schulen, in die die Kinder gepfercht werden, die Arbeitsstätten, et cetera, beweisen Tag für Tag, dass sie das ist. Die Knäste verhalten sich zur Gesellschaft heute ungefähr so, wie die Isolationshaft zum Normalvollzug.

Die Polizei führt aus ihrer Sicht natürlich „nur“ die Exekutive über das staatliche Territorium aus, für die Regierung, die die Bevölkerung verwaltet; in ihren Augen ist es gleichgültig, ob ein Mensch im Knast sitzt, es ist nur eine administrative Frage, um einen Teil der Gesellschaftsmaschine wieder Funktionstüchtig zu machen oder ihn ganz einfach besser verwerten zu können. Um die Gesellschaft von den bösen Verbrechern zu bewahren. Um einen Teil der Gesellschaft, der ihre Grenzen übertritt, in noch kleinere Grenzen zu sperren, an die Isolation zu gewöhnen, um sie dann draussen wieder in die Zellen der Wohnblöcke zu sperren…

Der einzige Grund, diese Gesellschaft nicht als Gefängnis zu erkennen, ist der, dass sich anscheinend die wenigsten ein freies Leben vorstellen können oder wollen, ein freies Leben, in dem der Fleck der Erde, auf dem du gerade stehst, dir und allen gehört, und nicht irgendeinem Privateigentümer, dem Staat oder wem auch immer. In dem die Welt dir und allen gehört, und nicht irgendeinem (Gewalt-)Monopolisten, der dir sagt, was du wo, wann, wie machen darfst oder musst.

Ein feuchter Traum der Bullen

Nun, wenn wir diese Gesellschaft, samt Privateigentum und Staat, zerstören wollen, um frei und nicht ihre Gefangenen zu sein, wissen wir gar nicht, wo wir ansetzen sollen, um sie anzugreifen. Denn wir leben auf dem Territorium des Staates und da ist es sonnenklar, dass sich an jeder Ecke seine Institutionen (und die seiner Bürger und Helfer) finden lassen. Da wir aber eben so vieles sehen, das uns wütend macht, das wir zerstören wollen, ist es schwer, sich auf etwas spezifisches zu konzentrieren, aber trotzdem wichtig, denn irgendwo muss man ja anfangen. Deshalb die Idee, das PJZ (Polizei und Justiz-Zentrum) zu verhindern, das als Drohung über dieser Stadt schwebt, um die ohnehin komplett militarisierten „Problemviertel“ komplett zu befrieden. Das PJZ, ein „Kompetenzzentrum für die Bekämpfung der Kriminalität“, das für die Bullen, Politiker, Profiteure und Bürger, den feuchten Traum repräsentiert, endlich den Pöbel loszuwerden, die Kontrolle auf ein neues Niveau zu heben.

Die Idee, das PJZ zu verhindern, ist der Versuch, eine aufständische Dynamik gegen dieses Projekt der Macht zu enwickeln, in der sich diffuse, anonyme Aktionen gegenseitig puschen und ihren Schaden multiplizieren. Die Idee ist, sich die Struktur, die das Ganze ermöglichen soll, etwas genauer anzuschauen, um sie zu sabotieren. Es gibt viele, die für dieses Projekt verantwortlich sind, für es arbeiten, davon Profitieren. Sie alle sind angreifbar. Angreifbar, durch direkte Aktion, Sabotage und Aufruhr. Durch die Mittel, die dir gefallen. Du musst kein Held sein, um anzugreifen. Es gibt viele Wege, manche schwieriger, gefährlicher, manche weniger. Schon ein paar kaputte Pneus, Zucker im Tank oder ein Zündwürfel kann einigen Schaden anrichten. Vor allem, wenn sich immer mehr Menschen – vielleicht ermutigt durch andere Aktionen – zum Angriff entschliessen, wäre es möglich, dass das PJZ ihr feuchter Traum bleibt, und es für sie bald ein böses Erwachen gäbe, weil immer mehr Menschen nicht nur Nein sagen, sondern auch handeln, und sich gegen diesen Bullentraum erheben, um ihn unmöglich zu machen…


Anonym veröffentlicht in "Aufruhr - Anarchistisches Blatt", Zürich, Nummer 4, Jahr 1;