I

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«Es ist ekelhaft für den wahren Menschenfreund, der sich noch etwas Charakter, Ehrlichkeit und Selbstbewusstsein innerhalb der heutigen Korruption bewahrt hat, den Giftpfuhl der sog. Politik zu betrachten und mit grenzenloser Verachtung und Abscheu muss er sich abwenden, denn der Gestank, der dort emporsteigt, ist zu gross und lässt eine Fäulnis erkennen, die wirklich erschreckend ist. Dort nützt kein Ausflicken und Ausbessern mehr, sondern das Übel muss vollständig beseitigt werden.»

„Der Anarchist“, Nr. 4, St. Louis, 1889

I

In der Logik der Politik existieren die Individuen, existiere ich, nur als Bürger, als politische Subjekte, ich soll meine Entscheidung abgeben, delegieren, an die Institutionen und Personen, die den legalen Rahmen, in dem sich mein Leben abspielen darf, festsetzen. Ich soll mein Privatleben führen dürfen, in den „eigenen vier Wänden“, aber gefälligst soll ich dafür bezahlen, dafür arbeiten, mich ausbeuten lassen. Wenn ich das nicht tue, kann ich vielleicht sogar Sozialhilfe beziehen, wenn ich bereit bin, die Erniedrigung der Ämter über mich ergehen zu lassen. Wenn mir das alles zu dumm ist, dann soll ich wenigstens ruhig sein, mich verurteilen lassen, schön brav die Betreibungsbeamten ins Haus lassen und zufrieden sein mit einer erbärmlichen Existenz zwischen Armut und Knast. Das alles ist meine Privatsache, und wenn ich damit unzufrieden bin, dann darf ich irgendwelchen politischen Organisationen beitreten, die „meine Interessen vertreten“ sollen, meine Meinung „frei äussern“, Petitionen initiieren oder schön friedlich demonstrieren. Kurz, ich darf mich an der Politik beteiligen, ja, das ist sogar erwünscht. Diese Logik soll ich akzeptieren, die mir jede Entscheidung, die die Grenzen „des Privaten“ überschreitet, verunmöglicht, die mich einsperrt in „meine eigenen vier Wände“. Ich soll die Entfremdung akzeptieren zwischen meinem Leben und der Entscheidung darüber, soll akzeptieren, dass alle relevanten Dinge von einer institutionalisierten, legalen Struktur geregelt werden und dass ich meine Individualität zu einem ‚politischen Subjekt‘ degradieren muss, wenn ich mich an dieser Struktur beteiligen will. Wenn… Ja, wenn… Aber ich will das gar nicht. Was ich will, das liegt meilenweit jenseits der Politik…

II

Ich bin gegen Politik, aber: ich werde mich immer in die Angelegenheiten einmischen, die uns alle angehen, will die Wut nicht herunterschlucken und mich in der Resignation um gar nichts mehr kümmern, sondern mir meine Autonomie aneignen und diese Realität angreifen, um die Politik aus unser aller Leben zu vertreiben. Das verwirrt manch Einen, sie denken: „wenn man sich um die Dinge kümmert, die auf der Welt passieren, dann interessiert man sich für Politik und dann soll man gefälligst auch Politik machen.“ Doch, ich kümmere mich eben darum, sehe aber, dass die Politik dazu da ist, die Herrschaft zu reproduzieren; dass das politische Prozedere sich immer nur darum dreht, das Wesentliche, die staatliche Ordnung – beizubehalten. Und diese Gesellschaft, deren Blicke gebannt auf das Spektakel der Politik gerichtet sind, hat sich derart in deren Maschen verfangen, dass die institutionelle Logik mittlerweile jede Beziehung vergiftet. Denn: der Polit-Zirkus genannt Parlament ist ein heimtückischer Trick, der seine verheerende Wirkung nun schon über 150 Jahre beweist. Zwar hat das Parlamentieren zuerst bestimmt den Stolz irgendwelcher Monarchen angekratzt, für die Perfektionierung der staatlichen Ordnung war es aber ein riesiger Sieg. Denn, selbst viele Leute, die den bestehenden Staat eigentlich ablehnen, werden nun als Opposition akzeptiert, wenn sie sich nur an die Spielregeln halten, und so enden sie darin, die Politiker und Parlamente (in grosser oder kleiner Form) nachzuahmen. Und dabei behaupten sie auch noch, etwas zu verändern. Doch, was auch immer sie verändern, sie reproduzieren dabei die Delegation und die Institutionalisierung der Beziehungen, sie reproduzieren den Glauben an Gesetze und das Um-Erlaubnis-bitten, kurz: die stupide Gehorsamkeit des Untertans/des Bürgers.

Denn, jede Politik monopolisiert die Entscheidungen über unsere eigenen Angelegenheiten in einer Struktur, die über unser Leben herrscht. Diese Entscheidungsstruktur kann partizipativ gestaltet sein, oder auch nicht – auf jeden Fall ändert das nichts. Denn das Entscheidungsmonopol hat den Effekt, dass jede autonome Entscheidung und jede Übereinkunft, die sich über die Bestimmungen der Politik hinwegsetzt und sich den Institutionen entzieht, als eine ungesetzliche bestimmt wird. Die Politik mischt sich in unser Leben ein und glaubt, verbindliche Regeln und Gesetze für alle machen zu können. Ob diese Entscheidungen „gut“ oder „schlecht“ sind oder wer sie trifft, interessiert uns hier wenig, denn, ob der Meister nun Zuckerbrot oder Peitsche hervorholt, seine Absicht bleibt es – das steht ausser Frage – uns an ihn zu binden und zu unterwerfen.

III

Und hier kommt die Polizei ins Spiel. Denn, die Politik, sie kann nicht ohne ihre Söldner: die Polizei; und das verrät uns nur schon die Nähe der beiden Worte (Politik und Polizei). Denn die Leute – die der Staat gerne als seine Untertanen (bzw. Bürger) sehen würde – müssen ja davon abgehalten werden, einfach unbekümmert um etwelche Gesetze ihr Leben zu leben, sie müssen arbeiten, Steuern zahlen, Militärdienst leisten, sich an die Gesetze halten, etc… Die politischen Organe, die Parlamente u. ä. wären aber nur ganz lächerliche Diskutierklubs, die ernst zu nehmen wohl niemand einen Grund hätte, wenn ihrem Entscheidungsmonopol nicht das Gewaltmonopol zur Seite stehen würde. Diese Exekutive, die Bullen, Beamten und Militärs, ist heute getrennt von der Legislative, der Gesetzgebung, wie von der Judikative, den Richtern, Schreibtischtätern und ähnlichen Bürokraten, sagen die Bürger, die darauf mächtig stolz sind, und doch war das nur eine ganz lächerliche Reform, die im übrigen im Ernstfall sofort wieder aufgehoben würde. Den Schein dieser Trennung will ich hier nicht nachbeten. Die Politik, die ich hier behandle, lässt sich nicht trennen von ihrer Ausführung, von der Polizei wie von all den Ämtern, Institutionen und Bürokraten, die die Details der Umsetzung perfektionieren. Und das ganze Staatswesen lässt sich nicht trennen von der kapitalistischen Gesellschaft; von der Ausbeutung, die es stützt und den Bonzen, die es beschützt. Die Veränderung, um die es mir geht, richtet sich gegen all das. Ich will meine individuelle Autonomie, will selber über mein Leben bestimmen und ich will in Freiheit mit den Menschen zusammenleben können, und das geht nicht, solange die Politik existiert. Solange irgendwelche Leute über unser Leben bestimmen, sich einmischen; solange die Institutionen existieren und wir unser Leben danach richten lassen. Es geht nicht, solange das Eigentumsrecht besteht, das uns sagt, dass die Welt irgendwelchen Bonzen gehört, solange wir uns in unseren „eigenen vier Wänden“ einschliessen lassen. Solange die Individuen ihre Angelegenheiten delegieren und die ihnen gesetzten Grenzen akzeptieren. Solange die herrschende Passivität nicht durchbrochen wird!

IV

Politik wird getrieben von all denen, die über die Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft bestimmen, oder die die Absicht haben, an die Schaltstellen zu kommen, um dies in Zukunft zu tun. Solange diese Schaltstellen – die Institutionen – bestehen, werden sie uns immer unseres Lebens enteignen, werden die grossen und kleinen Politiker immer Entscheidungen über Dinge treffen, die sie nichts angehen – unser Leben zum Beispiel – oder das zumindest versuchen. Und auch wenn wir tendenziell im Alltag nur mit der Exekutive zu tun haben, mit Bullen und ähnlichen Beamten, und kaum mit den Politikern – was ihre Behauptung, uns zu repräsentieren, noch lächerlicher Macht – so dürfen wir nicht vergessen, dass die Politiker, die verschiedenen Entscheidungsträger, und ihre Institutionen Namen und Adressen haben. Denn: sie setzen Entscheidungen um, die Beschlüsse der Politiker, und solange wir es zulassen, dass diese Entscheidungen treffen, werden sie immer irgendwelche Idioten finden, die die Machtansprüche ihrer Politik durchsetzen, werden sie immer eine reformierte Version der Polizei, vielleicht in der Verkleidung eines unscheinbaren Sozialarbeiters, erfinden können. Kurz: sie werden noch ihre Institutionen haben, in denen sie sich (re-)formieren können, um ihre Macht aufzubauen. Und deshalb reicht es nicht, einfach die Polizei aus unserem Leben zu vertreiben und unser Leben fortan unbekümmert um die Werte der Herrschaft zu leben, wir müssen auch all ihre Institutionen zerstören, selbst wenn sie sich den Anschein von revolutionären Institutionen (etwas das es nicht gibt) geben. Was ich also meine, ist etwas ganz anderes als schlichtes Desinteresse an der Politik, es ist nicht Desinteresse, sondern Feindschaft, und wir müssen diese Feindschaft immer wieder klar machen, wenn da Leute kommen, die behaupten uns zu repräsentieren; denn: jede Repräsentation ist eine Lüge, die wir nur dadurch widerlegen können, dass wir unseren Widerwillen gegen die Politik in Taten verwandeln.