Arthur Assault
Einige Gedanken zur „Repräsentierten Wirklichkeit“
Einige Gedanken zur „Repräsentierten Wirklichkeit“
Der kurze Beitrag „Revolutionäre Repräsentation und digitale Solidarität“, der in einer Zürcher Zeitung anfangs 2017 erschien, formuliert eine spannende Kritik am unreflektierten Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln, vor allem mit dem Internet, innerhalb revolutionärer Kreise und an ritualisierten Aktionsformen seitens einiger AktivistInnen. Dennoch bleibt die Gesamtaussage des Textes, vielleicht aufgrund der begrenzten Platzmöglichkeit innerhalb der erwähnten Zeitung, ein Stück weit unklar. Wer den Beitrag nicht kennt wird in diesem Text den Hauptargumenten begegnen, eine Auseinandersetzung mit dem Original ist nicht unbedingt notwendig. Dennoch wird auch die vorliegende Schrift das Phänomen der modernen Kommunikationsmittel nicht in ihrer gesamten Bandbreite erfassen können, sie soll jedoch Fragen und Argumentationen aufwerfen die im oben erwähnten Beitrag m. E. zu kurz gekommen sind oder gar nicht berücksichtigt wurden. Die repräsentierte Wirklichkeit wird hierbei nicht nur aufs Internet bezogen, sondern auf die herrschende Logik der Warengesellschaft, die alle Bereiche unseres Lebens durchdringt.
Der Mythos der Neutralität
Nicht nur heute, sondern bereits vor und während der Industrialisierung, wurde von bestimmten ökonomisch und politisch starken Sektoren, die Neutralität technischer Innovationen beteuert, obwohl die Expansion der Technologie mit dem Siegeszug der Wirtschaft und dessen Machtstrukturen einher ging und nicht nur neue Unterdrückungsmechanismen in Form von Kontrolle und Disziplinierung der Arbeit hervorbrachte, sondern auch eine Neugestaltung des Raums entwickelte und die Atomisierung und Entfremdung der Menschen beschleunigte. Ebenso wurden nicht nur die einfachen ArbeiterInnen psychisch und physisch gebrochen, auch die Umwelt erlag der Ausbeutung und der Zerstörung.
Die Neutralität der technischen Mittel kann nur behauptet werden, wenn die gesamten politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren rund um die Technik ausblendetet werden. Sprich wenn der Kontext der Entwicklung neuer Technologien nicht berücksichtigt wird.
Die durch die Befürworter der modernen Produktion versprochene Entlastung des Menschen blieb aus, die Profiterzeugung wurde zu Lasten der ArbeiterInnen perfektioniert (erhöhte Arbeitsintensität, Kontrolle über das Arbeitstempo, Reduktion des Menschen auf ein ersetzbares mechanisches Fragment innerhalb vom Produktionsprozess, sprich Nivellierung der ArbeiterInnen), der Taylorismus, später der Fordismus, zeigte seine Zähne und doch wurde der Fortschritt auch innerhalb revolutionärer Kreise nicht selten als positiv oder notwendig empfunden; das wirft die Frage auf ob bestimmte technische Mittel a priori schädlich und lebensverneinend sind oder ob die gesellschaftlichen Verhältnisse unter denen sie entstehen und benutzt werden, ihnen einen negativen Charakter verleihen. Die Luddisten kämpften im 19. Jahrhundert gegen die fortschreitende Industrialisierung und der damit einhergehenden Prekarisierung der Arbeiter in dem sie Maschinen zerstörten, obwohl sie nicht in der Technologie selbst der Kernpunkt der Probleme der Arbeiter sahen. Marx fasste seinerseits die Technik dialektisch auf und war der Meinung das die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und nicht die Maschinen an sich als negativ zu gewichten seien. Ferner sah er in der Entwicklung der Technologie eine Möglichkeit für die Entlastung der menschlichen Arbeitskraft und der Emanzipation des Gesellschaft.
Doch Trotz objektiv günstigen Bedingungen anhand der Steigerung der Produktion durch neue Maschinen, blieben das Proletariat gelähmt. Die mit der Industrialisierung eintretende Massenproduktion wurde nicht zugunsten des Menschen organisiert, vielmehr eröffnete sie neue Möglichkeiten des Konsums und der Profitsteigerung, neue Märkte entstanden und die akkumulierten Kapitalien schufen Reichtum und mehr Arbeitsplätze. Außerdem etablierte sich neben der Rolle des doppelt freien Lohnarbeiters, die Rolle des Konsumenten. Aber auch neue, stärkere Waffen wurden entwickelt, was zum ersten, industrialisierten Krieg führte. Die gefährliche und zerstörerische Kehrseite der durch das Bürgertum (und zum Teil auch durch revolutionäre Bewegungen) hoch angepriesene Industrialisierung wurde spätestens ab 1914 deutlich.
Eine Auseinandersetzung über technologische Mittel sollte m. E. ,zumindest ansatzweise, eine historische Dimension berücksichtigen und sich nicht nur auf moderne Errungenschaften wie das Internet fokussieren.
Die „zweite Revolution“
Im 20. Jahrhundert kam es zur digitalen Revolution, die Entwicklung der Mikroelektronik und den damit einhergehenden elektronischen Rechner, führten zu einer weiteren Zäsur in der Geschichte: Die Automatisierung der Massenproduktion setzte sich in den 1950er Jahren durch (der erste Heimcomputer kam jedoch erst 1975 auf den Markt). Während im 19. Jahrhundert der sekundäre Sektor einen Aufschwung erlebte, ebneten die technologischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts den Weg für den Aufstieg des tertiären Sektors, sprich des Dienstleistungssektors.
Die Computer setzten sich vor dem Internet durch: Im Jahre 1994 verwendeten ca. 60% der Unternehmen in der Schweiz bereits PC´s, Internet hingegen nur 2%. Ende der 90er, ermöglichte die technische Infrastruktur auch dem Internet der Durchbruch und bereits im Jahr 2005 hatten praktisch 100% der Schweizer Unternehmen innerhalb der Industrie, der Bauwirtschaft und des Dienstleistungssektor Computer mit Internetzugang. Im selben Jahr hatten 67 % der Haushalte Internetzugang, im Jahr 2014 waren es hingegen bereits über 90%.
Auch einige Zahlen zu den sogenannten Smartphones sind in diesem Kontext (als Randnotiz, denn ich will nicht in einen Statistik-Fetisch fallen) interessant. Das erste Handy wurde 1973 von Motorola entwickelt, das erste Smartphone kam hingegen 1993 auf den Markt (IBM), der endgültige kommerzielle Durchbruch der Smartphones geschah jedoch im Jahr 2007 mit dem ersten „i-Phone“. Seit dem Jahr 2014 besitzen über 90 % der Bevölkerung der Schweiz ein Smartphone und ein Großteil davon hat zugleich auch Internetzugang auf ihren treuen Begleitern, und wieder sieht man: Das Internet ist bereits Teil des entäußerten sozialen „Ichs“, ein zwiespältiges Verbindungsstück zur gesamten Welt. Die massive Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien und der Einzug derselben in das alltägliche Leben der modernen Gesellschaften sind nicht von ihren geschichtlichen und ökonomischen Entwicklungen abzukoppeln. Natürlich könnte man die Frage nach der Technologie, nach der Beherrschung der Natur und nach der Verzerrung der Wahrnehmung der Umwelt und des eigenen „Ichs“ zurück bis ins Neolithikum führen, doch dieser Artikel soll nur eine grobe Übersicht verschiedener Gedankengänge repräsentieren und bietet dafür keinen Platz.
Die Wirklichkeit der „Nicht-Wirklichkeit“
Dass die Realität hinter eine Art Scheinrealität tritt, sprich zu einer „repräsentierten Wirklichkeit“ wird, ist nicht nur ein Phänomen welches auf das Internet zutrifft, sondern auf die gesamte Entwicklung der Wirtschaft, ihrer Welt der Waren und der Technik als Phänomene der Entfremdung. Das Phänomen des Internets isoliert zu betrachten bedeutet aber die Dimension des Problems oder besser gesagt der Widersprüche nicht wahrzunehmen.
Es läuft nicht nur alles was nicht in dieser repräsentierten Wirklichkeit stattfindet die Gefahr als nicht „real“ wahrgenommen zu werden, sondern die repräsentierte Wirklichkeit kreiert bereits entfremdete Realitäten die sich nicht auf das virtuelle beschränken sondern „real“ sind weil sie sich auf die praktische Handlungshorizonte der Menschen auswirken, das wurde im von mir hier kommentierten Beitrag bereits erwähnt. Doch eine Unterscheidung zwischen der „realen“ Welt und der des Internets zu machen ist, wenn man sich der Einfluss dieser Technologien vor Augen hält, äußerst problematisch, genau weil die Übergange zwischen dem Internet und was einige „materielle Wirklichkeit“ nennen, in vielen Bereichen fließend geworden sind. Man schaue sich neben dem mobilen Internet z. B. die Technisierung der Umwelt an durch das sogenannte „Ubiquitous Computing“ und den damit verbundenen „intelligenten Häusern“ oder dem „Internet der Dinge“. Bis hierhin will ich meine These festhalten: Die Herstellung der Entfremdung ist einer der autopoietischen Säulen der kapitalistischen Wirtschaft und ihrer Welt der Waren. Das Paradoxon des Internets ist lediglich die Fortführung einer Reihe von technologischen Entwicklungen, die allesamt von der herrschenden Logik der Wertschöpfung, der Entfremdung und der Kontrolle durchdrungen werden.
Über die Verzerrung der politischen Aktion
„Das Spektakel ist ein durch Bilder vermitteltes gesellschaftliches Verhältnis zwischen Personen, wobei durch die Versachlichung und Verbildlichung das gesellschaftliche Verhältnis als Beziehung zwischen Menschen und zwischen Klassen verborgen wird.“ Guy Debord, Die Gesellschaft des Spektakels
Im Beitrag „Revolutionäre Repräsentation und digitale Solidarität“, wird, neben der von mir bereits als problematisch bezeichnete Unterscheidung zwischen „virtueller Wirklichkeit“ und „wirklicher Wirklichkeit“, vielen Soli-Aktionen vorgeworfen, dass sie scheinbar nicht das Bedürfnis haben den eigenen Kontext zu beeinflussen. Was für Aktionen aber nun „wirklich“ die Normalität durchbrechen und zu spüren geben, dass sie tatsächlich den eigenen Kontext beeinflussen wollen wird uns nicht gesagt, vielleicht liegt genau hier ein interessanter Diskussionspunkt. Wie erkennt man das „Bedürfnis den Kontext beeinflussen zu wollen“?, oder wie setzt man dieses Bedürfnis praktisch um?, könnte man auch Fragen. Leider bleibt dieser Teil des Beitrags ein wenig verschwommen, doch im selben Zug wird es nochmal spannend: Viele Aktionen, erhalten durch das Internet eine neue Dimension. Eine Dimension die in der Lage ist ein verzerrtes Bild der eignen Stärke darzustellen. Die selbsternannten Revolutionäre werden zum Teil des Spektakels, sie werden zu statischen Entitäten die sich an den festgesetzten Rollen der „Revolutionäre“, der Aktionsformen und der sprachlichen Ausdrücken, dogmatisch festhalten. Es entsteht quasi eine ästhetische Form der Praxis, das eigene „Ich“ wird zu einem Bild, zu einer Projektion einer erstarrten Vorstellung die ritualisiert dass wiederholt was sie ausmacht: Die Entfremdung.
Auch dem nächsten Punkt den die VerfasserInnen des Textes kritisieren stimme ich zu: Oft ist bei einigen Aktionen eine „fehlende Miteinbeziehung des eigenen politischen Kontexts“ zu beobachten. Eine politische Bewegung die nicht die Totalität der politischen, sozialen und ökonomischen Ereignisse ihrer Umgebung zu erfassen versucht und die Gemeinsamkeit der Kämpfe weltweit vor Augen hat, ist zum Scheitern verdammt, weil sie nicht in der Lage ist eine radikale Kritik zu formulieren und die Kämpfe innerhalb des eigenen Gebiets praktisch und theoretisch zu verbinden und zu stärken, geschweige denn sie mit Kämpfen in anderen Gebieten zu verbinden. Als erleichterte und schnelle Form des Austauschs kann m.E. das Internet, wenn man es nicht überbewertet, ein nützliches Werkzeug sein, nicht als Medium der Inszenierung oder als Selbstzweck, sondern als Mittel um neben den praktisch geführten Kämpfen, Informationen, Analysen und Erfahrungen mit anderen aktiven GefährtInnen auszutauschen. Natürlich sollte das Internet nicht persönliche Diskussionen, Zeitungen oder gar den politischen Kampfort ersetzten und auch die Illusion der „grenzenlosen Freiheit“ des Internets muss kritisiert werden, doch eine Internet-Abstinenz scheint mir nicht erstrebenswert obwohl ich es als wichtig erachte, mit Blick auf eine potentielle Revolution, über die Ausgestaltung des Internet (wie auch anderen technischen Mitteln) in einer herrschaftsfreien Gesellschaft zu diskutieren.
Der rituelle Charakter der politischen Aktion
Ritualisierte Abläufe innerhalb politischer Aktionsformen kennzeichnen sich nicht ausschließlich durch digitalisierte Repräsentationen. Man schaue sich die interne Dynamik autoritär organisierter „revolutionärer“ Parteien an: Schon vor dem auftauchen des Internets bestimmten ritualisierte Abläufe deren Existenz, nicht nur weil eine Art Spezialisierung durch die festgelegte Aufteilung der verschiedenen Aufgaben stattfand, sondern auch weil eine Schulung des Denkens sich durch die Partei zog. So entwickelten sich schnell Individuen, die einerseits in ihrer Kreativität als politisch handelnde Subjekte eingegrenzt wurden und andererseits das kritische Hinterfragen verlernten. Im schlimmsten Fall projizieren einige Mitglieder ihre Sehnsüchte, Träume und Ängste auf eine charismatische Autoritätsfigur und das Gehorchen wird zum Ausgangspunkt der politischen Aktivität. Mensch wird zu Zuschauer und Marionette zugleich, innerhalb eines Theaters welches sich selbst als Zweck setzt und durch ritualisierte Abläufe versucht, seine Existenz zu verlängern. Eine falsche Stärke, ein verkehrtes Bewusstsein und eine lebensverneinende, verzerrte Realität setzen sich ganz ohne Internet durch.
Die Netzlose Atomisierung einiger AnarchistInnen
Wie bereits erwähnt, wohnt dem Internet die Möglichkeit inne, die praktischen Handlungsmöglichkeiten der Menschen zu untergraben, in dem es eine allgemeine Isolierung beschleunigt. Ich möchte gerne die Frage aufwerfen, inwiefern auch eine bestimmte anarchistische Praxis, unabhängig vom Internet, ein ähnlicher Atomisierungsprozess hervorbringen kann. Ich beziehe mich hier nicht nur auf Tendenzen innerhalb des Territoriums des Schweizer Staates, sondern spreche grenzübergreifend. Es liegt mir fern, mit dem Zeigefinger auf bestimmte GefährtInnen zu zeigen, vielmehr beinhaltet die hier formulierte Kritik auch eine Selbstkritik.
Wird beispielsweise die Radikalität einer Aktion ausschließlich am Grad der Zerstörung oder an der angewendeten Gewalt gemessen und für dessen konstante Reproduktion und Verbreitung plädiert und jede andere Form der Aktion diskreditiert, ergibt sich m.E. daraus eine Begrenzung der Möglichkeiten des anarchistischen Konfliktualitätsradius. Denn erstens wird die anarchistische Interventionsmöglichkeit in sozialen Konflikten auf bestimmte Aktionsformen reduziert und zweitens, werden auch die dazugehörigen Organisationsformen, z. B. Affinitätsgruppen, verfestigt. Obwohl Affinitätsgruppen auch ein spannender und wichtiger Bestandteil der anarchistischen Praxis sind, braucht es eben mehr als diese gesunden Praktiken wenn wir die Gesellschaft umwälzen wollen. Eine bestimmte Organisationsform an sich ist nicht revolutionär, viel mehr sind es die Inhalte und die Praktiken die ihr innewohnen. Affinitätsgruppen können genauso elitär, dogmatisch oder starr werden wie klassische Massenorganisationen. Und wenn Anhänger der Affinitätsgruppen diese zu einem Dogma erheben, scheinen sie fast zu vergessen, dass der Emanzipationsprozess ein kollektiver ist. Aus diesem Grund müssen m.E. auch Möglichkeiten gefunden werden um Kämpfe nicht ausschließlich mit und in Affinitätsgruppen zu führen, sondern auch mit Menschen die nicht dem eigenen Milieu, soziale Gruppe, Alter, Geschlecht,Hautfarbe usw. entsprechen. Die Zerstörung des Staates beinhaltet auch eine gesunde Form der Kollektivität wieder zu entdecken. Ich möchte hervorheben, dass ich hier nicht von Massenpolitik oder vom Fetisch der Quantität spreche. Es ist mir wichtig, dies zu unterstreichen denn viele AnarchistInnen scheinen im Dualismus zwischen Individuellen Kämpfen (bzw. Zusammenschlüsse von Invidivuen in Affinitätsgruppen) und Massenkämpfe gedanklich stehen geblieben zu sein. Als ob ein kollektiver Kampf per se eine monotone, gleichschaltete Herde beinhalten würde. Kurz gesagt: Ich denke, dass die bestehende Gesellschaft die Menschen voneinander spaltet und nicht ausschließlich durch das Internet, sondern auch anhand der durch die kapitalistische Gesellschaft geformten Handlungsmuster und Denkformen. Die Selbstkritik, die Überwindung dieser Trennung und die Reflexion über die Isolierung im eigenen kleinen Anarcho-Grüppchen sollten heute m. E. tiefgreifender diskutiert werden, ansonsten droht die Romantisierung und Mystifizierung des Kampfes und seiner AkteurInnen, in dem die Isolation als Stärke aufgefasst wird und nur die eigenen Aktionen und die Aktionen die diesen gleichen als revolutionär betrachtet werden. Das selbstreferenzielle Bild der AnarchistIn, als vom Rest der Gesellschaft abgesondertes Wesen, erschafft eine Art repräsentierte Wirklichkeit, weil es sich in der Illusion badet radikal und anders zu sein, obwohl diese Art der Trennung der Logik des Spektakels entspricht.
Der Status Quo
Abschließend noch einige Worte zum „Status Quo destabilisieren“, denn diese Aussage empfinde ich als eine Art Kenologie die um einiges erläutert und diskutiert werden sollte. Geht es um kleine Akte der Destabilisierung die ein Quartier oder eine kleine Gegend für ein paar Stunden lahmlegen? Sprechen wir von Aktionen die ganze Städte, oder ganze Länder destabilisieren, sprich: Akte, welche die gesamte kapitalistische Gesellschaft in einem Gebiet ins schwanken bringen? Den „Status Quo destabilisieren“, klingt zwar schön aber sagt in diesem Kontext nicht viel aus. Sollte dennoch ein großes Territorium komplett destabilisiert sein, eröffnet sich dadurch nicht nur für eine anarchistische Perspektive eine Tür, sondern auch für nationalistische und faschistischen Kräfte. Ein destabilisiertes Land ist nichts was romantisiert werden sollte, sondern ein gefährlicher Zustand, dem revolutionäre Kräfte nicht blauäugig begegnen können. Sollte man nicht wissen wie in einem solchen Zustand zu agieren ist, kann es schlecht, sehr schlecht für alle freiheitsliebenden Menschen enden.
Sprechen wir noch kurz von „Schaden anrichten“, solchen Formen der Aktion begegne ich mit offenen Armen, Sabotage, Vandalismus, Plünderungen usw. waren m.E. schon immer Waffen der Unterdrückten und Ausgebeuteten. Doch ein physischer Akt der Zerstörung ist nicht per se in der Lage, die Herrschaft zu destabilisieren, die Welt der Waren kann nicht materiell beseitigt werden, denn was die Waren ausmacht ist die soziale Form die ihnen innewohnt. Auch die Waren kreieren eine repräsentierte Wirklichkeit, sie können nicht auf ihre unmittelbare Existenz als Gegenstände, sprich auf ihre ´Erscheinung´ reduziert werden. Eine revolutionäre Perspektive sollte bemüht sein hinter den Schein, sei es derjenige der Gesellschaft, ihrer Welt der Waren und Technologien, wie auch der eigenen Aktionen zu blicken, die Kohärenz der eigenen Mittel und Ziele zu reflektieren, und nicht in starren ritualisierten Mustern gefangen bleiben.