Titel: Warum ich kein Kommunist bin
AutorIn: Ludd, Apio
Datum: November 2014
Quelle: Die Erstürmung des Horizonts, Nr. 1
Bemerkungen: Originaltitel: "Why I am not a communist", in: My Own. Self-Ownership and Self-Creation Against All Authority, Nr.10, Okotber 2013.

Dies sind lustige Zeiten. Wenn eine alte, offenbar wackelige Anarchistin (wenn sie nicht wackeln würden, dann würden sie das niemals tun!) wagt das Wort „libertär“ zu benutzen, auf die Art, wie es seit gut über ein Jahrhundert lang genutzt wurde, auf die Art wie es noch immer in vielen Teilen der Erde benutzt wird, werden die hippen, junge Anarchisten entsetzt auf sie schauen, all dies, weil vor ungefähr 42 Jahren ein paar armselige Pro-Drogen, Pro-Sex, Pro-Kapitalismus Spinner entschieden diesen Namen einer Partei [A.d.Ü.: Im Englischen wird für die Party und die Partei das selbe Wort verwendet] anzuheften. Und, nein, es war keine Bier-Party oder Hasch-Party oder gar eine Tee-Party, es war diese langweiligste Art von Party – die politische Partei. Ich könnte verstehen, warum diese Jugendlichen das Wort nicht benutzen möchten, wenn es für eine Sache stehen würde. Viele von ihnen haben keinerlei Probleme sich als Kommunisten zu bezeichnen. Als ob es nicht seit Mitte des 19. Jahrhunderts kommunistische Parteien gegeben hätte. Als ob diese Parteien nicht vor fast einem Jahrhundert begonnen hatten hier und da die Macht zu besitzen. Als ob Stalin, Mao, Pol Pot und die ganze Bande von blutrünstigen Diktatoren für das kommunistische Evangelium nie existiert hätten.[1] Ich weiß welches Wort ich als erstes scheuen würde!


Ich bin mir bewusst, dass anarchistischer Kommunismus, libertärer Kommunismus, fast so eine alte Geschichte hat, wie die erste kommunistische Partei. Aber diese alten Anarcho-Komunisten[2] waren sorgsam sicherzustellen, dass du weißt, dass sie Anarchisten sind. Ihre kommunistische Etikette verließ nie die Stadt, es sei denn, sie war in ihrer verführerischen anti-autoritären Pracht geschmückt. Die Meisten schienen sogar zu erkennen, dass die individuelle Autonomie das primäre Ziel des Anarchismus ist, jedoch vergaßen sie oft, dass dies auch die primäre Praxis ist.


Viele von den heutigen Anarchisten, die liebevoll über den Kommunismus labern, scheinen die Möglichkeit der individuellen Autonomie... oder sogar das Individuum zurückzuweisen. Ob naive Nihilisten gequält von Tiqquns metaphysischen Unsinn oder von dem ultra-linken Zank ultra-begeisterte Ultra-Theoretiker, glauben die meisten von den heutigen jungen „aufständischen“ Kommunisten, dass du und ich nicht wirklich handeln, sondern lediglich Marionetten von unsichtbaren, körperlosen Akteuren sind wie die Gesellschaft, soziale Beziehungen, Bewegungen, verschiedene kollektive Kräfte, die scheinbar aus nichts außer ihrer selbst kommen, denn wenn du versuchst, sie zurück zur tatsächlichen Quelle zu bringen, musst du zurück zu Individuen, die in ihren Welten und in Bezug zueinander handeln. Und das genügt nicht, denn dann müsstest du nicht „die Kommune“, nicht „die menschliche Gemeinschaft“, sicherlich nicht diese mystische Absurdität eines „Gattungswesen“, sondern dich selbst hier und jetzt – ein einzigartiges Individuum fähig zu verlangen, zu entscheiden und zu handeln – als das Zentrum und Ziel deiner Theorie und Praxis erkennen. Und eine ganze Reihe von Theorien, welche die Kommunisten betreiben, scheint genau darauf abzuzielen, das zu vermeiden.


Aber hier mache ich mich lustig über das kommunistische Geplapper, während ich selbst vor mich hin plapper. Ich glaube es ist Zeit auf den Punkt (in meinem umständlichen umherschweifenden Art) zu kommen. Warum bin ich kein Kommunist? Könnte ich mit einem Kommunismus, der mein Eigen ist auskommen? Eine solche verrückte dadaistische Absurdität könnte reizvoll sein, aber ich habe bessere Spiele zu spielen. Du siehst, Kommunismus hat eine Geschichte, und sie ist keinesfalls eine schöne. Wenn ich sie auf den Kopf stelle, wird es in meiner eigenen Art sein, nicht um „sie zurück zu nehmen“ – ich möchte das verdammte Ding nicht – sondern, um es als eine verbale Waffe zu benutzen. Es ist Zeit, dass die Etikette „Kommunist“ genau so eine Beleidigung wird, wie „Kapitalist“, unter diesen Anarchisten, die begreifen, dass keine Regeln keine Regeln über mir bedeutet; keine Herrschaft keine Herrschaft über mir bedeutet; keine Regierung keine Regierung über mir bedeutet. Und die unmittelbare Praxis dieser Negationen ist die individuelle Autonomie, eigenwillige und bewusste Selbstkreation nach meinen eigenen Bestimmungen.


Wenn ich mich selbst und mein Leben nach meinen eigenen Bestimmungen in jedem Moment erschaffe, so ist das Etablierte, das Permanente, das Absolute mein Feind, also kann ich keine Art von permanenter Kollektivität, Gemeinschaft oder Gesellschaft befürworten. Jegliche Permanenz durchdringt mich, versteinert mich so, dass ich nicht länger imstande bin mich selbst nach meinen eigenen Bestimmungen zu gestalten. Ich kann nur versuchen mich selbst der durchdringenden Beständigkeit anzupassen. Also beim Bestehen auf der Gestaltung meiner Selbst nach meinen eigenen Bestimmungen, untergrabe ich alle Kollektivität, alle Gemeinschaft, alle Organisation und alle Gesellschaft, sogar jene temporären Assoziationen, die ich für meinen eigenen Zweck wähle, denn sobald sie nicht mehr meinem Zwecke dienen, ziehe ich mich aus ihnen heraus und lasse den Dingen ihren Lauf. Dies ist warum meine egoistische Eleganz planlose Duos, vergängliche Trios und kurzlebige Ensemble, den dauerhaften Partnerschaften, erstarrten Kameradschaften und verkalkten Kollektiven vorzieht.


Kommunismus benötigt eine permanente Gemeinschaft. Wenn dies nicht die Absicht ist, dann ist das Wort bedeutungslos, nicht mehr als das geschwafelter Unsinn von Wichtigtuern, die um ihren Anteil an revolutionärer Glaubwürdigkeit schachern.[3] Viele von den derzeitigen Kommis haben das Vertrauen an die Prinzipien von Marx und in seine Versprechen vom prädestinierten Kommunismus verloren (natürlich, würde niemals ein Anarcho-Kommunist sein Vertrauen in dieses fromme Versprechen setzen, nicht wahr?). Doch selbst die Scherzkekse, die „Kommunisierung“ konzipierten – die Idee des Kommunismus als eine fortlaufende Bewegung Richtung Gemeinschaft – kommen nicht weg von diesem Ziel, weil Kommunisierung immer noch als eine Bewegung in Richtung dieser universellen (und somit, permanenten) menschlichen Gemeinschaft gehalten wird. Und was dauerhaft und universell ist, ist anti-individuell, gegen mich, mein Feind.

Der Kommunismus verlangt diese all-durchdringende Permanenz, weil er eine Einrichtung, einen Staat braucht. Im dem Evangelium von Marx, lesen wir: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen.“[4] Für Marx, diesem frommen Propheten der atheistischen Vorsehung, musste diese kommunistische Art des Austauschs das unausweichliche Ergebnis der Geschichte sein; für Anarcho-Kommunisten, welche sich diese heilige Schrift zu Herzen nahmen, wurde es ein moralisches Ideal, was es zu realisieren gilt. Mein selbstsüchtiges und arrogantes Herz hat weder Verwendung für historischen Determinismus oder die Lasten von moralischen Edikten, also zögere ich nicht die Frage aufzuwerfen, die solche eine Regel aufbringt: Wer bestimmt die Fähigkeiten und Bedürfnisse aller? Nur durch das Reduzieren von Individuen auf das, was am abstraktesten an ihnen ist – ihre bescheidene und harmlose Menschlichkeit – kann es eine „universale“ Bestimmung von Fähigkeiten und Bedürfnissen geben, da dann diese Bedürfnisse und Fähigkeiten ebenfalls bloße Abstraktionen sind. Ohne diese universale Bestimmung, könnte ich behaupten, dass ich einen Rolls Royce oder ein 60-Zimmer Villa brauche, und keiner könnte mir widersprechen, da es keinen universalen Maßstab für einen Vergleich gibt.

Also, um den Status der Fähigkeiten und Bedürfnisse jedes einzelnen festzulegen, wäre ein Staat notwendig, d.h. bestimmte Menschen müssten in der Position sein zu entscheiden was die Fähigkeiten und Bedürfnisse aller sind. Belassen auf dich und mich als Individuen, würden wir wahrscheinlich zur alltäglichen egoistischen Form von Austausch tendieren, die dazu neigt unter Freunden praktiziert zu werden: „Jeder nach seiner Bereitwilligkeit, jedem nach seinem Verlangen.“ Eine Praxis, die äußerlich ähnlich wie das kommunistische Ideal erscheinen kann, aber diesen Unterschied hat: Das kommunistische Ideal impliziert, dass die Fähigkeit etwas dem Bedürfnis schuldig ist, und so eine Pflicht einbezieht; in der egoistischen Praxis gibt es keine Pflicht, denn von niemandem wird erwartet, zu tun oder zu geben, was sie nicht bereit sind zu tun oder zu geben. Ihre Liebe für (d.h. ihr Interesse in) den Anderen ist der Grund, warum sie geben würden. Die egoistische Gegenseitgkeit ist das Schmiermittel dieses Flusses.

Schlussfolgernd, habe ich eine gute Nachricht und eine schlechte Nachricht für meine kommunistischen Freunde. Die gute Nachricht: Kommunismus ist bereits da. Kapitalismus ist schlicht Markt Kommunismus: "Jeder [Arbeiter] nach seinen Fähigkeiten, jedem [Kapitalist] nach seinen Bedürfnissen." Folglich, bürdet der Kapitalismus allen Dienste für das Gemeinwohl (d.h. für die herrschende Elite, die „Alle“ vertritt) auf, die bereit sind, Sklaven für eine höhere Macht zu bleiben. Die Gemeinschaft des Kapitalismus umgibt uns als ein System von aufgezwungenen Beziehungen, und wie alle permanenten Gemeinschaften, ernährt sie sich vom Lebensblut der Individuen, so lange diese Individuen unterliegen. Und dies bringt mich zu der schlechten Nachrichten für euch Kommunisten: Ich bin euer Feind... aus dem gleichen Grund, weshalb ich ein Feind des Kapitalismus bin. Und lasst euch nicht täuschen, wenn ich euch unfähig erscheine. In meiner Welt bin ich das wichtigste und schelmischst stärkste Wesen, und ich bin ein unversöhnlicher Feind des Kapitalismus und Kommunismus.


[1] Marx selbst, war eine ziemlich fieses Wesen, aber zum Glück war die größte Sache über die er jemals Macht erlangte die erste Internationale.

[2] Es gibt sie noch in bestimmten exotischen Teilen der Welt wie Europa und den östlichen Teil der Vereinigten Staaten.

[3] Sicherlich, klingen viele kommunistische Theorien genau so wie das.

[4] Kritik des Gothaer Programms, Abschnitt I.