#title Was sie wollen, von beiden Seiten, ist, dass wir in Angst leben #author Anonym #SORTauthors - #SORTtopics Anschläge vom 13.11.2015 in Paris, Terrorismus, Ausnahmezustand, Nationalismus #date 15. November 2015 #source Entnommen am 18.11.2015 von [[http://ch.indymedia.org/de/2015/11/96209.shtml][http://ch.indymedia.org/de/2015/11/96209.shtml]] #lang de #pubdate 2015-11-18T22:15:03 #notes Original auf Französisch, Originaltitel: "Ce qu’ils veulent, des deux côtés, c’est que nous vivions dans la peur", per Email anonym an Non-fides.fr gesendet, dort einsehbar unter: [[http://non-fides.fr/?Ce-qu-ils-veulent-des-deux-cotes-c][http://non-fides.fr/?Ce-qu-ils-veulent-des-deux-cotes-c]]. Körper, die verstreut auf den Terrassen von mehreren Cafés herumliegen, bedeckt mit Decken, mit Laken. Und dann das Grauen vom Gemetzel, das in diesem Theatersaal stattgefunden hat. Unmöglich, sich vorzustellen, was die Zuschauer von diesem Konzert erlebt haben. Es scheint surrealistisch. Leute, die ein Konzert schauen kamen und die um sich herum die Leute wie Fliegen einen nach dem anderen hinfallen sahen, die sich unter toten Körpern verstecken mussten, um zu überleben, inmitten des Blutes und des menschlichen Fleisches kriechen mussten, um zu entkommen, um die eigene Haut zu retten. Unmöglich, mit diesem Tatbestand klarzukommen. Dass es Fanatiker gibt, Gottesnarren, die im Namen von ihrer Religion, ohne Unterscheidung, eine Kugel unter die Haut von allen lebenden Leuten setzen, die das Unglück haben, ihren Weg zu kreuzen. Übertrainierte Kamikazes, welchen selbsternannte religiöse Führer versprochen haben, dass sie ins Paradies kommen werden, wenn sie in ihrem mörderischen Wahn so viele Leute wie möglich mitnehmen. Und der einzige Zweck von all dem ist es, Terror aufzuerlegen. Die beklemmende Angst von jenen Eltern, die auf Nachrichten von ihren Jünglingen warteten, welche diesen Freitagabend ausgingen, um mit ihren Freunden ein Glas zu trinken. Die Beklemmung von allen Nahestehenden, die Stunden für Stunden damit verbracht haben, von Spital zu Spital zu gehen, um zu wissen, ob die Person, die sie suchen, tot oder nur verletzt ist. Diejenigen den Geschmack des Blutes riechen lassen, die in einer befriedeten Gesellschaft leben, weit entfernt von den Kämpfen, welche die Armee von einer Nation führt, die sie nicht gewählt haben. Eine Bevölkerung bestrafen, weil ein Staat sich entschieden hat, einen Krieg zu führen, Personen verantwortlich zu machen, die in diesen Entscheidungen nicht ihr Wort zu sagen hatten. Sich an einem Staat rächen, auf die feigste und einfachste Weise, indem man nicht die Betreffenden heimsucht, sondern Eier aufschlägt, bloss um eine Kräftedemonstration abzugeben, und ein blutiges Omelett anzurichten. Man fühlt sich betroffen. Betroffen durch diese Art von unterschiedslosen Massakern, die in jedem Individuum nur zu verlierende Leben sehen, Körper, in die es Kugeln zu versetzen gilt, schlicht aufgrund dessen, sich im falschen Moment am falschen Ort befunden zu haben, das Unglück gehabt zu haben, den Gewehrlauf von einem dieser Gottesnarren gekreuzt zu haben, welche genauso wie der Staat unsere Feinde sind, und was auch immer die Ideologie von diesen Fanatikern ist. Diese Gottesnarren, die heute im Namen ihres religiösen Fanatismus in Syrien, im Irak, in Tunesien, im Niger, in Ägypten, im Libanon, und in Paris... Massaker begehen. Aber wir wissen, dass, unter anderen Ideologien, andere anderswo auf der Welt Taten verübt haben und weiter verüben, die bloss darauf abzielen, im Namen von der Freiheit feindlichen Ideen wahllos abzuknallen. Und wir sprechen hier von der ganzheitlichen, totalen und unteilbaren Freiheit. Jene, gegen jede Autorität zu blasphemieren und alle Mächte zu zerstören, ob sie nun in den heiligen Büchern oder an den Frontispizen der Staaten sitzen. Und nicht jene, die der Staat wie eine Marotte bewegt, während er uns, er ebenfalls, durch den Terror regiert. Man weiss nicht mehr, wo einem der Kopf steht. Einerseits gibt es diesen Schrecken, der uns als schlichtes Individuum ergreift, das sich per Zufall hätte dort befinden können, das seine Nahestehenden hätte verlieren können, und das sich auf egoistische Weise erleichtert fühlt, dass dies nicht geschehen ist, aber das sich sagt, dass es nicht vorbei ist, und dass man dieses Mal „Glück“ gehabt hat. Und andererseits gibt es die Antwort des Staates, welche uns alle direkt betrifft. Der Ausnahmezustand, den der Präsident bereits um 3 Monate verlängern will. Die Macht des Staates über unsere Leben und unsere Aktivitäten hat sich verzehnfacht. Die Möglichkeit, Ausgangssperren zu verhängen, bestimmten Personen gewisse Zonen zu verbieten, jeden öffentlichen oder Publikum empfangenden Ort schliessen zu lassen, jede Versammlung (die „Unordnung provozieren würde“) zu verbieten, Hausdurchsuchungen bei Tage wie bei Nacht durchzuführen, direkt die Kontrolle der Presse, des Radios und des Fernsehens zu übernehmen, und die Drohung, die über all denjenigen schwebt, die eine S-Kartei haben, welche ebenso sehr den religiösen Fanatikern wie den Revolutionären und vielen anderen zugewiesen wurde, wie, um sie in ein und denselben Korb zu werfen. Und dann gibt es das Aufgebot von Soldaten und Bullen in den Strassen, immer mehr, welche das Bedürfnis verspüren werden, uns eine Demonstration von der zusätzlichen Macht zu geben, die ihnen der Staat verliehen hat; die Schliessung der Grenzen. Und die berühmte „nationale Einheit“. Diejenige der zwei Weltkriege, im Namen von welcher Tausende von Armen ins Gemetzel geschickt wurden; diejenige des Algerienkrieges, worin Folter und Massaker Banalitäten wurden. Die nationale Einheit, die Feindin von den Revolutionären, von jenen, die sich dem Staat entledigen, und ihn nicht sich in einem solchen Kontext opportun stärken sehen wollen. Diejenige, die dafür sorgt, dass sich Mengen andächtig an diesen Todesorten versammeln kommen, während sie, eingehüllt in französische Fahnen, und „Vive la France, vive la République“ schreiend, die Marseillaise anstimmen. Die von Freiheit sprechen, als ob wir vor dieser Tragödie frei gewesen wären. Was gewissermassen darauf hinausläuft, den Ausnahmezustand zu akzeptieren, sich zu sagen, dass es diese Gottesnarren sind, die uns unsere Freiheit genommen haben, und so den Staat vollständig reinwaschen, ihm Entschuldigungen finden. Dieselbe nationale Einheit, welche den Zugriff des Staates auf unsere Leben akzeptieren lässt, ist auch diejenige, welche die religiösen Verantwortlichen sich versammeln lässt, während es doch sie sind, ganz egal welcher Art, welche den Fanatismus nähren, auch wenn sie sich moderat nennen. Was sie wollen, von beiden Seiten, ist, dass wir in Angst leben, und dass wir aufhören, lebendig zu sein, dass wir unsere Gewohnheiten ändern, dass wir resignieren und einsichtig zuhause bleiben, keine Kritiken erheben. Aber wir werden diesen Terror nicht akzeptieren, den sie uns aufzwingen. Diese Totenstille, die sie herrschen lassen möchten. Und wir werden niemals die Alternativen akzeptieren, welche uns die Staaten bieten, die selbst zu jedem Terror fähig sind, den man von ihnen kennt, oft unter dem der „anti-terroristischen“ Flagge. So fügen wir zum Salz von unseren Tränen den Pfeffer von unserer Wut, zu leben, und von unserm Verlangen nach Revolte. Sie werden aus uns keine Resignierten machen können. Lasst uns lebendig und revoltierend sein, gegen alle Mächte! Weder Religionen, noch Nationalismus!