Anonym
Wann, wenn nicht jetzt?
Zerschneiden wir das (Funk)netz der technologischen Herrschaft
In den letzten Jahren haben all die Geräte um uns herum damit begonnen, ein Eigenleben zu entwickeln. Moderne Fernsehgeräte zeichnen die Gespräche der sie umgebenden auf, moderne Kühlschränke übernehmen die Vorratsverwaltung gleich mit und selbst moderne Backöfen beschränken sich längst nicht mehr darauf, eine elektrische Feuerstelle zu sein: Sie haben Internetschnittstellen, mit denen sie es ermöglichen sollen, von „unterwegs“ eingeschaltet zu werden und über die sie nach Belieben Daten mit ihren Herrsteller*innen und anderen Neugierigen austauschen (können). Mit Smartphones haben sich die meisten Menschen sowieso längst freiwillig und auf all ihren Wegen verwanzt. Da ist es kaum verwunderlich, dass sich gar nicht einmal wenige Menschen auch noch frewillige das Alexa genannte Spionageprogramm des Konzerns Amazon ins Haus holen. Und während „Technikenthusiast*innen“ begeistert an ihrem „Smart Home“ genannten Käfig bauen, haben der Staat und eine Hand voll Technologiekonzerne noch viel umfangreichere Pläne und Visionen: Freiwillige (Selbst-)Überwachung in den eigenen vier Wänden war gestern: Die „Smart City“ von heute und morgen umfasst ein beeindruckendes Repertoire an Sensorik, um nicht nur penibel zu erfassen und zu überwachen wer sich gerade wo und mit wem aufhält, sondern auch um die Bewegungen und Handlungen der Bewohner*innen der Stadt mit subtilen und weniger subtilen Methoden zu kontrollieren, sie zu lenken und zu manipulieren. Das erscheint bei näherem Hinsehen auch bitter nötig, denn in den immer menschenfeindlicheren Umgebungen heutiger Städte, in denen der Beförderung des menschlichen Arbeitsmaterials in Büros, Läden und Fabriken, sowie dem Transport der Waren, mit denen zuvor meist gezielt geweckte, falsche Bedürfnisse befriedigt werden sollen, die höchste Priorität eingeräumt wird, muss jedwedes subversive Potenzial zum Schweigen gebracht – oder besser noch – in diese Illusion von Leben integriert werden, bevor es sich wie eine Epidemie ausbreitet und in dieser schönen, heilen Welt nicht wieder gutzumachenden Schaden anrichtet.
Aber wie lässt sich eine ganze Stadt kontrollieren? Wo herkömmliche Methoden der Architektur, der Polizeiarbeit, der Psychiatrie, der Knastgesellschaft, der Schule, der Erziehung im Allgemeinen, usw. an ihre Grenzen stoßen, da eröffnet die Informationstechnologie neue, bisher ungekannte Möglichkeiten. Und die Kontrollierten? Die lassen sich das (buchstäblich) als Fortschritt (was es ja vielleicht auch ist, nur wohnt dem Fortschritt an sich eben nichts positives inne), als Lösung für ihre Probleme verkaufen. Ist es nicht praktisch, dass Google Maps einer*m immer den schnellsten Weg zur Arbeit zeigt? Ist es nicht angenehm, für das letzte Stückchen Heimweg noch schnell diesen E-Scooter zu nutzen, der doch so praktischerweise auf meinem Weg liegt? Und wie ist das mit dem Bezahlen? Kontaktlos mit dem Smartphone in Raten, via Paypal die Rechnung teilen und schon kommt einer*m gar nicht mehr in den Sinn, die Einkäufe einfach zum Eingang wieder rauszutragen und Fersengeld zu geben. Wer würde bei all den Kameras auch auf eine solche Idee kommen?
Dabei werden die meisten dieser „Angebote“ nur dann möglich, wenn überall und zu jeder Zeit Daten augetauscht werden können. Woher sollte Google auch sonst so genau wissen, an welchen Stellen sich gerade der Verkehr staut, wie sollten die viel zu vielen, aber letztlich doch recht wenigen E-Scooter dorthin gelangen, wo ihre Kund*innen auf sie warten? Wie sollte sichergestellt werden, dass für einen Zahlungsvorgang auch das nötige Guthaben bzw. der nötige Kreditrahmen auf dem Konto vorhanden ist? Ganz recht: All das funktioniert nur dann, wenn überall Internet verfügbar ist. Und wenn ich schon Zugang zum Internet habe, kann ich doch auch gleich all die anderen Angebote, die mir der Cyberspace zu bieten hat, nutzen. Nie wieder muss ich meine Zeit verschwenden. Wenn ich mit der U-Bahn zur Arbeit fahre, kostet mich das keine Zeit mehr: Ich kann Nachrichten lesen, die neueste Folge meiner Lieblingsserie streamen, über Whatsapp den Kontakt zu meinen Freund*innen pflegen, mich für Instagram ablichten, usw. Und weil das so einfach ist, muss ich nie wieder Langeweile empfinden. In jeder freien Minute kann ich auf mein Smartphone blicken, anstatt mich in meinen Gedanken zu verlieren. Manchmal scheint mir der Blick auf dieses Gerät sogar spannender, als ein Kontakt, der hier, in der Realität – zum anfassen quasi – stattfindet. Bloß keine Langeweile aufkommen lassen. Aber wenn ich dann am Ende des Tages zurückblicke, was von all dem bleibt, so ist es nur die Leere, die diese Beschäftigung zum Selbstzweck hinterlässt. Ich mag keine Langeweile verspürt haben, dafür habe ich aber ein ziemlich langweiliges Leben geführt. Mein Leben ist zum Innbegriff einer kontrollierten Existenz geworden. Meine Handlungen sind nicht nur vorhersehbar geworden, ja sie sind nichteinmal mehr die meinen: Ist es das, was ich mir einmal von meinem Leben erträumt habe? Den ganzen Tag arbeiten und zum ausspannen Netflix oder Pornos gucken? Eine Normalität, die höchstens durch die Dopaminausschüttung anlässlich eingehender Push-Notifications durchbrochen wird? Dafür aber regelmäßig, zeitweise gar im Minutentakt …
Dass diese Form des Dahinlebens nicht das „Wahre“ sein kann, das haben mittlerweile sogar die enthusiastischsten Verfechter*innen der neuen „Always-Online“-Ideologie begriffen. „Digital Detox“ nennt sich einer der neuesten Trends aus dem Silicon Valley und bezeichnet dabei eine Art „Erholungsurlaub“ von der Nutzung all der demzufolge toxischen Geräte. Ein paar Tage, eine Woche oder manchmal gar einen Monat sollen die überstrapazierten Nutzer*innen dabei eine Auszeit von Smartphone- und Computernutzung nehmen und so ihren Körper und ihren Geist von all dem Technologie-Schrott entgiften. Aber warum dann das Gift überhaupt erst einnehmen? Während Regierungen, Technologie-Konzerne und ihre Jünger*innen noch mit der richtigen Dosis dieses digitalen Gifts experimentieren, stellt sich für all die anderen vor allem eine Frage: Warum sollte ich mir dieses Gift verabreichen (lassen)?
Schließlich ist all das nicht meine Vision. Und doch: Sehe ich mich um, so kann ich deutlich erkennen, auf welche (Ab)arten diese Vision heute und in (naher) Zukunft mein Leben bestimmt/en und verändert/n hat und wird. Auch wenn ich keine eigene Wanze mit dem praktischen Touch-Display mit mir herumtrage, kann ich dank zahlloser Kameras und anderer Sensoren kaum mehr einen Schritt in dieser Stadt machen, ohne dass dabei erfasst wird, wohin ich mich bewege. Auch wenn ich das vermutlich bislang größte smartphoneunabhängige private Spionageprogramm „Alexa“ nicht in meinem Heim willkommen geheißen habe, keine „smarten“ Backöfen, Fernsehgeräte, Kühlschränke, usw. besitze, so genügt es doch bereits, dass mein*e Nachbar*in oder meine Freund*innen solche Geräte besitzt/en. Wer einem solchen Gerät gestattet, seine*ihre Umgebung zu bespitzeln, die*der ermöglicht es ihnen freilich auch nicht nur sich selbst, sondern auch andere zu überwachen. Das Kalkül der Technokrat*innen geht auf: Ist es ihnen gelungen, erst einmal eine gewisse Menge an spitzelnden Geräten in Umlauf zu bringen, sind sie in der Lage dazu, alle Menschen zu kontrollieren unabhängig davon, ob diese ihre Vision (frewillig) teilen oder nicht. In meinen Augen ist dieser Punkt längst überschritten. Immer schnellere Internetleitungen, immer bessere Funknetze haben in den letzten Jahren die Zahl der uns bespitzelnden Geräte (und Gegenstände) in die Höhe schnellen lassen: Von Straßenlaternen bis hin zu Backöfen. Alles scheint heutzutage Augen und Ohren zu haben. Und das Ganze hat gerade erst begonnen. Wer heute will oder nicht aufpasst kann seinen Herzschlag und andere Vital-Parameter von Uhren und Armbändern überwachen lassen. In Zukunft, das verkündet zumindest die Textilbranche, wird das unsere Kleidung von ganz alleine übernehmen. Und das ist nur ein Beispiel dafür, wie die Zahl der Dinge, die uns bespitzeln, explodieren wird. Da reichen herkömmliche Funknetzwerke, die heute ja vor allem die Smartphones der Menschen mit Internet versorgen, nicht mehr. Sie sind zu langsam und können gar nicht genügend Geräte gleichzeitig ansprechen.
Das ist der Grund für die Entwicklung von 5G, aber auch dafür, dass Technik-Bonzen wie Elon Musk (der Spinner, der den Mars besiedeln will, um die Menschheit zu einer „transplanetaren Spezies“ zu machen – kein Witz, das ist sein Grund!) oder Amazon-Chef Bezos und weitere daran arbeiten, tausende Satelliten ins All zu schießen, die weltweit fläcehndeckendes, schnelles Internet bereitstellen sollen – und uns vermutlich nebenbei auch noch auf andere Arten und Weisen bespitzeln. Mehrere hundert dieser Weltraum-Spanner beobachten uns bereits heute.
Was die einen mit Satelliten im Weltraum realisieren wollen, das planen andere mit einem terrestrischen Funknetz auf dem Boden der Erde. 5G soll als neuer Mobilfunkstandard schnelleres Internet für eine Vielzahl von Geräten bringen. So soll 5G gleichzeitig bis zu rund 100 Milliarden Mobilgeräte ansprechen können. Das sind durchschnittlich 12,5 Geräte pro auf dieser Erde wandelndem Mensch. Und sie alle sollen mit 50 MBit/s bis 2 GBit/s Daten austauschen können. Warum? Der Vorwand, dass es den Architekt*innen unseres technologischen Gefängnisses darum ginge, uns die Freiheit und die Möglichkeiten schnellen Internets und den Segen der Technologie zu bringen, vermag uns nicht zu täuschen. Wenn es den Herrschaften der Techno-Branche so sehr um unser Wohlbefinden ginge, wie kommt es dann, dass etwa während des Standardisierungsprozesses von 5G ebenso wie seit der Einführung eines flächendeckenden Funknetzes sämtliche gesundheitlichen Bedenken einfach so zur Seite geschoben wurden? Stattdessen wurden und werden diejenigen, die gesundheitliche Aspekte zur Sprache brachten und bringen durchweg als Verschwörungstheoretiker*innen bezeichnet, auch wenn zugleich keine*r der Befürworter*innen von Funknetzen bisher einen Beweis erbringen konnte (wie denn auch?!), dass diese nicht schädlich seien. Während viele Länder beständig die Grenzwerte für die Radiowellenbelastung erhöht haben, um immer neuen Technologien den Weg zu bereiten, die diese dank diesen Anpassungen einhalten konnten, muss mensch sich doch zugleich die Frage stellen, warum solche Grenzwerte denn überhaupt existieren, wenn doch alle so überzeugt davon zu sein scheinen, dass Funktechnologie keine gesundheitlichen Belastungen mit sich bringt. Was für mich eigentlich eine Nebensache ist (denn schlimmer als jede gesundheitliche Belastung durch Radiowellen – sie sind für mich nur ein unbedeutender Faktor im Kontext der Schädlichkeit der Zivilisation – sind für mich die gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Technologie), scheint sich mir dennoch hervorragend als Beweis dafür zu eignen, wie egal den Akteur*innen, die den 5G-Ausbau und den Ausbau des Mobilfunknetzes oder eines Satelliten-Kommunikationsnetzes so sehr vorantreiben, das Heil der Menschen, das sie ansonsten so sehr in den Vordergrund stellen, tatsächlich ist.
Die Ironie des Ganzen – Vermutlich hätte ich sie ohne die Entwicklungen der letzten Wochen niemals so prägnant darstellen können – offenbart sich ganz besonders dort, wo der 5G-Ausbau gerade unter dem Vorwand eines „Kriegs“ gegen die Pandemie vorangetrieben wird. Während die Menschen im Namen ihrer eigenen oder einer beinahe faschistoid anmutenden „Volksgesundheit“ zuhause eingesperrt werden, werden in ihrer Nachbarschaft neue Funksendeanlagen errichtet, deren Einfluss auf die Gesundheit zumindest als unbekannt gelten muss und vor denen einige Mediziner*innen als immunschwächend warnen. Mit dem mehr oder weniger unverhohlenen Ziel die Einsperrung gewissermaßen „erträglicher“ und damit länger aufrechterhaltbar zu machen, denn wer durch (kostenlose) Netflix und Porno-Angebote befriedet wird, wer auf diese Art und Weise immer weiter von seinen*ihren eigentlichen Bedürfnissen und Sehnsüchten entfremdet und in die gewaltsamen Normen einer Gesellschaft der Produktion und Reproduktion gezwängt wird, die*der kommt schließlich viel weniger auf die Idee gegen Ausgangssperren, Kontaktverbote und Quarantänisierungen zu rebellieren. „The Revolution will not be televised“, das bleibt leider eine nur allzu wahre Feststellung einer meiner Meinung nach ansonsten viel zu überschätzten Periode und wenn das klassische Fernsehen nun auch durch Kommentarmöglichkeiten und Bewertungsfunktionen um einige lächerliche Interaktionsmöglichkeiten erweitert wurde, so perfektioniert das nur die befriedende Funktion des Ganzen: Wenn Social Media Trollings, wütende Postings und sogar „subversive“ Filme und Fernsehsendungen dazu dienen, dem eigenen Missfallen Ausdruck zu verleihen, warum sollte mensch dann überhaupt noch den Zorn darüber, dass wir mit einer lächerlichen Illusion von Freiheit abgespeist werden, auf die Straßen tragen? Sind wir dann nicht bereits ein Teil dieser Illusion geworden?
Nun, die gute Nachricht dabei ist, dass sich gerade viele Menschen dieser Situation bewusst zu werden scheinen, vielleicht war sie ihnen auch immer schon bewusst, doch nun scheinen viele nicht länger schweigen zu wollen, sich nicht länger herumschubsen lassen zu wollen und den Angriff zu wählen, anstatt ihr Nichteinverstandensein in die unendlichen Sphären des Digitalen hinauszuschreien, in denen es schließlich (ungehört) verhallt. Beinahe täglich erreichen mich Nachrichten davon, dass irgendwo auf der Welt ein 5G-Funkmast oder überhaupt irgendein Funkmast abgefackelt, in die Luft gesprengt, gefällt oder sonstwie zerstört wurde. Und auch wenn die (demokratische) Presse diese Angriffe entweder zu verschweigen oder als das Werk irgendwelcher Spinner*innen – was heißt das schon, lieber gelte ich als Spinner*in oder Wahnsinnige*r, als in dieser Welt als „Normal“ zu gelten – zu verleumden versucht, so lässt sich doch längst nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass sich hier der kompromisslose Widerspruch der Menschen ausdrückt, die ihr Leben nicht länger von Staaten, Unternehmen oder sonst irgendeiner*m bestimmen lassen wollen. Derjenigen, die es satt haben, zu produzieren und reproduzieren, die es satt haben, gezähmt zu werden, derjenigen, die leben wollen, anstatt zu vegetieren.
„Jede Gesellschaft […] wird ihre Grenzen haben. Und außerhalb der Grenzen jeder Gesellschaft werden unkontrollierbare […] Landstreicher*innen mit ihrem wilden und unberührten Denken umherstreifen – diejenigen, die nicht leben können, ohne immer neue und grässliche Ausbrüche der Revolte zu planen! Ich sollte unter ihnen sein!“ – Renzo Novatore