Einführung

      Der Autor und das Publikum

      Der Zweck

      Nicht der Zweck

      Eine Anmerkung zu Dogma

      Das F-Wort und ich

      Patriarchat

      Als anarchistischer Mann

      Binäres Gender

      Dinge zerschlagen

      Die Rolle von Männern in den Kämpfen von Frauen

      Gender Identifikation

        Gender Queer

        Trannies

        „Normale“ Gender

      Safe Spaces

      Women-only Spaces

      Sprache

        Pronomen

        Witze

      Körperbild

        Frauen

        Männer

      Sexuelle Übergriffe

        Konsens

      Trigger

        Grenzen

        Auswirkungen von Übergriffen

      Machtdynamiken

      Genderrollen in Beziehungen

        Einleitung

        In der Beziehung

      Sexuelle & Reproduktive Gesundheit

        STDs [sexuell übertragbare Krankheiten]

        Abtreibung

      Das Patriarchat beim Organisieren

      Gewalt

      Gefühle

      Wie man nicht ein kompletter verdammter Depp sein kann

[In manchen Abschnitten, vor allem in jenen, die sich auf Sprache beziehen, sind englische Wörter nicht immer 1:1 in die deutsche Sprache übersetzbar. Trotzdem dienen diese Beispiele gut zur Veranschaulichung, dass und in welchem Ausmass Sprache patriarchal geprägt und repressiv ist. Um zu zeigen, dass die deutsche Sprache der englischen in dieser Hinsicht um nichts nachsteht, wurde der Text mit einigen Beispielen aus der deutschen Sprache ergänzt.]


Einführung

Dies ist ein abschreckendes Thema, ich habe es einige Zeit rausgeschoben, dieses Zine zusammenzustellen, aber nachdem ich mit mehreren anarcha-feministischen Freund_innen gesprochen hatte, habe ich beschlossen, dass es ein positives Ding sein könnte. Feministische Angelegenheiten betreffen Männer genauso wie Frauen; das Patriarchat hält uns alle innerhalb eines unterdrückenden, dominanten Systems gefangen. Gewiss ist es jedoch wichtig für Männer, dass sie in feministischen Kämpfen nicht das Rampenlicht zu stehlen.


Der Autor und das Publikum

Dieses Zine hat einen Hauptautor, der zwischen 20 und 30 Jahren alt ist, männlich, weiss und sich hauptsächlich zu Frauen hingezogen fühlt. Ich komme aus einer Mittelklasse-Familie, ich bin nicht zuvorderst unter den Unterdrückten dieser Welt. Und doch werde ich ehrlich sein mit meinen egoistischen Motiven: Ich würde glücklicher sein, in einer Welt ohne Unterdrückung zu leben, ohne Gendernormen, ohne Klassentrennung oder rassistischen Vorurteilen. Ich bin ein Anarchist für mich selbst. Ich begehre feministische Kultur für mich selbst, weil ich nie der maskulinste Junge war und angesichtsdessen wurde ich nicht gut von Gleichaltrigen mit denen ich aufgewachsen bin behandelt. Ich finde es ist wichtig in Solidarität mit Frauen zu handeln, und nicht als Wohltätigkeit für sie. Ich erkenne, dass der Kampf um die Befreiung von Frauen, derselbe Kampf um Befreiung ist, den ich kämpfe.

Andere Leute jeglichen Geschlechts, Genders und sexueller Orientierung haben enorm in der Schaffung dessen geholfen, sei es ob sie Anekdoten geschrieben haben, darüber geredet haben oder Publikationen gemacht haben. Anekdoten und Zitate von anderen Personen sind vom Haupttext getrennt.

Dieses Zine fokussiert sich hauptsächlich auf Männer, die mit Frauen schlafen. Manche Teile richten sich an alle, die als Mann erzogen wurden. Manche Teile sind über Konsens in Beziehungen, egal welchen Genders oder Geschlechts. Das Ganze kommt von einer Kritik die zwanghafte Autorität und Kapitalismus als Institutionen die abgeschafft werden müssen, erkennt.


Der Zweck

Ich schreibe mit zwei Zielen im Kopf:

– Männern zu helfen das Patriarchat in ihnen drin zu dekonstruieren, für die Befreiung von Frauen

– Männern zu helfen das Patriarchat in ihnen drin zu dekonstruieren, für ihre eigene Befreiung


Nicht der Zweck

Anarchistischer Feminismus für Männer hat nichts mit liberaler Schuld zu tun. Ich versuche nicht, dass du dich für die Art wie du erzogen wurdest, schlecht fühlst. Das ist etwas, das du nicht ändern kannst. Wenn du dich allerdings für etwas schuldig fühlst, das du verändern kannst, sollte Veränderung in Betracht gezogen werden.


Eine Anmerkung zu Dogma

Es gibt wenig, das gefährlicher für eine anarchistische Bewegung ist, als Dogma. Alle Regeln sind eher Richtlinien, und alle Richtlinien sind eher Vorschläge. Dogma kann so verdreht werden, dass es zu den eigenen Ansichten passt, auf die Art wie Firmenanwälte die Gesetze geschickterweise so verdrehen, dass sie zu den Bedürfnissen ihrer Firma passen. Ich habe persönlich mitbekommen, wie sich ein Täter sexuellen Missbrauchs aus seiner Verurteilung gewunden hat, indem er seine Stellungnahme sorgfältig so formuliert hat, dass sie der dogmatischen Rethorik seiner anarchistischen Community entsprochen hat.

Ein Dogma zu kreieren erlaubt Menschen auch Symptome anstatt Krankheiten aufzuzeigen. Es ist einfach jemanden zu kritisieren weil sie_er ein falsches Wort gesagt hat und zu versuchen sie zu zwingen sich zu einem gewissen Standard zu konformieren, es ist viel schwieriger die tatsächlichen Gedanken hinter der Sprache, die eine Kultur benutzt, aufzuzeigen.

Dogma kreiert eine Hierarchie von Wissen in welcher jene, die die feinen Regeln der Sprache kennen, mehr Macht zugeschrieben bekommen. Manchmal üben Männer diese Macht sogar über Frauen aus, und behaupten, dass sie „bessere“ Feministen sind als jemand, die_der sich nicht nach irgendeinem illusionären Satz von Regeln hält.

Während du liest, behalte im Kopf, dass jede Situation innerhalb ihres einzigartigen Kontexts betrachtet werden sollte.


Das F-Wort und ich

Ich würde damit vorsichtig sein, mich selbst als Feminist zu bezeichnen, aber nicht wegen irgendeines sozialen Stigmas, das dem Wort angehängt wird. Ich würde sagen, dass ich nach Feminismus strebe. Ich strebe danach mich selbst vom akkulturierten Patriarchat zu befreien, weil ich sehe wie sehr es mich, sowie jene um mich herum, verletzt. In dieser Hinsicht sehe ich wie Anarchismus und Feminismus essenziell verbunden sind. Es sind zwei verschiedene Worte und Herangehensweisen für das Ende der Unterdrückung.


Patriarchat

Das Patriarchat ist ein System, das auf der männlichen Dominanz über Frauen basiert. Es ist feiner und komplexer als einfach Seximus, obwohl Sexismus ein Symptom des Patriarchats ist. Man sieht das Patriarchat darin, wenn Männer sich berechtigter zu Reden und gehört zu werden fühlen, als Frauen, in der unproportionalen Arbeitslast zwischen Geschlechtern und der Ungleichheit von Löhnen. Das Patriarchat ist jedesmal am Werk, wenn ein Mann sich sicher fühlt, eine Frau zu Sex zu zwingen und wenn „Frauen und Kinder“ zusammengeworfen werden als Ressourcen die beschützt werden müssen. Es ist darin sichtbar, wie unterrepräsentiert Frauen in unserem politischem System sind und darin, wie sie als zu sehr zu Emotionen neigend angesehen werden, um führen zu können. In unzähligen Weisen in allen Aspekten des Lebens werden Frauen immernoch als minderwertig angesehen.

Anarcha-Feminismus hält fest, dass das Patriarchat ein hierarchisches System ist, und dass hierarchisches Denken sich selbst bestärkt. Der einzige Weg patriarchales Denken auszurotten ist Hierarchie auszurotten. Und der einzige Weg Hierarchie auszurotten ist das System umzustürzen; Das aktuelle wurde von Grund auf auf Zwang gebaut.


Als anarchistischer Mann

Als Anarchisten lehnen wir die Meister/Diener Dichotomie ab. Das Patriarchat ist eine Form von Dominanz, also lehnen wir es ab. Kann sein, dass es ein Klischee ist, aber keine_r ist frei, wenn andere in Ketten sind. Männer fühlen ebenfalls die Peitsche von patriarchaler Kultur, allerdings nicht so hart, wie es unsere Schwestern tun.

Hast du Angst davor Röcke zu tragen, ganz egal wie bequem sie aussehen? Hast du Angst davor über deine Gefühle zu reden, speziell mit anderen Männern? Hast du deinen Vater nie mit Tränen in den Augen gesagt, wie sehr du ihn liebst? Vielleicht hast du Angst davor deine Beine zu rasieren, auch wenn du neugierig bist. Vielleicht willst du manchmal zugeben, dass du etwas nicht weisst, anstatt eine Antwort zu erfinden. Vielleicht hast du sogar Angst dein Haar wachsen zu lassen, weil es nicht trendig ist. Ist dein Penis lang genug? Ich bin sicher du kannst stundenlang Sex haben und 7 Tage die Woche spitz sein zu jeder Zeit und an jedem Ort.

Das ist alles Bullshit!


„Anarchistische Männer waren nicht viel besser in der Unterjochung von Frauen als Männer überall. Deshalb brauchen wir unbedingt eine feministische anarchistische Revolution. Sonst werden die grundlegenden Prinzipien auf denen Anarchismus basiert eine äusserste Heuchelei.“

Peggy Kornegger[2]


So wie es da steht, ist es sehr verständlich wenn Frauen Männer hassen. Als ich meiner Mutter erzählt habe, dass ich dieses Zine plane, war ihre Antwort darauf „das Problem ist, dass alle Männer Idioten sind“. Und ich konnte ihr nicht sagen, dass das falsch ist.

Wir müssen lernen, womit Männer das Patriarchat untermauern. Wir müssen alle Privilegien und Flüche der Ungleichheit hinter uns lassen.


Binäres Gender

Binäres Gender ist die (falsche) Annahme, dass es nur die zwei Gender gibt, die mit den zwei primären Geschlechtern übereinstimmen. Die allgemeine Kultur basiert auf dieser Prämisse. Klar sagt die Kultur, dass Leute wie Cross-Dressers und Butch Lesben das andere Gender als ihr physisches Geschlecht sind, aber sie sind noch immer Junge oder Mädchen, Mann oder Frau, Kerl oder Tusse.

Nun wissen wir als gute Anarchisten, dass wir vielmehr als ausserhalb der Schublade zu denken, die Schublade in kleine Stücke zerschlagen müssen. Wir wollen nicht zwischen zwei unterschiedlichen Käfigen wählen, auch wenn einer mehr Raum bietet als der andere. Jede_r ist sowieso eine Mischung von unterschiedlichen Gender-Konzepten und niemand sollte dazu gezwungen werden sich innerhalb eines Käfigs oder dem anderen zu bewegen.

Manche Leute finden also, dass sie wenn sie natürlich handeln, sie innerhalb eines der beiden traditionellen Gender handeln. Der Punkt ist sich von den Barrieren zu befreien, und nicht Menschen dazu zu zwingen sich ausserhalb von ihnen zu bewegen.

Binäres Gender ist eine mächtige Säule, die hilft das Patriarchat aufrecht zu erhalten; ohne diese zwei einfachen Kategorien in die man Leute stecken kann, würde es für eine_n lächerlich schwer sein die_den anderen zu dominieren.


Dinge zerschlagen

Leider ist das zerschlagen von binärem Gender meistens ein metaphorisches Zerschlagen. Jedoch ist es voll okay Niketown zu zerschlagen während du daran arbeitest das Patriarchat zu zerschlagen und lass dir von niemandem erzählen, dass du ein Macker bist, wenn du deine legitime Wut auslebst, ( wenn du allerdings nur post, bist du einfach nur Macker).

Ich bin mir sicher dass du auch, wenn du drüber nachdenkst, auf Ziele kommst, die es wert sind für ihre Rolle in der sie Sexismus und Patriarchat fördern, zu zerschlagen.


Im Jänner 2003 hat der black bloc in San Francisco Victoria’s Secret angegriffen.[3]

1982 hat die Frauenfeuerwehr (Wimmin’s Fire Brigade) von Britisch Kolumbien, Kanada, eine Kette von Pornoläden niedergebrannt, die sich geweigert haben, Vergewaltigungspornos aus ihrem Sortiment zu nehmen.[4]

In Schweden haben Anarchafeministinnen Hennes&Mauritz angegriffen, eine Kleidungsfirma, die mit sexistischer Werbung wirbt.[5]

Frauen, die von 1905 bis 1914 das Frauenwahlrecht in Grossbritannien forderten, haben das Landhaus den Premierministers mit Feuer angegriffen, ausserdem waren sie regelmässig aufständisch.[6]


Die Rolle von Männern in den Kämpfen von Frauen

Wir können den Kampf für die Befreiung von Frauen nicht vereinnahmen und Frauen wegnehmen, doch anstattdessen sollten wir tun was wir können um sie zu unterstützen.

Zuerst müssen wir die patriarchalen Verhaltensweisen in uns selbst zerstören und uns gegenseitig durch den Prozess hindurch helfen. Es wäre schön, wenn unsere Mann-zu-Mann Freundschaften stark genug wären um die komplexen Probleme die dies beinhaltet zu diskutieren; viele Frauen haben es ziemlich satt unsere Hände halten zu müssen.


Gender Identifikation

Dein Geschlecht ist welchen biologischen Körper du hast, dein Gender ist, was dein Verstand und deine Emotionen dir sagen, das du bist. Es gibt zwei primäre Geschlechter, männlich und weiblich, und andere Geschlechter, die entweder von Geburt an da sind, aufgrund einer Operation und/oder von Hormonen. Die beiden kulturell akzeptierten Gender stimmen mit den beiden primären Geschlechtern überein.

Ich finde, der Zweck von Anarchismus ist es, die unbeugsamen Richtlinien und Regeln zu unterlassen, und anstattdessen unseren eigenen Weg zu schmieden und unser eigenes Verständnis von der Welt um uns herum zu schaffen. Aufgrunddessen ist es eine ziemlich offensichtliche Notwendigkeit binäre Gender zu zerstören.


Gender Queer

Gender Queer ist ein Konzept, nach welchem viele Menschen handeln, die sich nicht wirklich als Transgender betrachten, aber bemerken, dass sie nicht in die „männlichen“ und „weiblichen“ Stereotypen passen. Oft identifizieren sie sich mit irgendeinem dritten, vierten oder hundertundvierten anderem Gender [oder mit gar keinem].


Trannies

Eine Transgender-Person ist jemand, die_der sich am meisten mit dem Gender identifizieren, das nicht ihrem Geschlecht entspricht. Eine transsexuelle Person ist jemand, der_die eine physische Transformation von einem Geschlecht zum anderen plant, im Prozess dafür steckt, oder diesen abgeschlossen hat (oft mit der Hilfe von Hormonen und Operationen).

Trannies gehören zu dem am wenigsten verwirrten Menschen hier: sie wissen viel klarer was ihr Gender ist und was ihr Geschlecht sein sollte, als viele Menschen, die diese Dinge nie hinterfragt haben.

Errinere dich daran, dass wenn du jemand fremden nicht über seine_ihre sexuellen Interaktionen und Genitalien fragen würdest, du wahrscheinlich auch keine Transperson fragen solltest, die du nicht gut kennst. Es gibt einen Haufen Quellen online und in Bücherläden wo du deine eigene Zeit dafür verwenden kannst, um deine Neugier zu befriedigen.


„Normale“ Gender

Manche würden sagen – und andere haben tatsächlich gesagt – dass jemand, die_der entscheidet sich mit einem der zwei primären Gender, männlich oder weiblich, zu identifizieren, die Genderbefreiungsbewegung betrügt. Es gibt zumindest zwei Probleme mit dieser Behauptung:

Erstens gibt es oft Menschen die es sicherer finden als Frau oder Mann angesehen zu werden... Eine transsexuelle Frau zum Beispiel, ist manchmal wortwörtlich in Gefahr wenn herausgefunden wird, dass sie transsexuell ist. Sie wird deshalb vielleicht entscheiden als eine traditionelle Frau durchzugehen, ob es dadurch ist Make-up oder Strümpfe zu tragen, oder hässliche Hosenanzüge oder was auch immer.

Zweitens kreiert diese Behauptung künstliche Einschränkungen und Regeln. Die Freiheit einer Person wird eingeschränkt, wenn man ihr sagt, dass sie keinen Bart tragen kann, weil es Gendernormativ ist, oder dass sie aus dem selben Grund nicht ihre Beine rasieren kann. Manche Menschen entscheiden sich diese Dinge zu tun um eine Aesthetik zu erreichen, die sie sich wünschen.


Safe Spaces

Es gab neuerlich ein steigendes Interesse in anarchistischen Kreisen dafür, einen „Safe Space“ oder „Safer Space“ zu kreieren. Die Idee ist, dass bestimmte Bereiche frei von unterdrückendem Verhalten und Menschen sein sollten. Oft wird Menschen, die als Täter identifiziert wurden, der Zutritt zu solchen Bereichen nicht erlaubt. Unterdrückende Sprache wird ebenfall nicht erlaubt.


Women-only Spaces

Also, würde nicht eine Community, die sich der Zerstörung von binären Gender widmet, das Konzept von sexueller Trennung ablehnen?

In einer idealen Welt wär das vielleicht so. In der Zwischenzeit entscheiden sich viele Frauen nur mit Frauen zu interagieren, entweder generell oder in bestimmten Räumen. Das ist die „freie Vereinigung“ welche ein grundlegender Mieter von Anarchismus ist.

Aber warum bilden sich Women-only Aktionen und Räume? – Weil Frauen manchmal einfach genug davon haben, ständig patriarchal behandelt zu werden und Dinge hinkriegen und machen wollen, ohne sich die ganze Zeit mit dem Sexismus ihrer männlichen Genossen auseinanderzusetzen zu müssen.

Verdammt, ich mags auch nicht unter sexistischen Typen zu sein. Die ganze Zeit um die Dominanz im Gespräch streiten und kämpfen zu müssen; um die Alpha-Männchen Position zu kämpfen ist scheisse. Du kannst Leute nicht dafür die Schuld geben dass sie da raus wollen. Der schnellste Weg um damit umzugehen ist dich selbst von der patriarchalen Einstellung zu befreien und den Männern um dich rum zu helfen das selbe zu tun.


„Es wäre grossartig, wenn jede_r eine Sprache benutzen würde, die Respekt demonstriert, wenn man generell über eine Gruppe von Menschen redet, aber Worte werden einfach oft nicht wirklich ernst genommen. Reformierte Sprache ist nicht der erste Schritt den es geben muss um die Ansicht und das Bewusstsein von Leuten zu verändern, es ist vermutlich der letzte.“

-Caitlin Stern[7]


Sprache

Wie Tao te Ching ausdrückte: „Selbst die beste Lehre ist nicht der Tao selbst. Selbst der feinste Name ist unzureichend um es zu definieren.“[8] Sozusagen, was zählt sind die Absichten und nicht die Wörter; Wörter können niemals mehr sein als eine Übersetzung von wichtigen Konzepten.

Aber in unserer Gesellschaft haben Wörter einen Haufen Einfluss. Es sollte keine Überraschung sein, dass manche Menschen entscheiden „wimmin“, „womyn“ und andere solche Wörter schreiben. In diesem Fall wollen diese Menschen erreichen, das Konzept auzulöschen, dass „woman“ hauptsächlich eine abgeleitete Form von „men“ sind, ala Adam und Eva (weil ja Adam eine seiner Rippen hergegeben hat, um diese zu Eva zu machen, weil er gelangweilt vom wixen war). Dasselbe gilt für „herstory“ statt „history“. Sprache wird von denen definiert, die sie benutzen und nicht von akademischen Texten. Als Anarchist_innen sollten wir erkennen, dass wir keiner zentralisierten Autorität erlauben sollten, unsere Sprache und Gedanken zu beherrschen.

Manchmal entscheiden sich Feminist_innen auch dazu Wörter aus ihrem Vokabular zu streichen. Zum Beispiel verwendest du wahrscheinlich keine rassischen Beleidigungen gegen Rassen die anders als deine eigene sind, und dasselbe gilt für Geschlecht und Gender. Das Wort „Bitch“ wird normalerweise jeder Frau an den Kopf geworfen, die sich selbst stark ausdrückt (so wie es von Männern erwartet wird) und auch jedem Mann der sich erlaubt beim Sex penetriert zu werden. Das selbe Wort zu benutzen um Frauen im Allgemeinen zu beschreiben ist keine so gute Idee; weder ist es klug es in dem Kontext zu benutzen „maskuline“ Frauen oder „feminine“ Männer zu erniedrigen. Chick, Ho, Pussy, Fotze, Schwuchtel, Dyke, Schlampe, Hure. Es gibt viele Wörter mit denen sich Menschen gegenseitig erniedrigen.

Nun, wir müssen diese Wörter nicht irgendwie aus unseren Köpfen ausrotten. Es geht hier nicht um Zensur, sondern um Verständnis. Es abzulehnen ein Wort im Kontext wo über dieses Wort selbst geredet wird zu benutzen, ist lächerlich und ermächigt das Wort nur weiterhin. Wenn wir ähnliche Betroffenheiten der Worte „Neger“, „Schwuchtel“ und „Fotze“ nicht beim Namen nennen können, wird es für uns schwer sein darüber zu kommunizieren.

Im Speziellen diese drei Wörter,haben sich in unterschiedlichen Ausmassen Menschen die davon beleidigt werden, wiederangeeignet. Es wäre jedoch ziemlich unklug anzunehmen, dass du sicher alle schwulen Männer Schwuchtel nennen kannst, nur weil sich dein schwuler Freund selbst als Schwuchtel bezeichnet. Man denkt, das sollte eigentlich klar sein, ohne darüber zu reden, aber es scheint in Punk/radikalen Szenen trotzdem recht oft zu passieren.

Das Wort „Mädchen“ im Bezug auf eine erwachsene Frau zu benutzen ist für viele problematisch, weil es ein begrenztes Alter impliziert. Wenn deine männlich/weiblich Terminologie Typ/Mädchen ist, zum Beispiel, dann beschreibst du einen erwachsenen Mann und ein weibliches Kind.

Ein Problem das auftauchen kann ist, wenn wir unsere Gedanken und unsere Sprache zu einfach korrigieren, wir uns selbst in eine Position stellen können, in der wir uns auf alle weiblich gelesenen Personen über 13 oder so als Frau beziehen. Für eine Weile habe ich „Kids“ benutzt um meine Freund_innen zu beschreiben, aber nur wenn sie alle Männer waren, weil ich mich unterbewusst nicht auf eine Frau als Kind beziehe. Ich kenne einige weiblich gelesene Menschen, die nicht wollen, dass sie als Frau angesehen werden, weil sie sich Frauen als alte Ladies mit Geldbörsen und Stöckelschuhen vorstellen. Pass einfach auf deine Terminologie auf. Wenn du dich auf einen männlich gelesenen Menschen als Junge beziehst, dann ist es nicht immer ein Problem sich auf eine weiblich gelesene Person als Mädchen zu beziehen.

In geschriebener Sprache beziehen sich Leute oft auf „men“ oder „menkind“ als ein Wort, das alle Geschlechter miteinschliesst. Stell dir vor, dass jedes einzelne Beispiel davon in der Geschichte „women“ oder „womenkind“ wäre und frag dich, ob du dich dann nicht ausgeschlossen fühlen würdest. [Im Deutschen sind Nomen immer entweder männlich, weiblich oder sächlich. Trotzdem wird in der Mehrzahl offiziell, immer die männliche Form benutzt. Oder wenn im Allgemeinen über Leute gesprochen wird, wie z.B. „jemand der seine Schuhe ausgezogen hat“, wird die männliche Form benutzt usw. Deshalb haben viele angefagen, Sprache zu gendern: Binäre Formen des Genderns sind z.B: das Binnen I: AnarchistInnen, oder das Ausschreiben der weiblichen und männlichen Form: Anarchisten und Anarchistinnen. Diese schliessen allerdings Menschen, die sich nicht klar als männlich oder weiblich definieren nicht mit ein. Andere Formen, die auch diese Menschen miteinbziehen, sind Unterstrich und Stern: Anarchist_innen bzw. Anarchist*innen. Manche Leute benutzen auch abwechselnd die weibliche und männliche Form um Geschlechterannahmen zu dekonstruieren.]


Pronomen

Oft schreiben Leute über „er“ als ein allgemeines Pronomen um alle Leute abzudecken. Das ist vor allem die Schuld der englischen [und noch viel mehr der deutschen] Sprache; es gibt sehr wenige elegante Wege das Problem der Pronomen zu lösen. [Manche Leute bevorzugen daher ebenfalls Unterstriche „sie_er“ / „einer_m“ oder Sternchen „sie*er“ / „einer*m „zu benutzen. Manche Leute benutzen auch einen Schrägstrich „sie/er“, welcher aber alle Gender ausserhalb der binären Logik ausschliesst. Viele Leute bestimmen auch ihr eigenes individuelles Pronomen für sich, welches benutzt werden soll wenn über sie gesprochen wird. ]

„Es“ ist nicht genderneutral, aber anstattdessen genderlos. Sich auf eine Person als „es“ zu beziehen dient dazu abzulehnen, dass sie irgendeine Form von Gender hat, auch kein neutrales.

Ich persönlich bevorzuge die Methode, die einige moderne anarchistische Autoren benutzen; indem sie zwischen „er“ und „sie“ regelmässig abwechseln, beseitigen sie jeglichen definitiven Genderinhalt.


Witze

Witze sind ein unscharfer, verschwommener Aspekt. Sie sind auch eines der spalterischsten möglichen Themen. Sind Witze über tote Babies lustig? Sind rassistische Witze oder Witze über Vergewaltigung lustig? Hängt es davon ab wer sie erzählt? Warum erzählen Leute solche Witze? Sind sie jemals okay, auch wenn es nur du und dein_e enge_r Freund_in sind, die sie sich erzählen?

Manchmal benutzen wir Witze als einen Weg uns über Dinge zu erleichtern, die uns Angst machen. Oft sind genau die Leute, die zum Beispiel über Vergewaltigungswitze lachen Überlebende sexueller Gewalt. Aber unterschiedliche Leute reagieren auf ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt auf unterschiedliche Art und Weise, und für die meisten Leute ist es ein Trigger, wenn sich andere darüber lustig machen. Jeglicher Ort an dem du einen beleidigenden Witz erzählst, ist kein sicherer Ort für jemanden, die_der deine Absichten nicht komplett verstehen kann.

Homophobe, rassistische, sexistische und Vergewaltigungswitze bestärken explizit Unterdrückung. Aber ohne den komplexen Hintergrund zu kennen, der uns alle ausmacht, weisst du nicht, warum jemand solche Witze erzählt. Und aus dem selben Grund kannst du nicht annehmen, dass es sicher ist einen beleidigenden Witz zu erzählen.

Wenn du wirklich gerne solche Witze erzählst, in denen es über Gewalt geht, änder sie einfach so, dass sie von Cops handeln. Jede_r hasst Bullen.

Und ja, es gibt Humor dritten Grades, bei dem man über die Vorstellung lacht, dass jemand zu besoffen sein könnte um etwas zu sagen, aber zum grössten Teil haben das ironische Hippster bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.


Körperbild


Frauen

Dreh den Fernseher auf (ich bin mir sicher, dass du jemanden mit Fernseher kennst) und ich wette, dass du zu jeder Zeit eine Sitcom mit einem dicken Ehemann und einer dünnen Ehefrau finden kannst. Tatsächlich sind laut Fernsehen, Roseanne und Schwiegermütter die einzigen dicken Frauen auf dem Planeten.

Offensichtlich sind die meisten realen Frauen nicht 90-60-90 mit grossem Busen, einer schlanken Taille und massvollen Hüften. Folglich, wenn wir in unserem Leben gut klarkommen wollen, dann müssen wir erkennen, dass Schönheit dort existiert, wo sie gefunden wird.

Um uns selbst von einem bestimmten unerreichbaren Ideal zu befreien, können wir dabei anfangen jeden Porno wegzuwerfen, der nicht von einer radikal feministischen Neigung kommt. Wir müssen nicht von Bildern von nur einem Typ Frau bombardiert werden, und ich rede gar nicht davon wie stark fast alle Pornos sexistische (und heterosexistische) Stereotypen von Sex reproduzieren. Die uns vermittelten Erfahrungen (Fernsehen, Filme, Magazine, etc.) in unseren Leben zu kontrollieren ermöglicht uns zu kontrollieren, was wir selbst reproduzieren. Ich sage nicht, dass du ein schlechter feministischer Verbündeter bist, wenn du fernsiehst oder Hollywoodfilme anschaust, aber wir müssen uns der Wirkung bewusst sein, wenn wir uns bestimmte Verhaltensmuster und Körpertypen immer und immerwieder anschaun.

Die meisten Leute finden, dass je länger sie direkt in Beziehungen waren, umso mehr hat sich ihr Horizont dafür geöffnet mehrere Körpertypen als schön zu empfinden.

Ich hab mal eine anarchistische Publikation gelesen in welcher ein Leser die Frage stellte „Ich hab mich lange mit Feminismus beschäftigt, und trotzdem fühl ich mit noch immer zu stereotypisch schönen Frauen hingezogen. Was soll ich tun?“

Die Antwort der Publikation war tatsächlich, alle Dinge zu erklären, die falsch daran sind stereotypisch schöne Frauen zu mögen und ihm andere Bücher vorzuschlagen, welche – da bin ich mir sicher – ihn weiter ermahnen.

Ich finde das sehr problematisch. Lesen und Theorie sind nicht das A und O davon. Lesen wird nicht die Probleme von verinnerlichten Schönheitsstandards lösen, aber Zusammenarbeit vielleicht schon. Wenn wir Leute kennenlernen um sie kennenzulernen, und nicht aus einem sexuellen Verlangen heraus, dann kann sich eine aufrichtige Freundschaft daraus entwickeln. Je länger du mit diversen Arten von Menschen zu tun hast, umso mehr wirst du Dinge an den unterschiedlichsten Arten von Menschen attraktiv finden. Und schliesslich wirst du vielleicht trotzdem noch immer Leute attraktiv finden, die die Gesellschaft auch schön findet. Es sind schon schlimmere Dinge passiert.

Andere mediale Stereotypen über weibliche Körper sind schon eine Erleichterung wenn du sie los wirst. Haarige Beine, Achseln, Arme, Schamhaare, etc. können recht erotisch sein, wenn du mal anfängst Frauen kennenzulernen, die sich nicht rasieren. All die natürlichen Körpergerüche sind verblüffend. Die subtile (oder nicht so subtile) Kurve eines Bauches ist attraktiv. Und ja, Frauen schauen oft viel besser aus ohne Make-Up.

Es geht uns jedoch nichts an irgendjemanden zu verurteilen, aufgrund der Entscheidungen die sie_er über ihren_seinen Körper trifft. Ich weiss dass ich ein Heuchler wäre, wenn ich über Frauen urteilen würde, weil sie Make-Up tragen.


Männer

Männer leiden in dieser Gesellschaft ebenfalls unter den patriarchalen Ansichten des Körpers. Wir müssen grosse Schwänze haben, wir sollten sie als unsere Kanonen betrachten. Wir sollten laut einiger Standards stärker als Frauen sein, und klüger laut anderer Standards.

Wenn wir keine volle Gesichtsbehaarung haben, dann muss man sich über uns lustig machen, sodass wir dazu gedrängt werden uns „diese hässlichen Haare“ vom Gesicht zu rasieren. Sexuell müssen wir unerschöpfbar sein. Wir müssen stundenlang Sex haben können. Wenn wir gewissenhaft mit Frauen sind, dann sollten wir immer lange genug durchhalten, damit sie kommen, oder wir haben beim Sex versagt (hmmm... gut dass es andere Wege gibt wie ihr eure Partner_innen zum Orgasmus bringen könnt). Offensichtlich denken wir auch alle 3 Minuten an Sex.

Einen haarigen Hintern oder Brust zu haben is eklig, aber zu rasieren ist fräulich (was auch immer zum Teufel das heissen mag).

Frag einen kleinen Mann ob er irgendwelche Probleme mit sozialen Konzepten von Männlichkeit hat. Frag einen dicken Mann dasselbe.

Leider schützt uns zu wissen, dass das alles ein Haufen Scheisse ist, auch nicht davon uns mit unseren Körpern und Gewohnheiten seltsam zu fühlen. Es wird wahrscheinlich nicht aufhören, bis wir von den aufgezwungenen Gendernormen loslassen, auch wenn es nur innerhalb unserer Gruppe von Freund_innen ist.


Sexuelle Übergriffe

Noch einmal, ohne Zweifel haben es Frauen schlechter als Männer. Anderes zu behaupten würde die Realität leugnen. Aber einige der Mythen in patriarchaler Kultur machen es Männern schwer sich mit sexuellen Übergriffen zu arrangieren.

Männer können sexuell belästigt werden und Frauen können sexuell belästigen. Es ist ein sexistischer Mythos, dass Männer immer die Täter sind und Frauen immer die Opfer.

Ich habe oft gehört, dass Frauen als auch Männer die Behauptung machen, dass ein Mann nicht von einer Frau vergewaltigt werden kann. Das hat mit einem Konzept zu tun, das oft gegen die weiblichen Überlebenden von sexueller Gewalt benutzt wird: die biologische Funktion eines Körpers zwingt diesen oft dazu, erregt zu werden, männlich oder weiblich.

Ein steifer Penis oder eine feuchte Vagina machen noch keinen Konsens.


„In mehr als einer Situation wurde ich von Frauen sexuell belästigt. Einmal war es von einer Frau mit der ich in einer Beziehung war, und einmal von einer Fremden. Keine von beiden dachte, dass sie irgendetwas bestimmtes falsch machen. Ich denke sie bemerken es nicht mal jetzt. Ein interessanter Teil davon als Mann aufgezogen zu werden ist, dass ich lange Zeit selbst gedacht habe, dass eine von den beiden irgendwas falsch gemacht hat. Ich wurde jedoch misstrauisch und unglücklich. In einer Situation dachte ich, dass ich meine Freundin betrogen hätte. Manchmal fällt es mir schwer, aufgrund dieser Geschichte, Frauen denen ich nahe stehe zu vertrauen.

Eigentlich fand ich es durch feministische Gedanken heraus, dass ich angefangen habe zu bemerken, dass das was passiert war eine Date-Vergewaltigung war. Nur durch die Hilfe einiger verständnisvoller Liebhaberinnen konnte ich über die Jahre eine Art wahren Vertrauens zurückgewinnen.“[9]


Es ist unglaublich schwer für jemanden die_der betroffen ist, über Vergewaltigung zu sprechen. Unsere Kultur leugnet die perverse Natur von sexuellen Übergriffen. Die feministische Bewegung hat Jahrzehnte (Jahrhunderte? Jahrtausende?) lang hart gearbeitet, dass Frauen sich sicherer fühlen, wenn sie sich als Überlebende von sexueller Belästigung und Vergewaltigung outen, und es gibt da noch immer so viel Arbeit. Aber zumindest haben bis jetzt grosse Teile der Gesellschaft angefangen zu erkennen, dass Date-Vergewaltigungen und sexueller Zwang existieren (das gesetzlich System auf der anderen Seite, hat noch nicht aufgeholt und wird das wahrscheinlich auch nie tun. Deshalb das ganze Ding von „die Regierung stürzen“...).

Männer outen sich fast nie über Situationen von Belästigung und Vergewaltigung von Frauen. Meistens können Männer nicht einmal verstehen, dass es Belästigung oder Vergewaltigung gewesen sein könnte, und sie geben sich selbst die Schuld dafür die Situation nicht gestoppt zu haben (das selbe gilt für die meisten Frauen die Überlebende von sexueller Belästigung sind). Wenn Männer sich outen, dann glaubt man ihnen nicht; die Vergewaltigung wird als ein absoluter Zufall abgetan und es wird ihnen gesagt, dass sie die Umstände übertreiben. (und dasselbe passiert auch Frauen).

Männer outen sich auch selten über Situationen von Belästigung durch andere Männer. In unserer Kultur ist es unglaublich erniedrigend von einem anderen Mann penetriert zu werden und es wird wahrscheinlich als die äusserste Form von Vergewaltigung angesehen. Das scheint von der Tendenz unserer Kultur zu kommen, die es als „unterwürfig“ und „unmännlich“ und somit als unterlegen ansieht, während des Sex penetriert zu werden. Was sich natürlich in die Sicht auf Frauen in unserer Gesellschaft hineinträgt. Aber für Männer die von Männern vergewaltigt werden macht es das unglaublich schwer und beschämend sich zu outen. Die traurige Wahrheit ist, dass Menschen Gewalt an anderen Menschen ausüben, unabhängig von Geschlecht, Gender oder sexueller Orientierung. Manchmal ist es böswillig, manchmal gezwungen, und manchmal unabsichtlich. Es geht dabei ein bisschen um...


Konsens

Es sollte ohne es zu sagen klar sein, dass es böswillig falsch ist jemanden sexuelle Gewalt anzutun. Es sollte ebenfalls offensichtlich für jede_n mit einem Verständnis über die patriarchale Gesellschaft sein, dass es falsch ist jemandem zum Sex zu zwingen. Wie kann man also vermeiden, dass unabsichtlich Grenzen überschritten werden? Oft fühlen sich Personen nicht wirklich dazu ermächtigt eine_n Partner_in davon abzuhalten Dinge weiterzumachen. Sie könnten Angst haben vor Scham, Ablehnung oder davor, dass ihr „nein“ nicht ohne hinterfragt zu werden akzeptiert wird. Manchmal machen Leute „Kompromisse“ in welchen sie sich dazu entscheiden weiter zu gehen als sie wollen, weil sie vermeiden wollen dazu gedrängt zu werden bestimmte Dinge zu tun.

Also denke ich wir müssen einfach nur fragen, oder? Konsens muss explizit klar sein zwischen zwei Leuten, um zu vermeiden unabsichtlich irgendetwas zu tun, was die andere Person nicht will. Was, wenn der Junge mit dem du was hast in der Vergangenheit einen oralen Übergriff erlebt hat und davon getriggert wird, wenn du das bei ihm machst? Was wenn die Frau mit der du was hast gerade ihre Tage hat und es heute nicht mag gefingert zu werden, obwohl es gestern noch okay war? Und wenn du meinst es fühlt sich komisch an zu fragen, wär es nicht noch viel komischer es einfach zu machen?

Die meisten Begründungen gegen expliziten verbalen Konsens erinnern an die Begründungen gegen Kondome. „Es tötet die Stimmung.“ „Es ist nicht sexy.“ Etc. Wenn du schon davor mit deinem_r Partner_in ein Verständnis erreicht hast; dann fein. Aber wenn ihr in den entdeckerischen Phasen seid, machen physischer Schutz und expliziter verbaler Konsens einen Haufen Sinn. Sich um das Wohlbefinden der_des Partnerin_Partners zu kümmern ist eine ganze Menge intimer als irgendwelche Annahmen zu machen.


Trigger

Ein Ding das oft während psychologisch schadender Erfahrungen passiert, ist dass die_der Überlebende Trigger entwickelt. Später kann sie etwas, bewusst oder unbewusst, daran erinnern und zumindest ein Teil der negativen Gefühle von damals kommen wieder hoch. Ein Tigger kann ein bestimmter sexueller Akt sein, oder es können bestimmte Situationen, Gerüche oder Anblicke sein. Es ist wichtig zu versuchen deine_n Partner_in zu verstehen ohne prüde in ihre_seine Vergangenheit zu schnüffeln, um zu vermeiden, dass sie_er getriggert wird.


Grenzen

Leute haben sie. Es kann schwer sein zu wissen, wo die eigenen Grenzen sind, bis du darüber eine Menge nachgedacht hast.

Wenn du einmal weisst, was deine Grenzen sind, dann ist es einfacher zu wissen, dass du keine Annahmen machen solltest, wo die Grenzen von anderen Menschen sind. Die Satanisten haben eine Verhaltensweise, die folgendermassen zusammengefasst werden könnte: „Tu anderen nicht etwas an, dass du nicht willst das sie dir antun, weil wie zum Teufel willst du wissen, ob das was sie wollen, dasselbe ist was du willst?“[10]

Nur weil du wünschst mit jemandem zu kuscheln, heisst nicht, dass die Person das auch will. Es ist nicht sicher anzunehmen, dass eine Person will, dass du nahe neben ihr_ihm stehst. Fremde wollen vielleicht nicht, dass du sie umarmst. Komm schon, wer war nicht schon mal genervt von Hippies, die das tun? Denk über deine Grenzen nach und respektiere die von anderen.

Es ist wahrscheinlich eine gute Idee ein Gespräch mit einer_m Partner_in über diese Dinge zu führen. Finde einen Ort, an dem du nicht unterbrochen wirst, in einem nicht-sexuellen Umstand (wie nicht vor oder nach dem Sex im Bett liegend). Red über Trigger, Grenzen, Konsens, STDs [Sexually Transmitted Diseases=sexuell übertragbare Krankheiten], Abtreibung, all diese Dinge die Sex verkomplizieren. Es fühlt sich gut an, diese Art von Dingen aus dem Weg zu haben.


Auswirkungen von Übergriffen

Sexuelle Übergriffe finden auch innerhalb unserer radikalen Szenen statt. Die Frage was wir dagegen tun können kommt regelmässig auf und verursacht fast jedes Mal Spaltungen innerhalb radikaler Gemeinschaften. Das Thema ist zu gross und furchterregend um es ausreichend auf diesen paar Seiten zu bestreiten. Was wichtig ist, ist sich daran zu erinnern Überlebende von sexuellen Übergriffen nicht für Aktionen die sie tun oder nicht tun zu verurteilen. Die Bullen zu rufen ist nicht anarchistisch. Aber jemanden zu vergewaltigen ist es auch nicht, also müssen wir die_den Überlebende_n selbst entscheiden lassen. Wenn sie wollen, dass an dem Täter Selbstjustiz ausgeübt wird, dann ist das auch ihre Entscheidung. Sei einfach unterstützend und mach keine Annahmen.


Machtdynamiken


Die meisten Anarchist_innen sind gegen Ageism – das Konzept, dass du jemanden aufgrund der Anzahl wie oft er_sie um die Sonne gegangen ist, beurteilst oder kritisierst. Das ist auch richtig; Junge Menschen sind genauso zu ihren Meinungen und Freiheit berechtigt. Aber es gibt Machtdynamiken in Beziehungen. Diese, und nicht Zahlen, sind wichtig.

In vielen anarchistischen Punkszenen zum Beispiel, findest du nur jüngere Frauen, obwohl es eine Diversität im Alter der Männer gibt. Warum? Weil junge Frauen oft zu einer Szene stossen (oft nur dadurch, dass sie von ihrem Freund eingeladen wurden) und dort primär als sexuelle Objekte identifiziert werden, schliesslich mit dem Boy’s Club frustriert sind und sich der Szene wieder entfernen.

Eine erfahrenere Person in jeglichem Sinn hat mehr soziale Macht (ich glaube „Glaubwürdigkeit“ ist das Wort) als jemand die_der neu ist, unabhängig vom Alter. Auch wenn Menschen altern dann entwickeln sie meistens mehr Selbstbewusstsein und sind generell bestimmter über sich selbst. Ausser wenn darüber nachgedacht wird, können Machtdynamiken zwsichen zwei Liebhaber_innen unbemerkt da sein und Verwüstungen bei beiden Leuten anrichten. Damit will ich nicht sagen, dass ältere Männer niemals jüngere Frauen daten sollten, aber viele finden, dass sie eine grössere Erfüllung daraus ziehen Peers zu daten (und nicht nur Peers vom Alter her).

Es könnte der zahme, erfahrene Organisator sein, der am Ende einen grossen Teil von den neuen involvierten (und normalerweise jüngeren) Frauen, die in eine politische Szene eintreten, datet. Es könnte der Sänger der bekannten Crustband sein. Es könnte der charmante Umherreisende sein, der in die Stadt kommt mit unzähligen Geschichten über seine Abenteuer.

Die Person mit der obersten Hand ist sich der Diskrepanz vielleicht nicht bewusst. Obwohl da einige sind, die räuberisch sind, fühlen sich viel mehr Menschen ehrlich und einfach zu diesen neuen Menschen hingezogen.

Es ist jedoch eine Spirale die nach unten geht. Wenn jede neue Frau in einer Szene in diesen schrägen Beziehungen endet und als Resultat wieder geht, werden die Männer in der Szene scheinbar wenig andere Wahl haben, als damit weiter zu machen die jüngeren zu daten (jene, die die einzigen Frauen dort sind).

Paare mit einer einseitigen Machtdynamik können noch immer daten, das ist sicher, aber es ist wichtig, dass die Machtdynamik ins Auge gefasst wird. Was kann diese weniger erfahrene Person dir bieten? Fühlst du dich zu ihnen hingezogen, weil sie dich begehren? Aus einem rein sexuellen Sichtpunkt aus? Respektierst du ernsthaft ihre Meinungen oder findest du sie ein bisschen naiv? Gibt es einen gleichen Austausch in der Beziehung, sexuell, intellektuell, emotional?


Genderrollen in Beziehungen


Einleitung

Als eine Konsequenz daraus, dass Frauen in erster Linie über ihr Aussehen beurteilt werden, werden sie oft in eine reaktive Position gezwungen in der sie ja oder nein zu einem proaktiven Mann sagen.

Du kannst den ersten Schritt machen und noch immer ein guter feministischer Verbündeter sein. Aber wenn du immer den ersten Schritt machst, dann geht irgendwas wahrscheinlich schief. Es ist auch wichtig sich so bewusst wie möglich über die Verlangen (und das Fehlen von Verlangen) von Menschen zu sein.

Hast du jemals jemanden geküsst und dich gefühlt, als ob die Person nicht wirklich bei der Sache war? Dann musst du vielleicht drüber nachdenken, oder drüber reden, oder die Person nicht küssen.


„Als ich zum ersten Mal tatsächlich angefangen habe über diese Dynamiken nachzudenken, war meine erste Reaktion, dass ich mich selbst in die reaktive Position gezwungen hab und nie irgendeinen Schritt auf jemanden zu gemacht hab. Das hat damit geendet, dass Leute auf mich zugegangen sind, auf die ich niemals zugegangen wäre, und als sie versucht haben mich zu küssen hab ich sie nicht davon abgehalten.

Weil ich sie anfangs nicht gestoppt habe, fühlte ich eine komische Verpflichtung sie weiter zu küssen. Nur dass ich es nicht wirklich wollte. So ist das wenn du nur in der reaktiven Position bist und dir unklar über deine Grenzen bist und darüber wen du anziehend findest.

Es hat keines meiner Probleme gelöst, dass ich mich in die reaktive Rolle gezwungen habe; es hat mich nur in eine unbequeme Position begeben.“[11]


In der Beziehung

Wenn deine Beziehung in traditionelle Geschlechterrollen fällt, dann frag dich selbst warum das so ist. Manchmal fallen Beziehungen aus einem guten Grund in traditionelle Geschlechterrollen, aber viel öfter ist das einfach so, weil es das ist woran wir gewöhnt sind. Einige Stereotypen in anarchistischen Beziehungen:

Der Mann ist ein viel beschäftigter, hart arbeitender Organisator, der sich selbst die ganze Zeit stresst. Die Frau unterstützt ihn; vielleicht schreibt sie ihm jede Nacht, oder sagt ihm, dass das was er tut gut und nötig ist. Sogar wenn die Frau auch eine hart arbeitende Organisatorin ist endet es oft so, dass sie der beruhigende Teil der Beziehung ist.

In anarchistischer Kultur, in der nicht-Konsum eine Tugend ist, entscheiden sich viele dafür nicht arbeiten zu gehen. Ohne Einkommen entscheiden sich viele zu squaten, um zu wohnen. Viele machen Couchsurfing. Und viele ziehen bei ihrer_m Partner_in ein. Allzuoft, wenn Squatterjungs bei ihrer Partnerin einziehen, dann verfallen sie in die Gewohnheit sich alle ihre Lebensunterhaltskosten von ihren Partnerinnen bezahlen zu lassen. Anstatt sich selbst von der kapitalistischen Wirtschaft zu befreien; sie leben einfach von jemand anderem und machen Frauen zu ihren Versorgerinnen. Häufig geht die Freundin zur Schule und hat einen Job und teilt ihr Bett und ihr Essen mit ihrem „Squatter“Freund. Die Vergleiche von Kulturen auf die wir herabsehen sind furchterregend. Es gibt verantwortungsvolle Wege zusammenzuziehen: versichere dich, dass du dich selbst und deine_n Partner_in auf eine andere Art und Weise versorgst.

Männer werden von der Kultur ermächtigt Heuchler zu sein, wenns um Fremdgehen geht. In monogamen Beziehungen darf der Mann oft flirten, oder zumindest mit anderen Frauen abhängen, aber fühlt sich unsicher damit, wenn seine Partnerin mit anderen Männern flirtet und abhängt. Sogar in nicht-monogamen Beziehungen taucht dieser Doppelstandard oft auf.


„Filme beeinflussen meine Gedanken. Alte sowie neue Filme übermitteln Ideen über Menschen die sich gegenseitig bescheissen; in alten Filmen ist es ersichtlich, dass von Männern erwartet wird, dass sie ihre Geliebte haben und dass Frauen Objekte sind, die man zur Befriedigung benutzt. Ich habe immer zu mir selbst gedacht: „ich bin nicht so und ich brauche keinen Sex“, aber ich habe niemals darauf vertraut, dass andere Leute irgendwie anders sind als die Leute auf der Leinwand. In neueren Filmen wird dargestellt, dass alles was jeder wirklich will Sex ist und dass sie es kriegen woauch immer sie können. Wenn du deine_n Geliebte_n für zu lange alleine lässt, dann geht sie_er nach draussen um jemand anderes zu finden, weil Sex ihr einziges Bedürfnis ist. Sie reproduzieren das Konzept, dass eine Frau es nicht lange ohne Sex aushält; eine Frau deren Partner nicht da ist schnappt sich die nächste Person.

Frauen in Filmen haben meist keinen männlichen Freund, ausser wenn sie mit ihm heimlich schlafen. Bei mir endets damit, dass ich glaube, dass jeder männliche Freund eine Bedrohung für meine Beziehung ist. Ich weiss vielleicht die Quelle des Problems, aber es ist schwer über etwas hinwegzukommen, dass mir sei ich ein kleins Kind war immer und immerwieder erzählt wurde.

Hollywood ist der Teufel und wenn du nicht vorsichtig bist, dann kann es sogar die beste Beziehung zerstören.“[12]


Sexuelle & Reproduktive Gesundheit


STDs [sexuell übertragbare Krankheiten]

Die bekanntesten STDs rufen eher bei Frauen als bei Männern gesundheitliche Komplikationen hervor. Sich regelmässig testen zu lassen und nicht nur wenn man Symptome hat und auch nicht nur auf HIV, ist wichtig. HPV (der Virus der genitale Warzen verursachen kann) ist besonders gefährlich weil es teuer ist ihn zu testen, er keine besonderen Probleme für Männer verursacht, aber bei Frauen Gebärmutterhalskrebs verursachen kann. Der kann auch durch Kondome durchgehen. Angsteinflössend? Jep.

Sich auf HPV testen zu lassen kann allerdings auch unglaublich schwierig werden, besonders für jene von uns in der „gebrochenen“ Klasse. Ärzt_innen werden dir normalerweise einfach erzählen, dass es kein besonderes Thema ist. Mach einfach was du kannst.


Abtreibung

Respektiere und verteidige das Recht von Frauen zu entscheiden. Als Männer sind wir nicht in der besten Position um die Komplexitäten von Abtreibung und Schwangerschaft zu verstehen, deshalb sollten wir mehr oder weniger einfach auf unsere weiblichen Kamerad_innen vertrauen. Es ist wahrscheinlich eine gute Idee mit einer_m potenziellen Liebhaber_in über Abtreibung zu sprechen, bevor ihr zum ersten Mal vaginalen Verkehr habt. Mein schlimmster Albtraum ist es eine Frau zu schwängern nur um rauszufinden, dass sie nicht abtreiben will (manche Abtreibungsbefürworter_innen würden sich persönlich nicht für eine Abtreibung entscheiden). Ich will kein ungeplantes Kind haben. Redet vorher darüber, denn...

...wenn es dazu kommt, ist es wirklich ein Recht der Frau zu entscheiden, was sie mit ihrem Körper macht. Du willst vielleicht dass es abgetrieben wird, aber wenn sie das nicht will, kannst du sie nicht zwingen. Du willst es vielleicht behalten, aber wenn sie das nicht will, dann muss sie das auch nicht. Wenn dein_e Partner_in schwanger ist, und sich entscheidet abzutreiben, dann sollte das gehen ohne dir zu sagen, dass du so unterstützend und respektvoll wie möglich sein solltest.


Das Patriarchat beim Organisieren


Ich hatte einmal die Ehre, in Bezug auf ein Projekt an dem ich arbeitete, bei einem Treffen dabei zu sein, bei dem eine Aktion nur mit Frauen geplant wurde. Es ging ziemlich schnell vorbei; hat eine Menge erreicht, es wurde ein Konsens erreicht, niemand hat jemand anderen unterbrochen oder über wen andren drüber geredet und fast alle der Anwesenden haben sich zu Wort gemeldet.

Wenn ich das mit Treffen von gemischten Geschlechtern vergleiche bei denen ich war (oh, ich könnte den hunderten Stunden nachtrauern, die ich dadurch in meinem Leben verloren habe...) kann ich mir nicht helfen, aber ich hab das Gefühl, dass Frauen einen Vorteil haben, wenn es um anarchistisches Organisieren geht. Männern wurde gelehrt, dass alle ihre Meinungen angehört und verstanden werden müssen, ihre Punkte immer wiederholt werden müssen, und generell zu versuchen alles was um sie rum passiert zu kontrollieren. Im Kontext einen Konsens zu finden ist das tödlich.

Was muss getan werden? Also gut, für Anfänger, versichere dich, dass du über alles nachgedacht hast, das du sagen willst bevor du es sagst. Was mir auch aufgefallen ist, ist dass wenn du einfach den Mund hältst, normalerweise jemand anderes deinen Punkt ebenfalls äussert. Wenn das niemand macht, dann melde dich und red drüber, aber sei dir klar darüber, dass alle anderen in dem Treffen auch ihre gut durchdachten Meinungen haben. Und du musst deinen Punkt vielleicht nicht wiederholen für Leute um es zu verstehen.

Wie auch in Punkszenen kann es sein, dass in anarchistischen Orga-Kreisen Frauen ziemlich kurz daran teilnehmen. Und warum sollten sie das nicht tun? Eine strukturlose, „führerlose“ Organisation wird oft einen de-facto Anführer haben, normalerweise ein Mann, der seinen weg mit Zwang von Willen und Erfahrung geht.

Noch schlimmer ist, dass manche Frauen nur mit Respekt behandelt werden und ihnen nur zugehört wird, wenn sie als sexuell verfügbar wahrgenommen werden. Das ist vor allem wahr in männlich dominierten Gebieten der Technologie; Computer- und Videokollektive sind beide berühmt berüchtigt für sowas. Männer tun das oft ohne es überhaupt zu bemerken.

Also denk über die Genderdynamiken von Situationen nach.

Oft machen Frauen die ächzenden Organisierungen: Flyern, Telefonate, Büroarbeit, Putzen, Kochen. Es ist nicht so, weil sie gefragt werden oder weil Männer finden, dass die Frauen das machen sollten. Es ist so, weil Männer nicht aufstehen um solche Sachen zu machen, die sie normalerweise für selbstverständlich ansehen. Fokussieren wir uns mal auf die grossen, sexy Aktionen. Wir wollen die Mediensprecher sein, oder die taktischen Entscheidungen für den Blackblock ausarbeiten, oder was auch immer. Nicht dass das nicht wichtige Dinge sind, die erledigt werden müssen, aber das sind nicht die einzigen Arbeiten, die getan werden müssen.

Steh auf um ächzende Arbeit für deine Organisation zu tun, mach Kopien, putz das Büro und koch Abendessen. Wasch zumindest das verdammte Geschirr nachdem alle gegessen haben. Besteh nicht darauf eine Frau zu ersetzen, die gerade diese Dinge erledigt, aber biete es an. Es kann beleidigend sein so zu tun, als ob eine Frau automatisch unter stereotypisch „weiblichen“ Aufgaben leidet.

Anarchist_innen haben die Angewohnheit jede Arbeit abzulehnen, die das System als reformistisch und liberal nutzt. Jedoch sind bestimmte Probleme die mit Gender zu tun haben imperative für uns um unsere Kamerad_innen und uns selbst abzusichern, während wir für die totale Befreiung arbeiten. Offensichtlich ist Gefängnisabschaffungsarbeit sehr wichtig für uns. Ebenso ist es wichtig für Trans-Akzeptanz, queere Befreiung und Abtreibungsrechte zu kämpfen oder zumindest diejenigen die das tun zu unterstützen.

Bestimmt brauchen wir einen anarchistischen Ansatz für diese Problematiken. Die „Glasdecke“ zu bekämpfen, die Frauen davon abhält die Macht zu haben, alle unfair zu behandeln, wie es Männer tun ist kein Teil von anarchafeministischer Kritik.


Gewalt

Als ich klein war sind Jungen auf Bäume geklettert und Mädchen nicht. Deshalb zu behaupten, dass auf Bäume klettern maskulin oder mackerhaft ist, scheint ein schwaches Argument zu sein... viel mehr hatten es Mädchen untermauert, dass auf Bäume klettern etwas war, was Jungen machen und nicht Mädchen. Ich hasse es wenn wir, als eine radikale Kultur, diese Stereotypen reproduzieren. Physisches Training wird als mackerhaft bezeichnet. Sparring wird als mackerhaft bezeichnet. Kunstflug zu lernen wird sogar irgendwie als mackerhaft bezeichnet.

Wenn du besser als jemand anders im Kämpfen bist, und du ihn oder sie deshalb beherrschst, dann ist das klar mackerhaft. Aber sich selbst mit Freunden für physische Konflikte vorzubereiten hat mehr mit responsivem Anarchismus zu tun als mit irgend einer Genderbestimmung.

Jedoch, weil ich es eingebracht habe: viele Frauen finden es nicht einfach, in Sparring oder physische Wettkämpfe involviert zu werden. Meiner Erfahrung nach müssen viele (nicht alle) Frauen ermutigt werden mitzumachen. Das trifft auch auf Männer wie mich zu, die damit aufgewachsen sind physische Wettbewerbe zu vermeiden und ein Umfeld brauchen, das einladend für Anfänger_innen und gleichermassen für Expert_innen ist, um involviert zu werden. Erinnere dich auch daran, dass wir als Anarchist_innen nicht um eine Vorherrschaft streiten, sondern eher zusammenarbeiten um unsere Fähigkeiten zu verbessern.

Es gibt eine ziemlich vorherrschende Neigung im (vorwiegend liberalen) Feminismus die die Gleichung Gewalt=Patriarchat essenziell fördert. Das ist jedoch tief verankert in den Vorurteilen unserer Kultur bezüglich Gender und Geschlecht. Es basiert in dieser theoretischen Welt in der Männer gewalttätig sind und Frauen passiv. Wenn Frauen aggressiv oder gewalttätig sind, dann wird angenommen, dass sie maskulin sind. Es gibt nichts das weiter weg von der Wahrheit sein könnte.

Obwohl es riesige Aspekte unserer primären Kultur gibt die gewalttätig und patriarchal sind (imperialistischer Krieg und häusliche Misshandlungen, um nur zwei zu nennen), ist Gewalt an sich ein intrinsischer Teil von menschlicher Erfahrung. Sie ist bei ihrer grundlegendsten Natur abhängig von Gender.

In nahezu jeder Revolution nehmen Frauen genauso bereitwillig wie Männer Waffen in die Hände, führen genauso wie Männer, sterben genauso wie Männer. Und normalerweise wird ihnen erzählt, dass sie nach der Revolution gleich behandelt werden. In den meisten Fällen ist das eine Lüge (Staatskommunisten waren eine erwähnenswerte Ausnahme, aber dann haben sie auch wieder nicht die befreiteste der Gesellschaften geschaffen. Gleichviel unterdrückt zu werden ist noch immer ziemlich scheisse.)

So lange da Feminist_innen waren, gab es auch militante Feminist_innen die glaubten, wenn ihnen Gleichheit nicht zugestanden wird, dann nehmen sie sich diese mit Zwang. Anarchist_innen verstehen diesen Standpunkt. Wenn uns Freiheit nicht zugestanden wird, dann sollten wir sie uns tatsächlich nehmen.

Selbstverteidigung ist ein Recht und kein Symptom vom Patriarchat.


Gefühle

Wenn Mädchen gelehrt wird nicht gewalttätig zu sein, wird Jungen gelehrt, dass sich nicht emotional sein dürfen. Ausser in sehr wenigen Umständen, wie zum Beispiel wenn sie mit ihrer_m Liebhaber_in alleine sind, sollen Männer stoisch und unbeugsam sein. Und obwohl es einen Platz für Stoizismus in aktivem anarchistischen Kampf gibt, verbringen sehr wenige anarchistische Männer die meiste ihrer Zeit in einer physischen Konfrontation mit dem Staat.

Wir haben einen Haufen Arbeit zu tun, um uns mit unseren Emotionen zu befassen.

Es ist wirklich einfach besser zu wissen wie du dich fühlst, und wie andere Menschen über dich fühlen. Ich will dazu fähig sein mit meinen männlichen Freund_innen, unabhängig von physischer Anziehung, genauso emotional verbunden zu sein, wie mit meinen weiblichen Freund_innen, unabhängig von physischer Anziehung.


Wie man nicht ein kompletter verdammter Depp sein kann

Erlaube deinem neu gefundenen „Feminismus“ nicht ein Weg zu sein um Frauen zu treffen. Mach es einfach nicht.

Prahle nicht mit deiner Anti-Patriarchats Arbeit. Du kannst es natürlich schon in einem Kontext erwähnen, aber gibt nicht damit an. Denke nicht, dass weil du „an deinem Scheiss arbeitest“ du befreit von Verantwortung für jegliche Handlungen die du tust, bist. Das Wichtigste ist nicht, was du sagst, oder was du denkst, sondern das Wichtigste ist, was du tust. Wenn du Frauen noch immer unter Druck setzt, oder über die Grenzen von Menschen hinweggehst, dann handelst du noch immer sexistisch, egal wie laut du rausschreist, dass du sexistischen, aufreisserischen Athleten auf die Fresse haust.

[2] Kornegger, Peggy. “Anarchism: the Feminist Connection” Quiet Rumours. Dark Star Press. Oakland: AK Press, 2002

[3] siehe see http://www.indybay.org/newsitems/2003/01/19/15620241.php

[4] siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Squamish_Five

[5] siehe http://www.spunk.org/texts/anarcfem/sp001834.html

[6] siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Women%27s_suffrage

[7] Stern, Caitlin. Das Zitat entstammt einem persönlichen Schriftverkehr.

[8] siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Tao

[9] Anonymous

[10] siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Satanism#Satanic_philosophy

[11] Anonymous

[12] Anonymous