Titel: Ohne Umschweife
Untertitel: Der Widerstand der italienischen Anarchisten in den Vereinigten Staaten gegen den Krieg mittels der Cronaca Sovversiva
Datum: 2019
Quelle: Entommen aus „Die Reihen durchbrechen. Gegen den Krieg, gegen den Frieden, für die soziale Revolution“, Hourriya internationalistische anarchistische pamphlets Nr. 5, 2019, S. 123-165.

Der Kampf, auf den sich das Proletariat vorbereitete, heißt nicht Krieg, sondern Revolution. Und wir wissen alle, wie unsere Ideen von den Mächtigen durch Waffengewalt und den Zwang der Gesetze bekämpft, durchkreuzt und bestraft werden. [...] Wir werden alleine sein. Wir stellen dies mit erbitterter und gewaltiger Freude fest. Alleine gegen den von der Bourgeoisie gewollten Krieg, aber vereint durch unsere Sache. Wir sind nicht neutral: Denn wir Anarchisten haben auch in den Momenten des für alle andern bequemen Friedens, immer gekämpft und unsere Ideen, unsere Flagge verteidigt.“

Per la causa nostra (Für unsere Sache),

Cronaca Sovversiva, 26. Dezember 1914


Erster August 1914. Die Zeitung Cronaca Sovversiva[1] feiert im ersten Artikel der wöchentlichen Ausgabe den 14. Jahrestag der Ermordung des Königs Umberto I. durch Gaetano Bresci. Ein Medaillon mit dem Abbild des anarchistischen Schützen, und ein paar Zeilen, die unter anderem daran erinnern, dass: „so lange es Tyrannen gibt, wird es Selbstjustiz geben; so lange es Unterdrückung gibt, wird der rebellische Unterdrückte den Unterdrücker herausfordern und sein Todesurteil vollstrecken. Das ist die Geschichte aller Zeiten, und so wird es immer sein, so lange der letzte Ausbeuter nicht in einem blutigen Röcheln verschwunden sein wird“. Eine absolute, unveränderbare Regel, eine vom Prinzip untrennbare Konsequenz: die Freiheit. Aber an diesem selben Tag riefen die gegenwärtigen Geschehnisse eine andere Regel in Erinnerung. Eine genau so absolute Regel, Konsequenz des entgegengesetzten Prinzips: so lange die Staaten und der Kapitalismus die Lebensbedingungen auf Erden bestimmen, wird es Kriege geben. Und in der Tat: vier Tage nachdem Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärt hatte, sprach Deutschland seine Kriegserklärung an Russland aus. Der erste Akt eines Konflikts, der in kurzer Zeit in einen totalen, großangelegten Krieg ausartete.

Wenn auch niemand im Unwissen über dieses organisierte Massaker ist, und wenn nur wenige Anarchisten, unter all den möglichen Tendenzen, den oben erwähnten Königsmord und dessen Autor nicht kennen, wie viele wissen hingegen, dass in den Vereinigten Staaten zwischen 1914 und 1920 eine große bewaffnete revolutionäre Offensive gegen die staatlichen, richterlichen, religiösen, industriellen und finanziellen Institutionen des wichtigsten kapitalistischen Landes des Planeten geführt wurde? Direkte Aktionen, die nicht von den kämpfenden Organisationen irgendeiner politischen Partei oder irgendeiner mehr oder weniger radikalen Massenbewegung ausgeführt wurden, sondern vielmehr von ein paar Handvoll italienischer Anarchisten, die am Anfang des 20. Jahrhunderts dort eingewandert waren. Während die Geschichtsschreibung der anarchistischen Bewegung im Großen und Ganzen von dieser Zeit nur den Verrat der anarchistischen Prinzipien, den das Manifest der Sechzehn darstellt, und die davon ausgelöste Polemik festhält, sind uns – bestenfalls – Ideen, Taten, Vorschläge und Perspektiven dieser in den Vereinigten Staaten eingewanderten Anarchisten, die doch sehr aktiv waren und eine gefährliche Entschlossenheit aufbrachten, unbekannt. Gefährten, die man in vielerlei Hinsichten nicht zu den „klassischen Antimilitaristen“ zählen kann, und auch nicht voll ins Bild der anarchistischen Opposition zum Krieg passen. Und wenn „vielleicht die wichtigste Aktivität jene ist, die im Schweigen vollbracht wurde und in Vergessenheit gerät“[2], so nimmt das den wenigen Spuren, die uns erreicht haben und die immer noch viel zu sagen haben, nichts weg.

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Wir berufen uns nicht auf die Vereinbarung und die Allianz der „freien und zivilisierten“ lateinischen und slawischen Völker gegen die barbarischen teutonischen Horden. Wir haben nie an die moderne Zivilisation geglaubt. Wir empfinden keine schmachtende Zuneigung für irgendwelche Gekrönten auf dieser Welt. Wir wollen die Vereinbarung und die Allianz jener, die den Drang und den Willen verspüren, das Bestehende zu zerstören, gegen jene, die aus Eigeninteresse, Starrsinn oder Unwissenheit diese Gegenwart aufrechterhalten wollen.“

Nell’attesa (In Erwartung), Umberto

Postiglione, Cronaca Sovversiva,

26. September 1914

Im Verlaufe dieses Herbstes 1914 bietet Cronaca Sovversiva Platz für Diskussionen und Debatten, welche die Gefährten während mehreren Wochen beschäftigten, und welche die Grundlage der kommenden Interventionen und Vorschläge darstellten. Einige sehen den Krieg mit Fatalismus und Kalkül als einen Krisenmoment, der, wie jede Krise, eine Transformationskraft besitzt. Der Krieg würde dem Proletariat die Ungeheuerlichkeiten der Regierungen vor Augen führen, es aufrütteln und somit zum Ausbruch der Revolution führen. Andere haben eine weniger mechanistische Vision und befürworten, angesichts der Hassentladungen und der fiktiven Feindseligkeiten, welche die Proletarier dazu bringen, in den Krieg zu gehen, die Wichtigkeit einer Propaganda, die daran erinnert, dass die „einzigen logischen Gegner in der gegenwärtigen sozialen Ordnung“ die Besitzenden sind, die ihre allgegenwärtige und vielgestaltige Herrschaft wahren wollen, und jene, die um eine weniger prekäre Existenz kämpfen. Die Kritiken seitens der Anarchisten gegen die Pazifisten, Christen und ihre Gefühlsduselei führen zu einer Ermahnung, dass die Gewalt

von unten mit derselben Intensität an Gewalt, die von oben kommt – jene des „kapitalistisch-bourgeoisen und staatlichen Regimes“ – antworten sollte. Und in der Überzeugung, dass nur der soziale Krieg die bestehende Ordnung umstürzen kann. Am 12. September werden die Gefährten in der aperiodischen Rubrik Fra noi (Unter uns) formell dazu eingeladen, sich zum Krieg zu äußern. Gegenüber den Lesern, die ein solches Vorgehen als zu intellektuell beurteilen, verteidigt die Zeitung – wie üblich – zwei fundamentale Ausdrücke der menschlichen Aktivität, welche zwar unterschiedlich sind, sich aber gegenseitig nähren: das Denken und die Aktion. Wenn eines der Ziele der Zeitung darin besteht, Fähigkeiten wie Beobachtung, Reflexion, Analyse und Debatte anzuregen, geschieht dies nicht, um sich mit etwas Hirngymnastik zu begnügen, sondern, um die Aktion vorzubereiten, die Köpfe mit Ideen zu füllen und diese für die Zukunft gedeihen zu lassen. Hier ein paar Zeilen zum Wortlaut dieser Debatten: „Der Krieg ist etwas schlechtes, niemand bestreitet das; aber ist er ein notwendiges, unumgängliches Leid, oder ist er einfach das Resultat der Intrigen einer Gruppe von Individuen, die keine Menschlichkeit kennen? Ist er eine historische Fatalität oder eine willentlich geschaffene Begebenheit? Und weiter: Kann der Krieg das Kommen der Revolution beschleunigen oder ihr Steine in den Weg legen? Folglich: Sollen wir Anarchisten ‚Nieder mit dem Krieg‘ oder ‚Es lebe der Krieg‘ rufen?“

Eine spaltende Debatte. Auf der einen Seite jene, für die „Nieder mit dem Krieg“ unter anderem auf der Überzeugung basiert, dass der Krieg die Institutionen und patriotischen Gefühle stärkt und ein Sicherheitsventil für die Regierungen darstellt. Und auf der anderen Seite jene, für die „Es lebe der Krieg“ sich zum Beispiel aus der Überzeugung rechtfertigt, dass „Anarchie Kampf, Leben, Bewegung ist“, und „wir den langen erdrückenden Zeiten des bewaffneten Friedens, die uns bluten lassen, uns täuschen und uns verblöden, den blutigen Ausbruch der gegnerischen und feindlichen Energien vorziehen, der aufweckt, stärkt und belebt“. In der Vorahnung, dass die Meinungsverschiedenheiten vielleicht nicht so tief sind, schlug ein Beitrag vor, den Gegensatz zwischen „Nieder mit dem Krieg!“ der einen und „Es lebe der Krieg!“ der anderen zu umgehen und sich hinter dem Ruf „Es lebe der soziale Krieg!“ zu versammeln. Und da das Europa der Zaren und Monarchen bald ein rauchender Haufen von Trümmern und Ruinen sein würde, werde die Zeit kommen, es neu zu gestalten. In diesem Moment müsse dafür gesorgt werden, dass es nicht in die blutverschmierten Hände der Sieger gerate. „Dass das Arbeitervolk die Waffen nicht niederlegt. Dass es die Munition, die Kraft und das Heldentum für seinen eigenen Krieg aufbewahrt. Dass die letzte Szene des düsteren Dramas, das sich im Theater des europäischen Krieges abspielt der Höhepunkt der Revolte der Arbeit sein werde.“ Der Vorschlag war lanciert: Die Stunde der Revolte würde kommen, der richtige Moment des Aufstands würde kommen, man müsse sich darauf vorbereiten. Diese Frage der Vorbereitung würde bald in aller Munde sein, im Geist und in den Entscheidungen der Gefährten. Denn wenn einerseits „die Diskussion wichtig ist und, da wir weder Dogmen noch Katechismen noch Programme pflegen, es richtig ist, dass jeder unter uns zeigt, dass er seine eigenen Überzeugungen ausgearbeitet hat: das ist in sich eine Bekräftigung der Unabhängigkeit des Geistes und des Gehirns“, würde anderseits durch die Vertiefung der Ideen, um zwei Positionen und zwei Kampfschreie zu verteidigen – Rufe, deren Unterschiede, in der Ansicht des Beiträgers, mehr formell als grundlegend sind – die revolutionäre Energie verloren gehen, wenn sie nicht von der Aktion begleitet wird. So hatte diese Anfang des Jahres 1915, etwa sechs Monate nach dem Anfang des Krieges, die im September lancierte Debatte die Geister gestärkt, das Denken verfeinert, das Bewusstsein gebildet und zur Aktion ermutigt. Und wenn es nicht in Frage kam, die Diskussionen zu beenden, so bestand zweifellos die Notwenigkeit, mehr Energie für die Agitationsarbeit und die Revolutionsvorbereitung aufzubringen.

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Die Händler sind Händler: Ihre christlichen Skrupel haben sie an dem Tag aufgegeben, an dem sie auf dem Rücken der Diener, auf deren Schweiß, deren Qualen, auf dieser Schandtat die ersten hundert Dollar kassiert haben, während sie die Milliarde anstrebten. Sie werden diese [Skrupel] nicht plötzlich heute zurückerlangen, wo man die Milliarde auf die Schnelle, von Blut und Schande befleckt, durch Gemetzel und Zerstörung erwirbt.“

La Repubblica di Sant’Ignazio

(Die Republik von St. Ignazius), Mentana,

Cronaca Sovversiva, 9. Januar 1915

Am 7. November 1914, erscheint in Cronaca Sovversiva der erste von einer Reihe von sieben Artikeln mit dem Titel Per la guerra, per la neutralità o per la pace? (Für den Krieg, für die Neutralität oder für den Frieden?), die von Luigi Galleani geschrieben wurden.

Einerseits stellt er gründlich die anarchistischen Interventionisten in Frage, in dem er mit Genauigkeit ihre Argumente zerlegt, sowie die Behauptungen, auf denen sich letztere stützen (wobei er auf Cipriani und Kropotkin persönlich abzielt). Anderseits veranschaulicht Galleani mit Hilfe von Presseartikeln, Zahlen, Statistiken und offiziellen Dokumente, dass „der Krieg heute nichts weiter als ein Unternehmen der Börse, ein Geschäft“ ist. Seiner Ansicht nach sind die Ursachen des Kriegs eher im unbeugsamen Antagonismus zwischen den Bankern und den Industriellen Deutschlands und Englands zu suchen, als in den Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland (besonders die Konflikte bezüglich des Elsass und Lothringen, wie Kropotkin behauptet). Am 28. November 1914 bemerkte ein regelmäßig Beitragender der Cronaca mit Ironie, dass der europäische Krieg in zwei Monaten ein Wunder vollbracht habe, das selbst durch hundert Jahre Fasten und Beten nicht erreicht werden würde. Die Vereinigten Staaten waren plötzlich zu Antimilitaristen geworden. Ihr Fanatismus für den Frieden zwischen den Kriegsländern ging sogar so weit, dass der Staatschef einen Gebetstag organisierte. Während des Marsches bat letzterer den biblischen Gott um das Ende des Krieges. „Welch eine Heuchelei!“, war im Artikel zu lesen. „Es ist eine Heuchelei, weil der Präsident der großen Republik zum Unsichtbaren betet, während er keine Maßnahmen gegen die amerikanischen Industriellen ergreift, die den Kriegsländern Waffen und Munition liefern, um ihre Massaker zu vollziehen“. Tatsächlich war „der Anfang des Krieges in Europa für die amerikanische Rüstungsindustrie eine wahrhafte Gabe des Himmels. Die Bestellungen erfuhren einen starken Anstieg, je weiter sich der Konflikt ausbreitete, desto mehr wurde die Massenvernichtung zu einem rentablen Geschäft.“[3] Am 9. Januar 1915 publizierte Galleani einen Artikel mit dem Titel: „La Repubblica di Sant’Ignazio“ (Die Republik von St. Ignatius), ein harter Angriff gegen das Geschäft mit dem Tod, in dem man nicht nur erfuhr, dass die Regierungen die unverschämte Summe von täglich 40 Millionen Dollar für die Zerstörung von Gütern und Menschen ausgibt, sondern auch eine Liste der Rüstungskommissionen und die Namen der verantwortlichen Unternehmen veröffentlicht wurde. Es ist also vielleicht kein Zufall, dass in den darauf folgenden Monaten die in New Jersey und um New York liegenden Kriegsfabriken zum Ziel von Brand- oder Sprengstoffanschlägen wurden. Zum Beispiel, am 5. März gegen die Munitionsfabrik DuPont in Haskell, am 4. April gegen ein Waffendepot in Pompton Lakes, am 10. Mai bei der Firma DuPont in Caney Point, am 15. Juli in der Werft von Weehawken, am 29. August in den Einrichtungen der Firma DuPont in Wilmington, oder auch die zwischen dem 6. März und dem 9. Juli verzeichneten 10 Anschläge gegen die Munitionsfrachten im Hafen von New York. Übrigens brachte ein Leser in der Cronaca vom 18. September 1915, einen Monat nach der Einführung der Rubrik Che cosa fare? (Was gibt’s zu tun?) zum Ausdruck, dass „wenn der Krieg stattfindet, wird es bestimmt Verantwortliche geben. Und unser Ziel ist es, die Verantwortlichkeiten zu recherchieren und aufzuzeigen, genauso wie unsere Aktion darauf abzielen muss, sie zu vernichten und dabei das Unbehagen und den Missmut, welche sich durch das Elend, den Tod und den Bürden aller Art des grausamen Massakers im enttäuschten und verbitterten Gemüt des internationalen Proletariats vertiefen, wahrzunehmen.“ Ein Ausdruck dafür, dass die Idee, die Verantwortlichen des europäischen Krieges direkt anzugreifen zirkulierte, dass sie greifbar geworden war. Was auch der Brand vom Bethlehem Steel Plant (der mehrmals in der Cronaca zitiert wurde) am 10. November zeigt, der 64.000 m² des Betriebsgeländes zerstörte, in dem sich Kriegsfahrzeuge und Kriegsmaterial befand, und mehrere Millionen Dollar Schaden anrichtete. Was auch die Explosion vom 29. Februar 1916 in der New England Manufacturing Company zeigt, in einem Vorort von Boston, die eines der Gebäude zerstörte, in dem TNT gelagert war. Diese Explosion ist vielleicht nicht einem einfachen „Betriebsunglück“ zuzuschreiben, wie es die Zeitungen behaupteten. Den Gerüchten zufolge bekam die Direktion zwei Wochen vor dem Anschlag einen Drohbrief, der die Waffenfabrik dazu aufforderte die Lieferungen an die Kriegsländer in Europa einzustellen. Wer waren die Autoren dieser Sabotagen gegen das Getriebe der Rüstungsindustrie? „Agenten des Kaisers“? Wütende Arbeiter? Anarchisten? Auch wenn nicht alle Anschläge den Gefährten zugeschrieben werden können, muss man jedoch eingestehen, wie zutreffend die Argumentationen waren, die letztere hätten motivieren können: Wie gegen den Krieg auf der anderen Seite des Ozeans kämpfen, wie kann man mit Entschlossenheit und konkret gegen den Militarismus hier in den Vereinigten Staaten kämpfen, wenn nicht „durch den Angriff gegen die Fabriken, die zwei Schritte weit entfernt von ihnen die nötigen Instrumente für das laufende Massaker herstellten?“ Anderseits ist ebenfalls gewiss, dass sie an den verschiedenen anonymen Angriffen, die in dieser Zeit stattgefunden haben, auch nicht unbeteiligt waren.

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Wenn ihr euch die Mühe gemacht hättet die unaufhörlichen Veränderungen des Lebens zu beobachten, hättet ihr verstanden, dass die Zerstörung der alten Formen neue erzeugt, die den neuen Bedürfnissen besser angepasst sind. Und ihr wärt weder von unserer Gewalt noch von unserem zerstörerischen Geist überrascht.“

Cronaca Sovversiva, 19. September 1914


Tatsächlich explodierte am 4. Juli 1914 eine Bombe in den Händen dreier Anarchisten aus New York, die an den Protesten gegen das Massaker der Minenarbeiter von Ludlow in Colorado im April beteiligt waren. Laut Ermittlungen war sie für Rockefeller vorgesehen, der Besitzer des größten Minenunternehmens (die Colorado Fuel & Iron Company) und Auftraggeber dieses blutigen Massakers, welches dutzende Tote unter den Streikenden und ihren Angehörigen forderte. Am 13. Oktober 1914, dem fünften Jahrestag der Hinrichtung von Francisco Ferrer, explodierte eine Bombe in der Kathedrale St. Patrick von New York und eine weitere in der Kirche St. Alphonse, wo einige Wochen zuvor ein Demonstrationszug von Arbeitslosen (ihnen voran der Anarchist Frank Tannenbaum) eine Unterkunft und zu Essen gefordert hatten, eine Initiative die mit der Verhaftung von 190 Personen und der Verurteilung des Gefährten zu einem Jahr Haft endete. Am 11. November, Jahrestag der Hinrichtung der „Märtyrer von Chicago“, explodierte eine Bombe im Eingang des Bronx Court House, dem New Yorker Gerichtshof. Unter den Trümmern fanden die Ermittler eine anarchistische Broschüre, Die Märtyrer von Chicago, in der man zur Rache für den Tod von Spies, Fischer, Parsons, Engel und Lingg aufrief. Am 14. November gelang es einem Individuum in einem Saal des Justizpalastes von Centre Street unter dem Stuhl des Richter A. L. Campbell eine Bombe mit brennender Zündschnur zu legen (der Richter zeichnete sich durch harte Strafen gegen hunderte, während den Agitationen der vorigen Monaten verhaftete, Subversive aus), jedoch weckte er durch seine stürmische Flucht den Verdacht der anwesenden Polizisten, die den Docht noch vor dem entscheidenden Augenblick herausziehen konnten. Die rächenden Absichten dieser Anarchisten waren kein Geheimnis, wie es unter anderem die Worte von Umberto Postiglione in der Cronaca Sovversiva vom 30. Januar 1915 zeigen, der ohne Umschweife bekräftigte: „ein Italien ohne Schändlichkeiten der Priester, ohne Ausbeutung durch die Arbeitgeber, ohne Tyrannei der Könige“ zu wollen. „Für dieses [Italien] werden wir in den Krieg gehen, wir werden uns auflehnen. Und für jene, die eine Rache auszuüben haben, die erste Gelegenheit, die sich bietet, begierig aufgespürt, ist die richtige.“ Genauso ihre Absichten den „guten Krieg“, den sozialen Krieg zu führen. In einem Artikel Galleanis vom 13. März 1915, wo er die Vermehrung der Angriffe gegen verschiedene Ziele in den letzten Monaten beobachtet, freut er sich darüber, dass der Proletarier sich über „die furchtbare Effizienz der extremen Kampfmittel, die er endlich entschloss anzuwenden“ bewusst geworden ist. Inmitten des europäischen Krieges war dies der einzige Krieg an dem sie sich versprochen hatten weiter teilzunehmen: jener, in dem man die Strukturen und Verantwortlichen der Herrschaft direkt angreift. Jener, in dem im Verlauf eines sozialen Kampfes (wie die Streiks) sowie in Zeiten des Rückgangs (während Repressionswellen) sich jeder gegen die ihm aufgezwungene Situation aufl ehnen kann, mit Wagemut, Entschlossenheit und einer besonderen Auffassung von Solidarität: eine vielgestaltige Solidarität, die weder Großzügigkeit noch Empathie ausschließt, mit der Absicht, den Kampf weiterzuführen und zu nähren, nicht gezwungenermaßen an der Seite der Betroffenen, aber gegen den Repressionsapparat, der sie getroffen hat.

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Wir sind damit einverstanden, dass man die Revolutionen nicht organisiert, aber, ich glaube, wir sind auch alle damit einverstanden, dass die Aufstände ohne eine geistreiche, geduldige und eifrige Arbeit sich weder entwickeln, noch ihren Weg finden, noch die gewünschten Konsequenzen herbeiführen.“

Cronaca Sovversiva, 18. September 1915

Die Stärke des Anarchismus besteht nicht nur in der Tatsache, dass er gleichzeitig ein sehr reiches Zusammen von Ideen über die Welt, ein Lebensstil und eine Bestätigung seiner selbst ist, durch die Entwicklung des eigenen Bewusstseins und der eigenen Sensibilität. Er besteht ebenso in einer Aufforderung zur Revolte die nicht auf ihre Stunde wartet, wie auch in seinen Versuchen, durch das ständige Pendeln zwischen Theorie und Praxis, schneller zur Stunde der sozialen Revolution zu gelangen. Dies würde ohne die Fähigkeit, Analysen der Kontexte und der Situationen auf verschiedenen Ebenen zu erarbeiten, mit dem Ziel, daraus Interventionsmöglichkeiten zu ziehen nicht möglich, und auch nicht ohne die Entschlossenheit, sich darauf vorzubereiten. Ein paar Wochen bevor Italien am 23. Mai 1915 auf der Seite der Triple-Entente in den Krieg zog, publizierte Galleani in der Cronaca einen Artikel mit einem aussagekräftigen Titel: Contro la guerra per la rivoluzione sociale (Gegen den Krieg, für die soziale Revolution). In der Stunde, in der das italienische Proletariat von den königlichen Anordnungen und den Predigten der Bischöfe aufgerufen wurde, die Waffen zur Hand zu nehmen, um den Thron, das Vaterland, den Glauben, die Tradition, die Felder, Minen und Fabriken zu verteidigen, rief auch Galleani die Proletarier dazu auf, diese Waffen zur Hand zu nehmen. Ja, sie zur Hand zu nehmen, aber mit einer sehr unterschiedlichen Perspektive, sie zu ergreifen, um „uns unser Land wieder anzueignen, das Haus, das uns gehört, das Brot, die Freiheit, die Erholung, die Liebe, die Freude, die Zukunft. Um uns unseren Platz an der Sonne wieder zu nehmen, unseren Platz im Leben, unseren Platz in der Geschichte.“ Es muss festgestellt werden, dass der Kriegseintritt Italiens beachtliche Konsequenzen auf das Umfeld der italienischen Migranten in den USA, als auch in Kanada, hatte. Der Vorschlag Galleanis eine „notwendige Einigung über die Projekte, Ziele und Aktionen“ unter den „libertären aller Fraktionen“ zu finden (was weitgehend von der anarchistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten und in Italien geteilt wurde), konkretisierte sich unter anderem in einer großen Demonstration gegen den Krieg, die am 20. Juni in New York organisiert wurde und die Subversiven und Arbeiter dazu aufrief, den Anhängern des Krieges eine unermüdliche Schlacht zu liefern. Es war die erste einer langen Reihe von Demonstrationen, Kundgebungen und Konfrontationen[4], die in zahlreichen Städten in einem beständigen Rhythmus stattfanden. Teilweise fanden die Treffen auf nationaler Ebene statt und verschrieben sich die kulturellen und linguistischen Hürden zu überwinden. So gab es beim „Großen internationalen Treffen zum Protest gegen den Krieg“, das von internationalistischen Anarchisten aus Boston am 17. Oktober 1915 organisiert wurde, bekannte Redner der anarchistischen Bewegungen, die auf Italienisch, Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch, Russisch und Hebräisch das Wort ergriffen. An gewissen Orten schien diese ganze Agitation Früchte zu tragen. Am Prozess gegen den Anarchisten Delmoro im Dezember 1915 in Hamilton (Kanada), der sich wegen anti-religiöser und anti-militaristischer Propaganda angeklagt sah, da er unter anderem das Flugblatt „Söhne, kehrt nicht dorthin zurück“ (veröffentlicht am 24. Juli 1915 in der Cronaca, und in Form von Flugblättern von über zehntausend Exemplaren verteilt) verteilt haben soll, gestand ein Spitzel dem Richter, dass in Kanada unter den Italienern ein gewisser Enthusiasmus für den Krieg herrschte, und dass nach der Verbreitung dieses Aufrufs niemand mehr in den Krieg ziehen wollte! Woche für Woche intensivierte sich der Konflikt zwischen den Interventionisten und den Antimilitaristen. Das italienische Konsulat in New York (das am 14. Juni 1914, genau eine Woche nach dem Ausbruch der Settimana Rossa, zum Ziel eines knapp verfehlten Angriffs wurde, genauso wie am 5. November 1915) griff auf mafiöse Hilfe zurück, um diese antimilitaristische Propaganda zum Schweigen zu bringen. Die ganze anarchistische Bewegung schien von den Fragestellungen rund um die auszuführenden Aktionen und die zu unternehmenden Initiativen durchströmt zu sein. Dieses Anliegen war so dringend, dass die Cronaca am 14. August 1915 die neue Rubrik Che cosa fare, ora? (Was gibt’s zu tun?) eröffnete, die durch den gleichnamigen Artikel des Genfer Anarchisten Luigi Bertoni eingeleitet wurde. Der Artikel betonte, „Denken ist gut, aber Agieren ist noch besser. Aktivität ist Leben. Die Zukunft gehört den Aktiven, dem Menschen der Aktion. Es geht darum sich gut zu verstehen, sich bezüglich dieser Aktivität zu verstehen.“ Infolge dieses Artikels wurden Dutzende und aber Dutzende Beiträge an die Cronaca geschickt, welche bis Ende des Jahres regelmäßig die von der Redaktion als die am interessantesten eingeschätzten Artikel veröffentlichte.

Am 1. Januar 1916 bemerkte jemand in einem mit „Anno nuovo?“ (Neues Jahr?) betitelten Artikel, dass es „zu viele Funken in der Luft gibt, als dass der Wind nicht einmal einen in das Pulverfass der Revolution bringt“, und dass im Feuer des sozialen Krieges, die Anarchisten mit einer genauen Vorstellung der zu erfüllenden Aufgaben an ihrem Platz sein werden. Während die Diskussion über die Reaktion auf den Krieg noch im Gange war, verfügten sie hingegen in anderen Kämpfen, an welche sich der antimilitaristische Kampf hinzu tat, über eine gewisse Erfahrung. Zum Beispiel, wenn ein spontaner Streik ausbrach, nahmen sie direkt daran teil und wenn das nicht möglich war, solidarisierten sie sich deutlich mit ihm. Dazu kam es am 17. Januar, als ein Streik – der einen Monat lang andauern wird – in der Cordage Company von Plymouth ausbrach, der weltweit größten Seilfabrik, die seit Beginn des Krieges ein rapides Anwachsen von Bestellungen erfuhr. Die Anarchisten aus dem Umfeld der Cronaca (besonders Vanzetti, der seine ganze Energie dafür aufbrachte) eilten herbei, um am Konfl ikt teilzunehmen, den sie als sehr viel versprechend einschätzten, besonders weil die Arbeiter sich geweigert hatten, sich sowohl von den reformistischen Gewerkschaften, als auch von der I.W.W., organisieren zu lassen. Der Verlauf dieses Streiks und die Erfahrungen, die diese der Cronaca nahestehenden Gefährten machten, führten zu positiven Schlussfolgerungen. Die Arbeiter, die sie angetroffen hatten, teilten nicht nur den Vorschlag der Gefährten, den vollen und kollektiven Besitz der Felder, der Minen, der Fabriken, der Eisenbahn, der Häfen durch die gewaltvolle Enteignung der Besitzenden zu ergreifen, die ein Monopol beanspruchten. Ebenso verwarfen sie nicht die Revolution, als das extreme Mittel, um die Freiheit zu erobern. Wenn Mut, Energie und Kraft für die Revolution fehlte, war die Rolle der agierenden anarchistischen Minderheit jene, die ihrige zu übermitteln. Es ist dieses Vertrauen und dieses Bewusstsein über die, im Hinblick auf den Ausbruch der sozialen Revolution zu erfüllenden Aufgaben, die man wenig überraschend, zwei Monate später in Galleanis Artikel „Contro la guerra, contro la pace, per la rivoluzione“ (Gegen den Krieg, gegen den Frieden, für die Revolution) wiederfindet, der in der Spezialausgabe „Contro la guerra“ (Gegen den Krieg!) erschien.


In der Zwischenzeit versuchten die verschiedenen subversiven Tendenzen weiter, eine breite Protestbewegung gegen den europäischen Konflikt aufzubauen. Am Sonntag den 30. Januar 1916, fand das Große internationale Treffen gegen den Krieg schließlich in New York statt, wo sich Redner italienischer, französischer, englischer, russischer und deutscher Sprache versammelten. In der Ankündigung erinnerten die Organisatoren die Arbeiter daran, dass der die Welt mit Blut befleckende Krieg gegen sie gerichtet war, und dass ihr Krieg, jener gegen „alle Vampire, die uns das Blut in den Minen, Fabriken, Werkstätten aussaugen, überall, wo Arme und Gehirn der Arbeiter sich für den Reichtum anderer abmühen“ sei. Worte, die vielleicht, in Anbetracht der Situation Ende des Januars 1916, noch mehr als üblich ihren vollen Sinn ergeben. Dennoch waren nicht alle Gefährten der Cronaca mit der Absicht, verschiedene subversive Tendenzen zu versammeln, einverstanden und dabei ihre theoretischen und praktischen Divergenzen auf die Seite zu legen. Die am 18. März 1916 erschienene Spezialausgabe „Contro la guerra“ (Gegen den Krieg!) (eine doppelte Ausgabe mit einer Aufl age, welche die 7000 Kopien der Hommage an Kropotkin und die 10.000 der Hommage an Francisco Ferrer überstieg) stellt die ausführlichste Antwort auf die von ihnen einige Monate zuvor lancierte Debatte dar, mit einem Blick über den lokalen und nationalen Kontext hinaus. Neben den Artikeln zur Agitation (die zum Beispiel die Ablehnung des Krieges sowie des Friedens bekräftigen oder zur Kriegsdienstverweigerung anstacheln), einer Studie über die globale Situation (den unmittelbar bevorstehenden Kriegseintritt der Vereinigten Staaten vorhersehend, die sich einen guten Platz auf dem Weltmarkt sichern wollen) und Berichten, sind auch Kritiken und Vorschläge zu finden, welche die Einzigartigkeit ihres Anarchismus ausmachen. Wie jener Schwerthieb gegen „das Organisationsgeschwür“ in einem Artikel, der unmissverständlich mit „Che cosa è fallito“ (Etwas ist gescheitert) betitelt wurde. Die Arbeiterorganisationen in Europa, die sich zugleich mit großem Aufwand an Propaganda als subversiv aufgespielt hatten, hatten vor dem Krieg hart darauf hin gearbeitet, die Arbeiter zu organisieren und sie in ihre Strukturen einzugliedern. Sie rannten hinter den Mitgliederzahlen her und interessierten sich mehr dafür, sie an Befehle von oben zu gewöhnen, als deren Bewusstsein und Willen zu stärken. Die Tatsache, dass Millionen von Mitgliedern, die sich für emanzipiert hielten, wenn sie es versucht hätten, den Krieg hätten verhindern können, schließlich an die Front gingen, nachdem die Chefs schlagartig ihr Fähnchen nach dem Wind gedreht hatten, war wohl „der fauligste Ausdruck der angeblich subversiven Organisationen“. Oder dieser kühne Vorschlag im Artikel „Gegen den Krieg, gegen den Frieden, für die Revolution“, welcher der damals gängigen Perspektive (sich auf den Gegenzug bei Kriegsende vorzubereiten) die Überzeugung entgegensetzte, dass angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Situation, der Aufstand vor der Waffenruhe in einem der europäischen Länder ausbrechen würde, um zu verhindern, dass der Frieden auf den Ruinen des Krieges die alte soziale Ordnung wiederherstellt. Sobald der Aufstand ausbrechen würde, müssten die Anarchisten sich folgender Aufgabe bewusst werden: die Macht zu verwirren, in dem sie enthauptet wird, die herrschende Klasse durch die Beseitigung der wichtigsten Repräsentanten in die Flucht zu schlagen. Jene, die potentiell gefährlich oder ein Hindernis sind, zu eliminieren.

Dies ist die Idee dieser Gefährten: in Zeiten des Arbeiterkampfes, wie auch in einer vor-aufständischen Situation, bildet die anarchistische Offensive durch die Vervielfältigung gezielter Angriffe gleichzeitig die Verwirklichung ihrer Kämpfe und einen Beitrag, der darauf abzielt, eine Bruchstelle zu öffnen, mit der Absicht, falls Andere denselben Weg einschlagen, das Pulverfass zum explodieren

zu bringen.

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Wie gestern gegen den Krieg, dort unten, sind wir auch heute gegen den Krieg, hier, wo er von den gleichen Intrigen und den gleichen Lügen geschwängert aufblitzt, gierig nach dem gleichen Blut, nach der gleichen Beute und nach den gleichen Restaurationen. Wie gegen den dreckigen Frieden, dort unten, sind wir auch heute gegen den Frieden, hier, der allseits das Privileg und die Knechtschaft, die Ungleichheit und die Ungerechtigkeit besiegelt.“

Ed ora, tocca a noi (Und jetzt sind wir dran),

Mariuzza, Cronaca Sovversiva, 10.

Februar 1917

Es war also eine Gewissheit, dass der Aufstand in Europa ausbrechen würde, der Krieg konnte nicht ewig andauern. Aber vorerst konnte man auf der anderen Seite des Atlantiks am Horizont mit der gleichen Gewissheit wahrnehmen, dass die Vereinigten Staaten in den Krieg eintreten würden. Eigentlich war der Juni 1916 nicht nur der Monat, in dem der Kongress die Produktion von Kriegsmaterialien abgesegnet (Torpedoboote, Kreuzer, Unterseeboote, Flugzeuge...), die Anzahl an Heeresrekruten erhöht und zu diesem Zweck Millionen Dollar zur Verfügung gestellt hat. Zu der selben Zeit lud die Bundesregierung in einem Rundschreiben, das an alle Gemeinden mit mehr als 4000 Einwohnern gesendet wurde, die Direktoren der öffentlichen Schulen dazu ein, mit den Behörden des Ortes bei der „Amerikanisierung“ der Ausländer zu kooperieren. Es ging nämlich genau darum, die Liebe zur „Wahlheimat“ und die Pflicht, ihr in jedem Fall zu dienen, in die Herzen der Immigranten einzuflößen, um die Rekrutierung im Falle des Krieges einfacher zu machen. Und es war im Jahr 1916 als das Preparedness Movement (lanciert von den höchsten Behörden mit dem Ziel in der Verwaltungsbehörde Lobbying zu betreiben, die Nation von den Interessen für das Land zu überzeugen und sich auf den Krieg vorzubereiten) den Höhepunkt seiner Tätigkeit erreichte. In diesem Zeitraum wurden auch Preparedness Parades durchgeführt – am 13. Mai in New York (11 Stunden Truppenschau, 150.000 Teilnehmer und mehr als eine Million Zuschauer), am 17. Mai in Baltimore (7.000 Teilnehmer und mehr als 100.000 Zuschauer), am 3. Juni in Providence (52.000 Personen), am 14. Juni in Washington (60.000 Personen). Aber dieser militärische Bekehrungseifer, der speziell die staatlichen Verwaltungsbehörden, die Kirche und die Zivilgesellschaft einbezog, ging nicht ohne Zusammenstöße und Widerstände vonstatten. Ein Beispiel ist die Versammlung gegen den Krieg, die am 20. Juli 1916 stattfand und an der mehr als 4000 Subversive teilnahmen. Und es sind wahrscheinlich die Ereignisse des 22. Juli in San Francisco, welche die extremen Folgen zeigten zu denen dieser erbitterte Bruch in der Bevölkerung, geteilt zwischen den Verfechtern des laufenden Krieges und jenen, die sich ihnen mit Gewalt entgegensetzten, führen könnte. An jenem Tag explodiert dort, nur wenige Minuten vor dem Beginn der Truppenschau, eine starke Bombe, die zehn Tote und vierzig Verletzte unter den Zuschauern verursachte. Ein Angriff, dem ein Brief an alle Zeitungen von San Francisco vorausgegangen war, in dem „die Exilierten der militärischen Regierungen von Italien, Deutschland, den Vereinigten Staaten“, die den Text unterzeichnet hatten, hinweisen: „unsere Proteste gegenüber dieser Vorbereitungspropaganda haben sich als zwecklos erwiesen, deshalb sind wir dazu übergegangen, für den 22. eine kleine Aktion auszuführen, deren Echo in der Welt erklingen wird und zeigen wird, dass Frisco sehr gut weiß was zu tun ist, und dass der Militarismus uns und unseren Kindern nicht auferlegt werden kann ohne gewaltsamen Protest. [...] wollen wir den patriotischen Heuchlern, die den Krieg preisen, aber dort niemals hingehen, eine echte Kostprobe des Krieges geben“. Ein Angriff, der von Artikeln in verschiedenen anarchistischen Zeitungen gefolgt wurde und diesen verteidigten, wie beispielsweise in The Blast aus San Francisco, in der Alexander Berkman schrieb: „wie schrecklich die Tragödie auch sei, sie stellt nur eine kleine Kostprobe dessen dar, was sich die Leute vom Wahnsinn der Preparedness erwarten können, aber millionenfach multipliziert [...] es ist klar, dass die Unterdrückung und die Drohung von oben, und die Vorbereitungen für die militärischen und industriellen Massaker, zwangsläufig zu einem bitteren Ressentiment und zu einem gewalttätigen Widerstand von unten führen“. Ein gewalttätiger Widerstand von unten, der in der Folge, wie in den vorhergehenden Monaten, von einer intensiven Agitationsarbeit genährt (Zeitungen, Bücher, Treffen[5], Kundgebungen...) sowie von einer zähen und entschlossenen Aktivität (Demonstrationen, Störungen von Predigten, Zeremonien und patriotischen oder Initiativen zugunsten des Krieges) verwirklicht wurde, von denen die Ereignisse von Milwaukee des 9. September des folgenden Jahres, inmitten einer Periode der Reaktion, nur einige der Veranschaulichungen sind. An jenem Tag begab sich der italienische Pfarrer Augusto Giuliani, erbitterter Verteidiger des Krieges, zum dritten Mal in das Viertel von Bay View, um seine guten Worte des heiligen Geistes zu bringen, eine Lobrede auf das sich zutragende Massaker zu schwingen und seine Herdentiere anzutreiben, ihre eigene Pflicht zu erfüllen, d.h. sich bei der Rekrutierungsstelle anzumelden. Die Anarchisten, die bereits das Fest der vorhergehenden Woche versaut hatten, fanden sich dieses Mal mit Polizisten konfrontiert, die den Priester beschützten: Eine Schießerei fand statt, nachdem die Gefährten das Feuer eröffnet hatten, um sich gegen die Schläge der Polizisten zu verteidigen. Zwei Anarchisten starben, einer wurde schwer verletzt und weitere elf wurden verhaftet. Die Rache ließ nicht lange auf sich warten: einige Monate später, während die Verhafteten gerade verurteilt wurden, wurde eine Bombe vor die Kirche geworfen. Aufgrund eines glücklichen Zusammentreffens von Umständen landete diese in einem Truppensaal der Polizeiwache. Dort setzte sie ihrer kurzen Existenz ein Ende und nahm die zehn anwesenden Bullen mit sich, worunter die Mörder der Gefährten. An jenem Ende des Jahres 1916 waren die Anarchisten regelmäßig das Ziel der Repression und der immer „willkürlichere“ und heftigere Charakter, den diese annahm, lies den maßgeschneiderten Maulkorb, den die Regierung am Erschaffen war, durchscheinen. Aber es war ab dem 6. April 1917, als die Jagd nach den Subversiven die Züge echter und tatsächlicher Schläge annahm. An jenem Tag verkündete der Präsident Woodrow Wilson offiziell den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg und rief „diejenigen, die auf der Seite Amerikas stehen, am Anfang, am Ende und für alle Ewigkeit“ zu dessen Unterstützung auf. Für die Revolutionäre verkündete diese befehlerische Aufforderung sich in die Reihen einzufügen, eine Intensivierung der Repression, erst recht für die Ausländer, und eine zusätzliche Einschränkung des von der liberalen Demokratie zugelassenen Spielraums (Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit...). Die Regierung verlangte den Gehorsam, die Loyalität und die Zustimmung aller. Jedes „Recht auf Kritik“, das bis jetzt mehr oder weniger toleriert worden war, wurde nunmehr komplett unterdrückt. Den Krieg zu kritisieren, gegen seine Massaker zu protestieren, in einer Zeitung oder auf der Straße, wurde zu einem Akt des Verrats an der Nation, den sich ein legislatives Arsenals mitleidlos bezahlen ließ. Am 18. Mai verabschiedete der Kongress das Gesetz zur allgemeinen Wehrpflicht und stellte die fehlende Eintragung in der Einberufungsliste mit einem Jahr Gefängnis unter Strafe, und am 15. Juni trat der Espionage Act in Kraft, der die anarchistischen Zeitungen de facto verbot und damit auch die Beteiligung an diesen. In dieser Situation, in der der Krieg Auswärts den Krieg gegen den inneren Feind verschärfte, wurden die Feinde der Ordnung in die Enge getrieben; verstummen und alle Tätigkeiten aufgeben oder andersherum weitermachen und sicher im Gefängnis enden; in die Klandestinität übergehen, umziehen, falsche Identitäten annehmen, bei Freunden verstecken oder die Grenze (mit Kanada oder Mexiko) überschreiten. Zwischen Frühling und Sommer 1917 war es diese letzte Option, die von den Gefährten um die Cronaca gewählt wurde. Zwei Gründe scheinen den Fortgang motiviert zu haben. In erster Linie die Überzeugung, dass die Revolution, die einige Monate zuvor in Russland ausgebrochen war, sich auf den Rest von Europa, also Italien, ausbreiten würde, und dass es viel leichter sein würde von Mexiko aus dorthin zu reisen, als von den Vereinigten Staaten, die seit kurzem mit den Italienern verbündet waren. Und letztendlich die Möglichkeit für die einen, einfacher den Umgang mit Waffen und Explosiven zu üben oder für die anderen, die bereits Experten waren (vor allem dank der Veröffentlichung der Anleitung La Salute è in voi! im Jahr 1906 und deren weitreichende Verbreitung über die Jahre hinweg), ihr Können zu festigen. Welche die von den Gefährten getroffene Wahl auch sei, für alle (ausgenommen jener, die sich aus dem Kampf zurückzogen) war das, was sie motivierte, der Wille um weiterhin zu handeln, damit die soziale Revolution ausbrechen würde und die Überzeugung, dass es notwendig war sich auf die ersten aufständischen Funken vorzubereiten oder besser noch, diese anzuzetteln.

***

Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass [der Espionage Act] beabsichtigt war, [um] die libertären Feinde des kapitalistischen Krieges zum Schweigen zu bringen, die Subversiven zu treffen, von denen die Bundes- und Staatsgefängnisse gefüllt waren. [...] Aber was jetzt?! Der Krieg ist vorbei, aber alles bleibt in der Absurdität bestehen, als ob der Frieden niemals geschlossen worden wäre, der Kriegszustand ist immer in Kraft.“

Guerra in tempo di pace (Krieg in Zeiten des Friedens),

Tommaso, Cronaca Sovversiva,

20. März 1919

Letztendlich ist die Refl exion in Bezug auf den Antimilitarismus, die immer noch gefüllt ist von allen Potenzialitäten, die uns von diesen sich im Umfeld der Cronaca befindenden Anarchisten übermittelt werden, dass der Krieg und der Frieden zwei Aspekte, zwei Momente des gleichen Phänomens sind: In Zeiten des Krieges wie in Zeiten des Friedens muss sich das Proletariat, mit Blut und Schweiß, des Reichtums, der Herrschaft, der Allmacht einer Minderheit vergewissern, die es ausbeutet und regiert, und dass der einzige Weg zur Freiheit die Revolution ist. Dass die Reaktion in Zeiten des Friedens und in jenen des Krieges dieselbe ist. Das was sich ändert ist die Intensität, wie es zu jener Zeit durch die Fülle an Prozessen, die Gefängnisstrafen, das Verbot der Zeitungen, die Plünderungen ihrer Räumlichkeiten, die Razzien, die Entführungen, die Deportationen und die Tötungen gegen alle Subversiven bewiesen wurde. Dass der Antagonismus der gleiche bleibt, mit den Verfechtern der sozialen Ordnung auf der einen Seite und jenen, die sie umstürzen wollen auf der anderen. Ein Antagonismus, der durch den Konflikt an seine äußeren Limits gedrängt und mit der Aktion vertieft werden muss. Eine kollektive Aktion, denn diesen Gefährten zufolge ist keine Revolution denkbar ohne der Teilnahme des „Proletariats“. Ein Proletariat, das nie als kopflose Masse betrachtet wurde, die es zu mobilisieren galt, sondern als eine Gesamtheit von Individuen, deren authentische und subjektive Radikalität sich im Kampf ausdrücken können muss, der beste Schutz gegen die Logik der Gehorsamkeit, die das Heraufkommen einer neuen Herrschaft erlaubt, sei sie auch revolutionär. Individuen, die nach ihrem eigenen Bewusstsein handeln, und deren Mut, Gewagtheit und Energie ansteckend werden können. Daraus ergibt sich, vielleicht zuallererst, die Notwendigkeit der individuellen Aktion, die ihren Platz ebenso außerhalb des Kampfes findet, um diesen zu entfachen und zu entfesseln, wie an seinem Inneren, um ihn zu fördern, zu stärken oder zu radikalisieren. Eine spürbare, verkörperte Auffassung des Handelns, wenn man an die Welle der Sprengstoff- oder Brandanschläge gegen die Gerichte, Richter, Kommissariate, Kirchen und Regierungsinstitutionen, Politiker, Fabriken, Industrielle etc. denkt, die ab 1914 gegen die Vereinigten Staaten brandeten. Angriffe, die noch relevanter wurden im Jahr 1919, mitten in der Jagd auf die Roten und nach unzähligen Deportationen von italienischen Anarchisten. Angriffe, die zugleich von der Entschlossenheit und der organisatorischen Fähigkeiten zeugten, unter anderem auch aufgrund ihrer Koordination.

Am 30. Dezember zerstört eine Bombe in Philadelphia das Haus von Ernest T. Trigg, dem Präsidenten der Handelskammer, und zur gleichen Zeit eine andere jenes des Polizeikommissars William B. Mills, und jenes des Bundesrichters Robert von Moschzisker, anschließend wurde noch eine vierte gefunden, im dritten Stock eines Bundesgebäudes, vor der Tür eines Polizeibüros, nahe des Büros des Staatsanwalts Francis Fisher Kane. An allen diesen Orten wurden hunderte Flugblätter gefunden, die „an die Ausbeuter, an die Richter, an die Polizisten, an die Soldaten“ gerichtet waren.

Im Februar 1919 wurde ein Flugblatt mit den Titel Go-Head! (Vorwärts!) und unterzeichnet mit Die amerikanischen Anarchisten in ganz New England verbreitet, das nachdrücklich beteuerte: „[...] Wir, die amerikanischen Anarchisten, protestieren nicht, denn es ist zwecklos, Energie mit blöden Personen zu verschwenden, die von unserer Majestät Phonograph Wilson geführt werden. Glaubt nicht, dass nur die Ausländer Anarchisten sind, auch hier sind wir in großer Zahl. Die Deportation wird den Sturm nicht davon abhalten unsere Ufer zu erreichen. Der Sturm ist hier und sehr bald wird er euch überfl uten, euch zerquetschen, euch im Blut und im Feuer vernichten. Ihr habt uns kein Mitleid gezeigt. Wir werden das gleiche tun. Deportiert uns! Wir werden euch in die Luft sprengen! Deportiert uns alle oder lasst uns alle frei!“. Im Jahr 1915 hatte die Cronaca einen Artikel veröffentlicht, der den 1. Mai kritisierte und einigen Anarchisten vorwarf, „den 1. Mai zu wählen, um einmal pro Jahr die eigenen revolutionären Überzeugungen zu bekräftigen, um dann die eigene Machtlosigkeit in der kollektiven Feigheit der restlichen Tage des Jahres zu verstecken, wodurch er zu einem absurden, vollkommen unsinnigen Akt wird“, und die Initiativen honorierte, die darauf abzielen „stattdessen eine große Menge an Individuen [...] ein unerschütterliches revolutionäres Bewusstsein zu erschaffen“ und bekräftigte, dass „die Revolutionäre das ganze Jahr, Tag für Tag, ihren Revolutionärismus mit Wort und Tat bestärken müssen, dass die Arbeiter beweisen müssen, dass sie fähig sind, der Ausbeutung der Arbeitgeber zu widerstehen“. Aber an jenem 1. Mai 1919 hatte sich die Situation geändert. Zwischen dem 22. und dem 26. April waren um die dreißig Paketbomben direkt an die Wohnsitze der Politiker, Staatsbeamten und Geschäftsmänner verschickt worden, die (wenn sie nicht einfach und schlichtweg bedeutungsvolle Vertreter des Kapitalismus waren) gemein hatten, sich in der Umsetzung der Einwanderungspolitik, der Entwicklung des 1914 in Kraft getretenen repressiven Arsenals oder in der Repression gegen die subversive Bedrohung, ausgezeichnet zu haben. Unter ihnen Alexander Mitchell Palmer, Justizminister, Albert S. Burleson, Generaldirektor der Post (der den Postversand der revolutionären Presse verboten hatte), William B. Wilson, Arbeitsminister (dessen Aufgabe es war, die Deportationsgesuche zu genehmigen), Anthony Caminetti, Generalbeauftragter für Immigration, Frederick C. Howe, Beauftragter für Immigration in Ellis Island, John D. Rockefeller, J. P. Morgan, Richard E. Enright, Polizeikommissar von New York, Kenesaw M. Landis, Bundesrichter, Charles Fickert, Staatsanwalt des Distrikts von San Francisco... Eine Vorwarnung, wie man in der Cronaca des 1. Mai lesen kann, an „jene, die auf der anderen Seite [der Barrikaden] auf dem wahnsinnigen Vorsatz beharren, den Weg zum Fortschritt, zur Freiheit zu einem neuen Menschwerden mit wilder Repression, mit Knebel und Gefängnis zu versperren“.

Einen Monat später, in der Nacht des 2. Juni 1919, werden acht Bomben, jede bestehend aus fast zehn Kilo Dynamit und von den selben fachkundigen Händen hergestellt, direkt an den Wohnsitzen des Richters Albert F. Hayden (Boston), des Abgeordneten Leland W. Powers (Newtonville), des Richters Charles C. Nott Jr. (New York), des Sekretärs der Handelskammer John J. Fitzgerald (Paterson), des Richters William H. Thompson und des Hauptinspektors des Einwanderungsbüros (Pittsburgh), des Bürgermeisters Harry L. Davis (Cleveland), des Justizministers Alexander Mitchell Palmer (Washington), eine vor der Victoria Kirche (Philadelphia) und eine andere vor einem Juwelierladen (wahrscheinlich von den Attentätern während der Flucht zurückgelassen, um sie loszuwerden) abgeliefert. Ein Flugblatt mit dem Titel „Parole Chiare“ (Klare Worte), das an den ausgewählten Wohnsitzen zurückgelassen wurde und mit The Anarchist Fighters unterzeichnet war, polterte: „Wir haben von der Freiheit geträumt, wir haben von der Freiheit gesprochen, wir haben uns nach einer besseren Welt gesehnt und ihr habt uns eingesperrt, geprügelt, abgeschoben, ermordet so oft ihr konntet. Jetzt, da der große Krieg vorbei ist, geführt, um eure Taschen zu füllen und einen Sockel für eure Heiligen zu erbauen, um die gestohlenen Millionen und den ungerechterweise erlangten Ruhm zu beschützen, bleibt euch nichts anderes mehr, als die ganze Macht der mörderischen Institutionen, die ihr zu eurer ausschließlichen Verteidigung erschaffen habt, gegen die Menschenmengen an Arbeitern, aufgestanden für eine menschlichere Lebensauffassung, zu richten. Die Gefängnisse, die Verliese, die ihr gebaut habt, um alle Stimmen des Protests zu beerdigen, sind jetzt voll mit bewussten Arbeitern, die schmachten, und niemals zufrieden erhöht ihr deren Zahl täglich. Es ist Geschichte von gestern, dass eure Meuchelmörder die unbewaffneten Massen in großen Mengen geschlagen und getötet haben; es ist die Geschichte eines jeden Tages in eurem Regime; und jetzt sind alle Aussichten noch schlechter. Erwartet nicht, uns betend und heulend sitzen zu sehen. Wir nehmen eure Herausforderung an und gedenken euren Kriegspflichten nachzukommen. Wir wissen, dass alles was ihr macht, zum Schutz unserer Klasse dient; wir wissen auch, dass die Proletarier das gleiche Recht haben, sich zu schützen, wo ihre Presse erstickt und mit einem Maulkorb versehen wurde; Wir beabsichtigen für sie mit der Stimme des Dynamits zu sprechen, durch den Mund der Waffen. Sagt nicht, dass wir wie Feiglinge handeln, da wir versteckt bleiben, sagt nicht, dass es verabscheuungswürdig ist; es ist Krieg, Krieg der Klassen, und ihr wart die ersten dabei, unter dem Deckmantel mächtiger Institutionen, die ihr Ordnung nennt, in der Dunkelheit eurer Gesetze, beschützt von den Waffen eurer dummen Sklaven.“

Der große Krieg war vorbei, ja, aber nicht der „gute Krieg“ dieser Anarchisten, der keinen Waffenstillstand kannte. Jener, zu dem sie in Zeiten des Friedens anspornten, und jener an dem sie auch weiterhin teilnahmen, als der Krieg dazu neigte sich durch einen Schneeballeffekt, wie eine unausweichliche Realität des Moments, durchzusetzen. Eine Realität, in der sie mit ihren anarchistischen Idealen den Kurs beibehielten und weiterhin vorwärts gingen, denn sie hatten Ideen als Kompasse, Leidenschaft als Winde und Karten, die sie immer wieder in ihren Zeitungen und auf ihren Treffen präzisierten. Wenn der Krieg sie nicht überrascht hatte, dann weil sie vorbereitet waren, es gewohnt waren im sozialen Krieg zu handeln und eine Fortdauer mit einer speziellen Spannung zu entwickeln: Im Kampf gegen den „Frieden“, bereit und auf die Gelegenheit der Herausforderung der zukünftigen Kämpfe lauernd.

[1] Anarchistische Wochenzeitung in italienischer Sprache, die zwischen 1903 und 1919 in den Vereinigten Staaten mit einer Aufl age von 4000 Exemplaren erschien. Die Redaktion zog im September 1911 nach Boston, nach dem sie sich anfangs in Barre, Vermont, niedergelassen hatte.

[2] Un trentennio di attività anarchica. 1914-1915, Cesena 1953

[3] Paroles claires. La „bonne guerre“ des anarchiste italiens immigrés aux Etats-Unis (1914-1920, Editions L’Assoiffé, Juni 2018, S. 95

[4] Zum Beispiel am 25. Juli 1915 in Philadelphia nach einem Angriff der Agenten des Konsulats und deren Schergen während eines Treffens gegen den Krieg. Am 2. Oktober 1915 in Detroit, nachdem ein Anarchist an einer patriotischen Zeremonie das Wort ergriff, um den Redner zu widerlegen. Am 27. Mai 1916 in Cleveland an einem anarchistischen Treffen in der Öffentlichkeit.

[5] Zu Themen wie Der Krieg und das Proletatriat, Der Krieg und das Vaterland, Krieg, Vaterland und Religion, Der Krieg und die Anarchisten, Krieg dem Krieg, Der aktuelle Krieg und die Arbeitslosigkeit, Der europäische Krieg und Italien, Die Anarchisten und der europäische Krieg, Unsere Neutralität und der Krieg, Der Krieg hier und dort, Die Psychologie des Krieges, Die Frau und der Krieg, Gott und der Krieg, Der Krieg und das Privateigentum.