Titel: Job gesucht?
Datum: Juni 2015
Quelle: Entnommen am 18.11.2015 von https://linksunten.indymedia.org/de/node/159487
Bemerkungen: Eine unregelmäßig erscheinende Wandzeitung aus Berlin.

Ihr Zuckerbrot schmeckt alt und vergammelt, wie aus dem vergangenen Jahrhundert, ihre Versprechungen sind fürn Arsch.

Damals in meener Schulzeit habn meene Eltern und de LehrerInnen imma jesacht, aus ma wird doch eh nüscht! Irgendwie hattn se recht…

Ja, was sollte aus mir auch schon werden? Meine Noten waren ziemlich mies, Spaß hat mir das ganze Rumgehocke in der Schule auch nicht gemacht. Warum sollte ich auch das tun, was von mir verlangt wurde? Ich habe mir zu dieser Zeit keine Gedanken gemacht, was mal aus mir werden wird. Wer will sich als Jugendlicher schon damit beschäftigen? Ich wollte mit meinen Freunden Spaß haben. Meinen Eltern bereitete ich auch immer nur Sorgen. Vorladung von den Bullen, Elterngespräche in der Schule, Saufen, Klauen, Schlägereien usw. Selbst wenn ich mich zusammengerissen habe, hat es nichts gebracht.

Nun bin ich in einer Zeitarbeitsfirma angestellt, bekomme den Mindestlohn, schufte 40 Stunden die Woche auf dem Bau und komme gerade mal so über die Runden. Heute Früh 5:00 Uhr klingelt mein Wecker. Aufstehen, anziehen, schnell Kaffee trinken, Stullen für die Arbeit schmieren und los geht’s! Die Bahn fährt mir vor der Nase weg, komme zu spät, Anschiss vom Chef und dann malochen bis 18:00 Uhr. Geht gar nicht!

Komme nach Hause. Total platt. Denke mir „geil chillen“, mache den Briefkasten auf und wat seh ich da? Kündigungsschreiben! Die müssen das noch nich ma begründen. Das heißt wieder Stress mit dem Jobcenter. Die ganze Scheiße fängt wieder von vorne an.

Was soll das für ein Leben sein?“

Und das ist nur ein Beispiel. Wie vielen Menschen geht es ähnlich?

Von klein auf wird einem von der ganzen Gesellschaft eingetrichtert, dass man arbeiten muss, weil man sonst nichts wert ist. In der Familie und dann Schule wird man nicht nur für die Arbeit vorbereitet und ausgebildet. Außerdem lernt man hier zu gehorchen. Ob es Noten oder der Lohn sind, alles führt zu Konkurrenz und Leistungsdruck. Ob man sich dem Lehrer oder dem Chef unterordnet macht keinen Unterschied. Alles hat die selbe Funktion, denn sie nehmen eine Vermittlerrolle zum Kapital ein. Du musst funktionieren. Die Logik und die Gewalt der kapitalistischen Maschinerie bedeutet Befehle auszuführen ohne die Herrschaft in Frage zu stellen.

Lohnarbeit ist Ausbeutung, weil man nicht für sich oder für die eigens ausgewählte Gemeinschaft (Hausgemeinschaft, Nachbarschaft, Familie) arbeitet, sondern für Lohn. Man verkauft seine Arbeitskraft und wird somit zur Ware. Damit ist man nicht als Person wichtig, sondern nur die Arbeit, die man leisten muss. Deswegen ist jedeR jederzeit austauschbar. Um in der bestehenden Gesellschaft zu (über-)leben, braucht man Geld, um Essen zu kaufen, die Miete zu zahlen usw.

Die andere Seite der Medaille heißt Ausbildung in die Arbeitslosenverwaltung. Ein Euro Jobs, prekäre Selbstständigkeit, Leiharbeit.Für viele reicht der Lohn kaum zum Überleben und du musst auch noch froh drum sein. Außerdem bildet die Zersplitterung der Lohnarbeitenden ein echtes Hindernis für einen gemeinsamen Kampf.

Für die allermeisten eine große Scheiße. Und doch tanzen wir nicht aus der Reihe, neigen dazu der Aufforderung zu folgen, es uns bequem zu machen. Den meisten hierzulande ist neben der Arbeit die Rolle der Zuschauern zugedacht. Bildschirm ansehen und schöne Sachen kaufen soll reichen.

Solange wir im Kapitalismus leben, kann man sich der Ausbeutung nicht entziehen, da der Kapitalismus auf ihr beruht und anders nicht funktionieren kann. Um ein besseres Leben führen zu können, müssen wir nach Lösungen außerhalb dieser Logik suchen. Es geht nicht darum, Arbeitsverhältnisse zu verbessern (z.B. durch die Einführung des Mindestlohns), sondern Lohnarbeit abzuschaffen. Das heißt nicht, dass arbeiten nicht notwendig ist, sondern es ist wichtig, Wissen und Verantwortung zu teilen und zu übernehmen. Da wir Lohnarbeit im Ganzen ablehnen, brauchen wir keine Gewerkschaften, die zwischen uns und dem Kapital vermitteln, weil wir selbstbestimmt und selbstverwaltet leben wollen. JedeR kann für sich selbst am besten entscheiden.

Wenn wir, statt unsere Kreativität und Energie ins Kapital einzuspeisen, tatsächlich beginnen, eigene Zielsetzungen zu entwickeln und dafür zu arbeiten; wenn wir uns mit unserem Wissen und Fähigkeiten nach Bedarf zusammentun, dann braucht das illegale und nicht geselschaftskonforme Fähigkeiten. Sabotage,täglichen Bedarf klauen, Hausbesitzer_innen enteignen, ohne Tickets fahren, Dokumente fälschen etc.

Menschen, die auf „nicht legale“ Weise versuchen über die Runden zu kommen, werden als „Sozialschmarotzer“ oder „Parasiten“ abgestempelt . Aus einer bewussten Entscheidung oder aus der Notwendigkeit heraus sind sie jedoch diejenigen, die Herrschaft und Ausbeutung in Frage stellen.

Wir müssen uns gemeinsam klar machen, wie von oben und außen her, die Erforschung unserer Wünsche und Bedürfnisse von statten geht. Nicht um Geld zu machen und uns mit unnützen Produkten zuzuschütten, sondern mit Selbstorganisation des Alltags. Wir werden uns gegen die feindliche Übernahme unseres Lebens organisieren müssen.

Was passiert, wenn wir über ein Leben jenseits von Ausbeutung nachdenken? Bei vielen wirft das mehr Fragen als Antworten auf, verbunden mit einem Gefühl von Ohnmacht und Verlust- und Existenzängsten.

Was gibt es zu verlieren? Nichts!

Was brauchen wir mehr? Chefs oder Freunde und Familie?

Flachbildschirme zu Hause oder reicht er mit unseren Freunden in der Kneipe?

Smartphones oder gemeinsame Feste auf der Straße mit unsren Nachbarn?

Geld für Miete oder Häuser in denen wir drin leben und selbst walten?

Geld für Essen im Supermarkt oder Gärten aus denen wir uns selbst versorgen?

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