Anonym

Eine Pandemie endet mit ihrer Zivilisation

16. März 2020

      Ein Blick auf die Ursachen

      Keine Lösung: Der Staat, die Wissenschaft und soziale Kontrolle

      Revolte gegen Staat und Zivilisation statt freiwilliger Quarantäne

Innerhalb weniger Monate hat sich das sogenannte Coronavirus auf der ganzen Welt verbreitet. Nachdem zahlreiche Länder darauf bereits mit drastischen Quarantäne-Maßnahmen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit reagiert haben, zeichnet sich nun auch hier eine Eskalation der Situation durch den Staat ab. Veranstaltungsverboten und Schulschließungen – wobei letzteres ja unter libertären Gesichtspunkten eigentlich eine erstrebenswerte Sache ist –, werden Stück für Stück drastischere Maßnahmen folgen, die unser Leben immer weiter beschränken und die Kontrolle des Staates zunehmend intensivieren werden. Das zeigt nicht nur der Blick auf Staaten wie China, Hongkong oder Italien, sondern das entspringt auch der inneren Logik des Staates und der Interessen, die er freilich auch dann vertritt, wenn er vorgibt, einen Virus zu bekämpfen. Aber so bitter die Situation derzeit auch aussehen mag, so offenbaren sich durch sie jedoch auch neue Möglichkeiten mit allem Bestehenden zu brechen.

Ein Blick auf die Ursachen

Wie kommt es überhaupt, dass sich ein Virus innerhalb weniger Monate auf der ganzen Welt ausbreiten kann und zu einer Bedrohung für die Leben so vieler Menschen wird. Ohne dass ich hier die Panikmache von Medien und Regierungen reproduzieren will, so scheint mir doch klar zu sein, dass – auch wenn die Bedrohung durch das Coronavirus nicht unbedingt größer als die durch andere Viren (hier bspw. die Grippe) oder andere zivilisatorische Gefahrenquellen, bspw. durch den Straßenverkehr, ist – wir getrost auf diese Krankheit verzichten könnten. Wie kommt es also, dass sich Viren so schnell und so weit verbreiten?

Nach dem Ausbruch einer Viruserkrankung vermehrt sich diese exponentiell: Wenn eine infizierte Person im Laufe ihrer Erkrankung beispielsweise durchschnittlich zwei Menschen ansteckt, wie das derzeit bei Corona angenommen wird, so bedeutet das, dass ausgehend von einer Anfangspopulation an Erkrankten A in jedem Zyklus n A*2n weitere Menschen infiziert werden. Geht mensch beispielsweise davon aus, dass zu Beginn der Krankheit nur zwei Personen infiziert waren (A = 2), so waren nach dem ersten Zyklus (n = 1) bereits A*2n = 2*2¹ = 4 Menschen zusätzlich infiziert, nach dem zweiten Zyklus (n=2) waren es demnach A*2n = 2*2² = 8, nach dem dritten Zyklus (n=3) A*2n = 2*2³ = 16, nach dem vierten 32, nach dem 10. 2048, nach dem 15. bereits 65.536 und nach dem 20. bereits mehr als zwei Millionen Menschen. Nach dem 32. Zyklus [1] wären dieser Berechnung nach bereits mehr als 8 Milliarden Menschen zusätzlich infiziert, also mehr als die gesamte Bevölkerung der Erde.

Natürlich ist das eine sehr modellhafte Berechnung, die vor allem eine unbeschränkte Ausbreitung der Infektion voraussetzt. Das ist selbstverständlich so nicht der Fall. Tatsächlich stößt die Ausbreitung einer Infektion an verschiedene natürliche Grenzen: So ist es beispielsweise nicht so, dass jeder Mensch potenziell mit jedem anderen Menschen auf dieser Welt in Kontakt steht. Auch bildet das gedachte Netzwerk, in dem Menschen miteinander in Kontakt kommen, keine gleichmäßige Struktur aus, bei der eine Community fließend in eine andere übergeht. Oft sind einzelne Regionen nur lose über einzelne Mitglieder miteinander verbunden. Wird das Virus nicht über diese interregionalen Kontakte weitergegeben, so kommt die Verbreitung schließlich nach der vollständigen Infizierung einer Region (auch Durchseuchung genannt) zum Erliegen. Das Virus wird also ausgerottet.

Ganz so ideal verhält sich das in der heutigen Realität jedoch nicht: Die Verflechtung auch weit voneinander entfernter Regionen durch ein internationales Mobilitäts- und Produktionsnetz trägt dazu bei, dass die Verbindungen zwischen den Menschen einer Region mit den Menschen vieler anderer Regionen häufiger und intensiver werden. So trugen zur Ausbreitung des Coronavirus, ebenso wie zur Ausbreitung ähnlicher Epidemien und Pandemien beispielsweise ganz besonders multinationale Unternehmen bei, deren (Führungs-)Personal häufig von einem Standort zum nächsten reist. Die ersten Corona-Infizierten hier in München waren beispielsweise allesamt Mitarbeiter*innen einer solchen Firma, die Kontakte in die ursprünglich betroffene Region gahabt hatten. Auch Urlauber*innen, die Urlaub in einer betroffenen Region machen und dann in ihre Heimat zurückkehren tragen oft zur Verbreitung einer Pandemie bei. So etwa bei Corona-Infizierten in NRW. Dass diese Form der Übertragung einerseits so strukturell ausgeprägt ist und andererseits so schnell stattfindet, dass ein Virus innerhalb eines Tages zehtausende Kilometer zurücklegen kann, liegt vor allem an modernen Transportmitteln. Besonders der Flugverkehr spielt bei der Verbreitung moderner Pandemien eine bedeutende Rolle, aber grundsätzlich ist auch der weltweite Warenverkehr geeignet, um die Verbreitung einer Pandemie zu befördern. Schon die Pest (der Schwarze Tod), die 1346 und 1353 alleine in Europa schätzungsweise 25 Millionen Menschen tötete, breitete sich heutigen Erkenntnissen zufolge über Handelswege aus und wütete in Deutschland – und anderswo – ganz besonders in Handelsmetropolen wie Hamburg, Köln und Bremen.

In der heutigen globalisierten, kapitalistischen Welt hat sich die Situation deutlich verschärft: Bricht in einer der kapitalistischen Metropolen eine Epidemie aus, so könnten die Vorraussetzungen für eine schnelle weltweite Verbreitung kaum besser sein: Nicht nur die schnellen Transportmittel und die enge globale Vernetzung, sondern auch die Tatsache, dass die Lebensbedingungen der Menschen weltweit einander zunehmend mehr ähneln, tragen dazu bei, dass sich Viren so effizient und schnell verbreiten können. Und dennoch sind es keineswegs alleine kapitalistische Strukturen, die die Verbreitung von Epidemien befördern.

Eine effiziente Transportinfrastruktur, das Zusammenleben der Menschen auf engem Raum in Städten, mangelnde Autarkie einzelner Communities aufgrund von sehr diversifizierter Arbeitsteilung, und viele weitere zivilisatorische Eigenschaften begünstigen allesamt die Ausbreitung von Epidemien. Wie sonst wäre es zu erklären, dass etwa die Antoninische (165 bis 180/190) oder die Cyprianische Pest (250 bis 271) an den Grenzen des Römischen Reiches ihr Ende fanden, nachdem sie sich zuvor innerhalb dieser mehr oder weniger flächendeckend ausgebreitet hatten [2]. Dafür bedurfte es keines Kapitalismus, ja nicht einmal moderner Fortbewegungsmittel: Straßen, Wägen, Schiffahrt und eine zentralistische Verwaltung zusammen mit einer regen Warenzirkulation genügten völlig, um Millionen von Menschen das Leben zu kosten.

Keine Lösung: Der Staat, die Wissenschaft und soziale Kontrolle

Geht mensch davon aus, dass Zivilisationen die Ausbreitung von Epidemien begünstigen, so erscheint es etwas paradox, eine Lösung für eine Pandemie seitens des Staates oder der (medizinischen) Wissenschaft zu suchen. Es sind zwei der wichtigsten Institutionen, die die Zivilisation in der wir leben aufrechterhalten, verteidigen und auszuweiten versuchen. Dennoch sind Staat und (medizinische) Wissenschaft derzeit diejenigen Institutionen, von denen sich viele Menschen zu versprechen scheinen, dass sie ihnen einen Ausweg liefern.

Während das Vertrauen in die (medizinische) Wissenschaft noch einigermaßen nachvollziehbar ist – immerhin ist mensch es ja gewohnt, dass die Wissenschaft negative zivilisatorische Folgen abdämpft –, erscheint das Vertrauen in den Staat dagegen vollkommen absurd: Auch wenn mensch von Seiten des Staates einräumt, dass es unmöglich ist, die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, auch wenn mensch einräumen muss, dass jeder (gewaltsame) Versuch, soziale Beziehungen zu unterbrechen lediglich eine aufschiebende Wirkung hat, gibt mensch vor, das zu kontrollieren, was sich innerhalb der Logik dieses Staates und seiner Zivilisation nicht kontrollieren lässt. Vom Staat können wir nur erwarten, belogen und getäuscht und schließlich auch des letzten Quäntchens Freiheit, das wir noch zu besitzen glauben, beraubt zu werden, denn der einzige Zweck, den er verfolgt ist sich selbst und seine kapitalistische Ordnung aufrechtzuerhalten. Einige Politiker*innen, darunter auch der bayerische Innenminister Söder und sein Kultusminister sind sogar so dumm, dies offen zuzugeben: Anlässlich ihres Beschlusses, die Schulen in Bayern zu schließen, verkündeten sie, dass eine Betreuung von Kindern mit Eltern, die „systemkritische Berufe“ ausüben, dennoch stattfinden werde. Darunter verstehen sie Berufe des Gesundheitswesens, aber auch Bull*innen und andere Büttel des Staates, die die „Sicherheit“ gewährleisten sollen. Ihnen geht es also darum, auch während sich die Corona-Epidemie ausbreiten wird, die Macht des Staates zu erhalten [3]. Dabei werden die Tätigkeiten der Bull*innen vor allem darin bestehen, diejenigen, die gegen die Bevormundung durch den Staat aufbegehren werden, niederzuknüppeln. Personen, die sich nicht unter Quarantäne setzen lassen werden, Personen, die den Verfügungen des Staates nicht nachkommen, einfach jede*n, der*die sich widersetzt. Ein kleiner Trost dabei bleibt, dass sich die Bull*innen bei dieser Tätigkeit, die sie einer Infektion stärker aussetzen wird, als viele andere, hoffentlich reihenweise Coronainfektionen einfangen werden; Mit etwas Glück mit schwerem Verlauf.

Doch der Einsatz repressiver Gewalt durch die Polizei ist nicht das Einzige, was der Staat auf Lager hat. Während der Wirtschaft bereits Gelder versprochen werden, um die durch repressive Maßnahmen des Staates verlorengehenden Gewinne zu kompensieren, ist völlig unklar, inwiefern die aus den gleichen Maßnahmen resultierenden Verdienstausfälle der Menschen vom Staat abgefangen werden. Während die Büttel des Staates eine staatlich verordnete „Kinderbetreuung“ geniesen und so weiter zur Arbeit gehen können, gilt das für alle anderen nicht. Sie müssen diese selbst übernehmen. Dabei bin ich nicht der Meinung, dass Kinder und Jugendliche „betreut“ werden müssten, sofern sie selbst in der Lage sind oder anderweitig in diese Lage versetzt werden, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, aber der gesellschaftliche Konsens und sogar die Gesetze des Staates sagen da etwas anderes. Wer also anstatt der Schule und des Kindergartens meint, seine*ihre Kinder „betreuen“ zu müssen, ist darauf angewiesen Urlaub zu nehmen oder seinen*ihren Job zu kündigen. Wenn – wie das aufgrund der Erfahrungen in Italien und anderen Ländern zu erwarten ist – Geschäfte, Restaurants, usw. zwangsweise durch den Staat geschlossen werden, bedeutet das für viele prekär beschäftigte Menschen die Entlassung oder massive Einkommensausfälle. Und wer gerade einen neuen Job sucht, die*der hat sowieso Pech gehabt [4]. Wer dabei glaubt, dass hier der Staat in die Presche springen wird und den Menschen hilft, ihren Lebensunterhalt weiter zu bestreiten, die*der ist naiv. Dem Staat geht es darum, die Reichen und Besitzenden davor zu schützen, ihren Reichtum zu verlieren. Wer nichts besitzt, die*der ist dem Staat egal. Wenn er*sie Glück hat, kann sie*er Sozialhilfe beziehen, aber bei einer länger andauernden Epidemie dürfte selbst das fraglich sein.

Auch wenn es mir grundsätzlich nachvollziehbarer scheint, in die (medizinischen) Wissenschaften zu vertrauen, als auf den Staat, so finde ich das jedoch ebenso absurd: Der Weg, den die hießige Medizin eingschlagen hat, ist zentralistisch und herrschaftsvoll. Medizinisches Wissen ist heute beinahe ausschließlich bei Expert*innen (Ärzt*innen) vorhanden, denen und derer Industrie es folgerichtig nicht vorrangig darum geht, eine Krankheit zu heilen, sondern darum, Profit aus der Heilung einer Krankheit zu ziehen. Medikamente und viele moderne (teure) Behandlungsmethoden sind nur denen zugänglich, die dafür bezahlen können (oder für die eine Krankenversicherung bezahlt) und werden nur dann erforscht, wenn sie entsprechende Gewinne versprechen. Zugleich werden Präperate mit erheblichen Nebenwirkungen bewusst auf den Markt gebracht, um rücksichtlos Gewinne einzustreichen. Bei all dem versucht die Medizin beständig Menschen zu normieren und strebt danach den menschlichen Organismus ebenso wie die Menschen selbst bis ins letzte Detail zu kontrollieren. Virolog*innen entwickeln seit Jahrzehnten Masterpläne, die darin bestehen soziale Kontrolle über die Menschen auszuüben, in der Hoffnung dadurch Epidemien eindämmen und kontrollieren zu können. Das Individuum scheint dabei kaum noch eine Rolle zu spielen. Immer geht es nur darum, eine Ausbreitung eines Virus/einer Krankheit zu verhindern, indem Individuuen von anderen isoliert und ihre Handlungen genaustens kontrolliert werden. Das sind sicher nur einige und auch nur wenig vertiefte Kritikpunkte an der Medizin, die mir in diesem Kontext relevant erscheinen, aber eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Wissenschaft im Allgemeinen und der Medizin im Speziellen würde sicher jeglichen Rahmen sprengen.

Revolte gegen Staat und Zivilisation statt freiwilliger Quarantäne

Derzeit lässt sich beobachten, dass überall Veranstaltungen abgesagt werden und sich alle möglichen Menschen darin gefallen, das Mantra der Regierenden nach sozialer Vereinzelung zu wiederholen. Ja, manch eine*r geht sogar soweit, andere Menschen, die sich diesem Unsinn nicht freiwillig unterwerfen wollen, zu maßregeln und anzufeinden. Dabei halte ich die vorgeschlagene soziale Isolation aller angeblich zugunsten von Angehörigen von „Risikogruppen“ für eine mit anarchistischen Ideen unvereinbare Haltung und zwar unabhängig davon, ob dieser Vorschlag nun von einem Staat kommt oder von irgendjemand anderem!

Schenkt mensch den sogenannten „Expert*innen“ Glauben – und das tue ich explizit nicht, aber ich will einmal kurz annehmen mensch täte es, um zu zeigen, dass selbst dann eine soziale Isolation aller unnötig autoritär ist –, so werden sich mehr oder weniger alle Menschen – oder zumindest ein großer Teil der Menschen – mit dem Coronavirus infizieren, egal ob wir uns nun sozial isolieren oder nicht. Der erklärte und erwünschte Effekt einer solchen sozialen Isolation aller von allen wäre vielmehr, die Ansteckungsrate so gering zu halten, dass alle Infizierten mit einem schweren Verlauf der Krankheit Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung haben. Zugleich sagen die Expert*innen, dass sich eine sogenannte Herdenimmunität einstellt, wenn eine gewisse Durchseuchung in der Gesellschaft erreicht ist, also ein großer Anteil die Krankheit bereits hatte und entweder besiegt hat, oder gestorben ist. Schwere Verläufe der Krankheit sind vor allem bei bestimmten Risikogruppen zu erwarten, und zwar bei älteren Menschen (die sind übrigens Risikogruppe für fast alle Krankheiten) und bei Menschen mit bestimmten chronischen Vorerkrankungen. Hier stellt sich mir die Frage, warum hier irgendwer glaubt, es wäre eine gute Idee, irgendjemandem vorzuschreiben, was sie*er zu tun hat – und zwar nicht, weil ich das allgemein ablehne, was ich natürlich tue, sondern auch, weil ich in einer solchen Lösung nicht mehr, ja sogar weniger „Erfolgschancen“ sehe, als in der intuitiven antiautoritären „Jede*r-kann-für-sich-selbst-entscheiden“-Lösung: Wer Angst hat, sich mit Corona zu infizieren, die*der kann sich ganz individuell dazu entscheiden, sich sozial (bis zu einem bestimmten Grad) zu isolieren oder auch andere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Wer glaubt, keine Angst vor einer Infektion haben zu müssen oder der Meinung ist, dass sich das Risiko lohnt (was bestimmt auch Angehörige von „Risikogruppen“ zum Teil so sehen), die*der isoliert sich eben nicht. Wer meint, sich zusammen mit einem*einer nahestehenden Personen aus Solidarität isolieren zu wollen, die*der kann das ja tun. Sollte das medizinische System dabei überlastet werden, Pech gehabt. Das ist es ja in tausenden anderen Fällen sowieso. Und ja, dann werden Menschen sterben, so wie ja auch jetzt bereits bei anderen Krankheiten, so wie im Straßenverkehr, so wie bei Haushaltsunfällen, usw. Aber ist das ein Grund, das eigene (vielleicht nur imaginierte) Schutzinteresse autoritär auf dem Rücken anderer auszutragen? Und immerhin ist auf diesem Weg die Zeit bis zu einer „Herdenimmunität“ relativ gering, wenn sich aber nacheinander immer nur so viele Menschen anstecken „sollen“, wie das Gesundheitssystem auch verkraftet, dann wird das Jahre dauern. Monate und Jahre der sozialen Isolation? Na diese psychischen „Folgeerkrankungen“ sind bestimmt nicht besser als Corona.

Aber wenn es aus meiner Perspektive keinen Sinn macht, sich „für andere“ freiwillig in Quarantäne zu begeben, was soll ich dann tun? Soll ich warten bis aus „freiwillig“ „zwangsweise“ wird, soll ich warten bis das sich den autoritären Maßnahmen widersetzen mit schweren Strafen belegt wird? Darauf habe ich keine Lust. Für mich heißt das Problem noch immer Herrschaft und es findet seinen Ausdruck noch immer vor allem durch den Staat, die Zivilisation und kapitalistische Institutionen. Und gerade momentan befindet sich die Herrschaft offensichtlich in einer Offensive: Wenn ich abwarte, dann werde ich morgen in einer Welt erwachen, in der für mich und für all die anderen subversiven Elemente, für Arme, für Marginalisierte, für keine*n mehr Platz sein wird, also noch weniger Platz als bereits heute. Und ob das nun in einem Monat wieder enden wird, oder in zwei oder in einem halben Jahr, das steht in den Sternen. Deshalb ist für mich klar, dass ich mich jetzt widersetzen muss, dass es an mir und allen anderen, die eine solche Perspektive für unvereinbar mit ihren Vorstellungen halten, liegt, gegen Staat, Zivilisation und Herrschaft zu revoltieren.

Dabei sind die Voraussetzungen vielleicht gar nicht so ungünstig: Der Staat hat die Normalität unterbrochen, jetzt liegt es an uns allen, ob wir die neue Normalität des Ausnahmezustands akzeptieren, oder ob wir diese momentane Schwäche des Staates ausnutzen, um ihn erbarmungsloser denn je anzugreifen.

[1] Nimmt mensch an, dass ein Zyklus in diesem Modell 7 bis 14 Tage umfasst, also dem Zeitraum entspricht, der von den Virolog*innen derzeit bei Corona angenommen wird, so wäre der 32. Zyklus nach 224 bis 448 Tagen, also nach rund einem Jahr erreicht.

[2] Dabei sollte jeder*jedem klar sein, dass hier nicht die Grenze als eine willkürlich gezogene Linie zwischen zwei Staaten verhinderte, dass diese Epidemien sich ausbreiteten. Tatsächlich gab es natürlich auch Infektionen dieser Epidemien jenseits der römischen Staatsgrenzen. Allerdings konnten sich diese Epidemien in weniger zivilisierten Gebieten nicht so ohne weiteres ausbreiten, da vielfach die strukturellen Voraussetzungen für eine effiziente Verbreitung fehlten. So ist vielmehr davon auszugehen, dass diese Epidemien nach einer Durchseuchung der direkt an das Römische Reich angrenzenden Regionen ausstarben. Wären diese Regionen Teil einer ähnlichen Zivilisation gewesen, hätten sie sich vermutlich fortsetzen können.

[3] Das zeigt auch die Mobilmachung des Militärs, die derzeit – selbstverständlich – noch als „humanitärer“ Einsatz deklariert wird. Reservist*innen werden derzeit einberufen, um im Fall von Versorgungsengpässen und im medizinischen Bereich zu helfen. Neben der Militarisierung dieser Bereiche durch den Einsatz der gedrillten und gehorsamen Soldat*innen erscheint mir jedoch noch ganz anderes zu drohen. Zum derzeitigen Zeitpunkt scheint mir eine Mobilmachung des Militärs vielmehr dazu zu dienen, sich auf einen Einsatz zur Aufstandsbekämpfung an den Grenzen oder im Innland vorzubereiten.

[4] Ich möchte hier nicht missverstanden werden: Ich fordere hier keineswegs Arbeitsplätze für jede*n. Im Gegenteil: Ich lehne die Ausbeutung der Arbeitskraft der Menschen entschieden ab und versuche Arbeit selbst aus dem Weg zu gehen wo ich nur kann. Hier jedoch geht es nicht darum, eine Arbeit für jede*n zu fordern, sondern darum, dass durch einen plötzlichen Wegfall von Arbeitsplätzen als Resultat einer staatlichen Verfügung, zahlreiche Menschen um ihre Existenzgrundlage gebracht werden. Die Folge ist dabei nicht etwa eine Befreiung von Arbeit, sondern höchstens eine weitere Prekarisierung der Lebensverhältnisse derjenigen, die ohnehin gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen.


Text veröffentlicht in Zündlumpen, anarchistisches Wochenblatt, Nr. 57