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be smart, be Berlin

Die Regierung Berlins und Firmen wie google wollen Berlin zu einer Smart City, einer „intelligenten“ Stadt machen. Was bedeutet Smart City und was könnten die Folgen sein?

April 2017

In einer Smart City soll ein umfassendes Internet der Dinge aufgebaut werden. Durch In Objekte und Menschen eingebettete Sensoren und Rechner sollen Gegenstände und Körper - nahezu alles und jede*r - per Internet vernetzt werden. Diese totale Kontrolle wollen die Herrschenden der Bevölkerung mit vielfältigen Versprechen schmackhaft machen. So soll eine Smart City angeblich ökologische Probleme lösen, die Effizienz steigern, das Leben erleichtern, für mehr Sicherheit sorgen und die Wirtschaft ankurbeln. Für Berlin gibt es dafür bereits ein Strategiepapier, in dem einige der Ideen der Smart City als Ziele genannt werden.


Die effizientere Verwaltung von Menschen und Maschinen


Sensoren im Verkehr und in möglichst autonom fahrenden Fahrzeugen, kombiniert mit Informationen der Smartphones der Verkehrsteilnehmenden, sollen eine bessere Verkehrskontrolle ermöglichen. Leicht auszumalen, wie leicht Bewegungsprofile aller Verkehrsteilnehmenden erstellt werden können.

Unter anderem werden in Berlin auch E-Health-Lösungen (E- bedeutet Elektronisch) angestrebt, beispielsweise eine Vernetzung aller betreffenden Akteure. Durchaus vorstellbar: Die Health-Watch die mit deinem Smartphone kommuniziert, das Fitnesskurven in der Cloud erstellt, mit der Termine im Fitness-Center gemacht werden, die deiner Ärztin ein Gesundheitsbild in Echtzeit liefert, das der Gesundheitsbehörde die statistische Vermessung und Kategorisierung des Lebens ermöglicht und bei der Krankenkasse deinen Beitrag berechnet? Smart Citys streben eine Selbstvermessung, Selbstregulierung und Selbstoptimierung an. Statt einem Leben, dass mehr Bewegung im Alltag z.B. durch Selbstversorgung beinhaltet, werden überall ausbeutbare Abhängigkeiten von Dienstleistungen erzeugt. Es gibt immer mehr Werkzeuge zur persönlichen Gesundheitsanalyse und immer mehr Fitnessstudios. Um dich ausbeutbar zu machen, werden Probleme, erzeugt von der „Zivilisation“, benutzt um sie mit neuen Problemen am Leben zu erhalten, aber aushaltbar zu machen.

Genau wie bei Smart Homes, dem intelligenten Zuhause, das erklärtes Ziel der berliner Zukunftsphantasien ist. Neben der totalen Vernetzung aller Geräte und Körper gehört z.B. auch eine „Kiez-App“, mit der sich Nachbar*innen austauschen können sollen. Auf welche Art und Weise und was dort erlaubt ist und was nicht, bestimmt der staatliche Algorithmus (digitales Grundgerüst, die Programme, die den Zweck und die Möglichkeiten einer digitalen Anwendung bestimmen). Einmal abgesehen davon, dass dadurch noch mehr Leben ins kontrollierbare, flatterhafte Virtuelle verbannt wird.

Auch im Zuhause beginnt die smarte Energie. „Die Energieversorgung der Zukunft benötigt ein intelligentes Netz, das die Energiekonsumenten und -produzenten mithilfe digitaler Informationstechnologie verbindet und kontinuierlich Informationen über Energienutzerverhalten und Energiebereitstellung auswertet“. Dadurch wird beispielsweise auch nachvollziehbar, wann sich wie viele Menschen bei dir zu hause aufhalten.

Schließlich ist die sogenannte Industrie 4.0 ein Teil der Restrukturierung. Die Arbeitswelt wird einen massiven Wandel erleben. Vernetzte (Selbst-)Organisation der Produktion bedeutet eine Robotisierung, aber auch Spezialisierung der dann noch Arbeitenden.

In einigen Bereichen wird durch effizientere Technologie eine bessere ökologische Ausnutzung erreicht. Gleichzeitig benötigt die Smarterisierung jedoch eine Menge neuer Geräte, welche im Bau einen Haufen Energie und Materialien brauchen. Die Entsorgung superschnell veralteter Geräte vergiften die Umwelt. Viele der benötigten Materialien werden zu beschissensten Arbeitsbedingungen aus Ländern des Südens vor allem für unseren Luxus hier ausgebeutet, eine Forstsetzung der kolonialistischen Tradition westlicher Länder, nur mit anderen Mitteln.


Die soziale Zerstörung


An Orten wie dem Silicon Valley in den USA, wo smartes Leben schon viel weiter vorangeschritten ist, wird einiges sichtbar. Hier verarmt ein großer Teil des Mittelstands, die soziale Ungleichheit steigt. Eine harte Gentrifizierung folgt, also eine Verdrängung angestammter Bewohner*innen, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können, weil Eigentümer*innen viel besitzen und damit ihren Profit weiter erhöhen wollen. Aber auch in den Städten hier trennen sich immer mehr Arm und Reich. Die neuen Reichen, jung und smart, drängen in die Städte, es entstehen Innovationsdistrikte mit Vierteln von Tech-Spitzenverdiener*innen. Hier pulsiert das Leben, ist Kultur, Party und Lifestyle, der altbekannte Speckgürtel ist jetzt zusätzlich die Innenstadt, der Pöbel wird immer weiter nach außen gedrängt. Wer Eigentum hat, wird damit noch reicher, wer wenig oder nichts hat, kriegt noch was abgenommen und ist am Arsch. Da nicht die Menschen die drin wohnen die Häuser besitzen, sie stattdessen das Eigentum von Wenigen sind, können Markt und Eigentümer*innen das soziale Leben ärmerer Leute zerstören, weil diese z.B. wegen Mieterhöhung oder Umwandlung in Eigenbedarf wegziehen müssen. Aber nicht nur in der eigenen Stadt - die Ausbeutung ist global. Der Reichtum mancher Weniger fußt auch auf der Ausnutzung von Ressourcen und Menschen, vor allem aus südlichen und östlichen Ländern. Von der Hose bis zum Chip, die Ressourcen und die Arbeitskraft kommen aus dem Trikont, die Ware bekommen wir.

Solange es Eigentum an sich gibt, ist die Grundlage für Ausbeutung geschaffen und manche Arschlöcher werden das ausnutzen. Vermutlich sogar die meisten, sofern sie die Möglichkeit dazu hätten. Es ist also sinnlos für niedrigere Mieten oder gegen Umwandlung in Eigentumswohnungen zu kämpfen, diese Auseinandersetzungen können höchstens Aufhänger für eine Vertiefung der Konflikte und der grundlegenden Fragen für ein ganz anderes Leben dienen. Ein Leben, in dem Beziehungen nicht auf Wettbewerb, Tausch oder Gewinn fußen, sondern auf Solidarität, kollektiven Strukturen und der Praxis des Widerstands.


Die Sicherheit der Ausbeutung


Sensoren sollen überall Dinge und Menschen beobachten, von denen Benutzerprofile oder Bewegungsmuster erzeugt werden. Die Daten können von Firmen und Staaten nach Bedarf benutzt werden, zur Vermarktung auch des letzten Teil des Lebens oder auch zur Kontrolle und der Erfassung „abweichender“ Verhalten. Diese penetrante Art der dauerhaften Datenerhebung von allem was Ist, dieses Netz in dem wir immer mehr in einem offenen allgegenwärtigen smarteren Gefängnis leben, soll alles messbar und bewertbar machen. Das ist das neue Gold, der neue Absatzmarkt, die Ausbeutung des Lebens und der Beziehungen selbst, die absolute Abhängigkeit von Mutter Konzern.

Um diese unsolidarische Gesellschaft, die Privilegien mancher zu schützen und um die uns eingeimpfte vermeintliche Sicherheit zu wahren, soll eine „qualitativ neue smarte Sicherheitskultur“ eingeführt werden. Dazu gehören z.B. die Nutzung von Satelliten, der Ausbau von DNA-Datenbanken, aber auch Firewalls und kontrollierte Teilabschaltungen ganzer Netzwerke. Wenn wir uns also auf digitale Kommunikation verlassen, werden wir andere Kommunikationsstrukturen und somit auch unsere Selbstbestimmung verlieren. Die Strategen der Herrschaft betonen, wie wichtig eine verfügbare Dateninfrastruktur auch in Krisenzeiten ist, was auch immer der Staat als Krise definiert. Die Vernetzung wird totalitär und immer überall, aber dafür auch immer überall angreifbar: „Zunehmende Vernetzung auch sensibler Bereiche erhöht die Verwundbarkeit gerade kritischer Prozesse und Strukturen... …Bereits mehrstündige Stromausfälle können die Funktion bestehender Systeme grundsätzlich infrage stellen.“


Eigentliche Probleme


Ein tiefer gesellschaftlicher Umbruch steht bevor. Die totalitäre Effizienz der technologischen Smartness will uns einverleiben, sortieren und klassifizieren. Sie lässt keine Gefühle, keine Ungewissheiten zu - nur Berechenbarkeit. Die sozialen Fragen der smarter Herrschaft beschränken sich auf Kontrollierbarkeit und Ausbeutbarkeit. Was eigentliche Probleme im miteinander sind, wie Ausbeutung und Herrschaft des Menschen über den Menschen entstehen, sind Fragen die an die Wurzel gehen, sie entwickeln sich im lebendigen Miteinander im Konflikt mit dem Herrschenden.

Hast du jetzt mehr tiefgehende Beziehungen, Menschen die auch bei dir sind wenn es schwierig wird? Was hast du in deiner Umgebung selbst erschaffen? Wie lange am Stück kannst du dich noch konzentrieren? Zu welchen grundsätzlichen Entscheidungen fühlst du dich in der Lage?

Bist du glücklicher?


SHITSTORM – Anarchistische Zeitung – Berlin, April 2017 - #1