Titel: Zur Analyse einer Periode der Überwindung
Untertitel: Von den post-industriellen Illusionen zu den post-revolutionären Illusionen
Datum: 5. Oktober 1985
Quelle: Entnommen aus „Den Kreis durchbrechen“, ohne Ort, wahrscheinlich Sommer 2014, S. 3-10.
Bemerkungen: Original auf Italienisch, Originaltitel: "Per unanalisi di un periodo di supera- mento. Dalle illusioni post-industriali alle illusioni post-rivoluzionarie", schriftliches Referat begleitend zu einem Redebeitrag an dem Treffen unter dem Titel “Anarchismo e progetto insurrezionale“ in Milano, 13. Oktober 1985. Publiziert in dem Buch Anarchismo e progetto insurrezionale. Alti del convegno, von Edizioni Anarchismo, 1986, Catanien, Seite 41-62 (in der zweiten Edition).

Veränderungen in der Gesellschaft

ln der kontinuierlichen Evolution der sozialen Bedingungen haben sich in den letzten Jahren einige Prozesse verstärkt, die nunmehr als regelrechte Veränderungen betrachtet werden können.

Die Struktur der Herrschaft hat sich von einem deutlichen Verhältnis der Bemeisterung nach Belieben zu einem Verhältnis verändert, das auf der Anpassung und dem Kompromiss beruht. Daraus ergab sich eine bemerkenswerte Zunahme der Nachfrage nach Dienstleistungen gegenüber der Nachfrage nach herkömmlichen Gütern (zum Beispiel jenen von langlebigem Konsum). Dies bestimmte die Beschleunigung der auf der Informatik basierenden Produktionsaspekte und die entsprechende Robotisierung der Produktionssektoren, was schliesslich den terziären Sektor (Handel, Tourismus, Transportwesen, Kredit, Versicherungen, öffentliche Verwaltung, etc.) die anderen Sektoren (Industrie und Landwirtschaft) überwiegen liess.

Dies bedeutet nicht, dass der industrielle Sektor an Konsistenz oder an produktiver Bedeutung verloren hat, sondern bloss, dass er prozentual immer weniger Arbeiter beschäftigen wird, auch unter Beibehaltung oder sogar Erhöhung der vorhergehenden Produktionsstandards. Derselbe Diskurs gilt auch für die Landwirtschaft, die eine kräftige Beschleunigung der Prozesse zur Industrialisierung der Produktion sehen wird, und die sich folglich nur aus statistischer und nicht aus sozialer Sicht vom industriellen Sektor wird unterscheiden können.

Im Wesentlichen stellt sich die Situation als die eines “Übergangs” dar, aber nicht klar und deutlich, als eine Tendenzlinie. Es gibt keinen klaren Bruch zwischen industrieller Periode und post-industrieller Periode. Die Phase, die wir durchqueren, ist zweifellos die einer Überwindung von obsoleten Produktionsstrukturen, welche dabei sind, restrukturiert zu werden, aber es ist nicht die der Schliessung der Fabriken und der Errichtung des Reichs der computerisierten Produktion.

Die Tendenz in Richtung der Zersetzung der Produktionseinheiten und in Richtung der Anregung von kleinen unabhängigen Kernen, die die Logik der Selbstausbeutung innerhalb des zentralisierten industriellen Produktionsprojektes bis auf den Grund aplizieren, wird in den nächsten Jahren sicherlich vorherrschend sein; aber sie wird, wie es sich für die behutsamen Strategien des Kapitals gehört, von langsamen Anpassungen innerhalb des industriellen Sektors selbst, im traditionellen Sinne des Begriffs, begleitet werden.

Dieser Diskurs gilt viel stärker für eine Situation wie die italienische, die sich als viel rückständiger als das japanische oder amerikanische Modell darstellt.

Die Inseln der verlorenen Menschen

Aus den Fabriken herausgerissen, Stück für Stück, in einem langsamen und vielleicht unumkehrbaren Prozess, werden die Arbeiter von gestern in eine Atmosphäre von erhöhtem Wettbewerbsgeist geworfen, der, mit allen Mitteln, versucht, ihre Produktionsqualität zu erhöhen, das einzige verarbeitbare Gut in der computerisierten Logik der Produktionszentren.

Die verstreute kapitalistische Konfliktualität ist das tödlichste, was es als Element gibt, das fähig ist, die andere, die revolutionäre Konfliktualität auszulöschen, welche darauf abzielt, die Klassengegenüberstellung zu erhöhen und nicht wiedereingliederbar zu machen.

Die höheren Verdienste der Bewohner der Produk- tions-“Inseln”, ihre scheinbare grössere “Freiheit”, ihre Möglichkeit, die Arbeitszeit selbst zu bestimmen, die qualitativen Variationen (obschon immer in der Wettkampflogik des Marktes, gesteuert von den Zentren, welche die Aufträge liefern); all dies generiert die Überzeugung, im versprochenen Land angelangt zu sein: im Reich der Glücklichkeit und des Wohlstands. Immer höhere Verdienste und eine immer erbittertere “Kreativität”.

Und diese Inseln des Todes werden von ideologischen und praktischen Schranken umgeben sein, die, zuallernächst, darauf ausgerichtet sind, all diejenigen, die ihnen nicht angehören, zurück zu treiben, ins stürmische Meer der Unmöglichkeit des Überlebens.

Deshalb ist das Problem, das sich stellt, eben jenes in Bezug auf die Ausgeschlossenen.

Zwei Reservoire der Revolution

Die Ausgeschlossenen und die Eingeschlossenen.

An erster Stelle diejenigen, die am Rande bleiben werden. Ausgestossen aus dem Produktionsprozess, benachteiligt durch ihre Unfähigkeit, sich in die neue Konkurrenzlogik des Kapitals einzufügen, oft nicht dazu bereit, die minimalen Überlebenslevels zu akzeptieren, die von einem staatlichen Assistenzialismus gewährt werden, der, im Übrigen, immer mehr als ein Wrack der Vergangenheit betrachtet wird, in einer Produktionssituation, die dazu neigt, die Tugenden des Menschen hervorzuheben, der “sich selbstständig macht”. Diese werden nicht nur jene Schichten sein, die aus ethnischen Gründen zu dieser sozialen Rolle verurteilt sind, wie beispielsweise die Afrokariben in der heutigen britischen Gesellschaft, treibende Kraft der kürzlichen Krawalle in diesem Land [1985]; sondern, mit der Weiterentwicklung der sozialen Veränderung, worüber wir es haben, werden auch soziale Gruppen daran teilhaben, die zuvor in die einschläfernde Salarisierung gehüllt waren, und nun in eine sich schnell und radikal verändernde Situation geworfen werden. Auch die restlichen Stützen, die diese zusätzlichen Gruppen werden geniessen können (Vorruhestand, Cassa Integrazione [Lohnausgleichskasse], unterschiedliche Assistenzialismen, etc.) werden nicht eine Situation akzeptabel machen, die, auch in qualitativen Begriffen, immer diskriminierender werden wird. Vergessen wir nicht, dass das Konsumlevel von diesen Schichten von “Aus- gestossenen” nicht im Entferntesten mit demjenigen der ethnischen Gruppen verglichen werden kann, die gar nie erst in die Bereiche der Salarisierung eingefügt wurden. Dies wird zweifellos zu Explosionen von “sozialem Unwohlsein” von unterschiedlicher Art führen, die es Aufgabe der Revolutionäre sein wird, mit den elementarsten Rebellionsantrieben zu verbinden.

Dann gibt es die Eingeschlossenen, diejenigen selbst, die auf den “Inseln” des Privilegs ersticken werden. Der Diskurs, der droht, komplizierter zu werden, essenzialisiert sich hier nur, wenn man bereit ist, dem Menschen und seinen wirklichen Bedürfnissen nach Freiheit Glauben zu schenken. Es werden schliesslich die “Umkehrenden” aus diesem Sektor sein, die praktisch mit Sicherheit unter den erbarmungslosesten Ausführern der Logik des Angriffs gegen das Kapital in seiner neuen Ordnung sein werden. Wir gehen einer Zeit von blutigen Konfrontationen und äusserst harten Repressionen entgegen. Der soziale Frieden, erträumt von einer und befürchtet von der anderen Seite, bleibt der unzugänglichste Mythos von jener Utopie des Kapitals, die sich als Erbin der “friedlichen” Logik des Liberalismus wähnte, der das Wohnzimmer von dem bisschen Staub des Tages reinigte und in der Küche massakrierte, der sich im Vaterland assistenzialistische Haltungen gab und in den Kollonien tötete.

Die neuen Gelegenheiten zu kleinen, armseligen, obszönen alltäglichen Freiheiten werden durch eine tiefgreifende, grausame und systematische Diskriminierung gegenüber äusserst breiten sozialen Schichten bezahlt werden. Dies wird - früher oder später - innerhalb der privilegierten Schichten selbst das Anwachsen von einem Bewusstsein über die Ausbeutung mit sich bringen, das unmöglich nicht zu Rebellionen führen kann, seien sie auch auf wenige Individuen beschränkt, seien sie auch auf die Besten begrenzt. Es muss gesagt werden, schliesslich, dass es in der neuen kapitalistischen Perspektive an einem starken ideologischen Untersatz fehlt, wie es in der Vergangenheit geschah, fähig, den Ausbeutern und, speziell, den mittleren Führungsschichten Unterstützung zu geben. Der Wohlstand des Wohlstands halber ist zu wenig, besonders für zahlreiche Gruppen von Individuen, die in einer mehr oder weniger kürzlichen Vergangenheit direkte Erfahrung gemacht haben mit, oder auch nur gelesen haben von befreienden Utopien, revolutionären Träumen und (wenn auch eingegrenzten und unglücklichen) Versuchen von aufständischen Projekten.

Und diese letzteren werden es nicht versäumen, die ersteren zu erreichen. Nicht alle Eingeschlossenen werden selig in der künstlichen Glücklichkeit des Kapitals leben. Viele von ihnen werden sich bewusst werden, dass das Elend von einem Teil der Gesellschaft den Schein von Wohlstand vom restlichen Teil vergiftet und aus der Freiheit selbst (umgeben von Stacheldraht) ein eigentliches Gefängnis macht.

Die staatlichen Vorsichtsmassnahmen

Das industrielle Projekt hat, in diesen letzten Jahren, einige Kursänderungen angenommen, auch in Folge der Einschaltung der staatlichen Kontrollen und der Methodologien, die an die politischen Intressen zur Verwalung des Konsenses gebunden sind.

Die Sache von der technischen Seite betrachtend, kann man beobachten, wie die Produktionsorganisation sich im Wandel befindet. Nicht mehr die an einem präzisen Ort, zum Beispiel in der Fabrik auszuübende Tätigkeit ist zentral; sondern es wird immer mehr die Verbreitung auf dem Gebiet entwickelt, auch auf beträchtliche Distanz. Dies erlaubt die Entwicklung von Industrieprojekten, die eine bessere und ausgeglichene Verteilung der Produktionseinheiten auf dem Gebiet berücksichtigen, und somit einen Aspekt der sozialen Ungleichgewichte der Vergangenheit beseitigen: industrielle Ghettos und Super-Konzentrationen, stark verschmutzte Zonen und eine systematische Zerstörung der Öko-Systeme. Das Kapital blickt jetzt einer ökologischen Zukunft entgegen, mit vollen Händen aus dem grossen Topf der Umweltschützer schöpfend und sich zum Verfechter einer Ideologie des Schutzes der natürlichen Ressourcen machend, die den Aufbau von einer Stadt der Zukunft als möglich erscheinen lässt, die mit “menschlichem Antlitz” versehen ist, sozialistisch oder nicht.

Der wirkliche Beweggrund, der das kapitalistische Projekt in Richtung dieser fernen Länder der Utopie von gestern antreibt, ist sehr simpel und ganz und gar nicht philanthropisch; er beruht auf der Notwendigkeit, das Klassenunbehagen auf ein Minimum zu reduzieren, die effektive Gegenüberstellung der Konfrontation mit einer süsslichen, allmählichen Anpassung mildernd, die auf ein unbegrenztes Vertrauen in die Technologie der Zukunft baut.

Es ist selbstverständlich, dass man die verlockendsten Vorschläge den Eingeschlossenen machen wird, auch um - so gut als möglich - die Desertionen zu vermeiden, die des kapitalistischen Morgens wahres Kreuz sein werden, da die einzelnen Subjekte, die ihre Projektualität in revolutionärem Sinne verändern werden, wenn sie aus dem Bereich selbst des Produktionsprozesses kommen, reale Mittel haben werden, die sie der Revolution gegen die Hegemonie der Ausbeutung zur Verfügung stellen können.

Doch diese saint-simonistische Hoffnung, die Welt durch die “gute” Technologie zu regieren, erweist sich, schon ab jetzt, als unfundiert, denn sie berücksichtigt nicht das Problem der physischen Dimensionen, die es dem Ghetto der Ausgeschlossenen zuzuteilen gilt. Diese letzteren werden innerhalb des Garten-Projektes vielleicht in einer engherzigen Mischung von Glücklichkeit und Aufopferung wiederverwertet werden können, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.

Die Spannung und die kontinuierlichen Wutexplosionen werden die lüsterne Utopie der Ausbeuter in ernsthafte Gefahr bringen.

Das Ende der konkurrenziellen Irrationalität

Es war schon vorher abzusehen. Die Schwierigkeiten der Konkurrenz und des Monopolismus drohten, die Produktionsstrukturen in eine Reihe von wiederkehrenden “Krisen” zu verwickeln. Produktionskrisen, im grössten Teil der Fälle. Tatsächlich war es, für die vorherige Mentalität, essenziell, die sogenannten “Skalenökonomien” zu erreichen, und dies war nur möglich, indem immer grössere Produktionsvolumen verarbeitet wurden, es schaffend, die Fixkosten so gut wie möglich zu verteilen. Daraus leitete sich die Standardisierung der Produktionsprozesse ab; die Akkumulation der Produktionseinheiten an abgeordneten Orten, chaotisch verteilt auf Basis von einer kolonisierenden Logik (zum Beispiel die klassischen sizilianischen “Kathedralen in der Wüsten”), die Einheitlichkeit des Produkts; die Parzellisierung des Kapitals und der Arbeit; etc.

Die ersten Korrekturen kamen von der massiven Intervention des Staates. Die Gelegenheiten, die von dieser Präsenz geöffnet wurden, sind verschiedene gewesen. Der Staat, nicht mehr passiver Zuschauer, schlichter “Kassierer” des Kapitals, sondern aktiver Operateur, “Bankier” und Unternehmer.

Im Wesentlichen, Reduzierung der Produktion von Gebrauchswert und Erhöhung der Produktion von Tauschwert in Sachen Beschaffung von sozialem Frieden.

Das Kapital hat eine partielle Lösung gefunden, indem es seiner konkurrenziellen Periode ein Ende setzte. Der Staat hat dabei Hilfe geleistet, im Hinblick auf eine komplette Umwandlung der ökonomischen Produktion in Produktion von sozialem Frieden. Dieses letztere utopische Projekt ist natürlich unerreichbar. Früher oder später zerbricht die Maschine.

Der neue Produktionsprozess - der oftmals als post-industriell definiert worden ist - erlaubt auch gegenüber Verarbeitungen von kleinen Produktionsvolumen einen niedrigen Preis der Produkte; er gestattet, auch mit bescheidenen Kapitalinterventionen, bemerkenswerte Abänderungen in der Produktion; er entwickelt zuvor nie gesehene Wandelmöglichkeiten in der Einheitlichkeit der Produkte. Dies eröffnet für die Mittelklassen, für die Produktionskader, für die vergoldete Isolierung der führenden Klassen selbst Horizonte von “Freiheit”, Horizonte, die früher nicht vorstellbar waren. Aber sie erinnert stark an die Freiheit der Burg der teutonischen Ritter von nazistischer Prägung. Rings um die Mauern der Ritterburg, bespickt mit Bewehrungen, herrscht einzig der Frieden der Friedhöfe.

Keiner der Fabrizierer der Ideologien des post-industriellen Neo-Kapitalismus hat sich gefragt, was zu tun angesichts der Gefahr, die von da drüben kommen wird.

Die kommenden Krawalle werden immer blutiger und schrecklicher sein. Und mehr noch werden sie es sein, wenn wir wissen werden, wie sie in Massenaufstände zu verwandeln.

Kenntnis und Ghettoisierung

Was die negative Selektion gegenüber jenen bewirkt, die von der Burg der teutonischen Ritter ausgeschlossen bleiben werden, wird nicht nur die eigentliche Arbeitslosigkeit sein, sondern hauptsächlich die Ermangelung der wirklichen Zugänglichkeit zu den Daten.

Das neue Produktionsmodell wird die Verfügbarkeit der Kenntnis der Daten notgedrungen reduzieren müssen. Dies ist nur zum Teil eine Konsequenz der Informatisierung der Gesellschaft. Mehr ist es eine der Bedingungen der neuen Herrschaft, die seit mindestens zwanzig Jahren geplant wird und ihren Kulminationspunkt in der, seit langem, von konkreten operativen Inhalten entleerten Massenschule findet.

Sowie zu Zeiten der industriellen Revolution das Aufkommen der Maschinen eine Reduzierung der Selbstbestimmungsfähigkeiten von grossen Arbeitermassen bewirkte und folglich ihre Eintruppierung in die Werkstätten verursachte, während es die vorherige Bauernkultur zerstörte und eine Arbeitskraft in die Hände des Kapitals übergab, der es praktisch unmöglich gemacht wurde, die Inhalte der neuen mechanisierten Welt, die sich am abzeichnen war, zu “verstehen”; ebenso ist, jetzt, die informatische Revolution, eingefügt in den Anpassungsprozess der kapitalistischen Widersprüche von Seiten des Staates, dabei, das Fabrikproletariat in die Hände eines Mechanismus von neuer Art zu übergeben, der mit einer Sprache ausgestattet ist, die nur für eine privilegierte Minderheit verständlich sein wird. Der Rest wird zurück getrieben werden und gezwungen sein, die Schicksale des Ghettos zu teilen.

Das alte Wissen, auch jenes, das von den Intellektuellen durch den verzerrenden Spiegel der Ideologie gefiltert wurde, wird in Maschinensprache kodifiziert und mit den neuen Notwendigkeiten kompatibel gemacht werden. Dies wird eine der historischen Gelegenheiten sein, um, unter anderem, den spärlichen realen Inhalt des ideologischen Quatschs zu entdecken, den sie uns in den letzten zwei Jahrhunderten eingetrichtert haben.

Das Kapital wird dazu tendieren, alles aufzugeben, was nicht unmittelbar in diese neue, generalisierte Sprache übersetzbar ist. Die traditionellen Erziehungsprozesse werden immer mehr an inhaltlichem Wert verlieren, und ihre reale (und selektive) Substanz als Ware zur Schau stellen.

Als Ersatz der Sprache wird ein neuer Verhaltenskanon geliefert werden, der von mehr oder weniger präzisen Regeln geformt und, grundsätzlich, von jenen alten Demokratisierungsprozessen und assemblearen Funktionsweisen gebildet wird, die das Kapital bereits gelernt hat, perfekt zu kontrollieren. Dies wird den doppelten Nutzen haben, die Ausgeschlossenen beschäftigt zu halten, und, ihnen den Eindruck zu geben, an der Verwaltung der öffentlichen Sache zu “partizipieren”.

Die computerisierte Gesellschaft von morgen könnte sogar ein sauberes Meer und einen “quasi” perfekten Schutz der begrenzten Ressourcen der Umwelt haben, aber sie wird ein Jungel aus Verboten und Regeln sein, die, zum grössten Grauen, introjiziert und in eine tiefe persönliche Entscheidung verwandelt werden, sich am kollektiven Gut zu beteiligen. Einer Orientierungssprache beraubt, werden die Ghettoisierten nicht mehr zwischen den Zeilen der Kommunikationen der Macht lesen können und darin enden, keinen anderen Auslass zu haben als den Krawall, spontan, irrational und auf zerstörerische Weise Selbstzweck.

Auch die Mitwirkung der Eingeschlossenen, die von der künstlichen Freiheit des Kapitals angewidert sind, als revolutionäre Überbringer von einem, wenn auch kleinen Teil jener Technologie, die es ihnen gelingen wird, dem Kapital zu entreissen, wird nicht ausreichend sein, um eine Brücke zu bauen oder um eine Sprache zu liefern, worauf man eine weise und korrekte Gegeninformation aufbauen kann.

Die organisatorische Arbeit der künftigen Aufstände wird dieses Problem zwangsweise lösen müssen, wird - vielleicht ausgehend von null - die wesentlichen Terme einer Kommunikation aufbauen müssen, die dabei ist, abgebrochen zu werden, und die eben im Moment der Schliessung, aus spontaner und unkontrollierter Reaktion, Manifestierungen von einer solchen Gewalt ins Leben rufen könnten, dass die Erfahrungen der Vergangenheit mit Leichtigkeit verblassen werden.

Generalisierte Verarmung

Man darf das Ghetto nicht als das Slumviertel der Vergangenheit verstehen, als Harlekinmantel der Auswürfe des Überflüssigen, das in das Leiden der Entbehrung geworfen wird. Das neue Ghetto, kodifiziert von den Regeln der neuen Sprache, wird ein - wohlverstanden passiver - Nutzniesser der Technologien der Zukunft sein, und es wird auch in der Lage sein, jene rudimentären - auf das Mindeste reduzierten - manuellen Fähigkeiten zu besitzen, die es erlauben, die Objekte zum Funktionieren zu bringen, die, mehr als die Bedürfnisse zu befriedigen, selber ein grosses und kolossales Bedürfnis sind.

Diese Gesten werden derart verarmt sein, dass sie sich der gesamtheitlichen Verarmung der Qualität des Lebens im Ghetto als perfekt angemessen erweisen.

Auch Gegenstände von beträchtlicher Produktionskomplexität werden zu vernünftig niedrigen Preisen geliefert und mit jenem panischen Gefühl von Exklusivität bekannt gemacht werden können, das die Käufer mit hineinzieht, die nunmehr ein Spielball der Projekte des Kapitals sind. Ausserdem werden wir, mit der Veränderung der Produktionsbedingungen, nicht mehr die Wiederholung in Serien desselben Gegenstandes mit beträchtlichen Schwierigkeiten (besonders in Sachen Kosten) für technologische Modifizierungen und Entwicklungen haben; sondern werden wir (auch innerhalb des Ghettos) eine Reproduktion von artikulierten, flexiblen und auswechselbaren Prozessen haben, die fähig sind, die neuen Ideen von Kontrolle (zu niedrigen Kosten) anzuwenden, und insbesondere fähig sind, die Nachfrage selbst zu beeinflussen, sie orientierend und die grundlegenden Bedingungen der Produktion von sozialem Frieden realisierend.

Eine solche scheinbare Simplifizierung des Lebens, sowohl für die Eingeschlossenen wie für die Ausgeschlossenen, solche technologische “Freiheit” lässt heute die Ökonomisten und Soziologen ins Träumen kommen, die sich - als brave Leute, wie sie es schon immer waren - nicht dazu gehen lassen, die Grundzüge einer interklassistischen Gesellschaft zu skizzieren, fähig, “gut” zu leben, ohne die Monster das Klassenkampfes, des Kommunismus und der Anarchie zu wecken.

Das Abfallen des Interesseses für die Gewerkschaften und die Entleerung des reformistischen Sinngehalts, den diese Organisationen in der Vergangenheit gehabt haben, die Tatsache, dass sie zu schlichten Übertragungsriemen der Direktiven der Bosse geworden sind, werden als Beweise für das Ende der Klassenkonfrontation und den Anbruch der interklassistischen Realität betrachtet, das alles parallel zum Anbruch der post-industriellen Gesellschaft. Das ist sinnlos, aus diversen Gründen, die wir später anschauen werden. Der Syndikalismus (von egal welcher Natur) hat seinen revolutionären Sinngehalt (wenn er je einen gehabt hat), und auch den reformistischen Sinngehalt verloren, nicht, weil der Klassenkampf vorbei ist, sondern, weil sich die Bedingungen der Konfrontation tiefgreifend verändert haben.

Alles in allem stehen wir vor einer Fortsetzung mit immer grösseren und unlösbareren Widersprüchen.

Zwei Phasen

Schematisch lassen sich zwei Phasen rekonstruieren.

In der industriellen Periode überwiegt die Konkurrenz des Kapitals und ein auf der Fabrikation basierender Produktionsprozess. Der bedeutendste wirtschaftliche Sektor ist der sekundäre, welcher als Transformationsressource die produzierte Energie und als strategische Ressource das Finanzkapital einsetzt. Die Technologie von dieser Periode ist im Wesentlichen die mechanische und die Figur des Produzenten, die sozial am meisten hervorsticht, ist diejenige des Arbeiters. Die Methodologie, die in den Projekten eingesetzt wird, ist die empirische, welche auf der Experimentation beruht, während die Organisation des Produktionsprozesses in seiner Gesamtheit auf dem endlosen wirtschaftlichen Wachstum begründet ist.

In der post-industriellen Periode, auf die wir uns zubewegen, aber in die wir, speziell in der italienischen Situation, noch nicht vollends eingetreten sind, überwiegt der Staat die kapitalistische Konkurrenz und auferlegt er seine Systeme zur Konsensbeschaffung und zur Produktionsanordnung hauptsächlich zum Zweck des sozialen Friedens. Die technische Manier der Fabrikation wird durch die Verarbeitung von Daten und die Umwandlung von Dienstleistungen ersetzt. Der vorrangige wirtschaftliche Sektor wird der terziäre (eben, Dienstleistungen), der quartäre (spezialisiertes Finanzwesen) und der quintäre (Forschung, Freizeit, Erziehung, öffentliche Verwaltung). Die hauptsächliche Transformationsressource ist die Information, die sich als von einem komplexen Datenübertragungssystem konstituiert erweist, während die hauptsächliche strategische Ressource von der Kenntnis gegeben ist, die sich langsam an Stelle des Finanzkapitals setzt. Die Technologie verlässt die mechanische Komponente und übersiedelt in die intellektuelle, das typische Element, das diese neue Technologie einsetzt, ist nicht mehr der Arbeiter, sondern der Techniker, der Professionelle, der Wissenschaftler. Die Methodologie, die in den Projekten eingesetzt wird, beruht auf der abstrakten Theorie und nicht mehr auf der Experimentation, während die Organisation des Produktionsprozesses auf der Kodifizierung der theoretischen Kenntnis begründet ist.

Der Untergang der Arbeiterzentralität

Die Aufmerksamkeit auf die industrielle Produktionsphase richtend, betrachtete der Marxismus den Beitrag der Arbeiterklasse zur revolutionären Auflösung der sozialen Widersprüche für fundamental. Daraus leitete sich eine tiefgreifende Konditionierung der Strategie der von den Zielen der Eroberung der Macht inspirierten revolutionären Bewegung ab.

Der Argumentation lag das von Marx genährte, hegelianische Missverständnis zugrunde, dass die dialektische Gegenüberstellung zwischen Proletariat und Bourgeoisie extremisierbar sei, indem durch eine indirekte Stärkung des Kapitals und des Staates das Proletariat gestärkt wird. Auf diese Weise wurde jeder Sieg der Repression als ein Vorzimmer des künftigen proletarischen Sieges gedeutet. Das Ganze in einer - typisch aufklärerischen - progressiven Vision von einer Konstruierbarkeit des “Geistes” in der Welt der Materie.

Mit Modifizierungen, die zweifellos interessant sind, bleibt diese alte Konzeption der Klassenkonfrontation bis heute bestehen, zumindest in einigen Träumen voller Alpträume, in denen die Wracks der alten Projekte von Ruhm und Eroberung hin und wieder schwelgen. Auf theoretischer Ebene ist eine ernsthafte kritische Analyse dieser rein fantastischen Situation nicht produziert worden.

Man ist bloss, mehr oder weniger einstimmig, darin übereingekommen, dass die Arbeiterzentralität woandershin verlegt worden ist. Zuerst, schüchtern, im Sinne einer Verstreuung der Fabrik auf dem Gebiet. Dann, entschiedener, im Sinne einer allmählichen Ersetzung des klassischen Sekundären durch die terziären Produktionssektoren.

Der Untergang von einigen Illusionen der Anarchisten

Auch die Anarchisten haben ihre Illusionen gehabt, und auch diese sind untergegangen. Sie haben, um ehrlich zu sein, nie diejenige der Arbeiterzentralität gehabt, aber sie haben die Rolle der Welt der Arbeit, mit einer führenden Position der Industrie gegenüber dem primären Sektor (Landwirtschaft), oft als fundamental betrachtet. Was diese Illusionen genährt hat, war der Anarchosyndikalismus.

Auch in jüngster Zeit sind die Begeisterungen für die aus den Aschen auferstehende spanische CNT zahlreich gewesen, besonders von jenen, die heute die radikalsten Einschläger der neuen “Wege” des reformistischen Anarchismus zu sein scheinen.

Die Grundkonzeption, die diese Form von Arbeiterzentralität (anders als jene der Marxisten, aber nicht so anders, wie man gemeinläufig meint) nährte, war der Schatten der Partei.

Die anarchistische Bewegung hat für lange Zeit als Synthesenorganisation, und folglich als Partei gehandelt.

Nicht die ganze anarchistische Bewegung, aber ihre organisierten Formen sicherlich schon.

Nehmen wir die FAI [Federazione Anarchica Italiana]. Auch heute noch ist sie eine Synthesenorganisation. Sie stützt sich auf ein Programm, sie hat zum zentralen Punkt ihrer Aktion die periodischen Kongresse und blickt als ein Anschluss-“Zentrum” auf die äusseren Realitäten. Ihre internen Organismen (Kommissionen) sind die Strukturen, die in die verschiedenen Realitäten intervenieren und sich vornehmen, die “Anschlüsse”, das heisst, die Synthese zwischen den äusseren Bewegungsrealitäten (revolutionäre Realitäten) und der internen Realität der spezifischen Bewegung zu bewirken.

Gewiss, einige Gefährten mögen einwenden, dass diese Bekräftigungen zu allgemein sind, aber sie können nicht leugnen, dass die Mentalität, die das Synthesenverhältnis, das eine spezifische anarchistische Organisation zur äusseren Bewegungsrealität etabliert, stützt, ein Verhältnis ist, das dem klassischen Verhältnis der “Partei” sehr nahe ist.

Die guten Absichten, alleine, genügen nicht.

Nun, eben diese Mentalität ist untergegangen. Nicht nur in den jüngeren Gefährten, die ein offenes und informelles Verhältnis zur revolutionären Bewegung wollen, sondern, was wichtiger ist, sie ist in der sozialen Realität selbst untergegangen.

Wenn die Produktionsbedingungen, die für die Industrie typisch waren, einen syndikalistischen Kampf oder eine parteiliche Strategie, sowohl auf der marxistischen als auch auf der libertären Methode der Synthesenorganisation aufgegleist, vernünftig machten, so ist heute, in einer tiefgreifend veränderten Realität, in einer post-industriellen Perspektive, die einzige mögliche Strategie für die Anarchisten die informelle, also diejenige von Gruppen von Gefährten, welche mit präzisen Zielen, auf Basis von Affinitätsentscheiden, dazu beitragen, Basisstrukturen zu kreieren, die darauf ausgerichtet sind, intermediäre Ziele zu erreichen, und, in der Zwischenzeit, die minimalen Bedingungen aufbauen, um die Situationen von schlichtem Krawall in aufständische Bedingungen zu verwandeln.

Die Partei des Marxismus ist tod. Jene der Anarchisten ebenfalls. Wenn ich Kritiken wie diejenige lese, die kürzlich von den sozialen Ökologisten entwickelt wurde, die vom Tod des Anarchismus sprechen, dann werde ich mir bewusst, dass es sich um ein sprachliches Missverständnis handelt, abgesehen von einer mangelnden Fähigkeit, die internen Probleme der anarchistischen Bewegung zu vertiefen, eine Begrenzung, die übrigens von diesen selben Gefährten angeprangert wird. Das, was für sie - und auch für uns - tod ist, ist der Anarchismus, der dachte, der organisatorische Referenzpunkt der nächsten Revolution zu sein, der sich selber als eine Synthesenstruktur sah, die darauf ausgerichtet ist, all die vielfältigen Formen, worin sich die auf das Durchbrechen der staatlichen Konsens- und Repressionsstrukturen ausgerichtete, menschliche Kreativität konkretisiert, zusammenzufassen. Das, was tod ist, ist der statische Anarchismus der traditionellen Organisationen, die auf den revendikativen und quantitativen Ansprüchen basieren. Die Hoffnung, die soziale Revolution als etwas zu sehen, das sich notwendigerweise aus unseren Kämpfen ergeben muss, hat sich als unfundiert erwiesen. Es kann sein, dass sie stattfindet, und es kann auch sein, dass sie nicht stattfindet.

Der Determinismus ist gestorben und das blinde Gesetz von Ursache und Wirkung ist mit ihm gestorben. Die revolutionären Mittel, die wir einsetzen, einschliesslich dem Aufstand, führen nicht notwendigerweise zur sozialen Revolution. In der Realität existiert das Kausalmodell, das den Positivisten des vergangenen Jahrhunderts so lieb war, nicht.

Eben deswegen wird die Revolution möglich.

[An dieser Stelle folgen die Kapitel “Le chiacchiere sulla rivoluzione", “Niente dafare con 1'insurrezione” und “La delegittimazione”, die bei dieser Übersetzung ausgelassen wurden. Darin werden einige sich damals ausbreitende Positionen und Thesen kritisiert, unter anderem jene eines sogenannten Andrea Papi, der sich einerseits auf eine Wiederausgrabung der massenpsychologischen Theorien von Le Bon (1895) und andererseits auf das Konzept einer “Delegitimierung” der Macht durch die Verbreitung von “andersartigen” Verhaltensweisen beruft.]

Geschwindigkeit und Vielfalt

Indem die Datenübertragungzeiten beschleunigt werden, wird eine Beschleunigung in den Planungsentscheidungen bewirkt. Indem diese Zeiten annulliert werden (wie es geschieht, wenn in der Elektronik von “Realzeit“ gesprochen wird), werden die Planungsentscheidungen nicht beschleunigt, sondern verwandelt. Sie werden etwas anderes.

Indem die Projekte verändert werden, verändern sich auch die Elemente der Produktionsinvestition, sich vom traditionellen Kapital (hauptsächlich finanziell) zum Kapital der Zukunft (hauptsächlich intellektuell) verlagernd.

Die Verwaltung des Andersartigen ist eines der grundlegenden Elemente der Realzeit.

Die Delegitimierung ist eine Philosophie des Privilegierten, die ausschliesslich in Begriffen des Rechts des Eingeschlossenen argumentiert und sich einzig auf eine reformistische Logik der gegenseitigen Verwendung desselben sprachlichen Codes stützt.

Aber die Macht, indem sie das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft perfektioniert, indem sie die konkurrenziellen Widersprüche beendet, indem sie die Beschaffung des Konsenses sorgfältig organisiert, und, was sehr wichtig ist, indem sie all das in einer Realzeitperspektive plant, schneidet eine grosse Scheibe der Gesellschaft endgültig aussen ab: den Teil der Ausgeschlossenen.

Die Veränderung in der Geschwindigkeit der Produktionsoperationen wird hauptsächlich eine kulturelle und sprachliche Veränderung bewirken. Und hier ist es, worin sich für die Ghettoisierten die grösste Gefahr verortet.

Ende des Reformismus, Ende der Partei, Ende der Delegitimierung

Die Delegitimierung und die Partei sind gleichbedeutend, insofern beide auf der reformistischen Hypothese beruhen. Um der Macht Legitimität abzusprechen und “diversifizierte Verhaltensweisen“ zu erzeugen, ist es erforderlich, eine Sprach-, wenn nicht gerade eine Interessengemeinschaft zu haben. Dasselbe machte die Partei und dasselbe machten die Gewerkschaften. Die Sprachgemeinschaft übersetzte sich in eine künstliche Gegenüberstellung von Klassenfronten, die von der Forderung nach Verbesserungen und vom Widerstand, sie zu gewähren, charakterisiert waren.

Aber die Tatsache, nach etwas zu fragen, setzt eine “Gemeinschaft“ mit dem voraus, der besitzt, wonach man fragen will.

Jetzt zielt das globale repressive Projekt darauf ab, diese Gemeinschaft abzubrechen. Nicht, indem sie von den Spezialgefängnissen, den Ghettovierteln, den Satellitenstädten und den Industriezonen Gebrauch macht, sondern, im Gegenteil, indem sie die Produktion dezentralisiert, die Dienstleistungen verbessert und die Produktionsmentalität ökologisiert, jedoch unter der absolutesten Absonderung der Ausgeschlossenen.

Und diese Absonderung wird erlangt, indem sie allmählich der gemeinsamen Sprache beraubt werden, die sie bis heute mit dem anderen Teil der Gesellschaft besassen.

Es wird nichts geben, wonach gefragt werden kann, es wir keine möglichen delegitimierenden Verhaltensweisen geben.

Der stumme Ausgeschlossene

Die Beschaffung des Konsenses beruhte, in einer Zeit, die noch als industriell definiert werden konnte, auf einer möglichen Teilhabe an den Vorteilen der Produktion. In einer Zeit, in der die Modifikationsmöglichkeiten des Kapitals praktisch unendlich sind, wird das Binom Kapital-Staat, eben um diese Perspektive best möglich zu realisieren, eine eigene Sprache benötigen, die von jener der Ausgeschlossenen getrennt ist.

Die Unzugänglichkeit zur herrschenden Sprache wird eine Absonderung bilden, die noch wirksamer ist als die traditionellen Grenzen des Ghettos. Die immer grösser werdende Schwierigkeit, auf die herrschende Sprache zurückzugreifen, wird diese letztere, nach und nach, immer schwieriger machen, bis sie sie völlig “anders“ werden lässt. Von diesem Moment an wird sie aus den Verlangen des Ausgeschlossenen verschwinden, und völlig unbekannt bleiben. Von diesem Moment an werden die Eingeschlossenen für die Ausgeschlossenen “anders“ sein, und umgekehrt.

Im repressiven Projekt ist diese Fremdheit essenziell. Die fundamentalen Konzepte der Vergangenheit, wie jene von Solidarität, von Kommunismus, von Revolution und von Anarchie, fanden in der anerkannten Wichtigkeit des Konzepts von Gleichheit eine gewisse propositive Wertigkeit. Aber für die Bewohner der Burg der teutonischen Ritter werden die Ausgeschlossenen keine Menschen sein, sondern schlichte Dinge, Gegenstände, ebenso wie für unsere Vorfahren die Sklaven schlichte Dinge waren, die man kaufte und verkaufte.

Wir verspüren kein Gefühl von Gleichheit gegenüber dem Hund, denn dieses Tier beschränkt sich darauf, zu bellen, das heisst, es “spricht“ nicht unsere Sprache. Deshalb mögen wir ihn lieb haben, aber empfinden wir ihn gezwungenermassen als “anders“, und wir machen uns nicht viel Gedanken über sein Schicksal, zumindest nicht auf der Ebene der Gesamtheit aller Hunde, es bevorzugend, den Hund lieb zu gewinnen, der uns die Dienste seiner Kulanz, seiner Zuneigung oder seiner Bissigkeit gegenüber unseren potenziellen Feinden erbringt.

Dasselbe geschieht im Hinblick auf all jene, die nicht dieselbe Sprache haben wie wir. Es sei angemerkt, dass hier “linguaggio“ [Sprache/Code] nicht mit “lingua“ [Sprache/Zunge] verwechselt werden darf. Unsere fortschrittliche und revolutionäre Tradition hat uns verständlich gemacht, dass alle Menschen gleich sind, ungeachtet der Haut- und Sprachunterschiede. Hier geht es aber um eine mögliche Entwicklung des repressiven Projektes in die Richtung, den Ausgeschlossenen die Möglichkeit selbst, mit den Eingeschlossenen zu kommunizieren, zu entziehen. Indem sie die Verwendbarkeit des geschriebenen Wortes stark reduziert, die Zeitungen und das bedruckte Papier nach und nach durch das via Kabel übertragene Wort, durch die Bilder, die Farben und die Musik ersetzt, könnte die Macht von morgen eine Sprache konstruieren, die nur auf die Ausgeschlossenen zugepasst ist, welche, ihrerseits, unterschiedliche, auch kreative Arten der sprachlichen Reproduktion ausarbeiten werden, aber stets im Innern des eigenen Codes, der von jeglichem Kontakt mit dem Code der Eingeschlossenen und somit von jedem möglichen Verständnis der Welt von diesen letzteren völlig abgeschnitten ist. Und vom Mangel an Verständnis zum Desinteresse und zur geistigen Verschliessung ist die Strecke kurz.

In diesem Sinne ist der Reformismus auf dem Weg, zu sterben. Keine “Forderungen“ werden mehr möglich sein, denn man wird nichts zu fordern wissen von dem, was einer Welt angehört, die aufgehört hat, uns zu interessieren oder uns irgendetwas verständliches zu sagen.

Von der Sprache der Eingeschlossenen abgeschnitten, werden die Ausgeschlossenen folglich auch von der Technologie abgeschnitten sein, die von den ersteren ausgearbeitet wird. Sie werden vielleicht in einer besseren, atembareren Welt leben, mit weniger Gefahren von apokalyptischen Konflikten, mit einer allmählichen Abschwächung der Spannungen auf ökonomischer Basis, aber mit einem immer grösseren Anwachsen der Spannungen auf irrationaler Basis.

Von den periphersten Zonen des Planeten, wo der Einmarsch des Ausbeutungsprojektes trotz seiner “Realzeit“ stets auf Hindernisse von ethnischer und geographischer Natur treffen wird; bis zu den zentralsten Zonen, ausgestattet mit einem fortgeschritteneren Grad an Starrheit in der Klassentrennung, wird man sich von der Konfliktualität auf ökonomischer Basis entfernen, in Richtung einer Konfliktualität von irrationaler Natur.

Die Eingeschlossenen und ihre Projekte von Kontrolle werden das Ziel verfolgen können, Konsens zu erlangen, indem sie die ökonomischen Schwierigkeiten der Ausgeschlossenen reduzieren, sie werden ihnen auch vorgefertigte Sprachen liefern können, die auf die partielle und verstockte Benutzung eines Teils der herrschenden Technologie ausgerichtet sind, sie werden sogar eine bessere Lebensqualität erlauben können, aber sie werden nicht die Explosionen von irrationaler Gewalt verhindern können, jener Gewalt, die der Tatsache, sich nutzlos zu fühlen, der Langeweile und der tödlichen Atmosphäre des Ghettos entspringt.

In Ländern wie Grossbritannien, die schon immer fortgeschrittener waren in den Entwicklungslinien der repressiven Projekte des Kapitals, kann auch heute, jetzt bereits, der Beginn einer solchen Tendenz gesehen werden. Der Staat garantiert gewiss nicht das Überleben, es gibt unglaubliche Restgebiete des Elends und der Arbeitslosigkeit, aber die Krawalle, die in diesem Land regelmässig ausbrechen, werden auch von Jugendlichen - besonders Afrokariben - genährt, die wissen, dass sie endgültig aus einer Welt abgeschnitten wurden, die bereits fremd für sie ist, von der sie einige Gegenstände oder einige Handlungsweisen entlehnen, die sie aber bereits beginnen, als “anders“ zu empfinden.

Vom irrationalen Krawall zum bewussten Aufstand

Die Massenbewegungen, die manche von unseren Gefährten heute so erschüttern und aufgrund von ihrer Gefährlichkeit (und, ihnen zufolge, Nutzlosigkeit) wach halten, sind die vernünftigst voraussehbare Entwicklung der Kämpfe von morgen.

Viele Jugendliche sind - praktisch von jetzt an - nicht mehr in der Lage, zu einer kritischen Evaluierung der Situation zu gelangen, worin sie sich befinden. Einem Minimum an Kultur beraubt, das einst die Schule noch immer lieferte, bombardiert mit Botschaften, die auf Inhalten von grundloser und zielloser Gewalt basieren, werden sie auf tausend Wegen zu einer unbesonnenen, irrationalen, spontanen Rebellion angetrieben, bar von jenen “politischen“ Zielen, welche die vorherigen Generationen glaubten, mit Klarheit zu sehen.

Die “Orte“ dieser kollektiven Explosionen und die Art und Weisen sind sehr verschieden. Die Gelegenheiten ebenfalls. In jedem Fall jedoch ist dahinter eine Strecke von Unduldsamkeit gegenüber der Todesverwaltung zurückverfolgbar, die das Gespann Kapital-Staat aufzwingen will.

Sich vor solchen Manifestierungen zu erschrecken, weil sie jene Leseschlüssel ermangeln, die uns die Tradition als Anzeigefaktoren der revolutionären Instanzen in den Massenbewegungen lehrte, entspricht der Befremdung und Empörung von gutbürgerlichen Edelmännern, wie man sie in den Schriften der oben erwähnten Gefährten gesehen hat, würdige Nachfolger und moderne Wiederausgraber des nie genug gelobten Le Bon, als Theoretiker des Schreckens, den die Massen in Bewegung den friedlichen Träumern mit vollem Magen und mit leerem Kopf einflössen.

Es geht nicht darum, sich zu erschrecken, sondern darum, zur Aktion überzugehen, und das alles bevor es zu spät ist.

Über die organisatorischen Techniken eines bewussten Aufstands gibt es bereits sehr viel Material, wozu auch ich einen gewissen Beitrag geleistet habe, durch dessen Lektüre die Gefährten sich der Oberflächlichkeit und der Unschlüssigkeit von gewissen vorgefassten Kritiken bewusst werden können, die mit Absicht Verwirrung stiften, anstatt zu klären.

In wenigen Zeilen bekräften wir, dass die aufständische Methode nur auf korrekte Weise eingesetzt werden kann von informellen anarchistischen Organisationen, die in der Lage sind, sich an der Bildung und am Funktionieren von Basisstrukturen (Massenorganisationen) zu beteiligen, die das ganz präzise Ziel haben, ein Machtziel anzugreifen und zu zerstören, und die Prinzipien der Selbstverwaltung, der permanenten Konfliktualität und der direkten Aktion anwenden.

Catania, 5. Oktober 1985