Alfredo M. Bonanno
Lasst uns die Arbeit zerstören
Arbeit ist ein Thema, das in akademischen Vorlesungen, Papstpredigten, Wahlreden und sogar in, von AnarchistInnen, produzierten Artikeln und Broschüren, wieder gross in Mode kommt.
Es sind dieselben Fragen, die immer wieder zurückkehren: Was können wir gegen die wachsende Arbeitslosigkeit tun? Wie können wir verloren gegangener Professionalität in Arbeitsstellen Bedeutung geben, die unter den Auswirkungen der neo-industriellen Entwicklung leiden? Welche Alternativen können gefunden werden, um traditionelle Arbeit zu ersetzen? Und schliesslich, und das ist die Art in der viele AnarchistInnen denken, wie können wir die Arbeit abschaffen oder zu einem unerlässlichen Minimum reduzieren?
Lasst es uns gleich von Anfang an klarmachen, dass uns keines dieser Probleme interessiert. Wir sind nicht zuständig für die politischen Probleme derer, die Arbeitslosigkeit als Gefahr für Demokratie und Ordnung sehen. Wir empfinden keinerlei Nostalgie für verloren gegangene Professionalität. Wir sind noch weniger daran interessiert, libertäre Alternativen für grimmige Fabriksarbeit oder intellektuelle Arbeit auszuarbeiten, die unwissentlich nichts anderes tun, als sich dem fortgeschrittenen post-industriellen Projekt zu unterwerfen. Wir sind weder für die Abschaffung von Arbeit, noch für ihre Reduzierung zu einem, für ein bedeutungsvolles, glückliches Leben, benötigten Minimum. Hinter all dem steckt immer die Hand derer, die unsere Leben regulieren wollen, für uns denken wollen, oder uns höflich vorschlagen so zu denken wie sie es tun.
Wir sind für die Zerstörung von Arbeit und dies ist, wie wir demonstrieren werden, eine ganz andere Angelegenheit. Aber lasst uns der Reihe nach vorgehen.
Die postindustrielle Gesellschaft, zu der wir später kommen werden, hat das Problem der Arbeitslosigkeit aufgelöst. Zumindest bis zu einem gewissen Grad, indem sie die Arbeitskräfte in flexible Sektoren zerstreut hat, die einfach zu manövrieren und kontrollieren sind. Im gegenwärtigen Sachverhalt, ist die aktuelle Bedrohung der wachsenden Arbeitslosigkeit, mehr theoretischer als praktischer Natur und sie wird als politisches Abschreckungsmittel benutzt, um weite soziale Schichten von dem Versuch abzubringen, sich auf Wegen zu organisieren, die die Entscheidungen des Neoliberalismus in Frage stellen, speziell auf internationalem Niveau. Genau weil ArbeiterInnen viel leichter zu kontrollieren sind, wenn sie ausgebildet sind und an ihrem Arbeitsplatz mit Karriereaussichten in der Produktionseinheit hängen, drängt man überall darauf – sogar innerhalb den kirchlichsten Rängen – den Menschen Arbeit zu verschaffen und dabei die Arbeitslosenrate zu senken..
Nicht weil letzteres ein Risiko aus der Sicht der Produktion darstellt, sondern vielmehr weil die Gefahr von genau dieser Flexibilität kommen könnte, die heute von der Organisation der Produktion, nicht mehr wegzudenken ist. Die Tatsache, dass der Arbeiter seiner konkreten Identität beraubt wurde, könnte zur sozialen Desintegration führen, die die Kontrolle mittelfristig erschwert. Das ist es, worum es in dem institutionellen Wirbel der Arbeitslosigkeit wirklich geht.
Genauso benötigt der Produktionsprozess, zumindest für die Mehrheit der ArbeiterInnen, keinen hohen Grad an Ausbildung mehr. Das Bedürfnis nach Facharbeit, wurde ersetzt, durch eine Forderung nach Flexibilität bzw. eine Anpassungsfähigkeit um Aufgaben zu übernehmen, die konstant verändert werden und die Bereitschaft von einer Firma zur nächsten zu wechseln. Kurz, sie müssen sich anpassen an ein Leben der Veränderung, entsprechend den Bedürfnissen der Herrschenden. Das wird uns heute schon von der Schule weg einprogrammiert, wo die institutionellen kulturellen Elemente, die einst das technische Basiswissen, auf dem die Welt der Arbeit echte Professionalität aufbaute, nicht mehr geliefert werden. Das soll nicht heissen, dass es nicht länger ein Bedürfnis nach Professionalität gibt. Aber das trifft jetzt auf ein paar tausend Individuen zu, die in post-akademischen Kursen trainiert werden, oft durch die grossen Firmen selbst finanziert, in ihrem Versuch, sich Menschen zu beschaffen, die passend sind für Indoktrination und Konditionierung.
Bis vor kurzem war die Welt der Arbeit durchdrungen von eiserner Disziplin: dem Fliessband, strengen Kontrollen durch höher gestellte Aufsichtshabende. Das ging bis zu Geheimdaten und Rausschmiss für jede Abweichung von der Norm. Sich an einen Arbeitsplatz zu klammern, bedeutete Unterwerfung, Aneignung einer Mentalität im militärischen Stil, das Lernen von Abläufen die manchmal komplex, manchmal einfach waren und die Anwendung und Identifizierung mit diesen. Es bedeutete sich Selbst, die eigene Lebensweise und alles was Bedeutung hatte, einschliessslich der eigenen Ideen und sozialen Beziehungen, darin zusammengefasst zu sehen. Der Arbeiter verbrachte die meiste seiner Zeit in der Fabrik, freundete sich mit seinen Arbeitskollegen an und sprach, während seiner arbeitsfreien Zeit, über Probleme in der Arbeit. Er benutzte die Entspannungseinrichtungen, die die Firma zur Verfügung stellte, und wenn der Urlaub anstand, verbrachte er diesen mit seinen ArbeitskollegInnen und deren Familien. Um das Bild komplett zu machen, organisierten die Betriebe auch noch soziale Events und Ausflüge, um die Familien zusammen zu bringen. Deren Kinder gingen in dieselben Schulen und im Normalfall erbte eines der Kinder die Arbeit des Vaters, wenn dieser in Pension ging. Auf diese Weise drehte sich die Arbeit einmal im Kreis. Dabei beeinflusste sie nicht nur die gesamte Persönlichkeit des Arbeiters, sondern auch die seiner Familie, um die Identifikation mit der Firma komplett zu machen. Als Beispiel denk nur an die zigtausenden FiatarbeiterInnen in Turin, die das, im Besitz des Fiat Boss Agnelli stehende, Juventus Fussball Team unterstützten. Diese Welt ist ein für alle Mal verschwunden. Wenn auch immer noch Überreste davon existieren, ist das meiste davon jedoch verschwunden, gemeinsam mit der planmässigen Uniformität. Ein provisorisches, unsicheres Arbeitsverhältnis hat diese ersetzt. Unsicherheit über die Zukunft, ist ein fundamentales Element und ein Mangel an Schulung, bedeutet den Mangel einer Basis, auf der die Arbeiterin ihr Leben planen könnte. So bleibt ihr kein Projekt, ausser mal gerade genug zu verdienen, um so über die Runden zu kommen oder eine Hypothek zu bezahlen.
In der Vergangenheit drückte sich die Flucht vor der Arbeit, durch die Suche nach verschiedenen Wegen der Produktion aus, um sich so die Kreativität, die der kapitalistische Mechanismus den Arbeitern abgerungen hatte, wieder anzueignen. Das Modell, das Anwendung fand, war die Verweigerung der Disziplin und Sabotage der Produktionskette, um das Arbeitstempo zu verlangsamen und um Zeit zu gewinnen,- wenn auch nur Minuten-, befreit von der Entfremdung. Auf diese Art hatte die, so von der akribischen Fabrikssupervision gestohlene Zeit, den Wert von etwas Alternativem. Für einen Augenblick konnte man von der gefängnishaften Atmosphäre der Fabrik oder des Büros befreit aufatmen. Wie wir sehen können, hat eine derartige Welt praktisch aufgehört zu existieren und es wird in der näheren Zukunft, in diese Richtung weitergehen.
Mehr noch als das. Die alten Bedingungen, unterschieden sich nicht so sehr, von den primitiven Fabriksstrukturen, wie die der britischen Textilproduktion – aufgebaut durch das britische Kapital, akkumuliert durch zwei Jahrhunderte Piraterie. Die Arbeitskräfte, die aus dem englischen und schottischen Flachland geflüchtet kamen, wurden im buchstäblichen Sinne des Wortes, massenhaft eingeschlossen. Aber unter diesen Bedingungen, war der Geschmack der wiedergewonnenen Zeit bald vergiftet durch die Unfähigkeit, ihr irgendeine Bedeutung zu geben, die tiefer ging als die Arbeitsumgebung. Mit anderen Worten, Zeit war wiedergewonnen, hinsichtlich der Reduzierung der körperlichen Erschöpfung, und nicht, weil man das Wissen oder das Verlangen besaß, etwas anderes zu machen. Und das kam auch durch die Tatsache, dass man Teil der eigenen Lohnarbeit geworden war, mit ihr verlobt bis zum Lebensende. Nicht einmal die Anarchosyndikalistischen Theorien widersprachen dieser Basisbedingung. Stattdessen gaben sie ihr eine libertäre Qualifikation, indem sie der syndikalistischen Organisation die Aufgabe gaben, die freie Gesellschaft der Zukunft, beginnend mit Arbeitskategorien die bereits existierten, aufzubauen.
So bedeutete die Abschaffung der Arbeit, bis vor ein paar Jahren, einfach die Reduzierung der körperlichen Erschöpfung, die Erschaffung von angenehmer, alternativer Arbeit oder in den fortgeschrittensten und in einigen Arten utopischsten und phantastischen Fällen, die Ersetzung jener, durch ein Spiel, ein aufsaugendes Spiel, mit eigenen Regeln; mit der Möglichkeit dem Individuum eine Identität als Spielerin zu geben. Man möchte vielleicht argumentieren, dass das Spiel als logische Kategorie weit über das, der regulierten Varianten hinausgeht (z.B. Schach) und genommen bei seinem logischen Abschluss, als spassiges individuelles Verhalten: Das Spiel als Ausdruck der Sinne, als Erotik oder Sexualität, als Selbstausdruck im Gebiet der Gestik, manuelle Geschicklichkeit, Kunst, Denken oder all diese Elemente zusammengenommen. Das wurde natürlich bereits theoretisiert, beginnend mit Fouriers genialer Erkenntnis, ähnlich zu Benthams Theorie, dass das Verfolgen des persönlichen Interesses, indirekt und unfreiwillig zu grösserem kollektivem Interesse führt. Die Tatsache, dass der gute Handelsreisende Fourier aus seinem Schatz an individuellen Erfahrungen Gebrauch machte, um ein unglaubliches Netz an, auf Affintitäten basierenden, sozialen Beziehungen, zu weben, ist nicht ohne Interesse. Trotz alledem entflieht nichts davon den essentiellen Regeln der Arbeit, betrachtet in der Kategorie der globalen Organisation der Kontrolle, auch wenn es nicht genau Produktion im kapitalistischen Sinne des Wortes ist.
Wir sehen also, dass Arbeit nicht schrittweise abgeschafft werden kann: Wir müssen auf zerstörerische Weise an das Problem herangehen. Sehen wir uns an warum.
Zu aller erst hat Kapitalismus selbst, seinen obsoleten Apparat demontiert, indem er den individuellen Arbeiter seiner Identität als Arbeiter beraubte. Er hat ihn 'alternativ' gemacht, ohne es zu realisieren und bereitet sich nun darauf vor, in ihm all die Samen der externen Aspekte formeller Freiheit zu pflanzen. Redefreiheit und die Wege sich zu kleiden, eine Vielfalt von Jobs aus denen er aussuchen kann, keinen grossen intellektuellen Anspruch, standardisierte Sicherheitsprozeduren erklärt in einfachen Anleitungen, ein Verlangsamen des Arbeitstempos, Robotisierung grundlegender Prozesse, fortgeschrittene Trennung zwischen den unterschiedlichen Aspekten der Arbeit – alles darauf ausgerichtet, ein andersartiges Modell zu bilden, das nicht dem der Vergangenheit entspricht.
Darauf zu bestehen, sich gestohlene Zeit wiederanzueignen, impliziert die Erfindung einer Masseinheit, neben all den anderen beliebigen Einheiten, bezüglich der Arbeitsverschiebung, die für Arbeiter schwierig zu begreifen wäre. Eher als das Vermögen zu erlangen, ein Projekt ins Auge zu fassen, das eine Alternative zur Arbeit für einen dritten Beteiligten darstellt, könnte jener ein wachsendes Gefühl der Panik entwickeln. Die Tatsache, dass weit weniger Arbeit notwendig ist als gefordert, wurde bereits in der Vergangenheit, klar durch revolutionäre TheoretikerInnen dargestellt. Diese Analyse, wird nun durch das post-industrielle Kapital selbst benutzt und findet in Konferenzen Erwähnung, die die Restrukturierung der Produktion betreffen.
Eine Reduktion der Lohnarbeit würde bedeuten, die Arbeit zum erforderlichen Minimum zu reduzieren, um ausschliesslich Zweckmässiges zu produzieren. Wir können diese Theorie nicht akzeptieren, da sie heute vom Kapital selbst in Betracht gezogen wird. Unklar ist nur der Zeitraum, innerhalb dessen, dies eintreten wird, wobei über die Methoden, die Anwendung finden würden, nichts gesagt ist. Für die Reduzierung der Arbeitsstunden zu kämpfen, auch für eine beträchtliche von sagen wir 20 Stunden pro Woche, bedeutet aus einem revolutionären Standpunkt aus gesehen nichts, weil es nichts anderes tun würde, als den Weg zur Lösung einiger Probleme des Kapitals zu öffnen, was sicherlich nicht zur Befreiung aller führen würde. Arbeitslosigkeit als elementares Druckmittel, gleichgültig wie unbedeutend es im Moment erscheint, in den zahlreichen Versionen von marginaler Arbeit, scheint der einzige Faktor zu sein, der die kapitalistische Produktion auf der Suche nach einer Lösung, um die Arbeitsstunden zu verkürzen, unterstützt. Aber in nicht allzu ferner Zukunft, könnte das Bedürfnis die Produktion zu reduzieren, zu einem Grund werden, die Arbeitsstunden zu reduzieren, im Speziellen, da das internationale Militärgleichgewicht nicht mehr länger von zwei sich gegenüberliegenden Supermächten abhängt.
Ehrenamtliche Arbeit(worüber bisher wenig gesagt wurde, obgleich es eine Frage ist, die all unsere Aufmerksamkeit verdient) fungiert als Sicherheitsventil, das neben anderen Dingen, eine Lösung für das Problem liefern könnte, Arbeitsstunden zu reduzieren, ohne sich darüber Sorgen zu machen, wie die Massen, der Kontrolle eines Drittels ihres Tages erleichtert, wohl ihre neu gefundene Freizeit verbringen werden. Wir können somit sehen, dass Arbeitslosigkeit nicht mehr länger die grösste Hürde ist, die der heutige Kapitalismus zu überwinden hat, aber sie ist weiterhin eine, die konstitutionell verknüpft ist. Ehrenamtliche Arbeit kann institutionalisiert werden, um dann durch die planmässige Verwendung der Freizeit in Strukturen Wiedererlangung zu finden, die von denselben Firmen für genau diesen Zweck erschaffen wurden. Postindustrieller Kapitalismus ist also ein homogenes System, innerhalb dessen das Konzept einer Krise der Arbeitslosigkeit nicht länger existiert, da das Letztere zu einem der Elemente des Produktionsprozesses selbst wurde.
Das 'alternative' Ideal eines Lebens basierend auf der Kunst 'auszukommen', ist auch am Verschwinden. Handarbeit im kleinen Umfang, kleine selbstproduzierte Unternehmen, der Strassenverkauf von Objekten, Halsbänder...unendliche menschliche Tragödien, haben sich in den letzten 20 Jahren in diesen schäbigen, stickigen Werkstätten abgespielt. Viel wahrhafte revolutionäre Kraft wurde in Illusionen gefangen, die nicht eine normale Menge an Arbeit erforderten, sondern vielmehr Superausbeutung; noch schlimmer, weil sie gebunden war an den Willen des Individuums, die Dinge am Laufen zu halten und zu zeigen dass Tun ohne die Fabrik, möglich war. Mit der Restrukturierung des Kapitals und den neuen Bedingungen, die daraus resultieren, können wir sehen wie dieses 'alternative' Modell genau das ist, was im Augenblick auf institutioneller Ebene vorgeschlagen wird, um durch diesen Moment zu kommen. Wie immer können Sie die Richtung sehen, in die der Wind weht. Andere potentielle revolutionäre Kräfte schliessen sich selbst in elektronische Labors ein und belasten sich selbst mit Arbeit in dunklen, stickigen kleinen Räumen, damit demonstrierend, dass das Kapital einmal mehr über sie gesiegt hat.
Würden wir das Problem in einer einfachen Formel aufsummieren, könnten wir sagen, wenn Arbeit jemals eine soziale Identität verschaffte, um genau zu sein die des ‚Arbeiters/der Arbeiterin’, welche zusammen mit der des ‚Bürgers’,der 'Bürgerin' das perfekte Subjekt formte, dann war jede Flucht davon, ein wahrhaft revolutionärer Versuch, um aus diesem Würgegriff auszubrechen. Heute, wo das Kapital der Arbeiterin nicht mehr länger eine spezifische soziale Identität gibt, dafür aber versucht, sie auf einem generell differenzierten Weg zu benutzen, ohne Perspektive und ohne Zukunft, ist der einzig übrig gebliebene Kampf gegen Arbeit der, sie zu zerstören, um sich so seine eigene Projektualität zu beschaffen, seine eigene Zukunft und eine neue soziale Identität, in Opposition zu den Vernichtungsversuchen, die, durch das postindustrielle Kapital in Kraft gesetzt wurden.
Die meisten Strategien, die selbstbewusste ArbeiterInnen über die letzten Jahrzehnte gegen brutale, direkte unmittelbare Ausbeutung angewandt haben - worüber hunderte Seiten geschrieben werden könnten - wurden nun für das Kapital selbst zu normalen Prozessen. Es ist das Kapital, das jetzt das Aufbrechen der Arbeitseinheiten vorschlägt, wenn es dies nicht sogar aufzwingt; reduzierte, flexible Arbeitsstunden, selbst definierte Projekte, Partizipation in der Entscheidungsfindung, Entscheidungen bezüglich spezieller Aspekte der Produktion, autonome Arbeitsinseln, welche zu jedes anderen Klienten werden, Qualitätswettbewerb und alles folgende. Das ganze Drum und Dran, das nun den Platz der alten, monolithischen Uniformität einnimmt, hat Ebenen erreicht, die nicht mehr länger durch das individuelle Bewusstsein(im engeren Sinne des Wortes) kontrollierbar sind. Das bedeutet, die einzelne Arbeiterin ist ständig konfrontiert mit der Möglichkeit in eine Falle gezogen zu werden, durch die sie darin endet ihre eigene Kampfbereitschaft (bis dahin nur potentiell) gegen ein paar Zugeständnisse einzutauschen. Und waren diese Arbeiter jemals selbstbewusst und entschlossen und konnten als Teil der grossen Bewegung gegen die Arbeit bezeichnet werden, sind sie heute als einfacher, weiterer Aspekt der Arbeit anerkannt, überdies der, der die meisten Charakteristika von Rekuperation und Kontrolle enthält.
Wenn wir mit unseren Leben und während unserer Leben spielen wollen, müssen wir lernen, wie das zu tun ist und müssen weiters die Regeln des Spiels selbst bestimmen, in einer Weise, dass sie klar sind für uns und unbegreifliche Labyrinthe für andere. Wir können nicht nur sagen, dass ein Spiel mit Regeln weiterhin Arbeit ist (was so ist, wie wir bereits gesagt haben) und dass, würden die Regeln aufgegeben, das Spiel frei und deshalb libertär würde. Die Abwesenheit von Regeln ist nicht synonym mit Freiheit. Regeln, die aufgedrängt sind durch Kontrolle und Sanktionen sind Sklaverei. Und Arbeit war das, ist das und könnte niemals etwas anderes sein, begründet durch alles, was wir gerade gesehen haben und alle Gründe, die wir vergessen haben zu erwähnen. Die Abwesenheit von Regeln aber, könnte eine andere, vielleicht schlimmere Form der Tyrannei werden. Wenn freie Vereinbarung eine Regel ist, beabsichtige ich sie einzuhalten und erwarte von anderen, meinen GenossInnen in dieser Vereinbarung, dies ebenfalls zu tun. Im speziellen, wenn es das Spiel meines Lebens betrifft und mein Leben auf dem Spiel steht. Die Abwesenheit von Regeln würde mich in die Klauen der Tyrannei der Unsicherheit bringen. Vielleicht eine spannende Dosis für einen Tag aber wahrscheinlich nicht sehr angenehm für den Rest meiner Tage. Ausserdem bilden frei gewählte Regeln nicht nur meine Identität, mein Dasein mit anderen, sondern auch mein individuelles Selbstbewusstsein und mein Verlangen, mich gegenüber anderen zu öffnen, mein Verlangen, um in einer Welt zu leben, welche bevölkert ist mit anderen freien - lebendig, freien - Wesen, fähig für sich selbst zu entscheiden. Um so mehr in einer Zeit, in der es eine Neigung gibt, hin zu der illusionären Freiheit der Abwesenheit von starren Regeln, zumindest in der Welt der Produktion. Um nicht betrogen zu werden, durch reduzierte, flexible Arbeitszeiten und bezahltem exotischen Urlaub, oder getäuscht durch Lohnerhöhungen, Frühpensionen oder freie Finanzierung von individuellen Unternehmen, ist es notwendig, dass jeder ein eigenes Projekt für die Zerstörung der Arbeit austüftelt. Es ist nicht genug, einfach nur zu versuchen den Schaden zu begrenzen.
Hier einige Ideen, deren Tage scheinbar gezählt waren, jedoch nun wieder aktuell werden.
Eine Mentalität kann nicht zerstört werden. Genau gesagt, die professionelle Mentalität, die ihren Ausdruck findet in Partei und Gewerkschaftsorganisationen - einschliesslich der Anarchosyndikalistischen Form - kann von aussen nicht zerstört werden. Nicht einmal durch Sabotage. Wenn Sabotage verwendet wurde, dann nur als Mittel um die Herrschenden einzuschüchtern, ein Wink von etwas jenseits des Streiks, ein Weg, bekannt zu machen, dass man entschlossener war als andere, aber trotzdem willens, den Kampf einzustellen sobald die Forderung akzeptiert war.
Aber Sabotage ist weiterhin zerstörerisch. Sie beeinträchtigt den Profit nicht indirekt, wie der Streik, sondern trifft die Struktur direkt, entweder die Mittel der Produktion oder das Endprodukt, dies macht keinen Unterschied. Das bedeutet, dass sie jenseits der Arbeitssituation fungiert. Sabotage schlägt nicht zu, um etwas Spezielles zu erreichen sondern viel mehr und ich würde sagen vorallem, um zu zerstören. Und das zu zerstörende Objekt, wenn auch Eigentum, ist, wenn du darüber nachdenkst, weiterhin Arbeit, weil es etwas betrifft, das durch Arbeit erreicht wurde, ob es nun die Produktionsmittel sind oder das Endprodukt. Jetzt können wir den Horror verstehen den viele Arbeiter fühlten vor Sabotageakten. Dabei meine ich ArbeiterInnen, denen deren Leben der totalen Abhängigkeit, eine soziale Identität gab, die nicht leicht auszurotten ist. Ich habe Menschen in Tränen ausbrechen sehen, vor deren Fabrik, nachdem sie attackiert und zum Teil zerstört worden war, weil sie einen bedeutenden Teil ihres eigenen Lebens ebenfalls angegriffen und zerstört sahen. Und dieses Leben, so bedauernswert und elendig es auch gewesen sein mag, war das einzige das sie hatten, das einzige in dem sie Erfahrung hatten.
Um anzugreifen, muss man natürlich ein Projekt haben, eine Identität, die projektuell ausgearbeitet wurde, eine Idee davon was man tun will, umsomehr, wenn man dies als Spiel bezeichnet und es wie ein Spiel lebt. Sabotage ist ein faszinierendes Spiel, aber es kann nicht das einzige Spiel sein, dass man spielen will. Wir müssen eine Vielfalt von Spielen zu unserer Verfügung haben, Spiele, die variieren und oft in Kontrast zueinander stehen, mit dem Ziel zu vermeiden, dass die Monotonie der Regeln, nur zu einem weiteren langweiligen, sich wiederholenden Job wird. Miteinander zu schlafen ist auch ein Spiel, aber man kann es nicht vom Morgen bis zum Abend spielen, ohne es zu banalisieren, ohne das Gefühl eingelullt zu sein, in eine Schläfrigkeit, die auch wenn sie ein vergnügungsvolles Empfinden des sich Wohlfühlens gibt, abstumpft, bzw. das Gefühl der Wertlosigkeit vermittelt. Geld von dort zu nehmen, wo es gefunden werden kann, ist auch ein Spiel, eines das seine eigenen Regeln hat und das in Professionalität als Selbstzweck enden und dadurch zu einem Vollzeit Job werden kann, mit allem was das beinhaltet. Aber es ist ein interessantes und nützliches Spiel wenn man es aus der Perspektive eines wohl durchdachten Bewusstseins sieht, welches verweigert, in den Widerspruch des Konsumdenkens zu fallen, das ständig bereit ist zu verschlingen, was man in der Lage war, der Wirtschaft als Ganzes zu entreissen. Einmal mehr ist es notwendig, die moralischen Schranken, die Sie in uns aufgebaut haben, zu überwinden. Es ist notwendig uns jenseits des Problems zu stellen. Den Arm auszustrecken und anderer Menschen Besitz an sich zu nehmen, ist etwas, das voller Risiken ist, sogar für eine Revolutionärin. Nicht nur rechtliche Risiken im engeren Sinne des Wortes, aber in erster Linie moralische Risiken. In dieser Frage ist Klarheit wichtig, angesichts der Tatsache, dass es darum geht, die selben Hindernisse zu überwinden, die den alten Arbeiter, Tränen vor der beschädigten Fabrik vergiessen liessen.
Die Idee, dass Eigentum heilig ist, wurde uns seit der Geburt eingeimpft und es ist nicht leicht, sich davon zu befreien. Wir ziehen es vor, uns ein Leben lang für einen Chef zu prostituieren, um dafür am Tagesende ein reines Gewissen zu haben. Wir fühlen, dass wir unsere Pflicht erfüllt haben und unseren Beitrag für das Nationale Einkommen auf unsere eigene kleine Art geleistet haben - das natürlich in den ausgebreiteten Händen der Politiker endet, die, das nationale Schicksal im Sinn habend, schon längst jegliche Skrupel verloren haben, das zu nehmen was wir vor langer Zeit mit Erschöpfung produziert haben.
Aber der essentielle Teil eines jeden Projektes, die Arbeit zu zerstören, ist die Kreativität im höchst möglichen Grad. Was könnten wir tun mit all dem Geld aller Banken zusammen, die wir ausrauben könnten, wenn das einzige Ding an das wir denken können es wäre, ein schnelles Auto zu kaufen, ein grosses Haus, in Nachtclubs zu gehen oder unser Leben zu füllen mit tausenden nutzlosen Bedürfnissen und uns zu Tode zu langweilen, bis die Zeit anbricht die nächste Bank auszurauben? Das ist etwas, das viele Bankräuber, die ich im Gefängnis getroffen habe, systematisch tun. Wenn all die GenossInnen, die niemals Geld hatten in deren Leben denken, dass dies der Weg ist, um einige ihrer Launen zu befriedigen, lass sie es tun. Sie werden dieselbe Desillusionierung erfahren wie in jeder anderen Form von Arbeit, die vielleicht kurzfristig weniger lukrativ ist, dafür auf lange Sicht bestimmt weniger gefährlich.
Sich vorzustellen, die Verweigerung von Arbeit sei nicht mehr als einfach nur die lustlose Akzeptanz der Nicht-Aktivität, ist das Resultat der irrtümlichen Idee, die Arbeitssklaven über diejenigen haben, die niemals in ihren Leben arbeiten. Das letztere, die so genannten Geburtsprivilegierten, die Erben des grossen Glücks, sind fast immer unerschöpfliche ArbeiterInnen, die all ihre Energie und Vorstellungskraft der Ausbeutung anderer und der Anhäufung von noch mehr Reichtum widmen. Sogar wenn wir uns beschränken, auf die grossen Verschwender von Erbschaften, jene, die sich die Boulevard-Tratsch-Kolumnen grosse Mühe geben zu portraitieren, wir würden immer noch zugeben müssen, dass dieses grauenhafte Geschlecht auch endlos beschäftigt ist mit deren Plackerei, eingenommen von deren öden sozialen Beziehungen oder der Angst, Aggression oder Geisselnahme zum Opfer zu fallen. Das ist auch Arbeit, ausgeführt all den Regeln der obligatorischen Aktivität folgend. Es wird zu einem wirklichen Beruf, wobei die eigene Lust oder Angst dieser AusbeuterInnen oft zu deren Chef wird.
Aber ich denke nicht viele von uns, die Verweigerung von Arbeit einfach als die Akzeptanz der tödlichen Langeweile des Nichtstuns bezeichnen können, während wir Ausschau halten für Fallen, die andere gestellt haben, die versuchen mögen uns zu überzeugen etwas zu tun; durch Flehen oder Schmeichelei, möglicherweise im Namen deines Ideals, persönlicher Zuneigung oder Freundschaft, oder wer weiss, welch andere Teufelei unseren Zustand der völligen Trägheit würde bedrohen können. Solch eine Situation wäre sinnlos.
Im Gegenteil, ich denke, dass die Verweigerung von Arbeit an erster Stelle, als ein Verlangen das zu tun, was einem am meisten gefällt, gesehen werden kann, das ist sozusagen, erzwungene Taten in freie Aktion umzuwandeln. Vor vielen Jahren schrieb ich darüber einen langen Artikel in Pantagruel, der in vielerlei Hinsicht, nach wie vor seine Gültigkeit besitzt. Aber die Bedingung der freien Aktion, ist nicht ein für alle Mal ausgearbeitet. Sie ist weder Teil einer Situation, die jenseits von uns existiert, noch regnet es sie herunter wie eine Erbschaft oder die Beute einer geplünderten Bank. Solche Ereignisse könnten eine günstige Gelegenheit sein, Einzelfall, gesucht oder nicht, begehrt oder nicht, ein Projekt zu steigern, das bereits im Gang ist; diese sind sicherlich nicht die Bedingungen für die freie Aktion, keine Umstände, die freie Aktion festlegen oder bestimmen. Wenn wir kein Projekt haben in Form von Leben, Projektualität in der vollen Bedeutung des Wortes, dann wird uns nicht einmal alles Geld der Welt, von dem Bedürfnis zu arbeiten befreien. ‚Taten’ um jeden Preis, gedrängt durch eine neue Form der Notwendigkeit. Dieses Mal ist es vielleicht nicht Armut, dafür aber Langeweile oder der Versuch einen sozialen Status zu erlangen.
Das Dilemma kann nur gelöst werden, indem man sein eigenes kreatives Projekt erfindet oder, anders ausgedrückt, durch darüber nachzudenken, was man mit seinem Leben tun will und die dafür notwendigen Mittel zu finden um es zu realisieren – ohne zu arbeiten. Wenn wir Arbeit zerstören wollen, müssen wir Wege des individuellen und kollektiven Experimentierens bauen und der Arbeit keinerlei weitere Bedeutung beimessen, ausser der, sie aus der Realität des Möglichen zu löschen.