#title Die Arbeit des Revolutionärs #author Alfredo M. Bonanno #LISTtitle Arbeit des Revolutionärs #SORTauthors Bonanno, Alfredo M.; #SORTtopics Angriff, Mut, Aktion, Projekt, Kontinuität, Intution, 1980-1989, 0riginal: Italienisch, #date Jannuar 1988 #source Entnommen aus: Alfredo M. Bonanno: "Anarchismus und Aufstand", Edition Irreversibel in Zusammenarbeit mit Konterband Editionen, ohne Ort, August 2014, S. 196-218. #lang de #pubdate 2015-09-08T15:26:10 #notes Original auf Italiensch, Originaltitel: "Il lavoro del rivoluzionario", in “Anarchismo”, Nr. 59, Italien, Januar 1988, S. 45-52.
Auch publiziert unter dem Titel Il progetto rivoluzionario in Anarchismo insurrezionalista, Edizioni Anarchismo, Catania, Juni 1999.
Übersetzt ins Deutsche von der “Koordinationsstelle internationale anarchistische Schriften”, August 1998, München (begrenzte Auflage), dann in Alfredo M. Bonanno, Vom Zentrum zur Peripherie, Manz, Grebel & Reublin, 2006, Zürich [für die Publikation vollständig neu übersetzt]. Die unterschiedlichen Aspekte der revolutionären Intervention zu erfassen, ist keine einfache Sache. Sie alle gemeinsam zu erfassen, eingefügt in einen Gesamtvorschlag, der eine eigene innere Logik und eine wirksame operative Artikulation hat, ist noch viel schwieriger. Das ist es, was ich unter der Arbeit des Revolutionärs verstehe. Über die Ermittlung des Feindes sind wir uns (meist) zur Genüge einig. In der Vagheit der Definition verorten wir die Grundlagen, die uns aus unseren Erfahrungen (Leiden und Freuden), aus unserer sozialen Situation und aus unserer Kultur zukommen. Ein jeder glaubt, Grundlagen zu besitzen, die tauglich sind, um eine Karte des feindlichen Territoriums zu entwerfen und um Ziele und Verantwortungen zu identifizieren. Dass die Dinge schliesslich nicht so liegen, ist ebenfalls eine normale Tatsache. Aber darum kümmern wir uns nicht. Wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, stellen wir die angebrachten Veränderungen bereit und gehen wir voran. Finster die Vorgehensweise, finster die Dinge, die uns umgeben, wir erhellen uns einzig und allein mit der kümmerlichen Kerze der Ideologie und sicher wie unter der Führung eines Leuchtfeuers gehen wir voran. Die tragische Tatsache ist, dass die Dinge, die uns umgeben, sich verändern, und zwar oft schnell. Die Terme des Klassenverhältnisses, die sich in der widersprüchlichen Situation fortwährend erweitern und verringern, enthüllen sich heute, um sich morgen wieder zu verbergen. So stürzen die Gewissheiten von gestern ins Dunkel von heute. Wer einen konstanten, wenn auch nicht unbeweglichen Richtpol beibehält, wird nicht für das gehalten, was er tatsächlich ist, nämlich ein ehrlicher Befahrer des Meeres der Klassenperplexitäten, sondern wird für einen störrischen Wiederholer von überholten Schemen und abstrakten ideologischen Metaphern gehalten. Wer darauf beharrt, den Feind hinter der Uniform, hinter der Fabrik, hinter dem Ministerium, hinter der Schule, hinter der Kirche usw. zu sehen, wird süffisant angeschaut. Anstelle der Dinge, in ihrer harschen Realität, will man das abstrakte Verhältnis, die Seinsweise, das Relative der Positionen setzen. Der Staat endet, auf diese Weise, darin, eine Sichtweise der Dinge zu werden, und nicht eine materielle Tatsache, die aus Menschen und Dingen besteht. Unter dem Strich ist es so, dass die Ideen des Staates nicht bekämpft werden können, ohne die Menschen und die Dinge des Staates anzugreifen. Sie isoliert bekämpfen zu wollen, in der Hoffnung, dass sich die materielle Realität, die ihnen zugrunde liegt, infolge ihres Versinkens im kritischen Abgrund der logischen Widersprüche verändert, ist eine tragische idealistische Illusion. Und es ist das, was in Zeiten wie diesen, eines Zurückweichens der Kämpfe und der operativen Vorschläge, geschieht. Kein Anarchist, um nicht an Selbstrespekt zu ermangeln, würde die positive Funktion des Staates bekennen. Daher der logische Rückschluss, dass diese Funktion, wenn sie nicht positiv ist, negativ sein muss, das heisst, sie muss jemanden zum Vorteil von jemand anderem schädigen. Aber der Staat ist nicht (nur) die Staatsidee, er ist auch die „Sache Staat“, und diese „Sache“ besteht aus dem Polizisten und dem Polizeipräsidium, dem Minister und dem Ministerium (auch aus dem Palast, wo das Ministerium seinen Sitz hat), dem Priester und der Kirche (auch aus dem Ort, wo sich der Kult des Betrugs und der Lüge abspielt), dem Bankier und der Bank, dem Spekulanten und seinem Büro, und immer weiter hinab bis zum einzelnen Spitzel und seiner mehr oder weniger komfortablen Stadtrandwohnung. Der Staat ist diese aufgegliederte Sache, oder er ist nichts: eine leere Abstraktion, ein theoretisches Modell, das unmöglich anzugreifen und zu besiegen ist. Sicher, der Staat ist auch in uns drinnen, und in den Anderen drinnen. Daher ist er auch eine Idee. Aber in seinem Idee-Sein ist er den physischen Orten und den physischen Körpern untergeordnet, die ihn realisieren. Ein Angriff auf die Idee des Staates (auch auf jene, die wir in uns drinnen beherbergen, oft ohne es zu merken), ist nur in dem Augenblick möglich, wo wir dabei sind, seine historische Materialisierung, also sein Dasein hier vor uns in Fleisch und Knochen und in Ziegelsteinen und Beton physisch und in zerstörerischem Sinne anzugreifen. Aber wie angreifen? Die Dinge sind hart. Die Menschen verteidigen sich und wappnen sich. Auch die Wahl der Angriffsmittel ist Opfer eines Missverständnisses, ähnlich dem vorhergehenden. Wir können (ja wir müssen) mit den Ideen angreifen, indem wir Kritik gegen Kritik, Logik gegen Logik, Analyse gegen Analyse stellen. Aber das wäre eine nutzlose Studienarbeit, wenn es auf isolierte Weise geschähe, getrennt von einer Intervention, die auf die Dinge und die Menschen des Staates (und des Kapitals, wohlverstanden) abzielt. Daher, in Korrelation zu dem, was vorhin gesagt wurde, nicht nur Angriff mit den Ideen, sondern auch Angriff mit den Waffen. Ich sehe keinen anderen Ausweg. Sich auf einen ideologischen Wettstreit zu begrenzen, trägt dazu bei, dem Feind Informationen zu liefern. Daher theoretische Vertiefung parallel und gleichzeitig zum praktischen Angriff. Mehr noch. Es ist eben im Angriff, wo die Theorie sich in Praxis umwandelt und die Praxis ihre theoretischen Grundlagen erwirbt. Indem man sich auf die Theorie beschränkt, bleibt man im Bereich des Idealismus, eine typische bürgerliche Philosophie, die seit hunderten von Jahren die Tresore der herrschenden Klasse und auch die Lager der rechten und linken Exterminierer versorgt hat. Es ist egal, ob sich dieser Idealismus gelegentlich als (historischer) Materialismus getarnt hat, es handelte sich stets um denselben alten, Menschen verschlingenden Idealismus. Ein libertärer Materialismus muss zwangsweise die Trennung zwischen Idee und Tat überwinden. Wenn der Feind ermittelt wird, muss er angegriffen werden, und zwar auf angemessene Weise angegriffen werden. Nicht so sehr angemessen an die optimalen Evaluierungen seiner Zerstörung, Evaluierungen, die von dem Angreifenden gemacht werden; als vielmehr an die generelle Situation, die einen nicht vernachlässigbaren Teil der Verteidigungen und der Möglichkeiten zum Überleben und zur Gefährlichkeitssteigerung des Feindes konstituiert. Wenn er angegriffen wird, so muss das getan werden, indem ein Teil von seiner Struktur zerstört, und somit das Funktionieren der Gesamtheit schwieriger gemacht wird. Dies alles läuft, auf isolierte Weise, Gefahr, von geringer Bedeutung zu bleiben. Das heisst, es gelingt ihm nicht, sich in etwas Reales zu konvertieren. Um diese Umwandlung zu haben, ist es erforderlich, dass der Angriff von einer kritischen Vertiefung der Ideen des Feindes begleitet wird, jener Ideen, die Teil von seiner repressiven und unterdrückerischen Aktion sind. Aber diese gegenseitige Konvertierung der praktischen Aktion in die theoretische Aktion und von der Theorie in die Praxis, kann nicht als etwas erfolgen, das künstlich übereinander gestellt wird. Im Sinne, um ein Beispiel zu machen, von demjenigen, der, nachdem er eine Aktion vollführt hat, sein braves Bekennerschreiben drauf stempelt. Auf diese Weise werden die Ideen des Feindes nicht kritisiert, und auch nicht vertieft. Sie kristallisieren innerhalb des ideologischen Prozesses und präsentieren sich als den Ideen des Angreifenden massiv gegenübergestellt, die auch ihrerseits in etwas massiv Ideologisches verwandelt werden. Ich glaube, dass mir wenige Dinge so verhasst sind, wie diese Vorgehensweise. Gibt es anderes, das getan werden kann? Der Ort der Konversion der Theorie in die Praxis, und umgekehrt, ist der Ort des Projekts. Es ist das Projekt, in seiner artikulierten Gesamtheit, das die praktische Aktion und die Kritik der Ideen des Feindes auf andere Weise bedeutend macht. Daraus folgt, dass die Arbeit des Revolutionärs, im Wesentlichen, in der Ausarbeitung und der Realisierung eines Projekts besteht. Doch, bevor man versteht, was denn ein revolutionäres Projekt sein kann, ist es erforderlich, sich darüber zu einigen, was die Sachen sind, die der Revolutionär besitzen muss, um an der Ausarbeitung seines Projekts zu arbeiten. Als erste Sache der Mut. Nicht derjenige, banale, der physischen Konfrontation, oder des Ansturms auf den feindlichen Schützengraben, sondern der schwierigere der eigenen Ideen. Wenn er auf eine bestimmte Weise denkt, wenn er eine bestimmte Einschätzung der Dinge und der Menschen, der Welt und ihrer Angelegenheiten hat, so muss er den Mut haben, bis auf den Grund zu gehen, ohne Kompromisse, ohne halbe Massnahmen, ohne Pietismen, ohne Illusionen. In der Hälfte stehen zu bleiben, ist verbrecherisch oder, falls man es bevorzugt, vollkommen „normal“. Er muss weiter gehen, über die Normalität hinaus, aber auch über die Exzeptionalität hinaus, die die aristokratische Weise ist, die Andersheit zu betrachten. Über das Gute hinaus, aber auch über das Böse hinaus, würde jemand sagen. Er kann nicht darauf warten, dass Andere tun, was getan werden muss. Er kann nicht an die Anderen delegieren, was sein Gewissen ihm zu tun diktiert. Er kann nicht in Frieden akzeptieren, dass, an anderen Orten, andere Menschen wie er, wie er bebend und verlangend danach, diejenigen zu zerstören, die uns unterdrücken, jene Dinge tun, die er selber tun könnte, wenn er es nur wollen würde, wenn er nur die Trägheit und die Verwirrungen, das Geschwätz und die Missverständnisse verlassen würde. Er muss also arbeiten, und zwar hart arbeiten. Arbeiten, um sich mit den erforderlichen Mitteln zu versorgen, damit er seinen Überzeugungen ein taugliches Fundament geben kann. Und hier verortet sich die zweite Sache: die Konstanz. Die Kraft, weiterzumachen, zu beharren, zu insistieren, auch wenn die anderen den Mut verlieren und alles schwierig scheint. Es gibt keine andere Möglichkeit, sich die Mittel zu verschaffen, die man benötigt, als durch die Konstanz der Arbeit. Der Revolutionär benötigt kulturelle Mittel, das heisst, Mittel zur Analyse, zur Grundkenntnis, zur elementaren Vertiefung. Auch Studien, die von der revolutionären Praxis sehr fern scheinen, sind für die Aktion unerlässlich. Die Sprachen, die Wirtschaft, die Philosophie, die Mathematik, die Naturwissenschaften, die Chemie, die Sozialwissenschaften, und so weiter. All diese Kenntnisse dürfen jedoch nicht als Spezialisierungsgebiete, aber auch nicht als dilettantische Studienübungen eines sonderbaren Geistes angesehen werden, den es links und rechts juckt, danach verlangend, zu wissen, aber stets unwissend bleibend, weil er keine Methode besitzt, die es ihm erlaubt, zu lernen. Und dann die Techniken: das korrekte Schreiben (und auch auf eine Weise, die für den Zweck geeignet ist, den man erreichen will); das Sprechen zu den anderen (mit allen Techniken des Sprechens, die keine einfache Sache und von grosser Wichtigkeit sind); das Studieren (das selbst ebenfalls eine Technik ist, und das als solche, und nicht als Spezialisierung an sich, auch studiert werden muss, um das Lernen zu erleichtern); das Erinnern (das verbessert werden kann und das nicht immer der mehr oder weniger natürlichen Veranlagung überlassen werden muss, die wir aus der Kindheit mitbringen); das Hantieren mit Gegenständen, das heisst der Gebrauch der Hände (was viele für eine mysteriöse Gabe der Natur halten, aber was hingegen eine Technik ist, die erlernt und perfektioniert werden kann); und weitere mehr. Die Erforschung der Mittel ist eine Arbeit, die sich nie erschöpft. Ihre Perfektionierung, sowie ihre Ausweitung auf andere Gebiete, ist ein konstantes Engagement des Revolutionärs. Bleibt noch eine dritte Sache: die Kreativität. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Gesamtheit der Mittel, die man dabei ist, zu konstruieren, nicht ergiebig wäre und im Spezialisms als Selbstzweck versinken würde, wenn sie nicht, bereits jetzt oder nach einer gewissen Zeit, neue Erfahrungen hervorbringen würde, die das Individuum tiefgreifend verändern, Erfahrungen, aus denen unablässig Modifizierungen in der Gesamtheit der Mittel selbst und in den Möglichkeiten ihres Gebrauchs hervorgehen. Dies ist es, worin die Kraft der Kreativität, das heisst, der Frucht der vorherigen Anstrengungen, erfasst werden kann. Die logischen Prozesse geraten ins Hintertreffen, werden zu einer Grundsache, zu einem vernachlässigbaren Element, während ein neues, totales und anderes Element zutage tritt: die Intuition. Nun wird das Problem anders angeschaut. Nicht mehr wie zuvor. Unzählige Verknüpfungen und Vergleiche, Folgerungen und Herleitungen, geschehen, ohne dass wir es merken. Die ganze Gesamtheit der Mittel, in deren Besitz wir gelangt sind, vibriert und wird lebendig. Erinnerungen und neue Verständnisse, alte nicht verstandene Dinge, die jetzt klar werden, Ideen und Spannungen. Ein unglaubliches Sammelsurium, das an sich selbst eine kreative Tatsache ist, und das unmittelbar der Disziplin der Methode, dem Herrschaftsgebiet der Techniken unterstellt werden muss, damit es etwas hervorbringen kann, das zwar, wenn man so will, begrenzt, aber unmittelbar wahrnehmbar und nutzniessbar ist. Leider ist es das Schicksal der Kreativität, dass ihre immense anfängliche explosive Potenzialität (welche in Abwesenheit der grundlegenden Mittel, wovon wir vorhin sprachen, zu einer kümmerlichen Sache wird) anschliessend in die Grenzen der Technik im strikten Sinne zurückgeführt werden muss, zu Wort, Blatt, Gestalt, Klang, Form, Objekt werden muss. Anderenfalls, ausserhalb der Schemen von diesem kleinen kommunikativen Gefängnis, bleibt sie verwahrlost und zerstreut im Meer der Unermesslichkeit. Und schliesslich eine letzte Sache: die Materialität. Die Fähigkeit also, die materielle, reale Grundlage von dem, was uns umgibt, zu erfassen. Zum Beispiel ist die Fähigkeit, zu verstehen, dass, um zu handeln, für die Aktion probate Mittel erforderlich sind, keine leichte Sache. Die Angelegenheit der Mittel scheint sehr einleuchtend, sorgt aber für Missverständnisse. Nehmen wir den Fall vom Geld. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Dinge, die wir tun wollen, ohne Geld nicht getan werden können. Es gibt keinen Zweifel daran, dass ein Revolutionär nicht beim Staat um Finanzierungen fragen kann, um jene Projekte aufzubauen, die darauf abzielen, den Staat selbst zu zerstören. Er kann aus einem ethischen Grund und schliesslich aus einem logischen Grund nicht darum fragen (der Staat würde sie ihm nicht geben). Er kann auch nicht ernsthaft denken, dass man mit kleinen (und, in der Regel, sehr bescheidenen) persönlichen Spenden all die Dinge tun kann, die man tun will (und die man für notwendig hält, zu tun). Er kann sich auch nicht ewig weiterhin über den Mangel an Geld beklagen, oder vor der Tatsache resignieren, dass man aufgrund des Mangels an Geld einige Dinge nicht tun kann, die jedoch getan werden müssten. Er kann auch nicht auf Dauer die Position von demjenigen annehmen, der sich, da er ohne Geld ist, wenn er sagt, keins zu haben, mit sich selbst völlig überein fühlt, und sich nicht an der gemeinsamen Anstrengung beteiligt, während er darauf wartet, dass andere an seiner Stelle tun, was getan werden muss. Sicher, es ist klar, dass ein Gefährte, wenn er kein Geld hat, nicht verpflichtet ist, zu bezahlen, was er sich nicht erlauben kann, zu bezahlen, doch hat er wirklich alles getan, was er tun konnte, um das Geld aufzutreiben? Oder gibt es nur eine Weise, das Geld zu beschaffen: jene, es zu erbetteln, indem man sich von den Bossen ausbeuten lässt? Ich glaube nicht. In dem Bogen von Variationen einer möglichen Seinsweise polarisieren persönliche Neigungen und kulturelle Erwerbungen zwei Grenzverhalten, die beide beschränkt und nachteilhaft sind. Auf der einen Seite derjenige, der den theoretischen Moment privilegiert; auf der anderen Seite derjenige, der sich im praktischen Moment verschliesst. Fast nie sind diese beiden Polarisierungen im „Reinzustand“ vorhanden, aber oft sind sie ausreichend charakterisiert, um zu Behinderungen zu werden. Die grossen Möglichkeiten, die die theoretische Vertiefung dem Revolutionär zur Verfügung stellt, bleiben toter Buchstabe, ja werden gar ein Widerspruchs- und Hindernisfaktor, wenn sie endlos verschärft werden. Es gibt Leute, die nichts anderes zu tun wissen, als das Leben auf theoretische Weise zu denken. Sie brauchen nicht ein Literat oder ein Gelehrter zu sein (für diese Leute wäre das quasi normal), sondern können auch ein beliebiger Proletarier sein, ein Marginalisierter, der prügelnd auf der Strasse aufwuchs. Dieses Suchen nach der entscheidenden Hypothese durch die Spitzfindigkeit der Argumentation verwandelt sich in ein unorganisches Bangen, ein ungestümes Verlangen danach, zu verstehen, das sich unweigerlich in reine Verwirrung verwandelt, während es jenes Primat des Verstands herabsetzt, den man doch um jeden Preis bewahren will. Diese Verschärfungen reduzieren die kritische Möglichkeit, Ordnung in die eigenen Ideen zu bringen, sie erweitern zwar die kreative Möglichkeit des Individuums, aber nur auf den Reinzustand, man könnte sagen auf den ungezähmten Zustand, während sie Bilder und Beurteilungen liefert, die gänzlich einer organisatorischen Methode entbehren, die sie brauchbar machen kann. Das Subjekt lebt in einer Art von Trance, es isst schlecht, hat eine miserable Beziehung zu seinem Körper, lebt die Beziehung zu den anderen ungesund. Es wird leicht argwöhnisch, oder zumindest beängstigt darum, verstanden zu werden, und deshalb akkumuliert es immer mehr ein Mischmasch von widersprüchlichen Argumentationen, ohne fähig zu sein, einen Leitfaden zu finden. Die Lösung, um aus dem Labyrinth herauszukommen, wäre die Aktion. Aber die Aktion, um eine solche zu sein, muss, gemäss dem Polarisierungsmodell, das wir hier am untersuchen sind, erst dem Herrschaftsgebiet des Verstandes, der Logik, der vernünftigen Argumentation unterstellt werden. Auf diese Weise wird die Aktion getötet oder aufgeschoben, oder schlecht erlebt, weil sie nicht verstanden wurde, weil sie nicht auf das Primat des Denkens zurückgeführt wurde. Auf der anderen Seite die Unablässigkeit des Tuns, die Aufbietung des eigenen Lebens in den Dingen, die es zu Vollendung zu bringen gilt. Heute, Morgen. Tag für Tag. Vielleicht im Erwarten eines besonderen Tages, der diesem ewigen Aufschieben ein Ende setzt. In der Zwischenzeit jedoch keine, oder nahezu keine Suche nach einem Augenblick der Reflexion, der sich nicht ausschliesslich auf die Dinge bezieht, die es zu tun gilt. Das Primat des Tuns tötet genauso wie das Primat des Denkens. In der Aktion gibt es, an und für sich, keine Überwindung des widersprüchlichen Moments des Individuums. Für den Revolutionär liegen die Dinge noch schlechter. Die klassischen Schönredungen, die das Individuum entwickelt, um sich selbst hinsichtlich der Nützlichkeit und der Komplettheit der Aktion, die es unternehmen will, zu überzeugen, reichen für den Revolutionär nicht. Der einzige Notbehelf, worauf er zurückgreifen kann, ist das Aufschieben, auf bessere Zeiten, in denen es nicht mehr nötig sein wird, sich ausschliesslich dem Tun zu widmen und man auch wird denken können. Aber wie wird man denken können, ohne die Mittel, um es tun zu können? Ist das Denken etwa eine automatische Aktivität des Menschen, sobald er aufhört, zu handeln? Sicherlich nicht. Genauso, wie das Tun nicht eine automatische Aktivität des Menschen ist, sobald er aufhört, zu denken. Besitzt er also einige Sachen, den Mut, die Konstanz, die Kreativität, die Materialität, so kann der Revolutionär die Mittel, in deren Besitz er ist, zur Fruchtung bringen und, mit diesen, sein Projekt aufbauen. Und dieses wird die analytischen Aspekte und die praktischen Aspekte betreffen müssen. Noch einmal lässt sich eine Unterteilung blicken, die, um beseitigt werden zu können, bis auf den Grund, das heisst, in ihrer realen Dimension als Gemeinplatz der herrschenden Logik vertieft werden muss. Ein Projekt ist Analyse (politische, soziale, ökonomische, philosophische, usw.), aber es ist auch ein organisatorischer Vorschlag. Kein Projekt kann nur der eine oder der andere von diesen Aspekten sein. Jede Analyse erhält einen anderen Blickwinkel und eine andere Entwicklung, wenn sie eher in einen als in einen anderen organisatorischen Vorschlag eingefügt wird. Und umgekehrt wird ein organisatorischer Vorschlag nur begründet, wenn er von einer tauglichen Analyse assistiert wird. Der Revolutionär, der nicht in der Lage ist, die Analyse und das organisatorische Element seines Projekts zu beherrschen, wird stets ein Spielball der Ereignisse sein, stets unmittelbar nach, und nie vor den Dingen ankommend. Tatsächlich ist es das Ziel des Projektes, zu sehen, um vorauszusehen. Das Projekt ist eine Prothese, wie jede andere intellektuelle Ausarbeitung des Menschen, um die Aktion zu erlauben, um sie zu ermöglichen, um sie nicht im nutzlosen Sich-Herumschlagen der Improvisation zu nullifizieren, aber es ist nicht die „Ursache“ der Aktion. Das Projekt, wenn es richtig verstanden wird, ist selber eine Aktion, während die Aktion selber ein Projekt ist, insofern sie es anwachsen lässt, es bereichert, es transformiert. Die Tatsache, diese fundamentalen Prämissen der revolutionären Arbeit nicht zu verstehen, sorgt oft für Verwirrungen und Frustrationen. Viele Gefährten, die an die Interventionen gebunden bleiben, die wir als Reflexe definieren können, erleiden oft Rückschläge, ähnlich den Demotivationen, den Entmutigungen. Eine äussere Tatsache (die Repression, zumeist) bestimmt den Anreiz für eine Intervention. Wenn diese Tatsache zum Stillstand kommt, oder sich erschöpft, hat die Intervention keinen Daseinsgrund mehr. Daher die (frustrierende) Feststellung, dass man gezwungen ist, an den Punkt von vorher zurückzukehren. Man hat den Eindruck, einen Berg mit einem Löffel abtragen zu wollen. Die Leute erinnern sich nicht, vergessen schnell. Die Aggregation tritt nicht ein. Man ist fast immer mit wenigen. Fast immer die Üblichen. Bis zum Eintreten das nächsten äusseren Anreizes überdauern die Angelegenheiten des Gefährten, der nur aus Reflex zu handeln weiss, indem sie oft von der radikalen Ablehnung bis zur Verschliessung in sich selbst, von der entrüsteten Schweigsamkeit bis zu den Phantastereien über die Zerstörung der Welt (Menschen miteingeschlossen) reichen. Viele andere Gefährten bleiben hingegen an die Interventionen gebunden, die wir als routinemässig bezeichnen können, das heisst, bleiben an die literarische (Zeitungen, Revues, Bücher) oder assembleare (Kongresse, Treffen, Diskussionen, Versammlungen) Wiederkehr gebunden. Auch hier lässt die menschliche Tragödie nicht lange auf sich warten, um in Erscheinung zu treten. Meist geht es weniger um die persönliche Frustration (die ebenfalls vorhanden ist, und das sieht man), als vielmehr um die Verwandlung des Gefährten in einen Kongressbürokraten oder in einen Redakteur von mehr oder weniger lesbaren Blättern, die versuchen, die eigene propositive Inkonsistenz zu verbergen, indem sie den Ereignissen hinterherlaufen, um sie im kritischen Licht der eigenen Sichtweise zu erklären. Wie man sieht, die Tragödie ist stets dieselbe. Das Projekt ist also notwendigerweise propositiv. Es ist das Element, das die Affinität schliesst und verschweisst. Diese mündet, ausgegangen von der Kenntnis zwischen den verschiedenen Gefährten, die der Affinitätsgruppe angehören, im projektuellen Terrain, wo sie wächst und ihre Früchte trägt. Insofern es propositiv ist, kann das Projekt unmöglich nicht die Initiative ergreifen. Zuallernächst eine Initiative von operativem Typ: die Dinge, die es zu tun gilt, auf eine bestimmte Art und Weise betrachtet. Dann eine Initiative von organisatorischem Typ: wie diese Dinge getan werden können. Viele halten sich nicht bewusst, dass die Dinge, die es zu tun gilt (Klassengegenüberstellung), nicht ein für alle Male kodifiziert sind, sondern dass sie, mit der Zeit und mit dem Dahinfliessen der sozialen Verhältnisse, andere Bedeutungen annehmen. Dies bedingt die Notwendigkeit von theoretischen Einschätzungen der Dinge, die es zu tun gilt. Die Tatsache, dass einige von diesen Dingen länger bestehen bleiben, als wären sie unbeweglich, bedeutet nicht, dass sie unbeweglich sind. Beispielsweise, dass es eine Notwendigkeit gibt, sich zu organisieren, um den Klassenfeind zu treffen, bedingt, als Notwendigkeit, eine zeitliche Permanenz. Organisatorische Mittel und Wege tendieren dazu, zu kristallisieren. Und, unter gewissen Gesichtspunkten, ist das auch gut so. Es ist nicht notwendig, jedes Mal, wenn man sich reorganisiert, etwa nachdem man die Schläge der Repression erlitten hat, alles von Grund auf neu zu erfinden. Aber das will nicht heissen, dass dieses „Wiederaufgreifen“ gezwungenermassen die Charakteristiken der absoluten Repetitivität aufweisen muss. Die vorherigen Modelle können einer Kritik unterzogen werden, auch wenn sie, im Grunde genommen, gültig bleiben und daher einen nicht zu vernachlässigenden Ausgangspunkt darstellen können. In dieser Materie fühlt man sich, oft, im Visier der Kritiken, seien sie auch desinformiert und vorgefasst, und will man, um jeden Preis, die Anschuldigung von Unnachgiebigkeit vermeiden, die zwar wie eine positive Wertung klingt, aber auch ein beträchtliches Element von Anprangerung der Unfähigkeit beinhaltet, die Entwicklung der sozialen Bedingungen in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Also, die Möglichkeit des Gebrauchs von alten organisatorischen Modellen, unter der Voraussetzung, dass sie einer radikalen Kritik unterzogen werden. Aber was könnte diese Kritik sein. Hauptsächlich eines: Anprangerung der Nutzlosigkeit und der Gefährlichkeit von zentralisierten und organigrammierten Strukturen, Anprangerung der Mentalität der Delegation, Anprangerung des Mythos des Quantitativen, Anprangerung des Mythos des Symbolischen und des Grandiosen, Anprangerung des Mythos der Benutzung der grossen Informationsmittel, etc. Wie man sieht, geht es um Kritiken, die den anderen Aspekt des revolutionären Himmels aufzeigen, den anarchistischen und libertären Aspekt. Die zentralisierte Struktur, die Führungsorganigramme, die Delegation, das Quantitative, das Symbolische, den informativen Entrismus, etc., zu negieren, bedeutet, voll und ganz in die anarchistische Methodologie einzutreten. Und eine anarchistische Propositivität bedarf einiger einleitenden Betrachtungen. Zu Anfangs, besonders für jemanden, der von der Notwendigkeit und der Gültigkeit dieser Methode nicht zutiefst überzeugt ist, mag es den Anschein machen (und, unter gewissen Gesichtspunkten, ist es auch so), dass sie weniger wirksam ist. Die Resultate sind bescheidener, weniger offensichtlich, haben alle den Aspekt der Zerstreuung und der Nicht-Zurückführbarkeit auf ein einheitliches Projekt. Es sind pulverisierte und diffuse Resultate, das heisst, sie gehen aus minimalen Zielen hervor, die nicht sofort auf einen zentralen Feind zurückführbar scheinen, zumindest als das, wie er sich in den deskriptiven Ikonographien zeigt, die von der Macht selbst verfasst werden. Oftmals hat die Macht Interesse daran, die periphere Verästelung von sich selbst, und von den Strukturen, die sie tragen, unter positiven Aspekten zu zeigen, als würden diese Verästelungen soziale Funktionen absolvieren, die zum Leben unentbehrlich sind. Sie verbirgt hingegen ziemlich gut, und sehr leicht, in Anbetracht unserer Unfähigkeit, sie anzuprangern, die Zusammenhänge, das Verhältnis, das zwischen diesen peripheren Strukturen und der Repression oder der Konsensbeschaffung besteht. Daher die beachtliche Aufgabe, die dem Revolutionär zukommt, welcher, indem er zuschlägt, auch eine anfängliche Unverständlichkeit seiner Aktionen zu erwarten hat, woraus sich die entsprechende Notwendigkeit von Klärungen ableitet. Und hier verortet sich eine weitere Falle. Diese Klärungen in ideologische Begriffe zu übersetzen, bedeutet, in der Diffusion und in der Peripherität, die exakten Bedingungen der Konzentration, der Zentralität zu repräsentieren. Die anarchistische Methode kann nie durch einen ideologischen Filter erklärt werden. Wenn dies geschehen ist, hat man schlicht unsere Methode neben Praktiken und Projekte gestellt, die recht wenig Libertäres besassen. Sie führt von der Anprangerung der Delegation, als schädliche, nicht nur als autoritäre Praxis (dieser zweitere Aspekt könnte für Gefährten, die nicht schon immer Anarchisten sind, weniger verständlich klingen), zur Vertiefung der aggregativen Prozesse. Das heisst, sie führt zur Möglichkeit, eine indirekte Aggregation aufzubauen, die auf der Affinität und der Informalität beruht, das heisst, eine Form von organisatorischem Bezug, der nicht von organigrammatischen Grundlagen konditioniert wird. Separate Gruppen, gemeinsam vereint durch die Affinität und durch eine gemeinsame Methodologie, nicht durch hierarchische Beziehungen. Gemeinsame Ziele, gemeinsame Entscheidungen, aber auf indirekte Weise, das Ganze gewollt durch die Objektivität der gemeinsamen Entscheidungen, der gemeinsamen Analysen, der gemeinsamen Ziele. Jeder tut seine Dinge und verspürt kein Bedürfnis, direkte aggregative Beziehungen vorzuschlagen, die, früher oder später, darauf hinauslaufen, hierarchische Organigramme zu errichten (und seien sie auch horizontal, insofern man beansprucht, innerhalb der anarchistischen Methode zu bleiben), und die als schönes Resultat die Tatsache haben, von jeder Erhebung des repressiven Windes zerstört zu werden. Es ist der Mythos des Quantitativen, der fallen muss. Der Mythos der Zahl, die den Feind beeindruckt, der Mythos der „Kräfte“, die es ins Feld zu führen gilt, der Mythos der „Befreiungsarmee“ und andere derartige Dinge. So, quasi ohne es zu wollen, verwandeln sich die alten Dinge in neue. Die Modelle der Vergangenheit: Ziele und Praktiken, revolutionieren sich in ihrem Innern. Im Vordergrund taucht, ohne einen Schatten von Zweifel, das endgültige Ende der politischen Methode auf, des Anspruchs, ideologische Modelle vorzulegen, die es den subversiven Praktiken aufzuerlegen gilt. Unter anderen Gesichtspunkten, und die gebührenden Proportionen gestellt, ist es die ganze Welt in ihrer Gesamtheit, die dabei ist, das politische Modell zurückzuweisen. Das „Ende“ des Politischen ist eine alltägliche Angelegenheit. Die traditionellen politischen Strukturen, mit ihren starken Konnotationen, sind untergegangen oder sind dabei, unterzugehen. Die Parteien der Linken gleichen sich jenen der Mitte an und die Rechtsparteien schmiegen sich stets in Richtung des Zentrums, um nicht isoliert zu bleiben. Dieses Zusammensacken des politischen Baugerüsts entspricht einer tiefgreifenden Modifizierung der ökonomischen und sozialen Strukturen. Für jene, die an die Verwaltung der subversiven Potenzialitäten der grossen Massen denken müssen, tauchen neue Notwendigkeiten auf. Die Mythen der Vergangenheit, auch jener des „kontrollierten Klassenkampfes“, sind vorbei. Die grossen Massen der Ausgebeuteten sind in Mechanismen hineingesogen worden, die den politischen Ideologien von gestern zuwiderlaufen, die deutlich, aber oberflächlich waren. Dies ist, weshalb sich die Linksparteien Positionen der Mitte angenähert haben, was, im Wesentlichen, einer Annullierung der politischen Diskriminanten und einer möglichen, selbstständigen, Verwaltung des Konsenses entspricht, zumindest unter dem administrativen Gesichtspunkt. Es sind die Dinge, die es zu tun gilt, die Programme auf sehr kurze Frist, die Verwaltung der öffentlichen Sache, welche die Diskriminanten bündeln. Die idealen (und folglich ideologischen) politischen Projekte sind untergegangen. Niemand (oder quasi niemand) ist verfügbar, um für eine kommunistische Gesellschaft zu kämpfen, doch er kann ein weiteres Mal ins Innere von Strukturen eingereiht werden, die beanspruchen, seine unmittelbaren Interessen zu schützen. Daher die Zunahme an Wichtigkeit der kommunalen Kämpfe und politischen Lager gegenüber den weitgreifenderen politischen Strukturen, nationalen und übernationalen Parlamenten. Der Untergang des Politischen ist, an und für sich, auf diesen Ebenen, nicht ein Element, dass an eine „anarchistische“ Wende innerhalb der Gesellschaft denken lassen kann, welche, der eigenen Vorrangigkeit bewusst geworden, sich den Versuchen von indirekter politischer Verwaltung entgegenstellt. Nichts von all dem. Es handelt sich um tiefgreifende Modifizierungen in der modernen Struktur des Kapitals, die sich, eben aufgrund der immer grösseren gegenseitigen Abhängigkeit, die heute zwischen den verschiedenen peripheren Realitäten besteht, auch auf internationaler Ebene gleichschaltet. Diese Modifizierungen bestimmen, ihrerseits, die Unmöglichkeit einer Konsenskontrolle durch die politischen Mythen der Vergangenheit und den Übergang zu Kontrollmethoden, die den Zeiten angemessener sind. Dennoch, so merkwürdig es scheinen mag, die Krise des Politischen, als generalisiertes Phänomen, wird notwendigerweise eine Krise der hierarchischen Beziehungen, der Delegationsbeziehungen, usw., das heisst, all jener Beziehungen mit sich bringen, die dazu neigen, das in der ideologischen Dimension zu verorten, was die realen Terme der Klassengegenüberstellung sind. Dies wird nicht lange ohne Konsequenzen bleiben können, auch auf die Fähigkeit von vielen Leuten, zu verstehen, dass der Kampf nicht mehr durch die Mythen des Politischen verlaufen kann, sondern in die konkrete Dimension der unmittelbaren Zerstörung des Feindes eintreten muss. Es gibt auch diejenigen, welche, da sie nicht verstehen wollen, was, in der Substanz, die Aufgabe des Revolutionärs sein muss, sich, angesichts der vorhin betrachteten sozialen Modifizierungen, zu Verfechtern von Methoden der sanften Gegenüberstellung machen, welche beanspruchen, die neue Herrschaft mit dem passiven Widerstand zu behindern. Es handelt sich, meiner Ansicht nach, um ein Missverständnis, das darauf basiert, dass man die moderne Macht, eben weil sie permissiver und breiter auf den Konsens gestützt ist, für weniger „stark“ als jene der Vergangenheit hält, die auf der Hierarchie und auf der absoluten Zentralisierung basierte. Das ist ein Fehler wie jeder andere, und er leitet sich aus der Tatsache ab, dass in jedem von uns noch die Reste von einer Parallele übrig sind: Macht-Stärke; welche die modernen herrschenden Strukturen dabei sind, Stück für Stück zu demontieren. Eine schwache, aber effiziente Macht ist, vielleicht, eine wirksamere Macht als eine starke, aber grobe Macht. Die erstere dringt in die psychologischen Gefüge der Gesellschaft ein, bis hinein ins Individuum, indem sie miteinbezieht; die zweitere bleibt äusserlich, sie spricht in drohendem Ton, beisst, aber, im Grunde, errichtet sie nur Gefängnismauern, die man früher oder später erklimmen kann. Die Vielseitigkeit der Aspekte des Projekts verleiht der Arbeit des Revolutionärs eine Perspektive, die selber auch vielseitig ist. Kein Gebiet von möglicher Aktivität kann a priori ausgeschlossen werden. Es kann, aus demselben Grund, keine privilegierten Interventionsgebiete geben, Gebiete, die dem einzelnen Individuum „liegen“. Ich kenne Gefährten, die sich zu einigen Interventionssektoren – sagen wir, zum nationalen Befreiungskampf – oder zu einigen revolutionären Praktiken, wie die spezifische minoritäre Aktivität, nicht hingezogen fühlen. Die Einwände, welche die Ablehnung eines bestimmten Interventionsgebiets stützen, sind sehr verschieden, aber sie lassen sich alle auf die (falsche) Idee zurückführen, dass jeder die Dinge tun soll, die ihm die grösst mögliche Befriedigung bereiten. Diese Idee ist falsch, nicht, weil es nicht richtig ist, dass die Freude und die persönliche Befriedigung eine der Triebfedern der Aktion sind, sondern, weil die Suche nach dieser individuellen Motivation eine andere Suche versperren kann, die breiter und bedeutender ist, jene, die auf der Totalität der Intervention gründet. Von vorgefassten Meinungen gegenüber bestimmten Praktiken oder Theorien auszugehen, bedeutet, sich – ausschliesslich aus „Angst“ – hinter der, fast immer illusorischen, Tatsache zu verschanzen, dass uns diese Praktiken und diese Theorien nicht gefallen. Aber jede vorgefasste Ablehnung beruht immer auf einer spärlichen Kenntnis von dem, was man ablehnt, auf einer spärlichen oder nicht vorhandenen Bereitschaft, sich dem anzunähern, was man ablehnt. Die Befriedigung und die Freude von heute werden so zum endgültigen Ziel erkoren, und in ihrer Unmittelbarkeit versperren sie uns die Perspektiven von Morgen. Ohne es zu wollen, werden wir ängstlich und dogmatisch, missgünstig gegenüber jenen, denen es gelingt, diese Hindernisse zu überwinden, argwöhnisch gegenüber all jenen, die sich uns annähern, unzufrieden und unglücklich. Die einzige Grenze, die akzeptierbar ist, ist jene unserer Möglichkeiten (die begrenzt sind). Aber auch diese Grenze kann stets nur in der konkreten Tatsache ausgemacht und nicht als a priori existent angenommen werden. Ich bin immer von der (offensichtlicherweise absurden, aber operativ realen) Hypothese ausgegangen, ohne Grenzen zu sein, immense Möglichkeiten und Fähigkeiten zu haben. Dann hat sich die Praxis, jene von jedem Tag, darum gekümmert, mir die objektiven Grenzen von mir und von den Dingen, an die ich mich gemacht habe, aufzuzeigen. Aber diese Grenzen haben mich nie a priori aufgehalten, sie haben sich a posteriori als unabwendbare Hindernisse gezeigt. Kein Unternehmen, egal wie unglaublich oder gigantisch es war, hat mich blockiert, bevor ich es begann. Erst danach, im Verlaufe der Praktiken, die damit zusammenhängen, hat sich die Bescheidenheit meiner Mittel und meiner Fähigkeiten gezeigt, aber, trotz ihrer unüberwindlichen Präsenz, hat sie mich nicht davon abhalten können, partielle Resultate zu erfassen, was schliesslich die einzigen menschlich erschöpfbaren Dinge sind. Aber auch diese Tatsache ist eine Frage der Mentalität, also der Sichtweise der Dinge. Oft bleibt man zu sehr an das unmittelbar Wahrnehmbare gebunden, an den sozialistischen Realismus des Viertels, der Stadt, der Nation, usw. Im Geschwätz ist man internationalistisch, aber in den konkreten Tatsachen zieht man das vor, was einem bekannter ist. Auf diese Weise verschliesst man sich nach aussen und nach innen. Man lehnt die wirklichen internationalen Beziehungen ab, die Beziehungen zum gegenseitigen Verständnis, zur Überwindung der (auch sprachlichen) Schranken, zur Zusammenarbeit und zum gegenseitigen Austausch sind. Aber man lehnt auch die lokalen spezifischen Beziehungen ab, mit ihren Charakteristiken, ihren internen Widersprüchen, ihren Mythen und ihren Schwierigkeiten. Die komische Tatsache ist, dass man die ersten im Namen der zweiten und die zweiten im Namen der ersten ablehnt. Dasselbe geschieht bezüglich der spezifischen Aktivitäten, die vorbereitend, auf die Beschaffung der revolutionären Mittel ausgerichtet sind. Auch hier ist die Delegation an andere Gefährten eine Tatsache, die oft a priori beschlossen wird. Man stützt sich auf Bedenken und Ängste, die, wenn sie gut vertieft werden, nicht viel zu sagen haben. Der Professionalismus, der anderswo zur Schau getragen wird, findet in der anarchistischen Methodologie keine Gastfreundschaft, aber die apriorische Ablehnung, oder die vorgefasste Verschliessung auch nicht. Dasselbe gilt für das, was in Bezug auf die Sucht nach der Erfahrung als Selbstzweck, nach der Dringlichkeit des Tuns, nach der persönlichen Befriedigung, nach dem Nervenkitzel geschieht. Die beiden Extreme berühren sich und durchdringen sich gegenseitig. Das Projekt kehrt diese Probleme vom Tisch, denn es gelingt ihm, die Dinge in ihrer Globalität zu sehen. Aus demselben Grund ist die Arbeit des Revolutionärs notwendigerweise an das Projekt gebunden, identifiziert sie sich mit diesem, kann sie sich nicht auf partielle Aspekte beschränken. Seinerseits ist ein partielles Projekt nicht ein revolutionäres Projekt, es kann ein hervorragendes Arbeitsprojekt sein, es kann Gefährten und Ressourcen auch für lange Zeiträume in Anspruch nehmen, doch, früher oder später, endet es darin, gegenüber der Realität der Klassenkonfrontation ins Hintertreffen zu geraten.