Titel: Unsere Kampfesweise
Datum: November 1883
Bemerkungen: Aus: Der Rebell. Organ der Anarchisten deutscher Sprache. Nr.3, November 1883.

Eine der unentschiedensten Fragen für Viele ist unzweifelhaft die: Welcher Waffen sollen sich die Sozialisten im Kampfe gegen ihre Gegner bedienen? Die Meinungen der Arbeiter sind in diesem Punkte getheilt; die Einen wollen den Kampf ausschließlich mit geistigen Waffen geführt wissen, die Anderen wollen, wo nothwendig, auch zur rohen, physischen Gewalt greifen.

Es ist ja richtig, je mehr die Menschheit sich geistig veredelt, desto mehr werden sich auch die Waffen veredeln, mit denen die Kämpfe in der Gesellschaft ausgefochten werden. Dies setzt aber eben voraus, daß beide streitenden Parteien sich derselben Waffen bedienen müssen. Zu verlangen, daß, während die eine sich der brutalen Gewalt, der Mausergewehre bedient, die andere mit schönen Reden kämpfen, mit Papierfetzen um sich fuchteln soll, ist eine Philosophie aller eigenster Art, deren Vertheidiger ganz verblüffende geistige Verwandtschaft mit dem edlen Ritter von der Traurigen Gestalt bekunden.

Wir sind weit davon entfernt, den Kampf mit allen Mitteln – wo es sich um Tod und Leben handelt – aus Gefallen an seinem barbarischen Charakter, oder aus reiner Rinaldo Rinaldini-Schwärmerei führen zu wollen. Was uns dazu zwingt, ist die Erkenntniß der Nothwendigkeit, mit denselben Waffen zu kämpfen, mit denen man uns entgegentritt; dies ist Kriegsgebrauch und wir befinden uns im Kriege, den wir ja überdem, Jedermann weiß dies, nicht erklärt haben. Wenn zwei mordspatriotische Heere sich gegenüberstehen und die Einen schießen mit Granaten so werden die Anderen sich hüten, Ihnen Pfefferkuchen hinüberzuwerfen, sie werden vielmehr mit gleicher Münze heimzahlen. So auch im Kampfe der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker.

Man bestiehlt uns um den Ertrag unserer Arbeit und verlangt, wir sollen den Privatbesitz achten; man knebelt unsere Presse, verbietet unsere Versammlungen, nimmt uns das Recht der Vereinigung und verhöhnt uns mit der Aufforderung, wir mögen unsere Wünsche und Beschwerden auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Wege zu Ausdruck bringen; man verurtheilt unsere Genossen, welche trotz aller Gefahren es wagen sich zusammen zu thun, für unsere Ideen neue Anhänger zu werben, überhaupt im Geheimen Propaganda zu machen, da dies öffentlich verboten ist, zu langjährigen Zuchthausstrafen, unter deren Qual sie, bei den furchtbaren Peinigungen und Entbehrungen, denen sie ausgesetzt sind, in kürzester Frist zu Grunde gehen, und man hat die Unverschämtheit uns zuzumuthen, wir sollten zu Kreuze kriechen vor den Machtmitteln solcher Mordsgesellen.

Was bleibt uns unter solchen Umständen übrig zu thun? Bestohlen, ohne Rechte, ohne gesetzlich erlaubte Presse, die unsere Sache vertritt, kurz, geknebelt und vom Gegner täglich ins Gesicht geschlagen, sollten wir feig genug sein, uns ins scheinbar Unvermeidliche zu fügen, hündische Demuth zu heucheln gegenüber dem Peiniger, der uns täglich mißhandelt? Welcher ehrliche Mensch könnte sich zu so erniedrigender Rolle verstehen?

Zudem wäre eine solche Haltung eine ganz unnatürliche, sagt doch schon ein bekannter Volksspruch: „Auch der Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird.“ Jeder, dem ein schreiendes Unrecht geschieht, fühlt in seiner Brust das Verlangen nach Wiedervergeltung, und wir Sozialisten, die wir aus der Geschichte wissen, daß nur die ewige Gutmüthigkeit, das unaufhörliche Verzeihen erlittener Unbill Schuld daran ist, daß das Volk heute noch Hungers stirbt und geknechtet wird, wir sollten wiederum das Evangelium des 7 mal 70 maligen Verzeihens predigen, solchergestalt dazu beitragend, daß das Sklavenjoch immer von neuem verlängert wird. Nein, unsere Losung ist: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ „Wie du mir, so ich dir.“ Und da die Zahl der Unterdrückten zu der der Unterdrücker sich wie 9 zu 1 verhält, so ist das Endresultat nicht zweifelhaft, wenn das Proletariat nur einmal eingesehen hat, daß es nicht nur Recht, sondern auch Pflicht jedes Einzelnen ist, sich selbst Gerechtigkeit zu verschaffen. Genug des schönen Geschwätzes von der Menschenliebe, so lange unsere Feinde dieselbe uns gegenüber nicht bethätigen.

Es ist nun erwiesen, daß die herrschenden Klassen mit allen Mitteln, welche nur Scheusale zu erdenken vermochten, jede proletarische Bewegung unterdrücken;

Es ist ferner erwiesen, daß keine Klasse jemals dem Umsichgreifen einer Bewegung mit verschränkten Armen zusehen wird, welche den Privilegien eben dieser Klasse den Todesstoß versetzen soll, denn es ist ja eine Lebensbedingung jeder bedrohten Klasse ihre Bedroher mit allen Mitteln zu vernichten;

Es ist endlich erwiesen, durch die Vorgänge, die sich während der letzten Jahre abgespielt haben, daß die Bourgeoisie sich die Ausrottung der Sozialisten und der sozialistischen Ideen zur Aufgabe gemacht hat.

Aus allen diesen Gründen wäre es auch ein thörichtes Beginnen, auf die Bourgeoisie aufklärend wirken zu wollen; dieselbe begreift vollkommen die Tragweite des sozialistischen Prinzips und hat entschieden Stellung gegenüber demselben genommen. Ihr kann man also nur kämpfend gegenüber treten, sie zu vernichten suchend, soweit sie uns bei unserer Propaganda unter dem Volke und bei der praktischen Bethätigung unserer Ziele hindernd in den Weg tritt.

Eine Propaganda unserer Ideen kann also nur auf das Volk berechnet sein. Hier stellen sich aber bedeutende Schwierigkeiten in den Weg. Das Volk, abgehetzt durch des Tages Last und Mühe, daheim meist noch mit allerhand Familiensorgen kämpfend, hat in seiner großen Mehrheit keine Lust und Zeit sich noch mit dem eingehenden Studium einer so wichtigen, aber auch so vielumfassenden Frage abzugeben, wie es die soziale ist. Und wenn es wirklich hier und da einmal eine Broschüre oder ein Flugblatt liest, eine Rede hört, so haben dem gegenüber unsere Gegner alle Machtmittel in Händen, um den bei weitem größten Theil des aufgehenden Samens im Keime zu ersticken; deßhalb ist auch von der bloßen theoretischen Propaganda nicht zu erwarten, daß sie dem ganzen Volke unsere Ideen und Ziele vollständig begreiflich mache, es müssen ihm solche vielmehr durch praktische Beispiele vor Augen geführt werden, damit es dieselben alsdann begreife.

Wie schon gesagt, das Bedürfnis der Wiedervergeltung ruht in jedes Menschen Brust, unsere Aufgabe soll es, im Gegensatze zu allen anderen Parteien, sein, diesen glimmenden Funken zur vollen Flamme anzufachen, anstatt, wie es die Anderen thun, diesen letzten Funken zu ersticken. Wir werden damit zweierlei erreichen; einmal, daß das Selbstbewußtsein des Volkes, welches durch die bisherige Praxis fast auf den Nullpunkt herabgedrückt ist, sich wieder hebt, daß jeder Proletarier sich seiner Menschenwürde inne werde, zum andern, daß unsere Feinde in der Anwendung ihrer Gewalt- und Unterdrückungsmaßregeln denn doch etwas zurückhaltender werden, wenn sie sehen, daß ihre Brutalitäten nicht mehr ungeachtet bleiben wie bisher, daß das Volk sich nicht mehr bethören läßt, weder durch den christlichen Grundsatz: „Die Rache ist mein, spricht der Herr!“ noch durch den modernen Rechtsgrundsatz: „Die Rache ist des Staates, der laut Gesetz bestraft!“ Eins wie das andere ist Lüge, vom Volke längst als solche erkannt, es hat seiner Erkenntniß durch zahlreiche Redensarten Ausdruck gegeben, wie: „Die kleinen Spitzbuben hängt man, die großen läßt man laufen!“ Leider hat sich das Volk bisher, aus Mangel an nöthigen Rückhalt, nicht dazu entschließen können, selbst Gerechtigkeit zu üben. Der Zeitpunkt ist aber gekommen dies endlich zu thun. Mögen sich das Diejenigen genau einprägen, welche so lange mit dem Volke ihr böses Spiel getrieben haben.

Wir werden uns nicht fürchten, wie es der „Soldat der Revolution“ thut, wenn er in seiner Broschüre „Revolution oder Reform“ sagt, „daß wir den Gegner nicht reizen sollen, da er uns, weil stärker als wir, erdrücken könnte“ – wir bedanken uns auch für den „moralischen Muth,“ der darin besteht, den Mund zu halten und die Faust im Sack zu ballen, wenn man uns mit Füßen tritt. Nein, wir wollen den Mißhandlungen mit denen man uns überhäuft ein Ziel setzen, systematisch ein Ziel setzen; deßhalb fordern wir jeden Bedrückten, jeden Mißhandelten auf, erlittene Mißhandlungen nicht ruhig hinzunehmen, sondern sie zu rächen. Fühlt er sich allein zu schwach dazu, so möge er sich uns anschließen; weiß er nicht wie er es anfangen soll, so möge er sich bei uns Rath holen. Es haben sich Gruppen gebildet, welche ihre Aufgabe darin setzen, eine gründliche Abrechnung vorzubereiten; von ihnen werden Versuche der verschiedensten Art gemacht; einige haben ganz vorzügliche Resultate ergeben und es ist mit Gewißheit anzunehmen, daß mit den chemischen Hülfsmitteln, welche uns die Wissenschaft zur Verfügung stellt, nie Geahntes zu vollbringen ist.

Die Anwendung solcher Waffen gestattet fast jedem Arbeiter den Krieg gegen die Bedrücker auf eigene Faust zu führen, sei es gegen die Blutsauger, welche ihn ausbeuten, sei es gegen die, welche ihn anderweitig unterdrücken, die Herrscher und ihre Werkzeuge. Denn alle Diejenigen, welche wir mit solchen Mitteln zu bekämpfen haben, gehören einer von diesen Kategorien an.

Was die Herrscher betrifft, so ist ihre Hauptstütze, neben der Dummheit des Volkes, welches sie mit einem geheimnisvollen Heiligenscheine zu umgeben pflegt, unstreitig die Armee. Diese Armee muß mit dem revolutionären „Gifte“ durchtränkt werden. Es ist also so viel als möglich auf die Soldaten einzuwirken durch persönliche Propaganda ihnen nahe stehender und befreundeter Personen, durch Flugschriften, Broschüren &c. Sodann ist vorzüglich darauf Rücksicht zu nehmen, daß die jungen Leute, welche baldigst die bunte Jacke anziehen sollen, mit unseren Ideen bekannt gemacht werden. Außerdem müßten solche „Vorgesetzten“, die sich durch ihre Roheiten den Soldaten gegenüber ganz besonders bemerkbar machen, exemplarisch gezüchtigt und die Thatsachen jedesmal veröffentlicht werden; dies würde mehr wie alles andere dazu beitragen, die Disziplin in der Armee zu lockern. Eine andere Stütze der Tyrannei, die Polizei, sollte auch ganz energisch bekämpft werden. Am wenigsten gefährlich sind ja diejenigen Mitglieder dieser „hochlöblichen“ Gesellschaft, welche die Uniform tragen, also von Jedermann sofort erkannt werden können; da hätte man nur nöthig den Uebereifrigen, den allzu Brutalen jeweilen auf die Finger zu klopfen und sie in gewisse Schranken zu weisen bis zu dem Tage, wo es uns möglich sein wird diese Einrichtung der heutigen Gesellschaft ganz aufzuheben. Ungleich gefährlicher sind ja die „Geheimen“, d.h. die nicht uniformirten Polizeibeamten und dann jene Sorte von elenden Kerlen, die, ohne der Polizei eigentlich anzugehören, derselben für Geld Spionendienste leisten und vom Wiener mit dem so treffenden Ausdrucke „Spitzel“, vom Berliner als „Achtgroschenjunge“ bezeichnet werden. Die meisten von ihnen sind bestrafte Leute, welche die Polizei währen ihrer Haft bearbeitet und ihren Zwecken dienstbar gemacht hat. Alle Personen, welche diesen letzten beiden Klassen angehören, sollten, wenn nicht gänzlich beseitigt, so doch wenigstens derartig gekennzeichnet werden, daß sie für jeden ehrlichen Menschen schon auf zehn Schritte Entfernung als Schufte erkenntlich sind; wir empfehlen unseren Genossen, bei ihrer Thätigkei ihr Augenmerk auch vorzüglich nach dieser Seite hin zu richten. Gegenüber solchen Bluthunden kann von Menschlichkeit oder Erbarmen keine Rede sein. Die anderen Stützen der Herrscher müssen je nach Umständen bekämpft, ihre Wirksamkeit unmöglich gemacht werden, so daß die „Spitze“ des Staatswesens allmählich vereinzelt dastehen wird, auf diese Weise von selbst zur Unmöglichkeit werdend; denn die Gefahr für die Gesellschaft liegt eben im Systeme, nicht in der einzelnen Persönlichkeit, die zufälligerweise die gekrönte „Krone“ des ganzen künstlichen Gebäudes bildet, das wir Monarchie nennen. Diese Idee schließt aber keineswegs ein, daß, weil wir die Unmöglichkeit einsehen, das System in der Person eines einzelnen Herrschers zu beseitigen, wir deßhalb auch gleich Anderen, das „Sei verflucht!“ jemals gegen Diejenigen schleudern sollten, welche Ursache zu haben glauben, persönlich mit einem Tyrannen irgend welcher Art abrechnen zu müssen. Ein Jeder hat das Recht dazu. Die Fürsten können von Niemandem wegen ihrer Handlungen zu Rechenschaft gezogen werden, sie stehen über dem Gesetze, folgerichtig außerhalb desselben; es bleibt also demjenigen, der von ihnen gekränkt worden, sei es in seiner Person, sei es in der seiner Verwandten, Freunde oder Genossen, nichts übrig, als sich an ihnen persönlich Genugthuung zu verschaffen und ihn verdammen kann nur ein überzeugter Anhänger des Systems der Monarchie oder aber ein unklarer Kopf, der das Verhältnis des Volkes zu den Fürsten nicht genau erfaßt hat und nicht begreifen kann, daß auch der Einzelne Rechte hat, die ihm von Niemandem, am allerwenigsten von Denen bestritten werden sollten, welche vorgeben, das „Recht für Alle“ zu erringen.

Was den Kapitalismus anbetrifft, so ist dieser am Besten in seinen eigenen Ich zu treffen. Sich in der Schinderei besonders hervorthuende Ausbeuter, die am meisten den Unwillen der Bevölkerung wachgerufen haben, sollten zuerst gestraft werden für ihre Niederträchtigkeiten; dies geschieht am zweckmäßigsten durch materielle Schädigung. Dieselbe muß aber jederzeit so berechnet sein, daß sie unsere arbeitenden Brüder möglichst unbetroffen läßt. Zerstörung von Fabrikräumen würde natürlich die Arbeitslosigkeit von einer mehr oder weniger großen Anzahl von Proletariern nach sich ziehen und diese dergestalt in ein noch größeres Elend gestürzt werden, was doch jeder Sozialist gewiß vermeiden will. Zu dieser Art Vergeltung wäre also höchstens im Falle einer durch den Kapitalisten verursachten Arbeitseinstellung zu greifen, wo man dann allerdings auf diejenigen Arbeiter, welche ihren eigenen Leidensgenossen schadend, ruhig weiter arbeiten oder neu anfangen, keine Rücksicht zu nehmen hat. Es ist also bei Bekämpfung der Bourgeois vielmehr Werth darauf zu legen, daß ihnen der Genuß des dem Arbeiter entzogenen Verdienstes unmöglich gemacht oder doch nach Kräften verleidet wird. Wo es nicht möglich ist – und dies wird meistentheils der Fall sein – ihnen die ergaunerte Beute abzujagen und sie den rechtmäßigen Besitzern, den Arbeitern, auf eine, für diese ungefährliche Art und Weise wieder zuzustellen, (denn man darf dieselben nicht zu unfreiwilligen „Mitschuldigen“ von sogenannten „Raubattentaten“ machen) da sollte man die Genußmittel dieser Bande auf die eine oder andere Weise zerstören, in besonders schweren Fällen von Unterdrückung der Arbeiter den betreffenden „Herren“ auch einen Denkzettel an ihrer Person verabreichen, der manchen anderen dieser Parasiten abhalten dürfte, ein Gleiches an seinen eigenen Arbeitern zu versuchen. Es ist klar, daß das Volk, wenn einige solcher Exempel mit Erfolg statuirt würden, sich schnell mit dieser Art Abrechnung befreunden und mehr und mehr seine heutige Duldung allen Unrechts abstreifen wird, wodurch es ganz unbedingt an Selbstbewußtsein gewinnt, was wieder eine nothwendige Voraussetzung für eine gänzliche Umgestaltung der herrschenden Verhältnisse ist.

Es muß vor allen Dingen auf jegliche Art der Glauben an die „Heiligkeit“ des Eigenthums beim Volke zerstört werden. Dieser Glauben wird bekanntlich in der Kirche, in der Schule, wie im öffentlichen Leben (durch die Gesetzgebungen, durch die Presse, überhaupt in jeder Weise) sorgfältigst gepflegt und deßhalb werden wir viel zu thun haben, um ihn auszurotten; durch Reden und Schriften allein kann dies nicht geschehen. Wie einst Bonifacius, mit der Axt in der Hand, den Deutschen bewies, daß die Götter keine Blitze für den „Frevler“ hatten, der die geheiligte Eiche fällte, so müssen wir heute den Deutschen, wenn nöthig mittelst Petroleum und Dynamit, beweisen, daß es ebenso ungefährlich ist, den „Giftbaum“ des Gottes Mammon zu zerstören.

Das Gejammer gewisser Sozialisten, die, infolge ihrer einigermaßen gesicherten Stellung, in der angenehmen Lage sind, die ökonomische Umgestaltung in größter Gemüthsruhe abwarten zu können, kann uns von der Erfüllung dieser Pflicht nicht abhalten, denn die Lage der Masse des Volkes ist eine derartige, daß ein ernstlicher Zusammenstoß zwischen Proletariat und Ausbeuterthum in nicht zu ferner Zeit vorauszusehen ist und dann soll die besitzlose Menge schon mit dem Gedanken vertraut sein, daß seine erste Handlung darin bestehen muß, sich des gesammten gesellschaftlichen Reichthums zu bemächtigen, um auf der Grundlage des Gemeinbesitzes sofort die gesellschaftliche Erzeugung aller nothwendigen Bedürfnißgegenstände und deren Verabfolgung an die gleichberechtigten Mitarbeiter ins Werk setzen zu können.

Eine der mächtigsten Stützen der politischen und ökonomischen Volksunterdrückung ist die Presse, die der Kapitalismus zu seiner Verfügung hat. Ihr werden wir höchstens einen besonderen Artikel widmen; für heute wollen wir nur bemerken, daß wir auch gegen sie, soweit sie sich entschieden freiheits-, also volksfeindlich zeigt, den Kampf mit allen Mitteln führen werden.

Wie nun jede Sache erlernt sein will, so auch die entschlossene That gegenüber den herrschenden Klassen; das Volk benöthigt hierin eben so wohl noch einer Schulung, wie in vielen anderen nothwendigen Dingen. Denn es bedarf bei der Wiedervergeltung unter den heutigen Umständen immerhin noch vieler Vorsicht, damit Derjenige, welcher mit einem Unterdrücker Abrechnung hält, nicht unseren Feinden zum Opfern falle.

Es ist klar, daß einstweilen, so lange weite Kreise des Volkes noch nicht bereit sind, geschehene Unbill offen zu vergelten, jeder Einzelne im Geheimen diese Vergeltung ausübe muß, dabei darauf Rücksicht nehmend, wie seinem Gegner der empfindlichste Schlag beigebracht werden kann, den auszuführen in der Möglichkeit liegt. Unnütze, nicht zweckdienliche Spielereien sollten überall vermieden werden, da dieselben in doppelter Hinsicht ihren Zweck verfehlen; einmal, weil sie keine genügende Vergeltung bilden für den Beschädigten und sodann, weil sie, anstatt die Furcht des Gegners zu erregen, demselben vielmehr Anlaß zu Spott und Hohn geben. Deßhalb: jede That in allen ihren Konsequenzen reiflichst überlegen und dann den gefaßten Entschluß auch mit ganzer Energie ausführen, das ist es, was wir dem Volke vor allen Dingen rathen, denn halbe Maßregeln schaden stets mehr als sie nützen.