Titel: Die spanische Tragödie
Datum: -
Bemerkungen: Englischer Originaltitel: The Tragedy of Spain. Deutsche Erstveröffentlichung. Karin Kramer Verlag Berlin 44, Morusstr. 28. 1.-2. Tausend Printed in West-Berlin 1976

Einleitung Rudolf deJong

Der deutsche Anarchosyndikalist Rudolf Rocker (1873-1958) wie auch die anarchosyndikalistische Bewegung während des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) sind nach 1945 in Deutschland lange Zeit unbekannt geblieben. Zu Unrecht und zum Schaden der interessierten Leser, für die 'Sozialismus' mehr bedeutet als SPD oder Parteikommunismus schlechthin.

Rocker gehörte zu den "Jungen", die sich in den 90er Jahren von der Sozialdemokratischen Partei lossagten und sich zum Anarchismus bekannten. Er lebte über zwanzig Jahre in London, wo er das jiddisch-anarchistische Blatt Der Arbeiterfreund redigierte. Nach 1918 wurde er der bedeutendste Wortführer der deutschen anarchosyndikalistischen Bewegung, die in der Freien Arbeiter-Union Deutschlands organisiert und bei der von Rocker mitbegründeten anarchosyndikalistischen Internationalen Arbeiter-Assoziation angeschlossen war.

Rudolf Rocker flüchtete aus Hitler-Deutschland direkt nach der Machtergreifung 1933 und fand Asyl in den Vereinigten Staaten. Hier sollte er den Rest seines Lebens verbringen, wirkend und schreibend; ein geistiger Patriarch der anarchistischen Bewegung, besonders in der Spanisch sprechenden Welt, wo er einen großen Leserkreis fand.

1933 wurde das Manuskript von Rockers wichtigstem Buch aus Deutschland herausgeschmuggelt. Es erschien in englischer Übersetzung – Nationalism and Culture – in den Vereinigten Staaten und später noch in anderen Übersetzungen. 1949 konnte es in Deutschland unter dem Titel Die Entscheidung des Abendlandes publiziert werden, fand jedoch kaum Beachtung.

Heute ist Rocker kein Unbekannter mehr. Sein Name ist inzwischen für viele ein Begriff geworden. Rudolf Rocker, Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten, 1974 von Magdalena Melnikow und Hans-Peter Duerr in einer stark, aber sorgfältig gekürzten Ausgabe herausgegeben, hat bereits den Weg zu 10.000 Lesern gefunden; hinzu kommen verschiedene andere Schriften von ihm[1].

Und der spanische Anarchosyndikalismus? Daß der Bürgerkrieg kein Streit war zwischen Faschismus und Kommunismus – wie Hitler es hinstellte –, auch nicht zwischen Christen und Kommunisten – wie nach 1945 nur allzu oft in der Bundesrepublik gepredigt worden ist –, und ebenso wenig ein Streit einzig und allein zwischen Demokratie und Faschismus – wie Kommunisten, Liberale und Sozialdemokraten es nur allzu gern hinstellen –, beginnt erst ganz langsam durchzudringen, selbst bei dem engagierten Leser. Für Sozialisten ist der Spanische Bürgerkrieg an erster Stelle eine soziale Revolution. Eine der interessantesten und tiefgehendsten aus der Geschichte des Sozialismus. Tiefgehend nicht im Sinne von Machteroberung einer Partei oder einer Gruppe, die sich sozialistisch nennt, sondern im Sinne einer konstruktiven Erneuerung, dem Aufbau neuer wirtschaftlicher und sozialer Strukturen auf der Grundlage von Sozialismus und Freiheit. Die einzige große, allgemeine historische Darstellung des Spanischen Bürgerkrieges, wo er aus einer links-sozialistischen (nicht anarchistischen) Sicht gewürdigt wird, ist die von Pierre Broué und Emile Témine, Revolution und Krieg in Spanien, die 1961 in Frankreich erschien, aber erst seit 1968 in deutscher Übersetzung vorliegt.

Über den spanischen Anarchosyndikalismus und die soziale Revolution in Spanien sind erfreulicherweise in den letzten Jahren eine Anzahl Schriften in deutscher Sprache erschienen. Das einzige ursprüngliche Buch von anarchosyndikalistischer Seite ist Augustin Souchys Nacht über Spanien, Bürgerkrieg und Revolution in Spanien, o. J. (ca. 1950). Anfangs stieß es auf nur wenig Interesse, wurde aber 1969 neu aufgelegt unter dem Titel Anarcho-Syndikalisten über Bürgerkrieg und Revolution in Spanien. Ein Bericht. Bekannter ist Hans Magnus Enzensbergers Durruti-"roman" Der kurze Sommer der Anarchie, der 1972 veröffentlicht wurde.

Zu den allgemein bekannten – ins Deutsche übersetzten – Schriften, die die Aufmerksamkeit auf die soziale Revolution in Spanien lenkten, gehören natürlich George Orwells Mein Katalonien und Noam Chomskys Die Verantwortlichkeit der Intellektuellen.

In jüngster Zeit erschienen in deutscher Übersetzung weitere wichtige Texte[2].

Rudolf Rocker kam 1893 zum ersten Mal nach Spanien, wo er sich in Barcelona einen ganzen Monat – vergeblich – nach Arbeit umsah. In den Londoner Jahren intensivierte er seine Studien über die spanische Bewegung, lernte Spanisch lesen und traf sich mit den spanischen Anarchisten Tarrida del Marmol, José Prat, Francisco Ferrer und Miguel Angiolillo. Er schrieb über Fermin Solvochea und Francisco Ferrer.

In der Zeit der IAA lernte Rocker eine Reihe namhafter spanischer Militanter kennen, unter ihnen A. Pestaña, Juan Peiró, Juan Montseny, E. Carbó und insbesondere Diego Abad de Santillán und V. Orobón Fernandez, die beide eine Zeitlang in Berlin wohnten, wo sich auch B. Durruti und Fr. Ascaso kurze Zeit als Flüchtlinge aufhielten. 1931 nahm Rocker an den Kongressen der CNT und IAA in Madrid teil. Wichtige Informationen über die spanische Bewegung erhielt Rocker auch von Helmut Rüdiger[3], der seit 1931 in Barcelona wohnte und regelmäßig mit Rocker korrespondierte, auch während des Bürgerkrieges.

Rocker selbst wohnte damals in den Vereinigten Staaten. Über seine dortigen Aktivitäten im Interesse Spaniens schreibt er in seinen Memoiren: "Wir alle wußten, daß sich über Spanien ein Gewitter zusammenzog, das sich bald entladen mußte; nur konnte niemand mit Bestimmtheit sagen, von welcher Seite der erste Schlag kommen würde...

... Die Geschehnisse in Spanien fanden natürlich auch in Amerika einen starken Widerhall und erweckten die freiheitliche Bewegung einige Jahre lang zu einer regen Tätigkeit, wie man sie lange nicht mehr gesehen hatte. Wir alle erkannten, daß es jetzt hauptsächlich darauf ankam, den spanischen Genossen in ihrem schweren Kampfe beizustehen, was am besten geschehen konnte, indem man die irreführenden Berichte in der Presse richtigstellte, die häufig durch völlige Unkenntnis der wirklichen Lage verursacht wurden, aber häufig auch mit Vorbedacht entstellt wurden, um die Arbeit der CNT und der FAI herabzusetzen und eine feindliche Stimmung hervorzurufen. Man war in diesem Lande den Anarchisten nie hold, und so fanden auch die lächerlichsten und böswilligsten Entstellungen stets ein williges Ohr. ...

Für mich persönlich begann nun eine Periode anregender und fieberhafter Tätigkeit. Ich schrieb zunächst eine Broschüre, The Truth about Spain, die im Herbst 1936 in New York herauskam. Es war die erste der englischen Ausgaben, die der Verlag der Freien Arbeiterstimme veröffentlichte und die auch in verschiedene andere Sprachen übertragen wurde. Ein Jahr später erschien dann meine Schrift The Tragedy of Spain, in der ich versuchte, die Vorgänge in Spanien im Rahmen der allgemeinen politischen Lage in Europa so anschaulich wie möglich darzustellen und die feindlichen Interessengegensätze der Großmächte England, Frankreich, Deutschland, Italien und Rußland und ihren Einfluß auf den Verlauf des Spanischen Bürgerkrieges zu erklären. 1938 hatte ich dann noch einmal die Gelegenheit, in meinem Buche Anarcho-Syndicalism – Theory and Practice die Bestrebungen der CNT-FAI ziemlich ausführlich zu behandeln. ... Doch meine Haupttätigkeit waren meine Vortragsreisen durch die Vereinigten Staaten von Küste zu Küste. Ich kann ruhig behaupten, daß ich selten in meinem Leben für eine große Sache so andauernd und fast ausschließlich gearbeitet habe wie in jenen Jahren des Spanischen Bürgerkrieges."

Nach Beendigung des Bürgerkrieges erlitt Rocker einen körperlichen Zusammenbruch und war lange Zeit ernsthaft krank.

The Truth of Spain (Die Wahrheit über Spanien) ist eine kleine, 15 Druckseiten zählende Broschüre; von ihr liegt auch eine spanische und eine chinesische Übersetzung vor. Von Anarcho-Syndicalism erschienen 1947 in Indore, Indien, eine zweite vergrößerte Ausgabe und eine spanische Übersetzung.

The Tragedy of Spain (Die spanische Tragödie), die jetzt zum ersten Mal in ihrer Originalfassung veröffentlicht wird, ist auch in Spanisch, Jiddisch und Schwedisch erschienen. Die spanische Übersetzung (Buenos Aires 1938) ist von Helmut Rüdiger und trägt den Titel Estranjeros en España (Fremdlinge in Spanien).

Beim Schreiben dieser Broschüre sind Rocker seine Kontakte mit Spanien, vor allem die Beziehungen, die er zu der libertären spanischen Presse und dem Pressedienst der CNT-FAI unterhielt, zugute gekommen. Zu dieser libertären Presse gehörte auch die deutsch-sprachige Zeitschrift Die Soziale Revolution, die von der Gruppe DAS (Deutsche Anarcho-Syndikalisten) in Spanien herausgegeben wurde, einer Gruppe, die eine interessante und mutige Rolle in dem Bürgerkrieg gespielt hat. Erwähnenswert ist auch, daß Rocker über vertrauliche Mitteilungen verfügte, sei es maschinenschriftlich oder vervielfältigt, die sich über die verschiedensten konkreten Themen erstreckten und zur Weiterleitung an die Mitglieder der nationalen oder regionalen Komitees der CNT bestimmt waren. In seinen Memoiren bezeugt Rocker auch an einer Stelle (in der gekürzten deutschen Ausgabe weggelassen) mit sehr anerkennenden Worten seine Bewunderung und seinen Dank an Maximiliano Olay, einen in den Vereinigten Staaten wohnhaften spanischen Anarchisten, der die CNT in Amerika vertrat und ein Informationsblatt herausgab.

In Die spanische Tragödie ist verhältnismäßig wenig über die soziale Revolution zu finden. Die Broschüre verfolgte einen doppelten Zweck. Erstens: Enthüllung der faschistischen Intervention und Entlarvung der Non-Intervention (Nichteinmischung). Zweitens: die wirkliche Rolle der spanischen Kommunisten und der UdSSR aufzudecken, wie auch den infamen Charakter der kommunistischen Haltung gegenüber der anarchosyndikalistischen Arbeiterbewegung.

Rockers Broschüre ist eine Propagandaschrift, aber es ist eine verantwortliche Propaganda, die auf Tatsachen beruhte. In mancher seriösen Geschichtsschreibung über den Spanischen Bürgerkrieg findet man Die spanische Tragödie regelmäßig oft erwähnt und zitiert. Die Broschüre kann auch heute vor jeder historischen Kritik bestehen. Max Nettlau schrieb an Rocker anläßlich Spaniens und seiner vorliegenden Broschüre in einem Brief:

"Sie sehen (und Ihre von der Freien Arbeiter-Stimme erhaltene Broschüre analysiert das gut), daß man innerhalb des angeblichen Sozialismus fast immer Feinden gegenübersteht; - der andere ist immer Kommunist, Trotzkist oder Waschlappen ... Prachtvolle Anfänge 1936 in Spanien sind gewiß nicht verloren, aber so wie der Frost oft die Apfelblüte zerstört, so hinderte der allgemeine sozialistische Tiefstand die Entwicklung dort, wie Sie wissen."

Die Rolle des Auslandkapitals

Am 19. Juli jährte sich der Tag, an dem eine Rotte militärischer Abenteurer sich gegen das republikanische Regime in Spanien erhob und mit der Hilfe ausländischer Mächte und fremder Truppen das Land in einen blutigen Krieg stürzte. Dieser mörderische Krieg hat bisher fast eine Million Menschenleben verschlungen, darunter tausender Frauen und Kinder, und weite Strecken des Landes in Wüsteneien verwandelt. Die tiefe Tragik dieses blutigen Dramas liegt darin, daß es sich hier nicht bloß um einen gewöhnlichen Bürgerkrieg handelt, sondern gleichzeitig um einen Kampf zweier verschiedener ausländischer Machtgruppen, der heute auf spanischer Erde ausgetragen wird. Zwei feindliche imperialistische Gruppen kämpfen heute um die natürlichen Reichtümer eines fremden Landes und um den strategischen Wert seiner Küsten. Die Auswirkungen dieses Kampfes aber haben einen unverkennbaren Einfluß auf den Freiheitskampf des spanischen Volkes und machen sich besonders heute in den inneren Kämpfen zwischen den revolutionären und konterrevolutionären Kräften des Landes immer deutlicher bemerkbar.

Man kann die Bedeutung dieser Vorgänge überhaupt nicht verstehen, ohne daß man sich über den mächtigen Einfluß des in Spanien angelegten ausländischen Kapitals genügend Rechenschaft gibt. Hier ist der Schlüssel für die Stellung Englands und Frankreichs und ihrer sogenannten "Neutralitätspolitik" und gleichzeitig die Erklärung für die zweideutige Rolle, welche die russische Sowjetregierung in der blutigen Tragödie des spanischen Volkes von Anfang an gespielt hat und noch spielt.

In dem Verhältnis zwischen der spanischen Landwirtschaft und der Industrie des Landes gibt es einen Punkt von entscheidender Bedeutung. Soweit der Grundbesitz in Betracht kommt, befand sich der Boden des Landes vor der Revolution fast ausschließlich in den Händen spanischer Grundeigentümer, obgleich das Verhältnis in den einzelnen Teilen des Landes sehr verschieden war. In manchen Provinzen, besonders im Norden, bildet das Kleinbauerntum die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung; in anderen, wie zum Beispiel in der Levante und Catalonien, wurde das Land von kleinen Pächtern bearbeitet, die kein Eigentumsrecht darauf besaßen, während in Andalusien und Estremadura der gesamte Grund und Boden einigen Großgrundbesitzern gehörte, die das Land durch Lohnarbeiter bestellen ließen.

In der Industrie aber herrschte ein ganz anderes Verhältnis, während der Kleinhandel und die kleinen Industrien sich vornehmlich in den Händen von Spaniern befinden, stehen die großen Industrien und die wichtigsten kommerziellen Unternehmungen des Landes fast ausschließlich unter der Kontrolle ausländischer Kapitalisten, unter denen das englische Kapital am stärksten vertreten ist.

An den reichen Erzgruben in der Umgegend von Bilbao ist englisches Kapital in hohem Maße beteiligt, sogar dort, wo sich die Minen nominell im Besitze spanischer Eigentümer befinden. Der reichste Erzgruben-Distrikt von Orionera steht gänzlich unter der Verwaltung englischer Kapitalisten; das ist auch der Fall in zahlreichen anderen Erzregionen, besonders in den Erzwerken von Desirto. Der größte Teil der Dockanlagen in Bilbao ist im Besitz englischer Kapitalisten; ebenso die Eisenbahnen, welche das Erz zur Küste befördern. Englische Schiffahrtslinien vermitteln die Verbindung zwischen England und den baskischen Erzgruben. In dem gegenwärtigen militärischen Aufrüstungsprogramm Englands spielt das spanische Erz eine große Rolle. Tatsache ist, daß seit dem Ausbruch des faschistischen Aufstandes bis zum Fall von Bilbao der gesamte Erzexport aus Bilbao nach England abgeführt wurde.

Ein anderer wichtiger Faktor im spanischen Bergbau ist die englische Rio Tinto-Gesellschaft, welche die reichsten Kupfergruben Spaniens in der Provinz Huelva ausbeutet. Der Sitz dieser Gesellschaft, die über ein Kapital von 3.750.000 Pfund Sterling verfügt, ist in London. Ihr Präsident ist Sir Auckland C. Geddes. Diese Gesellschaft wurde 1873 gegründet, und ihr Vertrag mit der spanischen Regierung ist unbefristet. Sie hat 450.000 gewöhnliche und 350.000 Vorzugsaktien ausgegeben, die zusammen eineindrittel Million Pfund Sterling repräsentieren. Die Rio Tinto-Gesellschaft ist auch im Besitze reicher Schwefel- und Erzgruben. Von den 540.000 Tonnen Kupfer, die Spanien durchschnittlich jedes Jahr produziert, fällt der weitaus größte Teil auf das Huelva-Gebiet. Im August 1936 wurde dieser Distrikt von, den Rebellen besetzt; aber die Junta von Burgos beeilte sich sofort, der Rio Tinto-Gesellschaft in einem besonderen Dekret zu verkünden, daß ihre Rechte nicht angetastet und daß das Kupfer, das die faschistische Armee für Kriegszwecke benötigte, der Gesellschaft nach dem durchschnittlichen Marktpreise bezahlt würde.

An der Rio Tinto-Gesellschaft ist auch das Haus Rothschild beteiligt, das außerdem noch an einer ganzen Reihe großer Industrieunternehmungen in Spanien interessiert ist, wie zum Beispiel an verschiedenen Eisenbahnlinien, von denen die Linie Madrid-Zaragoza die wichtigste ist. Ganz besonders aber ist die Familie Rothschild an den reichen Quecksilberminen von Almadon in der Provinz Ciudad Real beteiligt, die in der ganzen Welt nicht mehr ihresgleichen finden. Spanien ist bekanntlich das reichste Land in der Produktion von Quecksilber, während Italien erst an zweiter und die Vereinigten Staaten von Nordamerika an dritter Stelle folgen. 1934 produzierte Spanien 1.160 Tonnen dieses kostbaren Stoffes; Amerika nur 532 Tonnen. Für den Kriegsbedarf ist Quecksilber eines der wichtigsten Erzeugnisse. Man kann daher verstehen, daß fremde Mächte an Spanien ein so großes Interesse nehmen.

Englisches Kapital ist ebenfalls hervorragend beteiligt an der spanischen Aluminium-Industrie und an einer ganzen Reihe industrieller Unternehmungen im spanischen Eisenbahn- und Maschinenbau. Die bekannte Firma Vickers-Armstrong ist stark interessiert an der "Sociedad Española de Construcción Naval" (Spanish Naval Construction Company), an der "International Peint Company" und an der spanischen Kriegsindustrie. Mit diesen Tatsachen vor Augen begreift man, weshalb die Londoner City-Presse den blutigen Unternehmungen der spanischen Militär-Kamarilla von Anfang an mit ausgesprochener Sympathie gegenüberstand.

Ein anderer mächtiger Faktor im spanischen Industrieleben ist die "Société Minérere et Métallurgique de Peñarroya" (Bergbau- und Metallkompanie von Peñarroya), die ihren Sitz in Paris hat und über ein Kapital von 309.375.000 Franken verfügt. Diese Gesellschaft wurde 1881 gegründet, und ihr Vertrag mit der spanischen Regierung läuft bis zum Jahre 2003. Der Präsident dieser Gesellschaft ist Charles Emile Heurteau, bekannt als einer der führenden Männer der kapitalistischen Mirabaud-Gruppe und eng verbunden mit der französischen Kriegsindustrie. Ihre Verwalter sind Frédéric Ledeux, beteiligt an einer ganzen Reihe spanischer Industrieunternehmungen, und Dr. Aufschlager, einer der bekanntesten Vertreter der deutschen Rüstungsindustrie. In den Verwaltungsräten dieser Vereinigung befinden sich eine ganze Anzahl bekannter europäischer Finanzgrößen: Pierre Mirabaud, der ehemalige Verwalter der Bank von Frankreich, Baron Robert Rothschild, Charles Cahen, Schwager von Baron Antony de Rothschild, Humbert de Wendel, Verwalter der "Banque de la Union Parisienne" und der internationalen Suez Canal-Companie, der italienische Graf Errico San Martino di Valperga und die beiden bekannten Spanier, Graf Romanones und Marquis Villamejor, die zu den reichsten Männern Spaniens gehören.

Die Gesellschaft besitzt ein Monopol an der Ausbeutung zahlreicher Erzwerke und der damit verbundenen Industrien und ist besonders stark beteiligt an der spanischen Blei-Industrie. Ihr Name wurde in der Zeit des Weltkrieges unrühmlich bekannt, als durch eine Interpellation in der französischen Kammer nachgewiesen wurde, daß sie alles in Peñarroya geförderte Blei für die deutsche Regierung reserviert hatte, obwohl ihre hervorragendsten Vertreter gute französische Patrioten waren. Geschäft ist eben Geschäft.

Dies ist nur ein kurzer Ausschnitt aus einer langen Liste ausländischer Kapitalinteressen in Spanien. Es gibt deren noch eine ganze Menge. So ist es allgemein bekannt, daß die Telefonzentrale Madrids sich in den Händen einer amerikanischen Companie befindet, während das Telefonsystem Barcelonas der Verwaltung einer englischen Gesellschaft untersteht. Doch würde es zu weit führen, diesen wichtigen Gegenstand hier vollständig zu erschöpfen. Es kam uns lediglich darauf an, zu zeigen, daß man den mächtigen Einfluß des in Spanien angelegten Auslandkapitals richtig einschätzen muß, wenn man ein klares Bild über die letzten Vorgänge in diesem unglücklichen Lande erhalten will.

Es ist selbstverständlich, daß die Vertreter des ausländischen Großkapitals an der politischen und sozialen Entwicklung der spanischen Lage in hohem Maße interessiert sein mußten. Hier findet auch die Frage ihre Lösung, wer den meuternden Generälen, die selber über keinerlei Reichtümer verfügten, die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellte, um das blutige Verbrechen gegen das eigene Volk ins Werk zu setzen. Herr Juan Maron, der reichste Mann Spaniens, der mit dem ausländischen Kapital in engster Fühlung stand, wäre allein dazu nicht imstande gewesen. Jeder, der mit den inneren Verhältnissen in Spanien einigermaßen vertraut war, wußte von Anfang an, woher diese Gelder kamen. Es war kein Geheimnis, daß die ausländischen Vertreter des in Spanien angelegten Kapitals großes Interesse daran hatten, die Verschwörung der Generäle zu unterstützen, um die revolutionäre Arbeiterbewegung des Landes, die immer mächtiger um sich griff, niederzuwerfen, da sie ihre spanischen Monopole in Gefahr bringen konnte. Diesen Leuten kam es natürlich nicht darauf an, wer in Spanien regierte. Sie waren ausschließlich an der Sicherung ihres angelegten Kapitals interessiert und bereit, jede Regierung zu unterstützen, die ihnen für ihre Zwecke die nötigen Garantien gewährte.

Die Rolle Deutschlands und Italiens

Wären die gegenwärtigen Ereignisse in Spanien vor dem Weltkrieg in Erscheinung getreten, so hätte die englische Regierung sicherlich keinen Augenblick gezögert, das blutige Werk der aufständischen Generäle mit aller Offenheit zu fördern, um das englische Kapital in Spanien zu schützen, wie sie es in ähnlichen Fällen so oft getan hatte. Aber der Weltkrieg und seine unvermeidlichen politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen hatten eine neue Lage in Europa geschaffen, die durch den Sieg des Faschismus in Italien und Deutschland in hohem Maße verschärft wurde. Der siegreiche Faschismus hatte in jenen Ländern nicht nur eine gewaltige militärische Aufrüstung zur Folge, die den Frieden Europas von neuem bedrohte; er gab auch das Zeichen zu einer Wiederbelebung der alten imperialistischen Bestrebungen, deren Träger fortgesetzt nach frischen Hilfsquellen Ausschau hielten, um ihr neues System nach innen und außen hin auszubauen und alle Widerstände Englands und Frankreichs erfolgreich zu überwinden. Und diese neuen Mächte waren unberechenbar, da sie sich weder um die vorgeschriebenen Satzungen der alten Diplomatie noch um geschlossene Verträge den Teufel scherten und vor keinem Mittel zurückschreckten, das ihnen den gewünschten Erfolg versprach.

Es war nur natürlich, daß der enorme Reichtum Spaniens an Eisen, Kupfer, Blei, Zink, Quecksilber, Schwefel, Magnesium und anderen wertvollen Bodenschätzen die Begehrlichkeit der faschistischen Staaten gewaltig anregen mußte. Und da es kein Geheimnis war, daß England für einen neuen Krieg noch nicht genügend vorbereitet war, Frankreich einen solchen aber ohne die militärische Unterstützung schwerlich unternehmen konnte, so spielten Hitler und Mussolini ihre stärksten Trümpfe aus, um aus der gegebenen Situation den größten Gewinn herauszuschlagen.

Es ist allgemein bekannt, daß Italien und Deutschland von dem geplanten faschistischen Aufstand in Spanien nicht nur in allen Einzelheiten unterrichtet waren, sondern diesen auch mit allen Mitteln gefördert hatten, um England und Frankreich immer größere Schwierigkeiten zu bereiten. General Sanjurjo, die Seele der faschistischen Verschwörung, der bald zu Beginn seinem verräterischen Treiben zum Opfer fiel, hatte einige Monate vor den Ereignissen in Spanien Hitler und Mussolini seinen Besuch abgestattet, und es war klar, daß man sich in Berlin und Rom nicht über ein bevorstehendes Picnic unterhalten hatte.

Ohne den italienischen und deutschen Faschismus hätte die Rebellion der spanischen Generäle der englischen Regierung keinerlei Kopfschmerzen verursacht. Eine Militärdiktatur und eine eventuelle Rückkehr zur Monarchie wäre den gewiegten Politikern an der Themse sogar sehr willkommen gewesen, seitdem es sich erwiesen hatte, daß das schwache, von steten Erschütterungen heimgesuchte republikanische Regime in Spanien auf die Dauer nicht imstande war, den britischen Kapitalinteressen die nötige politische Sicherheit zu bieten. Man hatte sich in London längst daran gewöhnt, daß in der inneren Politik Spaniens und Portugals keine nennenswerten Änderungen möglich waren, ohne die englische Regierung mit zu Rate zu ziehen. Beide Länder hatten seit langem ihre politische und wirtschaftliche Selbständigkeit eingebüßt und spielten in der Machtpolitik der europäischen Großstaaten keine Rolle mehr. Man hätte daher Franco – ohne Zweifel – die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt, um das spanische Volk auf die Knie zu bringen und ihm im übrigen genau die Linie vorgeschrieben, die er einhalten mußte, um den englischen Interessen die notwendigen Garantien zu gewähren.

Aber heute liegen die Dinge anders. Hinter Franco stehen die machtpolitischen Ansprüche Hitlers und Mussolinis, die ihr Anrecht auf die Bodenschätze Spaniens und auf strategische Punkte zur Beherrschung des Mittelmeeres geltend machen. Hatte doch Mussolini zur peinlichen Überraschung der britischen Diplomatie ganz offen erklärt, daß das Mittelmeer ein italienisches Meer sei. Eine solche Behauptung vergißt man in England nicht leicht. Unter diesen Umständen wäre ein Sieg Francos nicht nur eine starke Bedrohung der englischen Monopole in Spanien; er könnte sich unter Umständen auch zu einer großen Gefahr für den Bestand des britischen Weltreiches auswirken.

Man weiß in London ganz genau, daß die mit immer größerem Nachdruck wiederholte Behauptung, daß Franco Mussolini die Balearischen Inseln versprochen habe und Deutschland und Italien als Gegenleistung für die empfangene Hilfe bestimmte strategische Stützpunkte in spanisch Marokko abzugeben bereit sei, nicht auf müßigem Gerede beruhen. Man ist auch in England sehr wohl darüber unterrichtet, wer die anti-britischen Tendenzen des arabischen Nationalismus in Ägypten und Palästina nach Kräften schürt, um England im nahen Orient immer wieder neue Schwierigkeiten zu bereiten.

Daß Franco und seine Mitverschworenen Deutschland und Italien ungleich näher stehen als England und Frankreich, auch darüber macht man sich in London keine Illusionen. Die spanische Militär-Kamarilla hatte den Aufstand mit Hitler und Mussolini geplant und mit ihrer Hilfe zur Ausführung gebracht. Dann war sie den beiden faschistischen Mächten geistig und gefühlsmäßig enger verbunden durch die innere Verwandtschaft ihrer sozial-reaktionären Bestrebungen und den brutalen Barbarismus ihrer Methoden. Gedeckt durch Italien und Deutschland konnte Franco seine Trümpfe gegen England und Frankreich ausspielen und sich dabei eine Sprache erlauben, wie man sie früher in Spanien einer europäischen Großmacht gegenüber nie gehört hatte.

Die englische Regierung konnte daher den Ernst der Lage keinen Augenblick verkennen. Hätte man in London die Gewißheit gehabt, daß eine Niederlage Francos lediglich zu einer inneren Festigung der bürgerlichen Republik führen würde, so hätte man aller Wahrscheinlichkeit nach von Anfang an eine andere Stellung angenommen. Man hätte dann nicht durch übergroße Nachgiebigkeit Hitler und Mussolini immer unverschämter in ihren Ansprüchen gemacht und sie nicht auf einen Weg gedrängt, auf dem es für diktatorische Regierungen kaum ein Zurück gibt, da ihr Prestige an den persönlichen Erfolg des Diktators gekettet ist.

Aber der faschistische Aufstand in Spanien führte zu einer Entfesselung sozial-revolutionärer Volkskräfte, die sich seit vielen Jahren angesammelt hatten, und die nun plötzlich und vor der Zeit zum Ausbruch gelangten. Spanien war reif für die Revolution. Die innere Verrottung des alten monarchistischen Regimes aber, das keiner Vernunft zugänglich war und sich auch der kleinsten Reform widersetzte, brachte es mit sich, daß die Revolution heute einen viel umfassenderen und tieferen sozialen Charakter annehmen mußte.

Die Lage Spaniens vor dem Aufstand

Die Republik hatte ihr Prestige im Volke in wenigen Jahren verbraucht. Die ewige Unentschlossenheit der republikanischen Parteipolitiker, ihre Furcht vor jedem entscheidenden Schritt, die allmählich zu einer wachsenden Vereinigung der alten reaktionären Elemente des Landes führte, die systematische Verfolgung der Arbeiterbewegung, die sich mit besonderer Brutalität gegen die Mitglieder der CNT richtete, von denen zeitweise acht- bis zehntausend in den Gefängnissen der Republik gefangen saßen, die blutigen Ereignisse von Pazajos, Jerica, Burrians, Eylla, Arnado und Casas Viejds, und ganz besonders die blutige Unterdrückung des Aufstandes in Asturia im Oktober 1934 durch afrikanische Truppen mit seinen grauenhaften Begleiterscheinungen – das alles hatte in überreichem Maße dazu beigetragen, den arbeitenden Massen des spanischen Volkes die Republik gründlich zu verleiden, die für sie nur eine neue Fassade war, hinter der sich die alten Mächte der Finsternis verborgen hielten.

In der Tat erhoben die klerikalen und monarchistischen Elemente immer drohender das Haupt und versuchten mit zäher Beharrlichkeit, ihre zerstreuten Kräfte zu vereinigen, um die verlorenen Positionen zurückzugewinnen. Als dann nach dem Fall das Ministerium Sampara im Oktober 1934 in das neue von Lerroux gebildete Kabinett drei Mitglieder der von dem Faschisten Gil Reblos ins Leben gerufenen "Katholischen Volksaktion" eintraten, da wußte jeder, wohin die Reise ging, und daß an eine parlamentarische Lösung der politischen und sozialen Krise nicht mehr gedacht werden konnte. Der Aufstand in Asturien war das unmittelbare Ergebnis dieser Lage, und seine grausame, allen Gesetzen der Menschlichkeit Hohn sprechende Unterdrückung hatte nur Öl ins Feuer gegossen und zwischen der Regierung und dem Volke einen Abgrund aufgerissen, der nicht mehr zu überbrücken war.

Daß die offene Reaktion niemals siegen konnte, ohne auf den verzweifelten Widerstand breiter Volksmassen zu stoßen, die in der CNT und FAI ihre revolutionären Stützpunkte fanden, war unvermeidlich. Was in Deutschland möglich war, war in Spanien undenkbar. Dafür bürgte der revolutionäre und freiheitliche Charakter der spanischen Arbeiter- und Bauernbewegung, die sich bisher in langjährigen und zähen Kämpfen gegen jede Reaktion durchgesetzt hatte. In der Tat erhob sich wenige Monate nach den Vorgängen in Asturien eine neue revolutionäre Welle über Spanien, die auch den Wahlen im Februar 1936 ihren Stempel aufdrückte.

Der Sieg der sogenannten Volksfront war keineswegs ein Vertrauensvotum des Volkes für die Republik, sondern lediglich eine Willenskundgebung breiter Massen, die nicht gewillt waren, der Reaktion widerstandslos das Feld zu räumen und dieser zu erlauben, die Monarchie wieder aufzurichten. Daß die Wahlen keine wirkliche Entscheidung bringen konnten und der klaffende Gegensatz zwischen Revolution und Konterrevolution außerhalb des Parlaments ausgetragen werden mußte, war für jeden klar, der sehen konnte. Es zeigte sich denn auch sehr bald, daß die neue Volksfront-Regierung der Lage nicht gewachsen war und sehr bald vor Probleme gestellt wurde, die sie weder lösen konnte, noch den Willen hatte zu lösen. Daß die Mächte der Reaktion nicht gesonnen waren, sich mit einer Wahlniederlage abzufinden, sondern nun erst recht darauf bestanden, die wirkliche Entscheidung mit bewaffneter Hand auszutragen, zeigte sich bald nach dem Zusammentritt des neuen Parlaments. Der offene Aufruf des monarchistischen Deputierten, Calvo Satelo, an die Führer der Armee, die Republik zu stürzen, war der erste Auftakt, in dem die kommenden Ereignisse ihre Schatten vorauswarfen.

Es ist heute allgemein bekannt, daß Präsident Azaña von dem Vorhaben der Generäle unterrichtet war; aber das neue Kabinett rührte keinen Finger, um der drohenden Gefahr zu begegnen. Wie die geradezu verbrecherische Unentschlossenheit der republikanischen Regierung 1932 den Militäraufstand Sanjurjos verschuldet hatte, so ließ auch dieses Mal die sogenannte Volksfront-Regierung die militaristischen Briganten ruhig ihre verräterischen Pläne ausspinnen, ohne auch nur einen Schritt dagegen zu unternehmen. Als die ersten Nachrichten von dem Aufstand in Marokko in Spanien eintrafen, war die Regierung gerade dabei, General Mola das Kriegsministerium zu übertragen. Doch es war schon zu spät; Mola marschierte bereits mit seinen Truppen auf Madrid, um der Republik den Gnadenstoß zu versetzen.

Alle diese Dinge waren in Spanien wohlbekannt. Die antifaschistische Presse und besonders die Tagespresse der CNT hatte oft genug ihre warnende Stimme gegen die heraufziehende Gefahr erhoben; aber die Volksfront-Regierung schlug mit frevelhafter Leichtfertigkeit alle Vorstellungen in den Wind. Als dann der faschistische Aufstand ausbrach und durch den heldenhaften Widerstand der CNT und FAI in Barcelona in wenigen Tagen niedergeschlagen wurde, wodurch Catalonien vom Feinde befreit und der feingesponnene Plan, Spanien durch eine zielsichere Überraschungsstrategie plötzlich zu überrumpeln, vereitelt wurde, war es nur zu begreiflich, daß die Arbeiterschaft Cataloniens nicht auf halbem Wege stehen bleiben würde, wenn sie sich nicht bei der nächsten Gelegenheit denselben Gefahren aufs Neue aussetzen wollte. So erfolgte die Kollektivierung[4] des Landes und die Übernahme der industriellen Betriebe durch die Arbeitersyndikate; und diese Bewegung, die durch die Initiative der CNT und FAI entfesselt wurde, übertrug sich mit unwiderstehlicher Macht auf Aragonien, die Levante und andere Teile des Landes. Der Aufstand der Faschisten hatte Spanien auf den Weg einer sozialen Revolution gedrängt.

Es war diese Entwicklung der Dinge, die die Vertreter des in Spanien angelegten ausländischen Kapitals mit tiefer Besorgnis für die Zukunft ihrer Monopole erfüllen mußte. Wäre der Aufstand der Generäle gegen das eigene Volk nur eine spanische Angelegenheit gewesen, so hätte ihm die englische Regierung ihre Unterstützung gewiß nicht versagt, um die Interessen des britischen Kapitals in Spanien zu schützen. Die Auslieferung eines ganzen Volkes an seine Henker hätte den englischen Diplomaten keine großen Gewissensbisse verursacht, solange der beabsichtigte Zweck erreicht worden wäre.

Die Rolle Englands und Frankreichs

Die Politik Hitlers und Mussolinis hatte die konservative Regierung Englands in eine schwierige Lage versetzt. Eine völlige Niederlage Francos würde der neuen Entwicklung in Spanien ungeahnte Perspektiven eröffnen und dem bereits begonnenen Werk der sozialen Erneuerung einen mächtigen Antrieb verleihen. Ein entscheidender Sieg Francos aber mußte sich allen Voraussetzungen nach noch verhängnisvoller auswirken und die machtpolitische Stellung Italiens und Deutschlands in Europa gewaltig stärken. Einerseits könnte er den englischen Monopolen in Spanien noch gefährlicher werden als eine soziale Umwälzung, die unter Umständen vielleicht gezwungen wäre, dem ausländischen Kapital auf längere oder kürzere Frist gewisse Konzessionen zu gewähren, um einen gewaltsamen Zusammenstoß mit den ausländischen Mächten zu vermeiden. Andererseits aber müßte er für England und Frankreich politische Konsequenzen von unübersehbarer Tragweite heraufbeschwören.

In seiner Rede vom 27. Juni in Würzburg hatte Hitler ausdrücklich erklärt, daß Deutschland an dem Siege Francos das höchste Interesse habe, da es die spanischen Erze zur Ausführung seines Vierjahresplanes dringend benötige. In dem offiziellen Bericht hatte man zwar gerade diese Stelle aus Hitlers Rede stark gemildert, um den schlechten Eindruck in England zu verwischen; aber man wußte dort ohnedies, um was sich das Spiel drehte. Die gereizte Debatte im englischen Unterhaus über die spanische Lage zeigte dies klar und deutlich. Deutschland hatte 1935 gewaltige Vorräte an Eisen- und Kupfererz aus Spanien bezogen; aber die militärische Aufrüstung in England hatte diese Bezugsquelle sehr stark reduziert.

Italien aber ist an den natürlichen Reichtümern Spaniens womöglich noch mehr interessiert als Deutschland. Seine Stahl- und Eisenproduktion beläuft sich gegenwärtig auf eine Million Tonnen pro Jahr, während es für seine tatsächlichen Bedürfnisse jährlich drei Millionen Tonnen benötigt, deren Fehlbetrag im Ausland gedeckt werden muß. Spanien aber produziert jedes Jahr sieben Millionen Tonnen Eisen. Unter diesen Umständen ist es nur zu begreiflich, daß Mussolini nach den reichen Erzgruben der baskischen Provinzen schielte.

Aber in dem gegenwärtigen Streit der europäischen Großmächte um Spanien geht es nicht bloß um die Bodenschätze des Landes, sondern um vieles mehr. Ein entscheidender Sieg Francos müßte Spanien völlig in die Arme Italiens und Deutschlands treiben und der Machtpolitik Hitlers und Mussolinis einen Stützpunkt geben, der England und Frankreich in die größte Gefahr bringen müßte. Die Beherrschung der spanischen Küste durch eine vereinigte deutsche und italienische Flotte und entsprechende Hafenanlagen für die Kriegsflugzeuge beider Länder, würde Frankreich von seinen Kolonien abschneiden und im Falle eines Krieges die Beförderung französischer Kolonialtruppen aus Nordafrika auf das höchste gefährden, wenn nicht ganz unmöglich machen. Ganz abgesehen davon, daß ein faschistischer Nachbar jenseits der Pyrenäen die Verteidigung der französischen Landesgrenzen um vieles schwieriger gestalten müßte.

Für England aber hätte in diesem Falle die strategische Bedeutung Gibraltars ihren Wert verloren. Damit aber wäre der Beherrschung des Mittelmeeres durch England ein Ziel gesetzt, und die englische Hegemonie im nahen Osten hätte ihre strategische Basis eingebüßt. Ägypten, Palästina, Irak und selbst Indien wären direkt bedroht, und das Schüren der nationalistischen Propaganda würde in jenen Ländern durch eine gut eingefädelte italienische Propaganda das übrige besorgen. Man wird in England die Rede Mussolinis an die Lybier, in der er sich als Beschützer des Islam und der arabischen Einheitsbewegung aufspielte, so schnell nicht vergessen.

Aus dieser Lage erklärt sich die ganze Stellung Englands in der spanischen Frage. Sie ist entscheidend für die sogenannte "Neutralitätspolitik" der englischen und französischen Diplomatie, die nur jenen unverständlich erscheint, die da glauben, daß es sich in dem gegenwärtigen Kampf zwischen zwei verschiedenen Machtgruppen in Europa lediglich um abstrakte Probleme wie Demokratie und Faschismus handele. Wer naiv genug ist, die Dinge von diesem Standpunkt aus zu beurteilen, dem muß die angebliche Blindheit der englischen und französischen Staatenlenker allerdings schweres Kopfzerbrechen verursachen; aber er hat den Kern der Frage überhaupt nicht verstanden.

Politische Schlagwörter wie Faschismus und Demokratie werden vielleicht in einem kommenden Kriege ihre Rolle spielen, ebenso wie die Losung "Kampf der Demokratie gegen den preußischen Militarismus" im vergangenen Weltkrieg ihren Zweck erfüllte. Daß auf der Seite der "kämpfenden Demokratie" damals auch der russische Zarismus stand, hätte allerdings auch den Leichtgläubigsten etwas verdächtig anmuten können, wenn in jener großen Zeit der Lüge das eigene Denken überhaupt noch eine Rolle gespielt hätte.

Nein, die konservativen Machthaber an der Themse sind weder blind noch schwer von Begriff. Wer das behauptet, täuscht sich und andere und beweist nur damit, daß er für gegebene Tatsachen selber blind ist. Diese Leute wissen ganz genau, was sie tun. Sie können sich verrechnen und von Ereignissen überrumpelt werden, die letzten Endes stärker sind als ihr feingesponnenes diplomatisches Netzwerk; denn das Hasardspiel der Diktatoren ist ebenso unberechenbar wie die Revolution, die ihre eigene Logik hat. Aber blind sind sie wirklich nicht.

Es war stets die Taktik der englischen Diplomatie, eine Macht gegen die andere auszuspielen, um die Hegemonie Englands auf dem Festland aufrechtzuhalten. Diese Taktik wurde durch die Weltmachtstellung des britischen Reiches bestimmt. England konnte seine über alle Kontinente zerstreuten Kolonien nur an sich ketten, solange es ihnen den nötigen Schutz gegen fremde Eingriffe gewähren konnte. Dieses aber ist nur möglich, solange das englische Prestige in Europa unerschütterlich bleibt. In dem Augenblick, wo England seinen machtpolitischen Einfluß in Europa verliert, gibt es für den inneren Zusammenhalt des britischen Weltreiches keine Sicherheit mehr.

Solange die See die natürliche Festung für das Mutterland war und die englische Küste durch eine starke Flotte gegen jeden Angriff von außen gesichert werden konnte, war es den englischen Machthabern verhältnismäßig leicht, ihre dominierende Stellung in Europa aufrechtzuhalten. Außerdem gab die gewaltige wirtschaftliche Überlegenheit des britischen Reiches seinen Staatsmännern stets die nötigen Mittel zur Hand, die Politik der kontinentalen Staaten wirksam zu beeinflussen und eine starke antibritische Koalition auf dem Festland zu verhindern. Das mußte Napoleon zu seinem Schaden erfahren. Aber durch die Eroberung der Luft und durch die gewaltige Entwicklung der modernen Kriegstechnik hat sich der alte Zustand gründlich verschoben, und eine Invasion des britischen Inselreiches gehört heute durchaus in den Bereich der Möglichkeit, vorausgesetzt, daß eine starke Allianz europäischer Großmächte zu diesem Zweck zustande käme.

Aus diesem Grunde ist England heute mehr denn je auf starke Verbündete angewiesen, um dieser Gefahr zu begegnen. Dabei macht die Wahl der Alliierten den englischen Staatslenkern durchaus keine Sorgen, solange sie ihren Zweck erfüllt. Das ist die Ursache, weshalb die ganze englische Außenpolitik nach dem Weltkrieg, von Sir John Simon bis Anthony Mien, eine einzige Sabotage gegen den sogenannten "Völkerbund" war, um sich die Hände freizuhalten für Verbündete, die je nach den Umständen den größten Vorteil gewähren konnten.

Dieselbe Taktik verfolgte die englische Diplomatie von Anfang an in der spanischen Frage, nachdem sie früher Frankreich und Rußland ihren Zwecken gefügig gemacht hatte. Von der einen Seite läßt sie kein Mittel unversucht, um den Sieg der sozialen Revolution in Spanien unmöglich zu machen; von der anderen Seite erlaubt sie der Regierung in Valencia gerade soviel Unterstützung, um einen raschen Sieg Francos zu unterbinden, der in diesem Augenblick nur Italien und Deutschland zugute kommen müßte. Es ist im Interesse Englands und Frankreichs, daß der mörderische Krieg solange seinen Fortgang nimmt, bis man ihn im geeigneten Moment durch einen Kompromiß beenden kann, der weder der einen noch der anderen Seite die Möglichkeit gibt, die Bedingungen des Friedens zu diktieren, die man den Spaniern von außen her aufzwingen will.

Je länger der Krieg anhält, desto schwerer muß sich für Hitler und Mussolini die weitere Unterstützung Francos gestalten, desto mehr muß er die materiellen Kräfte Deutschlands und Italiens vor der Zeit erschöpfen und beide Länder für einen bevorstehenden Weltkrieg schwächen. Man weiß ganz genau, daß die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Italien während der letzten zwei Jahre einen Charakter angenommen hat, der sie in gesteigertem Maße einer Katastrophe entgegenführt. Franco aber ist gänzlich auf die Hilfe der beiden faschistischen Staaten angewiesen, solange er sich weigert, auf die geheimen Bedingungen Englands und Frankreichs einzugehen. Heute fordert er von seinen Verbündeten neue 185.000 Mann, fünfhundert Flugzeuge, fünfzig Artillerie-Batterien und eine unbestimmte Zahl Panzerwagen, um eine neue Offensive bei Madrid und gleichzeitig an der Front von Teruel eröffnen zu können. Der Kampf um Bilbao kostete ihn 20.000 Mann und erschöpfte sein Kriegsmaterial um zwanzig Prozent.

Sogar, wenn Deutschland und Italien entschlossen sind, ihm diese neue Hilfe zu gewähren, so wird sich die allgemeine Lage dadurch nicht ändern. England und Frankreich werden in diesem Falle der Regierung von Valencia unter die Arme greifen, um das erschütterte Gleichgewicht wiederherzustellen. Die Offensive der Loyalisten, die bald nach dem Fall von Bilbao an der Front von Madrid und im Süden einsetzte, ist der beste Beweis dafür.

Unter der Geißel fremder Mächte

Die englischen Diplomaten haben in dem Schachspiel um Spanien alles getan, um die Gefahr eines europäischen Krieges zu vermeiden, der England gerade jetzt nicht erwünscht sein kann. Sie haben dabei alle Unverschämtheiten Hitlers und Mussolinis kaltblütig eingesteckt, was vielen ganz unbegreiflich erscheinen mußte, aber sie haben ihre Ziele keine Sekunde aus den Augen verloren. Sie waren bereit, den Frieden "at almost every prise" zu erkaufen, wie der englische Außenminister Eden sich ausdrückte; aber sie waren sich auch völlig klar darüber, wie weit sie in diesem gefährlichen Spiel gehen würden. Die Rede Chamberlains vom 3. Juli vor seinen Wählern in Birmingham und die Rede Edens am selben Tage in Soughlan haben auch den letzten Zweifel darüber beseitigt.

Beide Reden waren an die Adresse Hitlers und Mussolinis gerichtet und ließen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Eden erklärte, daß England an der Regierungsform Spaniens keinerlei Interesse habe; aber er setzte bald hinzu: "Das meint jedoch nicht, daß wir nicht interessiert sind, wo die britischen Interessen an den Land- und Seegrenzen Spaniens in Frage kommen, und die kommerziellen Verbindungslinien, die an der spanischen Küste vorbeiführen." – Der britische Außenminister ließ also keinen Zweifel darüber aufkommen, daß England nicht gewillt sei, irgendeiner europäischen Macht eine dominierende Stellung im Mittelmeer einzuräumen, die die britische Hegemonie im nahen Osten gefährden müßte, und daß seine Regierung im Notfall entschlossen sei, zum letzten Mittel des Krieges ihre Zuflucht zu nehmen, um die lebenswichtigen Interessen des britischen Weltreiches zu schützen.

Es ist kein Geheimnis, daß England bisher kein Mittel unversucht ließ und den stärksten Druck auf die spanische Regierung ausübte, um zur gegebenen Stunde eine Verständigung mit Franco herbeizuführen. Es war dies der einzige Weg, der Franco zwingen konnte, sich dem Einfluß Italiens und Deutschlands zu entziehen und später die von England und Frankreich geplanten Friedensbedingungen anzunehmen. Zu diesem Zweck unterhielt die englisch-französische Diplomatie Verbindungen mit beiden Seiten, und fremde Agenten überschwemmten Spanien, um die nötige Stimmung für einen kommenden Vergleich zu schaffen. Als der Fall von Madrid unausbleiblich schien, hatte man von außen her sogar geheime Verbindungen mit General Miaja angeknüpft, um diesen für eine militärische Diktatur zu gewinnen, für die er den auswärtigen Diplomaten als der geeignetste Mann erschien. Miaja hatte den Vorschlag abgelehnt, und zwar aus Gründen, die er selber am besten wissen mußte.

Alle diese Manöver blieben den spanischen Revolutionären nicht verborgen. Die Tagespresse der CNT und andere Organe der antifaschistischen Front brachten fast jede Woche neue Enthüllungen über das unterirdische Treiben der ausländischen Diplomatie und ihrer Hintermänner im Inland. Auch die große bürgerliche Tagespresse im Ausland bemühte sich nach Möglichkeit, den schwankenden Elementen in Spanien eine Verständigung mit dem Faschismus mundgerecht zu machen. So schrieb die große konservative Zeitung "Le Temps" in Paris während der letzten Regierungskrise in Valencia sehr bezeichnend:

"Die Möglichkeit ist keineswegs ausgeschlossen, daß gewisse Elemente der antifaschistischen Front den versöhnlichen Ratschlägen von jenseits der Pyrenäen ein williges Ohr leihen. Der Fall von Madrid und die ihm folgenden politischen Störungen müßten den Zusammentritt einer gemäßigten Regierung aus linken Republikanern und Sozialisten vom Schlage Prioton sehr begünstigen. Eine solche Regierung wäre für die Vorschläge einer gegenseitigen Verständigung empfänglicher und würde dem republikanischen Spanien einen besseren Dienst erweisen als ein hoffnungsloser Kampf."

Die bald darauf erfolgte Ausschiffung des Ministeriums Caballero und die Übernahme der Regierung durch das bürgerlich-kommunistische Kabinett Negrin zeigt mit verdächtiger Klarheit, wie vorzüglich die Redaktion der "Temps" informiert gewesen ist. Ohne Zweifel glaubten die Staatsmänner in London und Paris damals ihre Stunde gekommen, und die Regierung Negrin sollte ihnen die Basis schaffen, um ihre Pläne in die Wirklichkeit umzusetzen. Es ist bekannt, daß England die baskische Regierung dazu benutzt hatte, um Verhandlungen mit Franco anzuknüpfen. Man glaubte auf diese Weise, den Fall Bilbaos verhindern zu können, wo die unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen Englands am meisten bedroht waren. Wenn diese Verhandlungen zu keinem Ergebnis geführt haben, so war es deshalb, weil Hitler und Mussolini an einer Besetzung des baskischen Eisenbeckens in höchstem Maße interessiert waren und dadurch einen gewaltigen Trumpf gegen England in die Hände bekamen. Die Tatsache, daß bei dem Kampf um Bilbao italienische Truppen und deutsche Flieger die entscheidende Rolle spielten, beweist, wie sehr es Deutschland und Italien um die Eroberung Bilbaos ging. Es war nicht Franco, sondern der deutsche General Faupel[5], der Bilbao eingenommen hat. Dadurch wurde der Krieg gegen den Willen Englands und Frankreichs abermals in die Länge gezogen.

Es war und ist das Ziel der englisch-französischen Staatsmänner, den Krieg bei der ersten günstigen Gelegenheit abzubrechen und durch eine Verständigung zwischen den konservativen loyalistischen Kreisen und Franco eine Regierungsform in Spanien zu erzwingen, die die alten Vorrechte Englands auch weiterhin respektieren und stark genug sein würde, das ausländische Kapital gegen die Anschläge der "Extremisten" zu schützen. Die Extremisten aber sind in diesem Falle die breiten Massen der spanischen Arbeiter und Bauern und vor allem die CNT-FAI, die die Losung ausgegeben hatte, daß der Krieg nur dann siegreich zu Ende geführt werden könne, wenn er vom Geiste einer sozialen Revolution getragen sei, und das Volk sofort zu einer vollständigen Umgestaltung seiner sozialen Lebensbedingungen übergehe. Es war diese Gefahr, die der konservativen Regierung Englands die größten Sorgen bereitete und die durch die Sozialisierungsversuche der spanischen Arbeiter und Bauern eine greifbare Gestalt angenommen hatte. Diese Gefahr zu beseitigen, war und ist eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Welche Mittel dabei den englischen Torfes vorschweben, das hat Winston Churchill in seinen Vorschlägen zur Lösung der spanischen Frage unverhüllt zum Ausdruck gebracht, als er von der Notwendigkeit einer fünfjährigen "neutralen Diktatur" in Spanien sprach, um das Land "zu beruhigen". Später könnte man dann "vielleicht auf eine Wiederbelebung der parlamentarischen Einrichtungen zurückgreifen".

Die spanischen Arbeiter und Bauern wissen aus Erfahrung, wie eine solche "Beruhigung" aussehen würde. Die grauenhafte Niederwerfung des Aufstandes in Asturien im Oktober 1934 und die entsetzlichen Schlächtereien der faschistischen Mordbrenner in Sevilla, Zaragoza, Badajoz, Malaga und vielen anderen Orten, denen Zehntausende von Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen, sprechen eine zu deutliche Sprache, als daß man sie vergessen könnte. Man weiß in Spanien, was die "neutrale Diktatur" bedeutet.

Das ist ja gerade die ganze Ungeheuerlichkeit der vielgepriesenen kapitalistischen Ordnung, daß sie ohne Mitleid und jeder Menschlichkeit bar über die Leichen ganzer Völker hinwegschreitet, um die brutalen Vorrechte der Ausbeutung zu schützen und den egoistischen Interessen kleiner Minderheiten das Wohl und Wehe von Millionen zu opfern. Spanien ist heute das Opfer imperialistischer Auslandsmächte, die ihre Gegensätze auf dem Rücken des spanischen Volkes ausfechten und ohne die kleinsten moralischen Bedenken ein ganzes Land ins Verderben stürzen, in dem sie nach Recht und Gewissen überhaupt nichts zu suchen haben. Ohne das Eingreifen fremder Mächte wäre der Aufstand der faschistischen Briganten in wenigen Wochen erledigt gewesen, da sie die ungeheuere Mehrheit des spanischen Volkes gegen sich hatten.

Fremde Tyrannen wie Hitler und Mussolini, die ihre eigenen Länder in Wüsten geistiger Barbarei und Grabstätten der Freilinie verwandelt haben, lieferten den faschistischen Henkern Spaniens die Mittel, den Krieg ins Land zu tragen und das eigene Volk zu erwürgen. Die "Großen Demokratien" Europas aber .haben dem spanischen Volke die Hände gefesselt und Millionen Menschen allen Schrecken des organisierten Massenmordes ausgesetzt, um zur gegebenen Stunde die Ergebnisse eines in der Geschichte beispiellosen heroischen Widerstandes ihren eigenen Zwecken dienstbar zu machen. Und die Regierung Stalins leistet diesen Vorhaben imperialistischer Mächte willig Handlangerdienste und macht sich zum Verteidiger der Konterrevolution gegen die breiten Massen der spanischen Arbeiter und Bauern.

Es ist dies das dritte Mal, daß ausländische Mächte in den Kampf des spanischen Volkes für seine menschlichen Rechte mit bewaffneter Hand eingegriffen haben und die Sache der Konterrevolution gegen die Befreiung des Volkes unterstützten. 1823 brachte die Invasion einer französischen Armee den spanischen Liberalismus zur Strecke und Riego an den Galgen und lieferte das Land der fluchwürdigen Tyrannei einem der blutigsten Despoten aus, die je einen Zaren verunreinigt haben. 1874 halfen englische und russische Kriegsschiffe General Favia die erste spanische Republik abzuwürgen. Heute wiederholt sich dasselbe Schauspiel in einem weit größeren Maßstabe.

Die Rolle Rußlands

Daß England und Frankreich in der spanischen Frage eine solche Stellung eingenommen haben, ist für jeden, der sich über die tieferen Ursachen sozialer Dinge Rechenschaft abgibt, keine Überraschung. Beides sind kapitalistische Großstaaten, deren innere und äußere Politik durch Grundsätze bestimmt wird, die lediglich wirtschaftliche Vorrechte und machtpolitische Erwägung im Auge haben. Das ist ja der Fluch des heutigen Gesellschaftssystems, dessen unvermeidliche Folgen sich mit jeder neuen Phase seiner Entwicklung verhängnisvoller auswirken. Die Kaste der Machtpolitiker hat sich niemals von ethischen Grundsätzen leiten lassen. Zu glauben, daß ihre Vertreter von heute für die Satzungen sozialer Gerechtigkeit und menschenwürdiger Bestrebungen empfänglicher sind, wäre unverzeihlicher Selbstbetrug.

Von größerer Bedeutung ist die Stellung der russischen Sowjet-Regierung in der spanischen Frage. Nicht, daß wir uns nach dieser Seite hin die geringsten Illusionen gemacht hätten. Wir haben die unvermeidlichen Ergebnisse der bolschewistischen Diktatur in ihren ersten Anfängen vorausgesehen, und die weitere Entwicklung in Rußland hat unsere Auffassungen in jedem Punkte bestätigt. Die sogenannte "Diktatur des Proletariats", in der naive Seelen ein vorübergehendes aber unvermeidliches Übergangsstadium zum wirklichen Sozialismus sehen wollten, hat sich unter der Herrschaft Stalins zu einem furchtbaren Despotismus ausgebildet, welcher der Tyrannei faschistischer Staaten in nichts nachsteht, ja diese noch in vielen Beziehungen weit übertrifft, ein Despotismus, der jede freie Meinungsäußerung mit blutiger Brutalität unterdrückt und mit Menschenleben und Menschenschicksalen umspringt, als wenn es sich um tote Dinge handelte.

Es war leider nur eine kleine Minderheit, welche die Geschehnisse in Rußland von Anfang an richtig einschätzte; während auch heute noch Hunderttausende in allen Ländern der russischen Wirklichkeit völlig blind gegenüberstehen. Wir sprechen hier nicht von den ausländischen Soldschreibern der russischen Regierung, die mit eiserner Stirne und ohne Gewissensskrupel auch die empörendsten Verbrechen der russischen Gewalthaber verteidigen und auf Befehl heute alles in den Himmel heben, was sie noch gestern in den Kot gezogen hatten. Nein, wir denken hier an jene Tausende ehrlicher, aber von unseliger Verblendung befangenen Menschen, die mit beispiellosem Fanatismus einem Ziele folgen, das zur brutalen Austilgung jeder Freiheit und jeder menschlichen Würde führt.

Die Reaktion von heute findet nicht nur ihren Ausdruck in politischen Gewaltsystemen, deren lebendige Symbole brutale Tyrannen vom Schlage Hitlers, Mussolinis oder Stalins sind. Ihre eigentliche Stärke ist jener blinde Glaube breiter Massen, der jede Scheußlichkeit rechtfertigt, solange sie von einer gewissen Seite begangen wird und rücksichtslos alles verdammt, das sich gegen diese schnöde Vergewaltigung der menschlichen Persönlichkeit auflehnt. Es ist dies die Diktatur des Ungeistes, der keine eigene Meinung kennt noch achtet, und der sich auf Befehl zu den schlimmsten Dingen hinreißen läßt, da ihm jede persönliche Verantwortung fremd ist. Dieser blinde Fanatismus, der jedes kritische Urteil als ein Verbrechen gegen die Unfehlbarkeit des Diktators empfindet, ist auch die Ursache, daß jene Massen die große politische Wandlung, die in Rußland seit dem Tode Lenins vor sich geht, überhaupt nicht wahrnehmen können, so daß sie sich heute mit demselben fanatischen Eifer für Dinge einsetzen, die noch vor wenigen Jahren von den russischen Gewalthabern als konterrevolutionär und als "Verrat am Proletariat" bezeichnet wurden.

Nicht, daß wir hier die Absicht hätten, Lenin gegen Stalin auszuspielen, wie dies heute so viele tun, die mit Moskau gebrochen haben, um sich in den Hafen irgendeiner der zahlreichen kommunistischen Oppositionen zu flüchten. Lenin, Trotzki[6] und alle anderen, die heute dem Gewaltregime Stalins zum Opfer fallen, waren nur seine Wegbereiter. Sie haben den Boden geschaffen, auf dem sich später der sogenannte "Stalinismus" entwickeln konnte. Wer die Freiheit als "bürgerliches Vorurteil" empfindet, wer Lüge, Betrug, Täuschung und Hinterlist als erlaubte Kampfmittel verteidigt, wie das Lenin öffentlich getan hat, der zerstört damit jedes ethische Band zwischen Mensch und Mensch, vernichtet das Vertrauen zwischen den eigenen Kameraden und darf sich nicht wundern, wenn die Saat, die er gesät, solche Blüten treibt. Die große Wandlung, die Stalin Schritt für Schritt zur Ausführung brachte, war nur das logische Ergebnis der Arbeit seiner Vorgänger. Diese Wandlung wirkt sich heute nicht bloß in Rußland aus; sie drückt auch der ganzen Taktik der kommunistischen Parteien im Ausland ihren Stempel auf, die nie etwas anderes gewesen sind als Organe der russischen Außenpolitik. Das zeigt sich heute mit eindrucksvoller Klarheit in der Stellung der Stalin-Regierung zur spanischen Frage.

Während der ersten drei Monate des faschistischen Aufstandes kümmerte sich die russische Presse überhaupt kaum um die Ereignisse in Spanien. Stalin hatte alle Hände voll zu tun, um seine gewesenen Freunde um die Ecke zu bringen und die Liquidation der alten kommunistischen Partei in Rußland planmäßig zum Abschluß zu führen. Wäre es ihm wirklich darum zu tun gewesen, dem spanischen Volke in seinem verzweifelten Kampf gegen die Horden Francos beizustehen, so hätte er in den ersten Monaten des antifaschistischen Krieges die beste Gelegenheit dazu gehabt, denn gerade in jener Zeit standen die kämpfenden Massen fast waffenlos einem bis an die Zähne gerüsteten Feinde gegenüber, dem der deutsche und italienische Faschismus jede Hilfe gewährte. Irun und San Sebastian sind nur gefallen, weil ihren Verteidigern die militärischen Mittel fehlten, um ihren heroischen Widerstand fortsetzen zu können. Wenn Franco damals Spanien trotzdem nicht überrumpeln konnte, wie er dachte, so hatte man dieses gewiß nicht Rußland zu verdanken, sondern in erster Linie dem heldenmütigen Widerstand der CNT und FAI, der Catalonien vom Feinde befreite und dadurch Spanien gerettet hatte. Ein Umstand, der damals von allen unumwunden anerkannt wurde, und den sogar die Presse Francos nicht in Abrede stellte.

Rußlands erstes Eingreifen in die spanischen Angelegenheiten war seine Unterzeichnung des sogenannten Neutralitätsvertrages, der ausschließlich den imperialistischen Interessen Englands und Frankreichs entsprungen ist. Die moralische Bedeutung dieses Vertrages erschöpfte sich zunächst darin, daß er die aus den Wahlen im Februar 1936 hervorgegangene Volksfront-Regierung mit den meuternden Generälen, die an der Republik Hochverrat begingen und sie durch offene Gewalt zu stürzen versuchten, auf die gleiche Stufe stellte, was zum Beispiel die republikanische Regierung Mexicos nie getan hat. Als die kommunistische Partei Frankreichs gegen diesen Vertrag zunächst ein großes Geschrei erhob und die französische Regierung des Verrats an der spanischen Republik bezichtigte, brauchte Leon Blum sie nur darauf aufmerksam zu machen, daß Rußland als erste Macht den Vertrag mitunterzeichnet hatte und die Anklage des Verrats somit auf Stalin zurückfalle.

Rußland war mit Frankreich durch ein militärisches Abkommen verbunden, dessen Spitze sich gegen Deutschland richtete. Deutschland ließ daher kein Mittel unversucht, dieses Bündnis rückgängig zu machen und setzte aus diesem Grunde alle politischen Druckmittel gegen Frankreich in Bewegung. Rußland kannte diese Gefahr sehr wohl und gab sich daher alle Mühe, die Politik Hitlers zu durchkreuzen, indem es sich zum Anwalt der imperialistischen Interessen Englands und Frankreichs in Spanien machte. Es waren nicht die berühmten "Klasseninteressen des Proletariats", sondern die nationalen Interessen des russischen Staates, die Stalin zu dieser Stellung bewegten. England und Frankreich aber waren nun in der Lage, Rußland gegen die Machtansprüche Hitlers und Mussolinis auszuspielen und ihre Pläne weiter auszuspinnen, die darauf abzielten, einen endgültigen Sieg Francos zu verhindern und gleichzeitig der sozialen Revolution in Spanien einen Riegel vorzuschieben.

Die kommunistischen Arbeiter im Ausland waren natürlich nicht imstande, dieses hinterlistige Spiel hinter den Kulissen zu durchschauen und freuten sich damit, daß Rußland der loyalistischen Regierung von Zeit zu Zeit größere oder kleinere Quantitäten von Waffen und Lebensmittel lieferte. Sie ahnten natürlich nicht, daß auch dieses mit der Zustimmung Frankreichs und Englands geschah, die sich ebenso wenig an die Bestimmungen des sogenannten Neutralitätsvertrages gebunden fühlen wie Hitler und Mussolini, und die Waffeneinfuhr in Spanien stillschweigend in demselben Maße begünstigen, wie es ihren Zwecken dienlich ist. Was aber die kommunistische Presse ihren Lesern geflissentlich verschwieg, ist die Tatsache, daß die russische Regierung den Spaniern nie eine Patrone lieferte, die nicht mit dem Gelde der Regierung von Valencia bar und schwer bezahlt wurde.

Rußland aber begnügte sich nicht damit, den spanischen Loyalisten ab und zu einige Schiffsladungen Waffen zugehen zu lassen. Seine geheimen Agenten und ganz besonders seine offiziellen Vertreter in Madrid, Valencia und Barcelona arbeiteten mit allen Mitteln, um Zwietracht in die Reihen der antifaschistischen Front zu tragen und auf die spanische Regierung einen Druck auszuüben, um sie den Einflüsterungen der englisch-französischen Diplomatie gefügig zu machen. Die Stalin-Regierung fördert hier ganz bewußt die geheime Arbeit der kapitalistischen Großmächte und die Sache der Konterrevolution gegen die Befreiungsversuche der spanischen Arbeiter und Bauern. Einen besseren Agenten hätten sich England und Frankreich überhaupt nicht wünschen können. Gerade dort, wo ihre eigenen Versuche berechtigtem Mißtrauen begegneten, konnten die russischen Agenten in der breitesten Öffentlichkeit arbeiten, da nur wenige vermuteten, daß das angebliche "Vaterland des Proletariats" sich dazu hergeben würde, einen so schmählichen Verrat an der Sache eines braven Volkes zu begehen. Mit vollem Recht erklärte der englische Parlamentsvertreter McGovern auf dem letzten Kongreß der Independent Labour Party of Great Britain:

"Die Arbeiterklasse Spaniens hatte nicht bloß die bewaffnete Macht Francos, Deutschlands und Italiens gegen sich, sondern auch die listig organisierte Unterstützung der regierenden Klassen in England. Londons große Geschäftswelt stand einmütig hinter Franco."

"Rußland hat unzweifelhaft wertvolle Hilfe geleistet, aber diese Hilfe hätte nicht begleitet sein dürfen von dem Versuch, die politische Lage Spaniens zu beherrschen. Es war eine schmähliche Sache, daß mit den Waffenlieferungen gleichzeitig der Versuch gemacht wurde, die ganze politische Bewegung Spaniens unter russischen Einfluß zu bringen."

Die große Wandlung in Rußland und ihre Folgen

Rußland steht heute nach innen und nach außen hin mit beiden Füßen im Lager der Konterrevolution. Stalin hat seinen eigenen Thermidor organisiert, um sich von den letzten Vertretern des alten Bolschewismus zu befreien, die seinen Plänen irgendwie gefährlich werden könnten. Diese Pläne aber gipfeln in der Absage aller früheren politischen Grundsätze der alten kommunistischen Partei Rußlands und in der Errichtung einer Art Sowjet-Aristokratie, die in dem neuen, von allen alten Elementen gereinigten bürokratischen Apparat ihren Stützpunkt findet, um die breiten Massen der Bauern und Industriearbeiter ihrer Herrschaft dienstbar zu machen. Die sogenannte "demokratische Verfassung", die größte Komödie, die die Welt je gesehen hat, dient nur dem Zweck, die wahren Absichten der russischen Machthaber zu verschleiern und ihnen nach außen hin ein anderes Gesicht zu geben.

Dieser Wandel im Wesen der russischen Diktatur mußte sich natürlich auch in der Stellung der kommunistischen Parteien des Auslandes auswirken. Daß hier ein radikaler Umschwung nach rechts eingesetzt hat und die kommunistischen Parteien sich heute für Dinge einstellen, die sie noch vor wenigen Jahren auf das heftigste bekämpft haben, kann selbst ein Blinder sehen. Aber die tieferen Ursachen dieser Wandlung, die allen von Lenin und seinem Kreis vertretenen Grundsätze der alten Partei ins Gesicht schlägt, bleibt den meisten verborgen.

Als Lenin seiner Zeit mit seinen "Einundzwanzig Punkten" hervortrat, um die kommunistischen Parteien der ganzen Welt in einer eisernen zentralistischen Organisation zusammenzuschweißen, die jedem Befehl der Moskauer Zentrale blindlings gehorcht, verfolgte er damit eine bestimmte Absicht. Er wollte damit der proletarischen Bewegung in jedem Lande eine feste Richtung geben und sie vor jedem Zusammengehen mit bürgerlichen und sogenannten menschewistischen Parteien bewahren. Wo immer in einem Lande sich eine revolutionäre Lage entwickelte, sollten die Arbeiter sofort dazu übergehen, die politische Macht an sich zu reißen und durch ein Rätesystem nach russischem Muster zur Expropriation des Landes und der Betriebe schreiten, ohne sich mit anderen Richtungen auf Kompromisse einzulassen. Rußland aber sollte diesen Versuchen jede moralische und materielle Hilfe leisten, die immer möglich war.

Es ist hier nicht unsere Aufgabe, den Wert oder Unwert einer solchen Taktik kritisch zu beurteilen; es handelt sich lediglich darum, die Tatsache festzuhalten, um zu zeigen, daß zwischen der héutigen Taktik Stalins und seiner Anhänger im Ausland und den von Lenin vertretenen Grundsätzen überhaupt keine Berührungspunkte mehr bestehen und beide sich wie Wasser und Feuer voneinander unterscheiden. Es war hauptsächlich diese Taktik Lenins, die einen vollständigen Bruch mit den großen sozialistischen Parteien des Auslandes herbeiführte, deren Führer Lenin bis aufs Messer bekämpfte und öffentlich als Renegaten und "Verräter des Proletariats" anprangerte. In Deutschland zum Beispiel, wo die Sozialdemokratie den Standpunkt vertrat, daß es sich zunächst darum handele, die Republik nach innen und außen hin zu festigen, bevor man später durch soziale Reformen in der Richtung zum Sozialismus vorschreiten könne, wurde diese Taktik von den Kommunisten mit allen Mitteln und mit fanatischer Erbitterung bekämpft. Die Anhänger der Sozialdemokratie wurden als "Sozialfaschisten" und Konterrevolutionäre gebrandmarkt, und jeder Durchschnittskommunist in Deutschland war fest davon überzeugt, daß im Vergleich mit der Sozialistischen Partei Hitler das kleinere übel sei. Das Wort "Menschewismus" wurde zum Inbegriff jedes Verrates gegen die Arbeiterklasse. Vom kommunistischen Standpunkt aus gesehen, war der "Menschewik" public enemy number one und mußte mit allen Mitteln bekämpft werden.

Und heute? Alles, was noch vor wenigen Jahren von der kommunistischen Internationale in Grund und Boden verdammt wurde, ist nun für Stalin und seine Anhänger der Gipfelpunkt aller politischen Weisheit. Stalin wurde zum Testamentsvollstrecker des einst so verhaßten Menschewismus und versucht, diesen mit Zugeständnissen an die bürgerliche Welt noch zu übertrumpfen. Die ganze Volksfront-Idee ist eine einzige große Verleugnung der von Lenin und den alten Bolschewiken festgelegten Grundsätze. Man könnte vielleicht einwenden, daß es immerhin ein Fortschritt sei, wenn Stalin und seine Gefolgsleute im Auslande sich von der Unhaltbarkeit jener alten Grundsätze überzeugt und daher neue Wege eingeschlagen hätten. Das wäre richtig, wenn zusammen mit dieser neuen Einsicht auch eine Wandlung in der Gesinnung eingetreten wäre; wenn man sich endlich entschlossen hätte, auch andere Meinungen zu achten und nicht länger die Rolle eines roten Papsttums zu spielen. Aber gerade in dieser Hinsicht ist nicht der kleinste Wandel eingetreten.

Stalin, der heute dem seichtesten Reformismus und den Verteidigern des bürgerlichen Staates die weitgehendsten Zugeständnisse macht, hat Rußland in ein großes Schlachthaus verwandelt und verfolgt seine wirklichen oder vermeintlichen Gegner von links mit der erbarmungslosen Besessenheit eines orientalischen Despoten. Derselbe Mann, der sich heute in Spanien für die imperialistischen Interessen seiner politischen Verbündeten einsetzt und die bürgerliche Republik gegen die sozialen Befreiungsbestrebungen der spanischen Bauern und Arbeiter verteidigt, läßt durch seine erbärmlichen Soldschreiber im Ausland die heroischen Kämpfer der CNT und FAI, die die Träger dieser Bestrebungen sind, in schamloser Weise verleumden und in den Kot ziehen, wie er es mit seinen politischen Gegnern in Rußland tut. Derselbe Mann, der sich über Nacht zum Anwalt der sogenannten Einheitsfront aufspielte, zerstört heute mit zynischer Berechnung die antifaschistische Front in Spanien, um im Interesse ausländischer Kapitalisten der spanischen Revolution in den Rücken zu fallen.

Die Stellung der kommunistischen Partei in Spanien

In den ersten drei Monaten des großen Freiheitskampfes, als Rußland sich überhaupt nicht mit Spanien befaßte, ging die soziale Umwälzung mit elementarer Wucht ihren Weg und verbreitete sich von Catalonien über alle anderen Gebiete des Landes, die vom Feinde nicht besetzt waren. Die Bauern bemächtigten sich des Landes und die Arbeiter der Städte, der Industrien und gingen selber zur Sozialisierung der Produktion über, ohne dabei den Dekreten politischer Parteien zu folgen. Sie arbeiteten mit innerer Hingabe und ausgeprägtem Verantwortungssinn daran, ein neues Spanien aufzubauen und die blutige Gefahr des Faschismus ein für allemal zu überwinden. Während die kampffähigen Elemente zu den Fronten eilten, versuchten die Arbeiter und Bauern im Hinterland, eine neue soziale Ordnung einzurichten, um dem Sozialismus den Weg zu bahnen.

Diese Entwicklung der Dinge änderte sich, wenn nicht sofort, so doch allmählich, als Rußland auf dem Plan erschien und seine offiziellen Vertreter nach Madrid und Barcelona entsandte, um die unterirdische Wühlarbeit im Interesse Englands und Frankreichs zu beginnen. Da Spanien durch den famosen Neutralitätspakt von Anfang an daran gehindert wurde, größere Waffeneinkäufe im Ausland vorzunehmen und folglich auf jede kleine Hilfe angewiesen war, die es immer erhalten konnte, so hatten die russischen Agenten ein verhältnismäßig leichtes Spiel, der Regierung in Madrid und Valencia ihre Bedingungen aufzuzwingen. Dieses wurde ihnen umso leichter, als die bürgerlichen Republikaner und der rechte Flügel der sozialistischen Partei den Sozialisierungsversuchen der Arbeiter und Bauern ohnedies nicht sehr gewogen waren und diese nur duldeten, weil sie sich nicht anders helfen konnten.

Die Kommunisten aber schlugen sich auf den Befehl Moskaus sofort auf diese Seite. Sie, die früher bei jeder Gelegenheit die CNT und die Anarchisten im allgemeinen ihrer angeblichen "kleinbürgerlichen" Tendenzen halber nicht genug verhöhnen konnten, wurden plötzlich die Verteidiger nicht nur des Kleinbürgertums, sondern auch der spanischen Großbürger gegen die Forderungen der Arbeiter. Gleich nach den Ereignissen im Juli 1936[7] hatte die kommunistische Partei die Parole ausgegeben: Für die demokratische Republik! Gegen den Sozialismus! Bereits am 8. August vorigen Jahres hatte der kommunistische Deputierte, Hernandez, in Madrid die CNT wegen der Übernahme der Betriebe durch die Arbeitersyndikate auf das heftigste angegriffen und dabei bemerkt, daß man nach der Besiegung Francos "die Anarchisten sehr schnell zur Vernunft bringen werde".

Den kommunistischen Arbeitern im Auslande aber redete man ein, daß ihre Genossen in Spanien nur deshalb nicht an der Sozialisierung des Landes durch die Arbeiter teilnähmen, weil man früher den Krieg gewinnen müsse, bevor man an die Verwirklichung des Sozialismus denken könne. In der Wirklichkeit führt die kommunistische Partei Spaniens nur die Befehle Moskaus aus und hat aus diesem Grunde die Verwirklichung des Sozialismus auf unbestimmte Zeit vertagt, weil er sich mit den imperialistischen Plänen von Stalins Verbündeten einfach nicht verträgt. Wer daran noch immer zweifelt, dem müßten die folgenden Worte Santiago Carrillos, eines der prominentesten Mitglieder im Zentralkomitee der kommunistischen Partei Spaniens, gründlich die Augen öffnen, wenn er überhaupt den Willen hat zu sehen:

"Wir kämpfen für die demokratische Republik, und wir schämen uns dessen nicht. Wir kämpfen gegen den Faschismus, gegen die fremden Eindringlinge, aber wir kämpfen heute nicht für eine sozialistische Revolution. Es gibt Leute, die uns sagen, daß wir uns für eine soziale Revolution einsetzen müßten, und es gibt solche, die da behaupten, daß unser Kampf für die demokratische Republik nur ein Betrug sei, um unsere wirklichen Absichten zu verbergen. Nein, wir verfolgen damit keine taktischen Manöver, noch irgendwelche Betrugsabsichten gegen die spanische Regierung und die Weltdemokratien. Wir kämpfen mit voller Aufrichtigkeit für die demokratische Republik, weil wir gegenwärtig keine soziale Revolution erstreben, und dies gilt auch für lange Zeit nach dem Siege über den Faschismus. Eine andere Stellung würde nicht bloß den Sieg der faschistischen Eindringlinge begünstigen, sie müßte auch dazu beitragen, den Faschismus in den übrigen bürgerlich-demokratischen Staaten einzupflanzen. Haben doch die Faschisten bereits erklärt, daß sie unter keinen Umständen eine Diktatur des Proletariats in unserem Lande dulden würden."

Dieselben Leute, die sich heute mit so verdächtigem Eifer dafür einsetzen, die bürgerlich-demokratische Welt vor dem Faschismus zu bewahren, die nicht genug Worte finden können, um die sogenannten Weltdemokratien von der Ehrlichkeit ihrer Absichten zu überzeugen, haben sich den Teufel darum geschert, wenn ihre Methoden Ungarn, Deutschland und andere Länder ins Verderben stürzten und dem Faschismus die Bahn geebnet haben. Wenn sie heute in Spanien andere Wege gehen, so ist es dafür, weil die nationalen Interessen des russischen Staates heute mit den imperialistischen Bestrebungen Englands und Frankreichs auf das engste verknüpft sind. Um ein solches Bündnis aufrecht zu halten, lohnt es sich für die russischen Machthaber schon, die spanischen Arbeiter und Bauern auf das Schmählichste zu verraten.

Für dieses nobele Ziel arbeiteten nun die Organe der russischen Sowjet-Diplomatie mit Hochdruck und mit der ganzen widerlichen Heuchelei einer verschlagenen machiavellistischen Politik, die sich gerade in Rußland im Zeichen der Diktatur zur höchsten Blüte entwickelt hat und später Hitler und Mussolini als Vorbild diente. Ist doch keine Regierungsform der völligen Zersetzung aller moralischen Grundsätze im Volke und der hemmunglosen Entfaltung der schlimmsten Korruption so günstig, wie gerade die Diktatur, die jede ehrliche Kritik öffentlicher Schäden mit brutaler Gewalt unterdrückt und ganze Völker in Herden stumpfsinniger Sklaven verwandelt. Unter einem solchen Zustand, der durch Furcht, Lüge, Betrug, politischen Mord und ein infames Spionagesystem, das aus dem Verrat eine öffentliche Tugend macht und selbst die intimsten Kreise der Familie verpestet, wird das innere Vertrauen von Mensch zu Mensch systematisch untergraben und jede moralische Verantwortlichkeit dem Mitmenschen gegenüber im Keime erstickt.

Bis zu den Juli-Ereignissen vorigen Jahres spielte die kommunistische Partei in Spanien kaum eine Rolle[8]. Sie zählte im ganzen ungefähr dreitausend Mitglieder. Ihre Bestrebungen waren dem allgemeinen Volkscharakter fremd und hatten keinerlei Aussicht, sich in den breiten Massen der Arbeiter und Bauern durchzusetzen. In Spanien spielten die Gewerkschaften von jeher die wichtigste Rolle in der Arbeiterbewegung, nicht die politischen Parteien. So konnte die sozialistische Partei Spaniens jahrzehntelang außerhalb Madrids keine Wurzel fassen und wurde im Volksmunde ironisch nur als die "mikroskopische Partei" (el partido microscópico) bezeichnet, bis es ihr durch die Gründung der UGT (Allgemeine Arbeiter-Union) nach und nach gelang, in den großen Industriebezirken des Nordens und in einigen ländlichen Distrikten Andalusiens und Estremaduras Boden zu gewinnen.

Deshalb versuchten nun die spanischen Stalinisten durch geheime Zellenarbeit in den politischen und gewerkschaftlichen Organisationen der sozialistischen Partei ein Feld zu gewinnen, das sie unter eigener Flagge nie erobern konnten. So gelang es ihnen, einige Gewerkschaften der UGT in Madrid, Valencia, Málaga und einigen anderen Orten zu kapern, aber sogar mit diesen Erfolgen konnten sie nie daran denken, eigene Aktionen einzuleiten, da sie auf die große Mehrheit der UGT-Arbeiter keinen nennenswerten Einfluß auszuüben vermochten, während ihnen die lokalen Organisationen der mächtigen CNT überhaupt verschlossen blieben.

In Catalonien, wo die Sozialisten und ihr gewerkschaftlicher Anhang, die UGT, vor dem faschistischen Aufstand überhaupt keine Rolle spielten, gelang es den Stalinisten unter der Parole der Einheitsfront die sozialistische Partei zu ködern und den sogenannten PSUC (Vereinigte sozialistische Partei Cataloniens) ins Leben zu rufen, der sich bald der Dritten Internationale anschloß und trotz seines sozialistischen Aushängeschildes ein Organ Moskaus ist. Mit der Ankunft der offiziellen Vertreter Rußlands verstärkte sich diese unterirdische Wühlarbeit in erheblichem Maße. Was die spanischen Stalinisten in dieser Hinsicht noch zu lernen hatten, wurde ihnen durch die Herren Rosenberg in Madrid und Antonow-Owsejenko in Barcelona sehr schnell beigebracht.

Es bestehen heute in allen Ländern Europas und Amerikas Hunderte von sogenannten "neutralen" Organisationen, die nur den Zweck erfüllen, das Spiel der Moskauer Drahtzieher hinter den Kulissen zu verstellen; gibt es doch sogar eine ganze Reihe bekannter Zeitschriften auf beiden Kontinenten, die auf eine langjährige liberale Tradition zurückblicken können, und die heute vollständig unter den Einfluß Moskaus geraten sind. Dasselbe schnöde Spiel wiederholte sich nun in Spanien. Russische Einflüsterungen fanden in bürgerlichen und rechtssozialistischen Kreisen ein williges Ohr und machten sich sowohl bei den catalanischen Nationalisten bis tief in die Reihen der von Caballero geleiteten Regierung in Valencia immer deutlicher bemerkbar.

Die UGT in Catalonien

Den Agenten Moskaus kam es nun vor allem darauf an, eine breitere Basis für die Durchführung ihrer Pläne zu finden und überall Organisationen aufzubauen, die man im gegebenen Falle gegen die CNT und auch gegen die UGT ausspielen konnte. Die CNT hatte schon lange Zeit vor den Juli-Ereignissen sich redliche Mühe gegeben, eine Allianz mit den Arbeitern der UGT herbeizuführen. Nach der siegreichen Niederschlagung des faschistischen Aufstandes in Catalonien setzten sich ihre Vertreter mit aller Energie für dieses Ziel ein, das ihnen mit Recht als die erste Vorbedingung des Sieges über die Faschisten und als die notwendige Basis für die Entwicklung eines neuen gesellschaftlichen Lebens im Sinne der Freiheit und des Sozialismus vorschwebte. Es genügt, irgendeines der zahlreichen täglichen oder wöchentlichen Organe der CNT und FAI zur. Hand zu nehmen, um sich davon zu überzeugen, daß man es hier nicht mit dem hohlen Phrasengebimmel professioneller Demagogen zu tun hat, sondern mit dem Ausdruck einer von den ehrlichsten Motiven getragenen Gesinnung, die gerade aufgrund ihrer Aufrichtigkeit überall das rechte Wort der Versöhnung zu finden weiß.

Diese Einheitsbestrebungen der Arbeiterschaft versuchten die Agenten Rußlands nun mit allen Mitteln zu unterbinden, da sie sehr wohl erkannten, daß gerade von dieser Seite aus der Ausführung ihrer Pläne die größte Gefahr drohte. Durch die praktische Zusammenarbeit in der Verwaltung der sozialisierten Betriebe und der ländlichen Genossenschaften hatte sich zwischen den Arbeitern der CNT und UGT ein freundschaftliches Verhältnis herausgebildet, das sich im Kampfe gegen den gemeinschaftlichen Feind und durch die unmittelbaren Notwendigkeiten des täglichen Lebens immer besser gestaltete. Das war besonders in jenen Landesteilen der Fall, wo diese Zusammenarbeit nicht durch die Eingriffe politischer Parteien von außen her gestört wurde, und wo die UGT seit Jahren ein wirkliches Arbeiterelement hinter sich hatte, wie in Asturien, Castilien, Andalusien und in der Levante.

Ganz anders gestaltete sich die Lage in Catalonien und besonders in Barcelona, wo die UGT früher niemals Fuß fassen konnte und es nie mehr als auf einige Tausend Mitglieder brachte. Dort trat nach den Juli-Geschehnissen eine eigenartige Wendung ein. Die Notwendigkeit, einer gewerkschaftlichen Organisation anzugehören, drängte sich nun auch jenen Schichten auf, die früher zu den organisierten Arbeitern überhaupt keine Beziehungen hatten, ja diesen häufig sogar feindlich gegenüberstanden. In jener bewegten Zeit nach der Niederwerfung des faschistischen Aufstandes, wenn die bewaffneten Patrouillen der Arbeitersyndikate auf der Wache standen und für die öffentliche Sicherheit Sorge trugen, spielte das Mitgliedsbuch einer Gewerkschaft eine wichtige Rolle und diente seinem Inhaber sozusagen als Paß.

So kam es, daß Tausende kleiner Unternehmer, Handelsleute, lokale Stadtpolitiker, Kneipenbesitzer, Regierungsangestellte usw. in die Gewerkschaften der UGT strömten, die ihnen naturgemäß näher standen als die alten sturmerprobten Organisationen der CNT. Und dies geschah in verstärktem Maße, je deutlicher der kommunistische PSUC, unter dessen politischer Vormundschaft die Syndikate der UGT in Catalonien stehen, mit seinen Angriffen gegen die Sozialisierungsversuche der Arbeiterschaft hervortrat. So wurde die UGT in Catalonien allmählich das Sammelbecken aller reaktionären Elemente, die an einer Rückentwicklung in die alten Zustände interessiert waren.

Die Stalinisten, die eigentlichen Urheber dieser sonderbaren Entwicklung, erzählen heute ihren gläubigen Nachläufern im Ausland, daß die UGT in Catalonien eine Mitgliederzahl von 450.000 aufweise. Das ist natürlich eine der gewöhnlichen Propagandalügen, mit der diese angenehmen Zeitgenossen unter russischer Anleitung so geschickt zu operieren verstehen. Man will damit die Öffentlichkeit möglichst vergessen lassen, daß hinter der catalanischen Landesföderation der CNT eine Million organisierter Arbeiter stehen, die das Lebensmark der spanischen Arbeiterbewegung sind. Trotzdem läßt es sich nicht bestreiten, daß die UGT in Catalonien heute ein starkes Hindernis für die CNT ist, das sich unter der besonderen Protektion der Regierung Negrin in Valencia zu einer großen Gefahr für alle wirtschaftlichen und politischen Errungenschaften der spanischen Arbeiterklasse ausgewachsen hat. Was die kommunistischen Drahtzieher in Spanien aber ihren Anhängern im Ausland geflissentlich verschweigen, ist die Tatsache, daß die heutige UGT in Catalonien überhaupt keine Arbeiterorganisation ist, sondern ein Werkzeug bürgerlich-reaktionärer Elemente, die mit allen Mitteln versuchen, die Konterrevolution im Lande zu fördern.

Der wichtigste Bestandteil der UGT in Catalonien ist gegenwärtig der GEPCI (Verband der catalanischen Kleinindustriellen und Kaufleute), der früher zu den ausgesprochenen Gegnern der organisierten Arbeiterschaft gehörte und heute der treueste Verbündete des kommunistischen PSUC ist. Das Zentralbüro dieser Körperschaft befindet sich im Lokal der catalanischen Textilunternehmer, Calle Santa Ana Nr. 2. Der Präsident der sogenannten "Textilarbeiter"-Sektion aber ist kein anderer als Herr Gurri, der gewesene Vorsitzende des Verbandes catalanischer Textilfabrikanten. Weiter findet man dort Herrn Fargas, früher bekannt als einer der reichsten und brutalsten Unternehmer Barcelonas, mit dem die CNT manchen harten Streit auszufechten hatte. Außerdem gibt es dort noch eine ganze Reihe bekannter Persönlichkeiten aus der alten Unternehmerwelt Barcelonas, wie Herrn Armengol und viele andere, die heute unter der Protektion der Stalinisten in der UGT ihr lichtscheues Wesen treiben. Das sind dieselben Leute, die heute im In- und Ausland die CNT des "Verrats an den proletarischen Interessen" bezichtigen, und deren unversöhnlicher Haß sich gegen alle richtet, die sich der Wiederherstellung der alten kapitalistischen Ordnung widersetzen.

In anderen Teilen des Landes, wie zum Beispiel in der Levante, haben die Stalinisten die berüchtigten "Sindicates libres" wieder neu belebt, in denen sich unter der Diktatur Primo de Riveras die verkommensten Elemente zusammenfanden, um dem Unternehmertum die erwünschten Handlangerdienste zu leisten. Aus ihren Reihen gingen die sogenannten "Pistoleros" hervor, deren Aufgabe es war, die Arbeiter durch Meuchelmord und infame Verbrechen einzuschüchtern. Manches wertvolle Menschenleben ist diesen Banditen zum Opfer gefallen, die heute die wertvollsten Bundesgenossen der spanischen Stalinisten sind.

Nachdem sich die Kommunisten auf diese Weise die nötigen Stützpunkte im Lande verschafft hatten, begann ein wahres Kesseltreiben gegen alle revolutionären Errungenschaften der Arbeiter und Bauern und vor allem der systematische Boykott gegen die von den Syndikaten der CNT und UGT geleiteten industriellen Betriebe und ländlichen Dorf-Kooperativen. Jedes Mittel war diesen Leuten recht, um den Geist der Zersetzung mit vollen Händen auszusäen und die geheimen Pläne ihrer Auftraggeber zur Reife zu bringen. Dieselben Leute, die ihre alten Grundsätze über Nacht vergessen hatten und das Sirenenlied der Einheitsfront in allen Zungen flöteten, waren die ersten, die durch ihr gemeines Ränkespiel die antifaschistische Front in Spanien zerbrochen haben.

Die sozialistische Aufbauarbeit der CNT und FAI

Sozialisten aller Richtungen, aufrichtige Liberale und bürgerliche Antifaschisten, die die Gelegenheit hatten, das grandiose Werk des sozialen Aufbaus der spanischen Arbeiter an Ort und Stelle zu beobachten, hatten bisher nur ein Urteil über die schöpferische Befähigung der CNT und zollten ihrer Arbeit die aufrichtigste Bewunderung. Jeder von ihnen konnte nicht umhin, die natürliche Intelligenz, die Besonnenheit, Umsicht und vor allem die beispiellose Duldsamkeit hervorzuheben, mit der die Arbeiter der CNT sich ihrer schweren Aufgabe unterzogen. So erklärte der schweizerische Sozialist Andres Oltmares, Professor an der Universität in Genf, in einem längeren Aufsatz, dem wir die folgende Stelle entnehmen:

"Inmitten des Bürgerkrieges haben die Anarchisten sich als politische Organisatoren ersten Ranges erwiesen. Sie entzündeten in jedem das notwendige Verantwortlichkeitsgefühl und verstanden es, durch beredsame Aufrufe den Opfermut für das allgemeine Wohl im Volke wachzuhalten... Mit innerer Freude und aufrichtiger Bewunderung spreche ich hier als Sozialdemokrat über meine Erfahrungen in Catalonien. Der antikapitalistische Umschwung ging hier vor sich, ohne daß man zu der Diktatur seine Zuflucht genommen hat. Die Mitglieder der Syndikate sind ihre eigenen Meister und regulieren die Produktion und die Verteilung der Arbeitsprodukte unter ihrer eigenen Verwaltung und mit der Beratung erfahrener Techniker, zu denen sie Vertrauen haben. Die Begeisterung der Arbeiter ist so groß, daß sie jeden persönlichen Vorteil verschmähen und ausschließlich für das Wohl aller Sorge tragen."

Und von der Umstellung der Industrien für den Kriegsbedarf sprechend, erklärte Professor Oltmares, daß die Arbeitersyndikate Cataloniens in organisatorischer Hinsicht "in sieben Wochen ebensoviel geleistet haben wie Frankreich in vierzehn Monaten nach Ausbruch des Weltkrieges." – Er hätte noch hinzufügen können: und wie Rußland nach zwei Jahren bolschewistischer Diktatur es niemals fertigbrachte.

Ähnliche Berichte unparteiischer und ehrlicher Beobachter gelangten in der Presse aller Länder eine ganze Menge zum Abdruck, nur nicht in Rußland und in den faschistischen Staaten. Wie immer einer der CNT weltanschaulich gegenüberstand, der unbegrenzten Opferwilligkeit und dem konstruktiven Geiste ihrer Mitglieder, konnte er seine Anerkennung nicht versagen. Aber nicht bloß Sozialisten und ehrliche Berichterstatter bürgerlicher Blätter sahen sich gezwungen, von diesen Tatsachen Kenntnis zu nehmen; auch der russische Konsul in Barcelona, Herr Antonow-Owsejenko, konnte sich derselben Einsicht nicht verschließen. So erklärte er in einem Interview mit einem Berichterstatter des "Manchester Guardian", das am 22. Dezember 1936 in diesem weltbekannten Organ des englischen Liberalismus veröffentlicht wurde, unter anderem:

"Der Konsul stellte natürlich die wohlbekannte Tatsache von der Einmischung der Sowjet-Regierung in die innere Politik Cataloniens in Abrede. In derselben Zeit aber gab er seiner größten Bewunderung für die catalanischen Arbeiter und besonders für die Anarcho-Syndikalisten Ausdruck. Die Besonnenheit der catalanischen Arbeiter machte auf den Sowjet-Konsul keinen geringeren Eindruck als ihr gerader und gesunder Menschenverstand und ihre Anpassungsfähigkeit an die realen Lebensbedingungen. Nachdem er daran erinnerte, wie man 1917 in Petrograd dazu gezwungen war, die Keller der Paläste unter Wasser zu setzen, um die Trunksucht zu.steuern, erzählte er von seinem Besuche in einer Champagnerfabrik in der Umgegend Barcelonas und stellte mit Erstaunen fest, daß dieser Betrieb, der von den Arbeitern besetzt wurde und ihrer Kontrolle unterstand, gänzlich unversehrt geblieben war. 'Die anarchistische Bewegung', erklärte der Konsul, 'wurzelt augenscheinlich in den Massen der catalanischen Arbeiterklasse, aber ihre besten Vertreter besitzen eine erstaunliche Fähigkeit, die Notwendigkeiten der gegenwärtigen Lage zu erfassen. Der typische Arbeiter der CNT ist hauptsächlich daran interessiert, unter anständigen Lebensbedingungen zu arbeiten und wird daher den Faschismus bis zum Tod bekämpfen.' Der Konsul zweifelt nicht daran, daß die catalanischen Arbeiter die Fähigkeit besitzen, die in Unordnung geratene Industrie neu aufzubauen, denn ihre selbständige Tätigkeit im Hafen und in den Betrieben hat den Beweis erbracht, daß sie wohl imstande sind, die Industrie selber zu verwalten."

Seitdem sind sieben Monate vergangen. Damals mußte man noch vorsichtig operieren, um die spanischen Arbeiter und Bauern nicht kopfscheu zu machen, die wohl zu kämpfen und zu bauen verstehen, aber in der Lügenkunst einer verschlagenen Diplomatie keine Erfahrung besitzen. Ihr ganzes Leben bewegte sich in einer Bahn, wo ein Wort auch ein Wort war, und wo das Vertrauen von Mensch zu Mensch noch nicht vor die Hunde gegangen war, wie im bolschewistischen Rußland.

Daß die Beteuerungen des russischen Konsuls nie ernst gemeint waren, haben die letzten Ereignisse in Spanien klar bewiesen. Sie waren von Anfang an darauf angelegt, der Arbeiterschaft Spaniens und der Welt Sand in die Augen zu streuen und ihr Dinge vorzulügen, an die man selber nie glaubte. Wenn man den führenden Personen in der CNT-FAI einen Vorwurf machen kann, so ist es der, daß sie diesen falschen "Brüdern" größeres Vertrauen entgegenbrachten, als sie verdienten, und daß sie sich unter dem äußeren Drucke verzweifelter Umstände zu Zugeständnissen hinreißen ließen, die ihnen später zum Verhängnis werden mußten. Getragen von einer durch und durch nobelen Gesinnung, haben sie die unterirdischen Machenschaften eines geheimen Feindes zu sehr unterschätzt, der ihnen heute gefährlicher zu werden droht als der offene Faschismus. Die Tatsache allein, daß die russische Presse aus leicht begreiflichen Gründen nie ein Sterbenswörtchen über die sozialen Aufbauversuche der spanischen Arbeiter und Bauern mitteilte, welche der russische Konsul in Barcelona so sehr "bewundert" hatte, spricht ganze Bände.

In Spanien aber richteten sich die Anschläge der Stalinisten nicht bloß gegen diese Versuche, sondern gegen alle Errungenschaften, die aus den Juli-Ereignissen 1936 geboren wurden. Sie waren es, die sich mit allem Eifer für die Ablösung der Arbeiterpatrouillen durch die alten Polizeiorgane der Regierung einsetzten; sie waren es, die sich als Verteidiger des Mittelstandes aufspielten, um diesen gegen die Arbeiter einzunehmen; sie waren es, die der Regierung in Valencia die Zensur der Presse unter russischer Aufsicht suggerierten; sie waren es, die in der Zeit der schwersten Kämpfe gegen Franco und seine deutschen und italienischen Verbündeten in Valencia und Barcelona eine Regierungskrise nach der anderen provozierten, um ihre dunklen Pläne im Interesse Englands und Frankreichs zur Ausführung zu bringen; und sie waren es, die alles darauf anlegten, die ganze Macht in den Händen der Zentralregierung zu konzentrieren, um auf diese Weise später die "neutrale Diktatur" zur "Beruhigung des Landes", die der Führer der englischen Torces, Winston Churchill, so warm empfohlen hatte, ausführen zu können.

Die kommunistische Presse der ganzen Welt und ihre Alliierten in sogenannten neutralen Blättern aber versuchen, ihre Leser durch eine infame Lügenpropaganda über den wahren Sachverhalt zu täuschen, indem sie ihnen einreden, daß die Stellung der spanischen Stalinisten nur den Zweck verfolge, die Schicht des Mittelstandes und der Kleinbauern nicht in die Arme Francos zu treiben, wie dies durch die "lächerlichen Sozialisierungsversuche" der CNT geschehe[9].

Auch in dieser Hinsicht Ziegen die Dinge ganz anders. Die CNT betrachtete von Anfang an die Kleinbürger und Kleinbauern als natürliche Verbündete im Kampf gegen den Faschismus. Ihre Presse hat immer wieder darauf hingewiesen, daß sie in dieser Übergangsperiode jede Wirtschaftsform anerkennt, die nicht die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zum Zwecke hat. Aus diesem Grunde legte sie der Familienwirtschaft auf dem Lande und den städtischen Kleinbetrieben nie ein Hindernis in den Weg. Allerdings wendeten sich die CNT-Arbeiter mit aller Energie gegen die Spekulanten und Halsabschneider, die ein gewerkschaftliches Mitgliedsbuch in der Tasche haben und im Trüben fischen wollen – und das ist sehr verständlich.

Die CNT hat sich bei ihren Sozialisierungsversuchen die größte Mäßigung aufgelegt und ist dabei mit einer Umsicht zu Werk gegangen, die nur pure Böswilligkeit in Abrede zu stellen wagt. Überall, wo die kleinen Bauern die Eigenwirtschaft den agrarischen Kollektiven vorzogen, wurde ihnen die freie Wahl gelassen. Ihr Stückchen Land blieb unversehrt; ja, es wurde ihnen sogar nach der Zahl ihrer Familienmitglieder noch vergrößert. Tatsache ist, daß nach den großen Tagen der Juli-Kämpfe viele Hunderte kleine Handwerksmeister und Kleinbauern ihre Betriebe und ihr Land den Arbeitersyndikaten freiwillig zur Verfügung stellten und mit aufrichtiger Begeisterung den sozialen Umschwung begrüßten. In Aragonien, zum Beispiel, erklärte sich die überwältigende Mehrheit der Kleinbauern für die Kollektivwirtschaft. Es bestehen dort gegenwärtig ungefähr vierhundert agrarische Kollektivbetriebe, von denen nur zehn der UGT angeschlossen sind, während alle anderen den Syndikaten der CNT angehören.

In Wirklichkeit bestand zwischen dem antifaschistischen Kleinbürgertum und den Arbeitern der CNT für lange Zeit ein ganz freundliches Verhältnis. Das änderte sich erst, als die Zersetzungsarbeit der Stalinisten einsetzte und der Kleinbürger von den Kommunisten als Trumpf gegen die Arbeiter ausgespielt wurde. Erst dann war es möglich, daß "Troball", das Blatt der kommunistischen Partei in Barcelona, mit proletarischem Stolz verkünden durfte, daß in der UGT Cataloniens "die Totalität des Kleinbürgertums" organisiert sei. Das schreiben dieselben Leute, die früher ihre sozialistischen Gegner von rechts und links im Brustton tiefster Verachtung als Kleinbürger zu bezeichnen pflegten. Mit bitterer Ironie, aber durchaus zutreffend, charakterisierte die Tageszeitung "CNT" in Madrid dieses jesuitische Doppelspiel der Kommunisten:

"Die kommunistische Partei will uns glauben machen, daß man die Revolution dadurch fördert, indem man die kleinen Geschäftsleute begünstigt, den Privatbesitz festigt, sich für die Interessen der Kleinindustriellen einsetzt, die Arbeiterorganisationen aus der Regierung ausschaltet, die Dorfkollektive der Bauern sabotiert, sich den Wünschen des Auslandskapitals gefällig erweist, und vor allem, indem man leugnet, daß die gegenwärtige Lage in Spanien einer sozialen Revolution günstig sei. Das tut dieselbe kommunistische Partei, die noch vor wenigen Jahren, als sie sich zum ersten Mal anschickte, ihre Ideen in unserem Lande zu verbreiten, die soziale Revolution als ersten Punkt auf ihre Tagesordnung gesetzt hatte.

Mit anderen Worten: für die kommunistische Partei wird die Revolution mit Hilfe der Konterrevolution gemacht und die Konterrevolution mit Hilfe der Revolution. Und wenn einer behauptet, daß dies Unsinn sei, so sei er daran erinnert, daß wir hier nicht unsere Ansicht zum besten geben, sondern nur die neueste Theorie des unverfälschten Marxismus-Leninismus."

Moskaus Lügenfeldzug gegen die CNT

Der bekannte Führer der sozialistischen Partei Amerikas, Norman Thomas, der unlängst von einer Studienreise aus Spanien zurückkehrte, erzählte in "The Nation", daß in Spanien ein Witz kursiere, daß, wenn dort jemand zu konservativ sei, um sich den linken Republikanern anzuschließen, er den Kommunisten beitrete. In Wirklichkeit handelt es sich hier durchaus nicht um einen Witz, sondern um eine feststehende Tatsache, die in keiner Weise übertrieben ist. über die Rolle der kommunistischen Partei in Spanien gibt es bei Menschen aller politischer Schattierungen nur eine Meinung. So erklärte der liberale "Manchester Guardian":

"Die Kommunisten bilden den rechten Flügel, der die Regierung unterstützt. Sie sind in einem gewissen Sinne Konservative, deren ausgesprochenes Ziel die Wiederherstellung der republikanischen Demokratie ist... Die Anarchisten, die die Mehrheit der Arbeiter in Catalonien hinter sich haben, sind die einzige Richtung, die die Revolution zuerst stellt. Von allen politischen Bewegungen in Spanien sind sie die einzigen, die wirkliche Revolutionäre geblieben sind, mit der Ausnahme von der POUM, die allerdings sehr schwach ist."

Sogar ein so konservatives Blatt wie die "New York Times" mußte feststellen:

"Die gemäßigste Richtung in Spanien sind heute vielleicht die Kommunisten, die im Vergleich mit den Anarchisten, die links von ihnen stehen, geradezu konservativ sind. Dessen ungeachtet, sind die Aussichten für ein kommunistisches Regime nach russischem Muster sehr gering, da die Anarchisten zu stark sind."

Und Dr. Trabal, einer der bekanntesten Führer der catalanischen Nationalisten, der sich vor einiger Zeit der kommunistische PSUC angeschlossen hat, erklärte mit zynischer Offenherzigkeit:

"Ja, ich bin jetzt bei den Sozialisten. Aber sage mir keiner, daß ich meine Stellung gewechselt habe. Ich stehe da, wo ich immer stand. Wer seine Stellung gewechselt hat, das sind die Sozialisten und Kommunisten. Mit ihrer Hilfe kann ich mich für meine Ideale einsetzen."

Während die spanischen Stalinisten sich mit der spanischen Bourgeoisie gegen die Massenbewegung der Arbeiter und Bauern verbündeten, erhob sich in der russischen Presse eine wüste Hetze gegen die sogenannten "Trotzkisten" in Spanien und die CNT, die an feiger Hinterlist und Gemeinheit der Gesinnung alles übertraf, was die verworfenste Phantasie immer erfinden konnte. Es ist überaus bezeichnend, daß just in derselben Zeit, als der russische Konsul in Barcelona in dem bereits erwähnten Interview dem Berichterstatter des "Manchester Guardian" versicherte, "daß Rußland für die catalanische Arbeiterbewegung nur Sympathie empfinde und gewiß nicht die Absicht habe, ihre Befreiungsversuche zu stören oder diesen eine Richtung zu geben, die ihren nationalen Veranlagungen nicht entspricht", die "Pravda" zu berichten wußte:

"Was Catalonien betrifft, so hat die Säuberung von den trotzkistischen und anarcho-syndikalistischen Elementen bereits eingesetzt, und sie wird dort mit derselben Energie durchgeführt werden wie in der UdSSR." (Pravda, 17.12.1936)

Und diese feigen und gewissenlosen Angriffe verstärkten sich in dem Maße, als es den Stalinisten mit Hilfe der offiziellen Vertreter Rußlands gelang an Boden zu gewinnen, bis endlich der spanische Korrespondent der "Pravda" in diesem Blatt einen sensationellen Artikel, mit "Die Intrigen der trotzkistischen Agenten Francos" betitelt, veröffentlichte, den wir hier wortgetreu übergeben:

"Das Zentralorgan der Anarchisten in Barcelona, 'Solidaridad Obrera', brachte in seiner Ausgabe vom 16. März beleidigende Angriffe gegen die sowjetische Presse. Es ist bezeichnend, daß sich der Schreiber ganz besonders gegen jene Korrespondenzen in der Sowjet-Presse wendet, die sich mit dem konterrevolutionären Treiben der trotzkistischen Organisation POUM befaßten und dabei die Behauptung aufstellten, daß 'diese schädliche Taktik nur dazu angetan sei, Zwietracht in die Reihen der antifaschistischen Front Spaniens hineinzutragen'. Diese schmutzige Verteidigung der trotzkistischen Verräter geht von jenen dunklen Elementen aus, die sich in die Reihen der anarcho-syndikalistischen Organisation eingeschlichen haben. Es sind dies die gewesenen Mitarbeiter Primo de Riveras, der 'Faschistischen Falange' und die Trotzkisten. Es ist kein Geheimnis, daß diese Pestbeulen heute in der 'Solidaridad Obrera' am besten gedeihen; ist doch bekannt, daß der eigentliche Schriftleiter dieses Blattes Canovas Cervantes ist, der ehemalige Redakteur der faschistischen Zeitung 'La Tierra'. Diese Agenten Francos haben sich heute hinter der Organisation der Anarchisten verschanzt, um die spanische Volksfront zu zerstören; aber ihr Spiel wird ihnen nicht gelingen. Die anarcho-syndikalistischen Massen begreifen mit jedem Tage mehr die Notwendigkeit einer eisernen Disziplin und einer starken Volksregierung. Das ist die Ursache, weshalb jene Feinde des spanischen Volkes sich in die Reihen der Anarchisten einnisten und die Volksfront mit verdoppelter Wut bekämpfen. Es ist kein Zufall, daß just in dem Moment, wo die Italiener sich zu einer Offensive an der Front von Guadalajara anschicken, die hinterlistigen Trotzkisten einen bewaffneten Aufstand gegen die Regierung von Valencia vorbereiten. Auch ist es nötig zu bemerken, daß das Blatt 'Nosotros' in Valencia sich jeden Tag für die Befreiung der Inhaftierten einsetzt, die an einer bewaffneten Erhebung teilgenommen haben, und unter denen sich ausgesprochene Faschisten befinden. Und diese Forderungen sind stets mit Drohungen gegen die Regierung begleitet. Die antisowjetische Notiz in 'der 'Solidaridad Obrera' ist ein Beweis dafür, daß hinter dem Zentralorgan der Anarchisten Trotzkisten und Agenten der deutschen Geheimpolizei stehen. Diese Tatsache hat bereits jene Führer der catalanischen Anarchisten alarmiert, die den ernsthaften Willen haben, die finsteren Mächte des internationalen Faschismus zu bekämpfen." (Pravda, 3. 2. 1937)

Mit solchen niederträchtigen Anwürfen, von denen jedes Wort eine bewußte, mit zynischer Berechnung erfundene Lüge ist, wagen ehrlose Verleumder, die im Dienste ihrer politischen Brotgeber aus der Lüge einen Beruf gemacht haben, eine Bewegung zu verunglimpfen, die durch ihren heroischen Widerstand das Land vor den Anschlägen der faschistischen Verschwörer gerettet hat; eine Bewegung, deren Anhänger an allen Fronten mit beispielloser Tapferkeit kämpfen und sterben; eine Bewegung, die einen Durruti hervorbrachte, dessen Namen in der spanischen Geschichte leben wird, wenn von dem feigen Gelichter, das heute seine Kameraden begeifert, bloß noch ein ungeheurer Schandfleck übrig sein wird. Man wird in Spanien nie vergessen, daß es hauptsächlich die Milizen der CNT gewesen sind, die unter Männern wie Mera, Palacios und Benito y Villanueva sich dem Feinde vor Madrid entgegenwarfen und ihm mit ihren Leibern den Weg verstellten. – "Und ohne Durruti und seine heroischen Scharen wäre Madrid heute längst in den Händen der Faschisten", wie "Frente libertario", das Organ der konföderierten Milizen, mit vollem Recht behaupten durfte.

Keine andere Bewegung hat in dem furchtbaren Krieg gegen den Faschismus so ungeheure Opfer gebracht wie die CNT-FAI. Keine hat in diesem verzweifelten Kampf so viele ihrer Besten verloren wie sie. Jeder weiß das in Spanien. Ihre bittersten Gegner können ihr diese Anerkennung nicht versagen. Die Fünfhunderttausend, die in Barcelona ihrem durch feigen Meuchelmord gefallenen Kameraden Buenaventura Durruti das letzte Geleit gaben, haben diese allgemeine Überzeugung machtvoll zum Ausdruck gebracht.

Der Kampf gegen die POUM

Daß der Haß der russischen Machthaber sich heute mit besonderer Erbitterung gegen die POUM richtet, ist leicht zu verstehen. Stalin, der seit geraumer Zeit damit beschäftigt ist die letzten Reste des alten Bolschewismus in Rußland auszutilgen und seine ehemaligen Kameraden, die unter Lenin die höchsten Stellen im Sowjetstaate bekleideten, einen nach dem anderen zu beseitigen, konnte es natürlich nicht erwünscht sein, daß es im Ausland Menschen gab, die nicht glauben wollten, daß neun Zehntel der alten und einflußreichsten Führer der bolschewistischen Partei im Dienste Hitlers und der japanischen Militärpartei standen. Noch weniger konnte es ihn befriedigen, wenn solchen Ketzern das Ammenmärchen von einer so groß angelegten Verschwörung nicht einleuchten wollte, die seit Jahr und Tag die russische Wirtschaft systematisch sabotierte, ihre Leute in den höchsten Kreisen der russischen Armee und sogar in der GPU hatte und sich trotzdem nie zu einer Tat entschließen konnte, sondern es ruhig geschehen ließ, daß ihre angeblichen Führer nach und nach alle an die Wand gestellt wurden.

Die Führer des POUM (Arbeiterpartei Vereinigter Marxisten) sind alle aus der kommunistischen Partei hervorgegangen. Ihre Vergangenheit brachte es mit sich, daß sie über die geheimen Machenschaften der russischen Gewaltpolitiker und ihrer Organe im Ausland besser informiert waren als irgendeiner, und sie scheuten sich nicht, ihre Kenntnisse der Öffentlichkeit mitzuteilen. Aus diesem Grunde war die POUM den Stalinisten seit langem ein Dorn im Auge; umsomehr, als die offizielle komministische Partei in Barcelona früher keine dreihundert Mitglieder aufzuweisen hatte, während die große Mehrheit der catalanischen Kommunisten in der POUM organisiert waren. Das änderte sich erst, als es den Stalinisten gelang, die sozialistische Partei Cataloniens zu ködern und den PSUC in Erscheinung treten zu lassen.

Zwischen der CNT und den POUM-Leuten bestand nie ein inneres Verhältnis. Es ist notwendig, das zu betonen, da die stalinistische Presse im Ausland heute ihren Lesern vorlügt, daß die POUM die Haltung der CNT in Catalonien sehr stark beeinflußt habe. Davon konnte schon deshalb keine Rede sein, da sich beide Richtungen sowohl in ihren theoretischen Grundsätzen als auch in ihren Methoden und ihren organisatorischen Bestrebungen diametral gegenüberstanden. Die POUM war stets eine kleine Partei, die in ganz Spanien kaum mehr als dreißigtausend Mitglieder zählte. Ihre Tendenz war bolschewistisch; ihre Anhänger glaubten, daß nur eine politische Partei dazu berufen sei, die Führung der Revolution zu übernehmen. Die POUM vereinigte in ihren gegen die Taktik der POUM-Leute ausgesprochen[10]. Der CNT gegenüber hatte die POUM von Anfang an eine gegnerische Haltung eingenommen, was aus allen Druckerzeugnissen und öffentlichen Kundgebungen dieser Organisation auf das deutlichste hervorgeht.

Diese Stellung war ganz natürlich, denn die CNT war von jeher die ausgesprochenste Gegnerin jeder Bevormundung der Arbeiterbewegung durch politische Parteien. Ihr Sozialismus war konstruktiver Natur und stützte sich auf die gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter und Bauern. Er war nicht das Produkt einer aus der Studierstube hervorgegangenen abstrakten Theorie, sondern das lebendige Ergebnis langer und opferreicher Kämpfe, aus denen die Ideen der sozialen Befreiung von selbst hervorwuchsen und sich im Laufe der Jahre organisch gestaltet hatten. Die CNT mit ihren zwei Millionen Mitgliedern ist eine Massenbewegung, die in der Geschichte des Landes eine ganz bestimmte Strömung darstellt, die auf eine alte und ruhmvolle Überlieferung zurückblicken kann, die mit dem Tun und Denken des spanischen Volkes auf das innigste verwachsen ist. Die POUM aber war ein fremdes Element in der spanischen Freiheitsbewegung und konnte daher unter den breiten Massen der spanischen Arbeiter und Bauern nie tiefere Wurzel schlagen.

Die POUM-Leute versuchten zunächst, in die UGT Cataloniens einzudringen, und es gelang ihnen auch, einige wichtige Posten dort zu besetzen. Aber je mehr die Stalinisten des PSUC dort an Boden gewannen, desto schwerer wurde es den POUM-Leuten, ihre Stellungen zu behaupten, bis sie zuletzt gänzlich aus der UGT verdrängt wurden.

Nach dem ersten der großen politischen Prozesse in Moskau gegen die sogenannten "Trotzkisten" verdoppelten sich die Angriffe der spanischen Stalinisten gegen die POUM und wurden fortgesetzt haßerfüllter und bösartiger. In Madrid drangen die Stalinisten in das Lokal der POUM-Jugend ein und zerstörten alles, was ihnen unter die Hände fiel. Die Regierung hatte dort sogar das Erscheinen des POUM-Blattes eine zeitlang unterbunden und unter dem Druck des russischen Botschafters der POUM von der Vertretung im Verteidigungskomitee der revolutionären Milizen ausgeschlossen, was den einmütigen Protest aller anderen revolutionären Richtungen hervorrief.

In Barcelona, wo die POUM stärker war als in anderen Städten, reagierten seine Vertreter mit aller Schärfe gegen die heimtückischen Anschläge ihrer stalinistischen Gegner. Am 27. November 1936 brachte "La Batalla", das Organ der POUM in Barcelona, einen Artikel gegen die Hintertreppen-Politik der russischen Diplomatie in Spanien und erklärte dabei unter anderem:

"Es ist unerträglich, daß unter dem Vorwand, uns eine gewisse Hilfe zu gewähren, man uns als Gegenleistung bestimmte politische Formen aufnötigen will und sich anmaßt, die spanische Politik zu bestimmen."

Dieser Artikel löste eine wahre Schlammflut der schlimmsten Verdächtigungen in der stalinistischen Presse aus. Es gab keine Schandtat, die man der POUM nicht anzuhängen versuchte. Sogar der russische Konsul in Barcelona beteiligte sich in eigener Person an diesen schmählichen Vorgängen und beschuldigte die POUM als ein Organ Francos, Hitlers und Mussolinis – eine erbärmliche Verleumdung, für die auch nicht der Schatten eines Beweises zu erbringen ist. Diese Vorgänge führten zu der bekannten Krise in der catalanischen Regierung, die von den Stalinisten direkt provoziert wurde, um Andres Nin, den Führer der POUM, der dort das Amt des Justizministers bekleidete, aus der Regierung zu entfernen. Das geschah endlich im Dezember vorigen Jahres unter dem direkten Druck des russischen Regierungsvertreters, der die Hilfe seiner Regierung davon abhängig machte, und unter dem einmütigen Protest der CNT, die unter allen Umständen die Zerstörung der antifaschistischen Front vermeiden wollte.

Nach den blutigen Mai-Ereignissen in Barcelona kam für die Stalinisten endlich die Stunde, wo sie ihrer Rache an der POUM freien Lauf lassen konnten. Auf Befehl der bürgerlich-kommunistischen Regierung in Valencia wurden alle Verbindungen der POUM polizeilich aufgelöst und seine einflußreichsten Führer verhaftet und nach Madrid abtransportiert. Die schmähliche Lügenhetze in der stalinistischen Presse deutet darauf hin, daß man die Absicht hat, auf spanischem Boden einen jener infamen "Spionageprozesse" nach russischem Muster zu inszenieren.

Wie immer man den Ideen und Bestrebungen der POUM gegenübersteht, so kann niemand bestreiten, daß ihre Anhänger in dem Krieg gegen Franco und seine Verbündeten ihren Mann gestanden und sich tapfer geschlagen haben. Sie kämpften am 19. Juli zusammen mit den Arbeitern der CNT-FAI Schulter an Schulter. Sie taten dasselbe in Madrid und an den übrigen Fronten. Eine ganze Anzahl ihrer besten Genossen haben in diesen Kämpfen ihr Leben gelassen. Maurin, einer der Begründer der POUM, und neben Andres Nin der einflußreichste Führer der Bewegung, wurde von den Rebellen erschossen. José Cliver fiel in Galicia; Germinal Vidal und Pedro Villarosa starben an der aragonesischen Front. Man opfert nicht sein Leben im Kampf gegen den Faschismus, wenn man selber im Dienste Francos und Mussolinis steht.

Das Vorgehen der Regierung gegen die Militanten der POUM und vor allem die durchsichtigen Manöver der Stalinisten haben bereits in Spanien und im Ausland zahlreiche Proteste der verschiedensten Richtungen ausgelöst. Das National-Komitee der CNT in Valencia hat sich in einem offenen Schreiben an den Präsidenten Azana, die Cortes und den Justizminister gewandt und fordert mit mannhaften und eindrucksvollen Worten Gerechtigkeit für die verhafteten Führer des POUM. Sogar unter den heutigen Verhältnissen ist es schwer anzunehmen, daß Spanien zum Schauplatz einer jener infamen Justizkomödien wird, die seit den letzten Jahren in Rußland auf der politischen Tagesordnung stehen.

Gangster-Terrorismus und russische Tscheka-Methoden[11] in Spanien

Aber die spanischen Stalinisten und ihre russischen Einflüsterer begnügten sich nicht damit, Zwietracht in den Reihen der antifaschistischen Front zu verbreiten und durch offenen und geheimen Boykott der Volksrevolution in den Rücken zu fallen. Sie gingen vielmehr dazu über, durch ein geheimes Terrorsystem unbequeme Gegner ihrer unterirdischen Machenschaften durch Meuchelmord aus dem Wege zu räumen und die Bevölkerung einzuschüchtern. Es besteht heute nicht mehr der geringste Zweifel, daß in vielen Teilen Spaniens solche terroristischen Gruppen existieren, die nach den Methoden der russischen Tscheka arbeiten.

Im vergangenen April gelang es der CNT in Murcia eine solche Zelle der Tscheka aufzudecken und ihre wichtigsten Mitglieder zu verhaften. Seit Monaten wurde die Bevölkerung alarmiert durch das plötzliche Verschwinden von Einwohnern, von denen eine ganze Anzahl der CNT angehörten. Als die lokale Polizei keinerlei Anstalten machte, den Dingen auf den Grund zu gehen, nahm die CNT die Angelegenheit in ihre eigenen Hände. Dabei stellte es sich heraus, daß sämtliche Verhafteten Mitglieder der kommunistischen Partei waren. In einer öffentlichen Erklärung über die Vorgänge in Murcia, die von Vertretern der Volksfront, der Freiheitlichen Jugend und dem Provinzialkomitee der CNT unterzeichnet war, heißt es wörtlich:

"Wir haben von der kommunistischen Partei und ihrer Presse eine Desautorisierung der verhafteten Mitglieder der 'Tscheka' erwartet, die unter Mitwirkung des Gouverneurs von Murcia gearbeitet hat. Wir haben nichts dergleichen feststellen können. Deshalb reden wir jetzt offen, um denjenigen, die Terrorsysteme und politische Diktaturen vom Ausland in Spanien zu importieren versuchen, zu sagen, daß sie die Rechnung ohne den Wirt machen. Das spanische Volk hat keine Sklavenseele und wird niemals die Leitung seiner Geschichte in die Hände von Tyrannen legen. Wir kämpfen heute, um fremde Eindringlinge, die unser Land verwüsten, von unserem Boden zu vertreiben. Wir werden ebenso jene anderen Elemente zu vertreiben wissen, die politische Terrorsysteme bei uns einführen wollen, die der Vergangenheit angehören und im Widerspruch mit dem Fühlen und Denken unseres Volkes stehen."

In Castilien und hauptsächlich in Madrid und Umgebung, wo die CNT vor dem Aufstand der Faschisten nur eine starke Minderheit der Arbeiter hinter sich hatte, hat sich seitdem vieles verändert. Ganze Gruppen der UGT schwenkten zur CNT über, so daß diese heute im Zentrum des Landes der UGT an Mitgliedern fast gleich kommt und dazu das aktivste Element der Arbeiterbewegung umfaßt. Eine solche Entwicklung war natürlich den Stalinisten nicht erwünscht, weil sie die von der CNT unaufhörlich befürwortete Allianz mit der UGT im höchsten Maße begünstigte. Es ist daher nur zu begreiflich, daß gerade in Madrid und Umgebung, wo der Einfluß der kommunistischen Partei am stärksten ist, besonders nachdem es ihr gelungen war, die Anhänger Largo Caballeros aus der Leitung der UGT zu verdrängen, kein Mittel unversucht ließ, um den Vormarsch der CNT in Castilien zu verhindern.

So benutzte der kommunistische Vertreter im Verteidigungskomitee von Madrid, Cazorla, seine Stellung als Polizeichef dazu, um eine wüste Verfolgung der Militanten der CNT einzuleiten. Das ging soweit, daß er eines Tages einen der erfolgreichsten militärischen Führer der CNT, den Stabschef der Division Mara, Verlardini, als angeblichen Faschisten verhaften ließ. Natürlich mußte dieser sofort wieder freigelassen werden, weil sogar General Miaja das Vorgehen Carzolas als unzulässig (improsedente) bezeichnete. Mit um so größerem Nachdruck arbeitete daher die kommunistische Tscheka von Madrid. Vom Februar bis April dieses Jahres fielen in Madrid und Umgebung über achtzig Mitglieder der CNT diesen feigen Meuchelmördern zum Opfer.

Im Dorfe Villanueva, in der Provinz Toledo, wurde auf Befehl des kommunistischen Bürgermeisters das Lokal der Feldarbeiterorganisation der CNT überfallen, wobei sechzehn CNT-Arbeiter von den Tschekisten ermordet wurden. Ähnliche Vorgänge spielten sich in dem benachbarten Städtchen Villamayor ab, das ebenfalls von einem Kommunisten verwaltet wurde. Als die Presse der CNT-FAI eine strenge Untersuchung dieser Vorgänge verlangte, setzten die Stalinisten alle Mittel in Bewegung, um eine solche zu verhindern. "El Mundo Obrero", das Zentralorgan der kommunistischen Partei in Madrid, verteidigte den Bürgermeister von Villanueva bis zum äußersten und nannte ihn einen "ehrlichen und aufrichtigen Antifaschisten". Das konnte jedoch nicht verhindern, daß unter dem Druck der öffentlichen Meinung die beiden kommunistischen Bürgermeister von Villanueva und Villamayor zusammen mit den übrigen Mördern der sechzehn Feldarbeiter der CNT vor ein Volkstribunal gestellt wurden. Bei dem Prozeß kamen unglaubliche Dinge zum Vorschein, so die scheußliche Vergewaltigung und Ermordung einer Mutter und ihrer Tochter, die die ganze Bevölkerung auf das tiefste erschütterte. Das Volkstribunal verurteilte die beiden kommunistischen Verursacher dieser furchtbaren Verbrechen zum Tode. Man kann verstehen, weshalb sich die Kommunisten heute so stark für die Abschaffung der Volkstribunale einsetzen.

Am 24. Mai dieses Jahres erschienen im Hause des Sekretärs der CNT von Mascaraque, Gonzales Moreno, zwei Personen in Begleitung des kommunistischen Bürgermeisters und erklärten Moreno, daß sie Abgesandte der Brigade Lister und Mitglieder der kommunistischen Partei seien und den Auftrag hätten, ihn zu verhaften und zu der Stadt Mora de Toledo abzuführen. Moreno weigerte sich zunächst, diesem Befehl Folge zu leisten, bis ihm der kommunistische Bürgermeister von Mascaraque das Versprechen gab, ihn zu begleiten. Aber als Moreno in das bereitstehende Auto eingestiegen war, ging der Bürgermeister ruhig seiner Wege. Am nächsten Tage wurde Moreno hinter der Christuskirche in Mora de Toledo erschossen. In diesem Falle handelte es sich um einen ganz gemeinen Racheakt, denn Moreno, der früher einmal Mitglied der kommunistischen Partei gewesen war, hatte diese verlassen, um sich der CNT anzuschließen. Dazu bemerkte "Solidaridad Obrera", der wir diesen Bericht entnehmen:

"Mit diesem neuen Opfer sind jetzt bereits sechzig Menschen in Mora de Toledo ermordet worden. Unter ihnen befinden sich Männer und Frauen, die nichts anderes getan hatten, als daß sie der CNT angehörten und die verbrecherischen Taten der Kommunisten, die die ganze Umgebung in Schrecken versetzten, verurteilten. Solche Ungeheuerlichkeiten lassen sich nicht aus den Gegensätzen verschiedener politischer Überzeugungen erklären, auch nicht aus dem Machtbedürfnis gewisser Anwärter der Revolution. Die Täter solcher ganz gemeinen Verbrechen sind einfach Provokateure im Dienste des Faschismus. Wir fordern die Bestrafung der Schuldigen. Die verantwortlichen Stellen unserer Organisation haben unaufhörlich unsere Genossen zur Selbstdisziplin und Würde ermahnt. Jetzt aber fühlen wir uns gezwungen, die ungeheuren Verbrechen, die das antifaschistische Spanien in einen Bürgerkrieg zu stürzen drohen, zur Kenntnis der Öffentlichkeit zu bringen, damit das spanische Volk die wahren Provokateure der Arbeiterklasse kennenlernt." (Solidaridad Obrera, 7.1.1937)

Dieses sind nur einige Tatsachen aus einer langen Liste, die sich seit den Mai-Ereignissen in Catalonien in furchtbarer Weise vergrößert hat. Die Verursacher dieser Verbrechen, die heute mit frevelhafter Hand die antifaschistische Front zerschlagen, um den politischen Plänen Stalins zu dienen, haben ihr ganzes Treiben darauf ausgerichtet, um die CNT zum gewaltsamen Widerstand zu zwingen und der sozialen Revolution in Spanien den Todesstoß zu versetzen. Die CNT hat ihre besten Kämpfer eingesetzt, um den Krieg gegen die fremden Eindringlinge siegreich zu Ende zu führen. Ihre führenden Elemente wissen nur zu gut, daß von dem Ausgang des Krieges nicht bloß das Schicksal Spaniens, sondern auch das Schicksal ihrer eigenen Bewegung abhängt. Diese ungeheure Verantwortung hat sie manchmal zu Dingen gedrängt, deren Gefahren sich nicht verkennen lassen. In ihrem ehrlichen Bestreben, alle revolutionären Kräfte gegen den drohenden Faschismus zusammenzuschweißen, konnten sie sich nicht dazu entschließen, dem Feinde in den eigenen Reihen mit derselben heilsamen Energie entgegenzutreten, die sie im offenen Kampf mit dem Faschismus so glänzend bewiesen hatten. Umsoweniger, als sie sich nicht verhehlen konnten, daß ein offener Krieg innerhalb der antifaschistischen Front nur Franco und seinen Verbündeten zugute kommen mußte.

Ihre Gewissenhaftigkeit einem Feinde gegenüber, der von Anfang an ein bestimmtes Ziel im Auge hatte und von keinen Gewissensskrupeln geplagt wurde, hat die CNT[12] in eine Lage gebracht, die vielleicht zu vermeiden gewesen wäre, wenn man die Gefahr bald erkannt und richtig eingeschätzt hätte. Es sind das Dinge, die sich von außen her schwer beurteilen lassen. Außerdem darf man nie vergessen, daß in solchen Lagen, wenn Menschen jeden Augenblick gezwungen sind, Entscheidungen von ungeheurer Tragweite treffen zu müssen, auch der beste nicht gegen Irrtümer gefeit ist. Aus diesem Grunde liegt es uns fern, in dem jetzigen Moment nach wirklichen oder vermeintlichen Fehlern Ausschau zu halten, wenn die ganze Bewegung von allen Seiten von den schwersten Gefahren bedroht ist.

Welchen Zwecken die Diktatur dient

Welche Rolle die russische Regierung von Anfang an in Spanien gespielt hat und noch spielt, ist für jeden klar, der nicht mit absoluter Blindheit geschlagen ist. Aber es gibt noch einen Grund, der den russischen Machthabern und ihren dienstbaren Trossen im Ausland die Revolution der spanischen Arbeiter und Bauern in tiefster Seele verhaßt machte. Das war der freiheitliche Geist, von dem sie getragen wurde, und der in sich selber nur das Ergebnis einer Bewegung ist, die in den langen und schweren Kämpfen ihrer Entwicklung die Freiheit zur Basis ihrer Bestrebungen gemacht hatte und jede Form der Diktatur auf das schärfste bekämpfte.

Es ist das große moralische Verdienst des freiheitlichen Sozialismus in Spanien, der heute in der CNT und FAI seinen machtvollen Ausdruck findet, daß er seit den Tagen der ersten Internationale, ja noch vor dieser, die spanischen Arbeiter in einem Geiste erzogen hatte, der die Freiheit über alles schätzte und die geistige Selbständigkeit seiner Anhänger zum wichtigsten Bestandteil seiner Existenz gemacht hatte. Die freiheitliche Arbeiterbewegung Spaniens hat sich nie in dem Labyrinth einer ökonomischen Dialektik verloren, so daß ihre geistige Schwungkraft nie durch fatalistische Vorstellung gelähmt wurde, wie dies mit der sozialistischen Bewegung anderer Länder so oft der Fall war. Noch hat sie ihre Aktionsfähigkeit in der öden Routinearbeit bürgerlicher Parlamente nutzlos vergeudet. Der Sozialismus war für sie keine Sache, die dem Volke durch eine besondere Staats- oder Parteibürokratie von oben herab diktiert werden konnte, sondern ein organisches Wachsen und Werden, das aus der sozialen Betätigung der Massen selbst hervorgeht und in ihren wirtschaftlichen Organisationen eine Basis findet, die alle schöpferischen Kräfte zusammenfaßt und doch der Initiative des Einzelwesens keine künstlichen Schranken setzt.

Es war dieser Geist, aus dem der 19. Juli geboren wurde, der sich mit unwiderstehlicher Gewalt auf die ganze arbeitende Bevölkerung übertrug, und von dem auch solche Elemente erfaßt wurden, die früher zu dem Werk der CNT keine Beziehungen hatten. Und es war dieser Geist, der die Arbeiter, Bauern und. Intellektuellen in ihren Versuchen, das soziale Leben des Landes auf neuen Grundlagen aufzubauen, geleitet hat, und der ihrem schöpferischen Tun jenen charakteristischen Ausdruck gab, den man bisher in keinem anderen Lande gesehen hatte. Die CNT aber mißbrauchte nicht ihre Stärke, die sie besonders in Catalonien besaß und noch immer besitzt, um andere soziale Richtungen zu unterdrücken und ihnen ihren Willen aufzuzwingen[13]. Sie tat vielmehr alles, was in ihren Kräften stand, die antifaschistischen Elemente zu vereinigen im Kampf gegen den gemeinsamen Feind und für die Neuschöpfung des gesellschaftlichen Lebens. Sie dachte nicht daran, die Freiheit der Meinung zu beschränken oder aufgrund ihrer faktischen Überlegenheit anderen zu verwehren, was sie selbst beanspruchte. Sie begrüßte jede ernst gemeinte Kritik und blieb den Grundsätzen der Freiheit treu, die sie stets vertreten hatte.

Seit einem Jahr befindet sich das spanische Volk in einem verzweifelten Kampf gegen einen unbarmherzigen Feind und ist dazu noch dem geheimen Ränkespiel der imperialistischen Großmächte Europas ausgesetzt. Trotzdem griffen die spanischen Revolutionäre nicht zu den verhängnisvollen Mitteln der Diktatur und achteten jede ehrliche Überzeugung. Jeder, der nach den Juli-Kämpfen Barcelona besuchte, ob Freund oder Gegner der CNT, war überrascht von der Freiheit des öffentlichen Lebens und von der Abwesenheit aller Institutionen, die den Zweck haben, den freien Meinungsausdruck zu unterbinden.

Zwei Jahrzehnte lang haben die Anhänger des Bolschewismus den Massen eingehämmert, daß die Diktatur eine Lebensnotwendigkeit sei, um die sogenannten proletarischen Interessen gegen die Anschläge der Konterrevolution zu verteidigen und dem Sozialismus den Weg zu bahnen. Sie haben mit dieser Propaganda nicht die Sache des Sozialismus gefördert, sondern in Italien, Deutschland und Österreich lediglich dem Faschismus die Bahn geebnet, indem sie Millionen Menschen vergessen ließen, daß die extremste Form der Tyrannei, die Diktatur, nie und nimmer zur sozialen Befreiung führen kann. In Rußland hat die sogenannte Diktatur des Proletariats nicht zum Sozialismus, sondern zur Herrschaft einer neuen Bürokratie über das Proletariat und das ganze Volk geführt.

Wenn heute in Spanien die Agenten des russischen Stalin-Regimes alle Errungenschaften der Arbeiter und Bauern zu ersticken drohen und ihre ganzen Bemühungen darauf einstellen, alle Macht in die Hände einer bürgerlich-kommunistischen Parteidiktatur zu bringen, so geschieht dies nicht, um den Interessen des Proletariats zu dienen, sondern um die Anschläge der Konterrevolution zu fördern und dem englischen und französischen Kapitalismus Vorspanndienste zu leisten.

Was die russischen Machthaber und ihre Anhänger am meisten fürchten, ist, daß ein Erfolg des freiheitlichen Sozialismus in Spanien ihren blinden Nachläufern den Beweis erbringen müßte, daß die vielgerühmte "Notwendigkeit der Diktatur" nur eine einzige große Lüge gewesen ist, die in Rußland zum Despotismus Stalins führte, und die heute in Spanien dazu dienen soll, der Konterrevolution zum Siege über die revolutionäre Bewegung der Arbeiter und Bauern zu verhelfen.

Der Vormarsch der Konterrevolution

Daß nach einem siegreichen Krieg gegen den Faschismus die spanische Geschichte nicht dort wieder anfangen würde, wo sie der 19. Juli überrascht hatte, war für jeden klar, der für die Wirklichkeit ein Auge hatte. Nur die Kommunisten wollten das nicht einsehen, durften es nicht einsehen, da sie im Dienste Rußlands arbeiteten; Rußland aber besorgte die Geschäfte seiner imperialistischen Verbündeten. Spanien war in eine soziale Revolution eingetreten. Niemand konnte annehmen, daß die aufständischen Arbeiter und Bauern nach einem erfolgreichen Abschluß des Krieges sich wieder geduldig unter das alte Joch begeben und die sozialen Errungenschaften preisgeben würden, die sie mit dem Blut ihrer Besten so teuer erkauft hatten. Von der anderen Seite aber konnte man auch nicht annehmen, daß nach dem Ende des Krieges die spanische Bourgeoisie nicht versuchen würde, zu retten, was für sie überhaupt noch zu retten war. Daß sich bei dieser Entwicklung der Dinge nicht alles reibungslos abspielen würde, war für jeden klar, der sehen konnte.

Je weiter die große Umwälzung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens während des Krieges um sich griff und die Produzenten die Landwirtschaft und Industrie unter die Verwaltung der Arbeitersyndikate brachten, desto schwerer mußte es später den alten Mächten in Spanien fallen, die gewesenen Zustände wiederherzustellen. Das aber gerade ist es, was die ausländischen Kapitalisten am meisten fürchteten und mit allen Mitteln zu verhindern suchten. Niemand aber hat ihnen dabei so unschätzbare Dienste geleistet wie die russische Regierung und ihr Organ, die kommunistische Partei in Spanien. Sie waren es, die der konstruktiven Tätigkeit der Arbeitersyndikate überall die größten Schwierigkeiten in den Weg legten und die heute mit frevelhafter Hand ein großes Werk zu zerstören versuchen, das für die soziale Entwicklung des Landes von größter Bedeutung ist.

überall, wo die Mitgliedschaft der UGT sich aus wirklichen Arbeitern und Bauern zusammensetzte, arbeiteten ihre Vertreter in der Verwaltung der industriellen und ländlichen Betriebe mit den Arbeitern der CNT in vollster Harmonie. Nur dort, wo die Kommunisten das ganze Kleinbürgertum in der UGT zusammenfaßten, wie zum Beispiel in Barcelona, versuchte man mit den kleinlichsten und verwerflichsten Mitteln das groß angelegte Werk der Sozialisierung, das die CNT begonnen hatte, durch offene und ,geheime Sabotage zu vernichten, um die Rückkehr zu den alten kapitalistischen Zuständen vorzubereiten. Als die CNT in Catalonien das Verteidigungsministerium übernahm und dafür das Ressort der Lebensmittelversorgung an die UGT abtrat, versuchte der kommunistische Minister Comorera mit allen demagogischen Mitteln das Werk der Arbeitersyndikate zu unterhöhlen und die Lebensmittelversorgung der Stadt Barcelona in die Hände kleiner Geschäftsleute und Zwischenhändler zu spielen. In derselben Zeit führte die kommunistische und bürgerliche Presse einen ununterbrochenen Krieg gegen die konstruktive Arbeit der CNT und machte diese für alle Schäden verantwortlich, die ihre eigenen Vertreter verursacht hatten. Wenn sie dabei auch bei den breiten Massen kein Glück hatten, so diente diese systematische Zersetzungsarbeit immerhin dazu, die öffentliche Stimmung zu vergiften und in die Reihen der antifaschistischen Front einen Geist hineinzutragen, der sich nur verderblich auswirken konnte. Im Januar 1937 organisierte man sogar gegen die CNT in dem Städtchen Fataroll einen Aufstand, der an und für sich keine große Bedeutung hatte, aber immerhin zeigte, zu was diese Leute fähig waren.

Man könnte vielleicht einwenden, daß sich unsere Angaben lediglich auf die Berichte der CNT-Presse stützen und daher nicht unparteiisch sind. Das wäre jedoch ein großer Irrtum. Dieselbe Meinung findet man auch in jenen Blättern, deren Vertreter noch kurz vor dem faschistischen Aufstand von den Kommunisten als Menschewisten und "Verräter des Proletariats" in Grund und Boden verdammt wurden. So schrieb "Adelante", das Organ der sozialistischen Partei in Valencia, über den schnöden Verrat der Stalinisten an den spanischen Arbeitern mit bitterer Ironie:

"Beim Ausbruch des faschistischen Aufstandes waren sich die Arbeiterorganisationen und die demokratischen Elemente des Landes darüber einig, daß der sogenannten nationalen Revolution, die unser Volk in den tiefsten Abgrund des Elends zu schleudern drohte, nur durch eine soziale Revolution Einhalt geboten werden könnte. Die kommunistische Partei aber stemmte sich dieser Einsicht mit aller Macht entgegen. Sie hatte augenscheinlich ihre alte Theorie von einer 'Arbeiter- und Bauernrepublik' und von der 'Diktatur des Proletariats' vollständig vergessen. Aus der steten Wiederholung ihres neuen Schlagwortes von der demokratisch-parlamentarischen Republik geht deutlich hervor, daß sie jeden Sinn für die Wirklichkeit verloren hat. Als die katholischen und konservativen Schichten der spanischen Bourgeoisie ihr System gebrochen sahen und keinen Ausweg mehr zu finden wußten, flößte ihnen die kommunistische Partei neue Hoffnungen ein. Sie versicherte ihnen, daß die demokratisch-bürgerliche Republik, für die sie sich einsetzten, der katholischen Propaganda keine Hindernisse in den Weg legen würde, und daß sie vor allem bereit sei, die Klasseninteressen der Bourgeoisie zu verteidigen." (Adelante, 5.1.1937)

Daß damit nicht zuviel gesagt wurde, geht schon daraus hervor, daß die bekannte kommunistische Führerin, La Pasionaria, in Madrid ein Bündnis der Kommunistischen Jugend mit den katholischen Jugendorganisationen öffentlich befürwortete. - Dieselbe Zeitung (Adelante) schickte vor einiger Zeit besondere Fragebogen an alle Sekretäre der Feldarbeiter-Gewerkschaften der UGT in den verschiedenen Teilen des Landes, in denen unter anderen folgende Anfragen gestellt wurden:

1. Wer bekämpft die Bauern-Kollektive?

2. Ist die Arbeit der kommunistischen Partei auf dem Lande der Tätigkeit der Gewerkschaften förderlich, oder schadet sie dieser?

Das Ergebnis dieser Umfrage war folgendes:

"Die Beantwortung dieser Fragen war von verblüffender Einstimmigkeit. Überall dieselbe Geschichte. Die Bauernkollektive werden heute von der kommunistischen Partei auf das schärfste bekämpft. Die Kommunisten organisieren die wohlhabenden Bauern, die nach billigen Arbeitskräften Ausschau halten und aus diesem Grunde den kooperativen Bestrebungen der armen Bauern mit ausgesprochener Feindschaft gegenüberstehen. ... Es ist dieses Element, das vor der Revolution mit den Faschisten und Monarchisten sympathisierte, das nach der Aussage der Gewerkschaftsvertreter heute in die Reihen der kommunistischen Partei strömt. über die allgemeine Wirkung der kommunistischen Tätigkeit auf dem Lande hatten die Sekretäre der UGT nur eine Meinung, die der Vertreter der Organisation von Valencia in die Worte kleidete: 'Sie ist ein Unglück im vollsten Sinne des Wortes'."

Es ist kein Zweifel, daß alle diese unterirdischen Machenschaften von den linken Republikanern und den kommunistischen Ministern in der Regierung von Valencia begünstigt wurden. Dieses zeigte sich nicht bloß in der planmäßigen Sabotierung der neuen kooperativen Wirtschaft in Stadt und Land, sondern auch in dem systematischen Boykott der aragonesischen Front durch die zentrale Regierung, bei dem besonders die russische Vertretung und – ohne Zweifel – auch ihre englischen und französischen Verbündeten ihre Hand mit im Spiel hatten. An der Front von Aragon standen zum größten Teil Formationen der CNT. Deshalb versuchte man unter allen Umständen zu verhindern, diese mit Großwaffen zu versehen. Monatelang blieb diese Front ohne Flugzeuge, Tanks und schwere Artillerie. Ihre Verteidiger waren fast ausschließlich auf Handwaffen und Maschinengewehre angewiesen, und selbst daran fehlte es. Und doch wäre eine Offensive gerade an dieser Front von größter strategischer Bedeutung gewesen. Sie hätte nicht nur den Fall von Bilbao verhindern, sondern auch die Lage der tapferen Verteidiger von Madrid in hohem Maße erleichtern können. Seit Monaten rügte die Presse der CNT dieses frevelhafte Spiel. Miguel Martin Guillen, einer der militärischen Leiter der CNT in Aragonien, sprach sogar von einem direkten Verrat:

"Schickt uns Gewehre, Panzerwagen, Flugzeuge etc., und Aragonien wird im ganzen unser sein! Weniger Verrätereien und mehr Verständnis für die wirkliche Lage! Weniger Politik und mehr Taten, und Hueson, Teruel und Zaragoza werden in unsere Hände fallen! Wir können es nicht länger dulden, daß man uns hier zur erzwungenen Untätigkeit verdammt. Noch weniger können wir die feigen und versteckten Angriffe gewisser politischer Kreise ertragen, die uns unsere Untätigkeit zum Vorwurf macht, deren Ursache ihnen nur zu gut bekannt ist. Weniger Intrigen und mehr Unparteilichkeit..." (Orientaciones Nuevas, 5.12.1937)

Tatsache ist, daß während wir diese Zeilen schreiben, Franco mit großer technischer Überlegenheit die Offensive bei Teruel eröffnet hat, der bereits ganze Massen nutzlos zum Opfer gefallen sind, weil ihnen die nötigen Großwaffen zu einem erfolgreichen Widerstand fehlten. Aber England, Frankreich und Rußland waren an einem entscheidenden Siege der Loyalisten ebensowenig interessiert wie an einem Siege Francas. Noch weniger aber konnten sie damit zufrieden sein, die aragonesische Front zu bewaffnen, wo die CNT am stärksten vertreten war. Und während man die Front von Aragon systematisch boykottierte, erzählte die kommunistische Presse im Ausland ihren Lesern das Lügenmärchen, daß die Männer der CNT nicht kämpfen wollten, die Verteidiger derselben Front, an der einst Durruti stand, den man den "Helden der aragonesischen Front" genannt hatte.

Das Vorspiel zu den Mai-Ereignissen in Catalonien

Als es vor dem Fall Bilbaos den Anschein hatte, daß Franco gewillt sei, auf die Vermittlungsvorschläge der englisch-französischen Diplomatie einzugehen, kam es dieser vor allem darauf an, die Regierung in Valencia ihren Plänen willfährig zu machen. Sie hatte bereits früher mit allen politischen Druckmitteln nach dieser Richtung hin gearbeitet und ohne Zweifel in gewissen Kreisen der alten Regierung ein offenes Ohr gefunden. Aber Largo Caballero hatte immerhin soviel gelernt, daß ein Eingehen auf die Pläne Englands und Frankreichs einem ausgesprochenen Verrat an dem spanischen Volk gleichkomme, und dazu wollte er sich nicht hergeben. Aus diesem Grunde weigerte er sich, dem Druck von außen nachzugeben und beschuldigte seine republikanischen und kommunistischen Gegner in der Regierung, "daß sie den Einflüsterungen aus gewissen hohen Kreisen jenseits der Pyrenäen zu viel Entgegenkommen gezeigt hätten."

Das war genug, um die Regierung Caballero zu Fall zu bringen. Wiederum waren es die Kommunisten, die die Regierungskrise in Valencia provozierten, um der Regierung Negrin in den Sattel zu helfen, die ausschließlich aus bürgerlichen Republikanern, Katholiken, rechten Sozialisten und Kommunisten besteht, und daher nur allzu gern dazu geneigt ist, den Wünschen des ausländischen Imperialismus entgegenzutreten. Und wiederum war es der russische Gesandte, der die weitere Hilfe seiner Regierung von dem Sturz des Cabalero-Kabinetts abhängig machte. Daß die neue Regierung, deren erste Handlung es war, die beiden großen Arbeiterorganisationen CNT und UGT von der Vertretung auszuschließen, offen den Zwecken der Konterrevolution dient, haben die letzten Ereignisse in Spanien und die Verfolgungen der besten Kämpfer der antifaschistischen Front zur Genüge bewiesen. Es ist bezeichnend, daß die neue Regierung in ihrem ersten Manifest die Erklärung abgab, daß es besonders im Interesse des Krieges "notwendig sei, daß das gegenwärtige Kabinett einen ausschließlich politischen Charakter trage".

Natürlich! Nur Politiker der schlimmsten Sorte können sich dazu hergeben, die Interessen des spanischen Volkes den Machtansprüchen fremden Kapitalisten auszuliefern und die arbeitenden Massen um die Früchte der Revolution zu prellen. Die Kommunisten aber haben diesen reaktionären Anschlägen willig ihre Hand geliehen und die Fassade gestellt, hinter der heute die alten Mächte der Finsternis auf ihre Stunde warten. Dazu bemerkte "La Correspondencia", das Organ der UGT in Valencia, mit bitterem Sarkasmus:

"Es macht fast den Eindruck, daß die UGT und CNT in den Angelegenheiten unseres Landes eine sehr unwichtige Rolle spielen. Ihre Mitglieder haben das Recht, ihre Beiträge zu entrichten und als gute Kerle an den Fronten zu sterben. In allen anderen Dingen aber sollen sie den Politikern freie Hand lassen und es diesen anheimstellen, sie zu führen, wo immer sie wollen."

Aber noch ehe die letzte Regierungskrise in Valencia ihr Ende erreicht hatte, holte man zu einem großen Schlag gegen die revolutionäre Arbeiterschaft der CNT-FAI aus, um den kapitalistischen Mächten des Auslandes den Beweis zu erbringen, daß man den festen Willen habe, der Sozialisierungsarbeit der Syndikate ein Ende zu machen. Wie immer, so waren auch hier wieder die Stalinisten das ausführende Organ für die Pläne der bürgerlichen Berufspolitiker und der reaktionären Mittelschichten, die sich mit den Absichten der ausländischen Imperialisten deckten.

Daß es sich bei den Mai-Ereignissen in Catalonien nicht um einen Aufstand der Anarchisten und der POUM handelte, wie die ausländische Pressse fast einstimmig berichtete, war jedem sofort klar, der einen wirklichen Einblick in die Verhältnisse hatte. Die absurde Behauptung, daß die CNT-FAI im Bunde mit der POUM die Absicht hatte, die ganze Regierungsgewalt in Catalonien an sich zu reißen, ist in der Tat so abgeschmackt, daß sie nur Eindruck auf Menschen machen konnte, die keinen blassen Schimmer von den wirklichen Zuständen in Catalonien hatten. Wenn die CNT-FAI sich wirklich mit solchen Plänen getragen hätte, so hatte sie nach dem 19. Juli und lange nachher die beste Gelegenheit dazu, ihren Willen gegen alle anderen Richtungen durchzusetzen, denn ihre ungeheure moralische und physische Überlegenheit war so groß, daß ihr einfach niemand widerstehen konnte. Sie hat es nicht getan, nicht, weil ihr die Kraft dazu fehlte, sondern weil sie prinzipiell jede Diktatur bekämpfte, von welcher Seite sie immer kommen mochte.

In den militärischen Formationen der CNT-FAI kämpfen über 120.000 ihrer Mitglieder an allen Fronten. Ein Aufstand im Hinterland wäre ein schmählicher Verrat gegen jene Männer gewesen, die jeden Augenblick ihr Leben einsetzten, um den Vormarsch Francos und seiner Verbündeten zu verhindern. Dazu war die CNT in der Generalidad Cataloniens vertreten, und man macht gewöhnlich keinen Aufstand gegen eine Regierung, an der man selber beteiligt ist. Die ganze Arbeit der CNT nach dem 19. Juli konzentrierte sich darauf, den Krieg und die Revolution zu gewinnen. Sie war in der antifaschistischen Front der weitaus stärkste und opferwilligste Faktor, der von keinerlei parteipolitischen Interessen beeinflußt wurde und lediglich die soziale Befreiung der breiten Volksmassen im Auge hatte. Jede ihrer Handlungen in dem verzweifelten Kampf gegen die Horden des Faschismus legte rühmliches Zeugnis dafür ab und kann in keinem anderen Sinne gedeutet werden.

Nein, die Ereignisse in Catalonien waren nicht das Resultat einer "anarchistischen und trotzkistischen Verschwörung" gegen die Regierung, sondern das Ergebnis eines von langer Hand vorbereiteten Komplotts gegen die spanische Arbeiterklasse, in dem die Kommunisten und ihre Verbündeten, die catalanischen Nationalisten, die wichtigste Rolle spielten. Die wichtigste, nicht die einzige, denn in dieser Verschwörung haben alle reaktionären Elemente mitgewirkt, von den kompromißbereiten Politikern Valencias und Barcelonas bis zu den höchsten Kreisen der imperialistischen Auslandsdiplomatie. Die Pläne dazu wurden seit Monaten gesponnen, wie aus einer ganzen Reihe unbestreitbarer Tatsachen auf das deutlichste hervorgeht.

So erschien am 5. März 1937 im Arsenal von Barcelona eine Gruppe Männer, die unter Vorweisung eines von Vallejo, dem Direktor der Kriegsindustrien, ausgestellten Befehles die Aushändigung von zehn Panzerwagen forderte. Der Verwalter des Arsenals gab diesem Befehle statt. Später aber stiegen ihm Bedenken auf, und er fragte bei Vallejo telefonisch an, ob er einen solchen Auftrag gegeben habe. Dabei stellte es sich heraus, daß das ganze ein Betrug und die Unterschrift Vallejos gefälscht war. Man fand sehr schnell heraus, daß sich die gestohlenen Panzerwagen in der Woroschilow-Kaserne befanden, dem militärischen Hauptquartier der kommunistischen Partei. Zunächst leugnete man dort die Tatsache einfach. Als sich aber der catalanische Premierminister Tarradelles einmischte und mit einer gewaltsamen Untersuchung drohte, mußte man den Diebstahl eingestehen. Was war der Zweck dieser Tat? Man stiehlt keine Panzerwagen, wenn man nicht die Absicht hat, sie zu gebrauchen. Gegen wen sonst aber konnte man sie in Barcelona verwenden, wenn nicht gegen die Arbeiterschaft der CNT und FAI? Kein Mensch, der seine fünf Sinne zusammen hat, wird bestreiten, daß man einen solchen Streich nur unternimmt, wenn man dabei einen ganz besonderen Plan im Schilde führt.

Aber das ist nicht alles. Die "Pravda" verkündete bereits am 22. März, daß die POUM einen Aufstand gegen die Regierung in Valencia vorbereite. Das war natürlich eine mit Berechnung erfundene Lüge und noch dazu eine recht dumme Lüge; denn die POUM war nur eine kleine Organisation, die auf die breiten Massen der organisierten Arbeiterschaft keinen Einfluß hatte. Zu glauben, daß eine solche Körperschaft einen Aufstand gegen die Regierung planen könnte, ist einfach ein Attentat auf den gesunden Menschenverstand. Aber in Rußland ist auch die dümmste Lüge gerade gut genug.

Doch nicht bloß in Rußland und in den führenden Kreisen der spanischen Kommunisten und des Estat Catala war man über den bevorstehenden "Aufstand" so verdächtig gut unterrichtet. Auch in den diplomatischen Zirkeln des Auslandes hatte man die besten "Informationen über die Dinge, die da kommen sollten. Diego Abad de Santillan, der selber eine Zeitlang das Amt des Wirtschaftsministers in der catalanischen Regierung bekleidete, und der in ganz Spanien und Südamerika als einer der redlichsten Männer bekannt ist, an dessen Wahrheitsliebe und Verantwortungssinn niemand zweifelt, gab bald nach den Vorgängen in Barcelona die folgende Erklärung ab, die für sich selber spricht:

"Es ist kein Zweifel, daß die letzten Ereignisse das Ergebnis eines mit vollem Bewußtsein geplanten Komplottes gewesen sind, wie es die Geschichte der sozialen Bewegung nie vorher gesehen hat. Das geht schon daraus hervor, daß man in diplomatischen Kreisen des Auslandes bereits zwei Wochen vor den Geschehnissen darüber sprach und auf ihr Kommen vorbereitet war. Es wurde dort ganz offen davon gesprochen, daß nun, da man die CNT-FAI aus den leitenden Stellen in Madrid und Valencia verdrängt habe, man den Anarchisten in Catalonien eine Schlacht liefern würde. Dieselben Äußerungen wurden in Paris auch von Personen gemacht, die der catalanischen Regierung sehr nahe stehen. ... Und wie anders will man sich die plötzliche Ankunft fremder Kriegsschiffe in unserem Hafen wenige Stunden vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten erklären? Ist das nicht noch ein Beweis, daß es sich hier um einen im voraus bestimmten Plan handelte? Lange vor dem in Barcelona der erste Schuß abgefeuert wurde, eilten englische und französische Kreuzer zum Hafen, als wenn sie von den kommenden Dingen eine prophetische Ahnung gehabt hätten. Nimmt man das alles in Betracht, so stellt sich die Frage, wieviel Glauben an dem Triumph der antifaschistischen Sache heute noch bei jenen Leuten besteht, die sich fremden Schutz gegen die Arbeiter des eigenen Landes erbetteln?" (Soledaridad Obrera, 5.3.1937)

Die blutigen Ereignisse in Catalonien waren nur der letzte Akt einer ganzen Reihe unerhörter Provokationen, die nur den einen Zweck hatten, die CNT und FAI zur Gegenwehr zu reizen, damit man ihnen später die moralische Verantwortung für die unvermeidlichen Folgen aufbürden könnte. So organisierte die Regierung in Valencia ganz im stillen eine besondere Truppe bewaffneter Zollbeamter, Carabinieros, der ausschließlich Mitglieder der Kommunisten und der rechten Sozialisten angehörten. Im April dieses Jahres schickte man plötzlich einige Abteilungen dieser Truppe nach Catalonien, um die französische Grenze zu besetzen, die bisher von den Arbeiter-Milizen der CNT bewacht wurde, die überall mit tadelloser Pünktlichkeit für die Sicherheit der öffentlichen Sicherheit Sorge trugen. Dieser Akt, der sogar keine legale Berechtigung hatte, kann nur als Provokation gegen die CNT aufgefaßt werden.

Am 27. April verursachten die Carabinieros in dem Städtchen Puigzerda, dessen Bevölkerung nur aus Anarchisten besteht, ohne jeglichen Grund Zusammenstöße mit den Einwohnern, wobei der Vorsitzende des Stadtrates, Antonio Martin, mit noch zwei Genossen der CNT von catalanischen Separatisten erschossen wurde. Das Städtchen war bekannt durch seine musterhafte wirtschaftliche und politische Ordnung, die mehrfach sogar von Korrespondenten ausländischer Blätter rühmlich hervorgehoben wurde. Trotzdem ließ sich die CNT auch dieses Mal nicht zu Gegenmaßregeln hinreißen, da sie sich der ungeheuren Verantwortung, die auf ihren Schultern lastete, wohl bewußt war. Nimmt man zu dem allem noch die fortwährenden Krisen in der catalanischen Regierung i,n Betracht, die von den Kommunisten und ihren Verbündeten fortgesetzt provoziert wurden, begreift man ohne weiteres, daß der angebliche "Aufstand der Trotzkisten und Anarchisten" in Catalonien in der Wirklichkeit ein wohlgeplanter Anschlag der Konterrevolution gewesen ist, durch den man das stärkste Bollwerk der spanischen Arbeiterbewegung zertrümmern wollte, um den Plänen der ausländischen Imperialisten das Feld frei zu machen.

Die Mai-Ereignisse in Catalonien

Die unmittelbare Ursache der Ereignisse in Catalonien war ein offener provokatorischer Akt des Ministers für öffentliche Sicherheit, Artemio Aiguadé, ein Mitglied der catalanischen Separatisten, der diesen Posten erst vor wenigen Wochen in dem neugebildeten Kabinett übernommen hatte. Am 3. Mai, nachmittags um drei Uhr, erschien der Kommissar Rodriguez Salas, Mitglied des kommunistischen PSUC, mit einer starken Polizeiabteilung in der Telefonzentrale von Barcelona und erklärte kategorisch, daß er von Aiguadé den Befehl habe, das Gebäude zu besetzen. Die Telefonzentrale stand unter der Kontrolle der CNT und UGT, wie die meisten öffentlichen Gebäude der Stadt, und dieser Zustand war von der Regierung seit langem anerkannt.

Als die Arbeiter daher protestierten, gab Salas seinen Leuten den Befehl, sie gewaltsam zu entwaffnen. Im ersten Stockwerk glückte ihm das auch, weil die Arbeiter einfach überrascht wurden. Im zweiten Stock aber begegnete er dem energischen Widerstand der CNT-Leute. Schüsse fielen von beiden Seiten, und die Polizei konnte nicht weiter vordringen. Währenddessen hatte sich in der Straße eine große Menschenmenge angesammelt, die durch die Schüsse angelockt wurde. Die allgemeine Aufregung aber erreichte ihren Höhepunkt, als in den umliegenden Straßen plötzlich bewaffnete PSUC-Leute erschienen und Barrikaden errichteten. Nun ging ein Aufschrei durch die ganze Stadt, der sich mit Windeseile bis in die entferntesten Vorstädte fortpflanzte: "Verrat! Verrat! Zu den Waffen! Es gilt, die Revolution zu verteidigen!"

Das alles geschah ganz spontan. Die Arbeiter fühlten, daß man einen hinterlistigen Anschlag gegen sie vorbereitet hatte und setzten sich entschlossen zur Wehr, ohne auf die Beschlüsse ihrer Organisationen zu warten. Im Handumdrehen verwandelten sich die Vorstädte in bewaffnete Bollwerke. Es zeigte sich von Anfang an, daß die gesamte Arbeiterschaft auf der Seite der CNT stand, wie im Juli 1936. So stark war der allgemeine Widerstand in den Vorstädten Barcelonas, daß sich dort die Polizei im ganzen neutral verhielt; ebenso die republikanischen und sogar die kommunistischen Milizen, wie zum Beispiel die Soldaten der kommunistischen Kaserne in Sarria. In manchen Teilen gingen sie sogar direkt zum Volke über, wie in Sans und San Gervasio die Guardia de Asalto. In Sans nahmen die Arbeiter vierhundert Mann der Guardia Civil gefangen und hielten sie im Hauptquartier der CNT fest. Es ist bezeichnend, daß diese und alle anderen Gefangenen der Arbeiter nach den Kämpfen sofort entlassen wurden, während von der anderen Seite bekannte Mitglieder der CNT, die ihren Feinden in die Hände fielen, in feiger Weise ermordet wurden.

Nur im Herzen der Stadt, dem Wohnsitz der alten Mittelklasse, blieben die Kommunisten und ihre Verbündeten die Herren der Lage, und das auch nur, weil sich die Arbeiter von Anfang an nur auf die Verteidigung beschränkten und keinen direkten Angriff unternahmen, wie sie es leicht gekonnt hätten. Das Regionalkomitee der CNT war vor allem darauf bedacht, die Kämpfe zum Abschluß zu bringen und ihre Verbreitung auf andere Landesteile zu verhindern. Delegationen eilten zu dem Premierminister Tarradelles und zu dem Minister des Innern, Aiguadé, und forderten die Zurückziehung der Polizeitruppen. Man versicherte ihnen, daß niemand den Befehl zur Besetzung der Telefonzentrale gegeben hätte. Das war eine offenbare Lüge, denn es stellte sich später heraus, daß Aiguadé Salas ja den Befehl gegeben hatte. Kurze Zeit vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten hatte ein Delegierter der CNT in der Telefonzentrale ein Telegramm angehalten, das an einen bekannten Politiker der catalanischen Separatisten in Frankreich gerichtet war und die Worte enthielt: "Estia bé. Tot marza." (Ich befinde mich wohl. Alles klappt). Das Regionalkomitee war daher sofort überzeugt, daß es sich hier nicht um ein unglückliches Mißverständnis handelte, sondern um einen wohlgeplanten Anschlag gegen die Arbeiterschaft, der den Zweck hatte, die Vertreter der CNT aus der Generalidad zu vertreiben und ihre Organisation blutig niederzuschlagen. Diese Überzeugung war nur zu berechtigt, denn es stellte sich bald heraus, daß in anderen Städten Cataloniens dieselben Dinge vorgingen und nach demselben Schema eingefädelt waren.

Das Komitee befand sich in einer schwierigen Lage. Seine Mitglieder waren sich vollständig klar darüber, daß eine weitere Verbreitung der Kämpfe ungeheure Folgen für die antifaschistische Sache nach sich ziehen mußten. Von der anderen Seite aber konnte man den Arbeitern unmöglich zumuten, sich von einer feigen Verschwörerbande ruhig abschlachten zu lassen. Das Komitee stellte daher von Anfang an seine ganze Tätigkeit auf die Verteidigung ein und forderte von der Regierung die sofortige Entlassung von Aiguadé und Salas, um zu einem schnellen Frieden zu gelangen. Als die Regierung zögerte, wurde der Generalstreik proklamiert, von dem nur die Arbeiter, die in den Kriegsindustrien beschäftigt waren, ausgenommen wurden. Es ist dies ein neuer Beweis für das hohe Verantwortlichkeitsgefühl, das die Arbeiterschaft Barcelonas beseelte. Hätte die Regierung sofort diese nur allzu berechtigte Forderung angenommen, so wäre die Ruhe in wenigen Stunden wieder hergestellt worden, denn die Arbeiter hatten wirklich kein Interesse daran, sich gegenseitig abzuschlachten. Aber durch die Quertreibereien der Kommunisten und der Separatisten zogen sich die Verhandlungen immer wieder in die Länge, wodurch sich die Lage unnötigerweise verschärfte.

In den Vorstädten fanden so gut wie keine Kämpfe statt. In Sans, Hostafranche, San Gervasio etc. entwaffneten die Arbeiter einfach die Polizei und die Guardia Civil und waren lediglich auf ihre Verteidigung bedacht. Währenddessen richtete die CNT und FAI Aufrufe an die Bevölkerung, um sie über den wahren Sachverhalt der Dinge zu informieren und sie aufzufordern, den Kampf einzustellen. In einem Aufruf an die Polizei heißt es:

"Die CNT und FAI sind gegen jede Form der Diktatur, noch denken sie daran, anderen ihre eigene Diktatur aufzuzwingen. Solange unsere Anhänger am Leben sind, werden sie sich niemals einer Diktatur unterwerfen. Wir kämpfen gegen den Faschismus, nicht weil uns der Krieg Freude macht, sondern weil wir die Freiheit des Volkes sichern wollen; weil wir die Rückkehr jener Mächte verhindern wollen, die nur darauf warten, die kämpfende Arbeiterschaft zu massakrieren und die Ausbeutung des Volkes zu befestigen. Und wir kämpfen auch gegen alle, die sich zwar nicht Faschisten nennen, aber nichtsdestoweniger ein System des Absolutismus etablieren wollen, das mit allen Überlieferungen und mit der Geschichte unseres Volkes in Widerspruch steht."

Und in einem Manifest an die Arbeiterschaft aller Richtungen lesen wir:

"Männer und Frauen des Volkes! Arbeiter! Wir sprechen offen und ehrlich zu euch, wie wir es stets getan haben. Wir sind nicht verantwortlich für das, was heute geschieht. Wir greifen niemand an. Wir verteidigen uns nur. Wir haben diesen Kampf nicht begonnen, noch haben wir ihn provoziert. Wir antworten nur auf die Verdächtigungen, die Verleumdungen und die Gewalt, die man der CNT-FAI antun will, den unversöhnlichsten Kämpfern der antifaschistischen Front. ... Wir haben unsere Ziele nie verhehlt und genügend Beweise unseres Wortes gegeben. Weshalb will man uns vernichten? Ist es nicht verdächtig, daß, während man uns hier angreift, unsere Formationen in Madrid, in Andalusien, in Viscaya und Aragon fortgesetzt neue Beweise ihres Mutes und ihrer Stärke erbringen? Arbeiter der CNT und UGT! Gedenkt des Weges, den wir zusammen gegangen sind! Wie viele von uns sind mit Wunden bedeckt auf offener Straße und auf den Barrikaden gefallen. Legt eure Waffen nieder! Begreift, daß ihr Brüder seid! Wir werden siegen, wenn wir einig sind. Wenn wir uns selber bekämpfen, sind wir dem Untergang geweiht!"

Das ist nicht die Sprache von Verschwörern, sondern von Männern, die ihre Verantwortung kennen, und denen man feige in den Rücken fiel, weil sie mit unerschütterlicher Treue die Freiheit des spanischen Volkes verteidigten.

Als die Milizen der CNT an der aragonesischen Front von den Ereignissen in Catalonien Kenntnis erhielten, schickten sie ohne Verzug einen ihrer besten Kämpfer, Jover, nach Barcelona. Sie waren sofort bereit, ihren so schmählich verratenen Brüdern beizustehen. Das Nationalkomitee der CNT hat dies verhindert. Das war sicher nicht die Handlung von Menschen, die den Plan hatten, die Regierung zu stürzen und sich in den alleinigen Besitz der öffentlichen Macht zu setzen. Am 4. Mai trafen Delegierte des Nationalkomitees der CNT und UGT aus Valencia ein, um zu helfen, den Frieden wiederherzustellen. Am 5. Mai hatte sich die Regierung endlich zum Waffenstillstand entschlossen. Aiguadé und Salas wurden ihres Amtes enthoben. Die alte Regierung trat zurück, und es bildete sich eine neue, in der je ein Vertreter der CNT, der UGT, der linken Republikaner und der Kleinbauern seinen Sitz hatte. Aber während die Arbeiter nach dem geschlossenen Waffenstillstand ihre Barrikaden in den Vorstädten abtrugen, provozierten die Kommunisten im Inneren der Stadt fortgesetzt neue Zusammenstöße, da sie zweifellos davon unterrichtet waren, daß die Regierung in Valencia entschlossen war, einzugreifen. So griff eine Abteilung der Guardia Civil, nachdem die Syndikate der CNT bereits die Feindseligkeiten eingestellt hatten, plötzlich das Lokal der freiheitlichen Jugend an. Die Jugend verteidigte ihr Heim mit grimmiger Todesverachtung und verlor dabei sechs ihrer besten Kameraden.

Auf diese Weise verlor die CNT-FAI gerade während die Waffenstillstandsverhandlungen im Gange waren, eine ganze Anzahl ihrer besten Kameraden, die alle von den Stalinisten meuchlings ermordet wurden. Am 5. Mai, nachmittags, wurden die beiden italienischen Anarchisten Berneri[14] und Babieri von Kommunisten[15] verhaftet und in der folgenden Nacht beide erschossen[16]. Camillo Berneri war einer der besten Köpfe der freiheitlichen Bewegung Italiens, ein Mann von tadellosem Charakter und großem politischen Weitblick. Als junger Professor an der Universität von Camarino verließ er nach dem Machtantritt Mussolinis Italien und lebte seitdem als politischer Flüchtling im Ausland. Gleich nach dem 19. Juli 1936 ging er nach Barcelona und formierte die erste italienische Freischar zum Kampf gegen den Faschismus. Sein klarer Blick erkannte bald die zweideutige Rolle der russischen Regierung, und er warnte seine spanischen Kameraden gegen die heraufziehende Gefahr. In der von ihm geleiteten Zeitung "Guerra di Classe" veröffentlichte er einen Artikel unter dem Titel "Burgos und Moskau", in dem er die unterirdischen Machenschaften der Stalinisten bloßlegte, so daß der russische Gesandte in Barcelona dagegen Protest einlegte. Seitdem war er den Agenten Moskaus in der Seele verhaßt und mußte dafür durch feigen Meuchelmord sein junges Leben einbüßen.

Auch Domingo Ascaso fiel in jenen blutigen Tagen durch Mörderhand, der Bruder Francisco Ascasos, der als einer der ersten am 19. Juli im Kampf gegen die Faschisten sein Leben verlor und seit langer Zeit der intimste Freund Durrutis war. Und ermordet wurde der Neffe Francisco Ferrers, der kurz vorher als Verwundeter von der Front zurückgekommen war. Er ging noch an einer Krücke und begleitete seine Mutter in der Straße, als er vor ihren Augen von feigen Killern niedergeschossen wurde. Das sind nur einige Namen einer langen Liste, die damals hinterlistig gemeuchelt wurden, 500 Tote und 1.500 Verwundete, das ist das blutige Fazit, das die Arbeiterschaft Barcelonas der Politik Stalins zu verdanken hat. Und das alles dafür – wiederholen wir es immer wieder –, weil sich die russische Regierung dem englisch-französischen Imperialismus gefällig erweisen mußte. Weil Rußland in Spanien die Sache der Arbeiter und Bauern in schmählicher Weise verraten hat und seine Anhänger dort mit beiden Füßen im Lager der Konterrevolution stehen.

Wenn es den Agenten Stalins und ihren Verbündeten, den catalanischen Separatisten, trotzdem nicht gelungen ist, ihre finsteren Anschläge auf die Arbeiterschaft Cataloniens erfolgreich durchzuführen, so ist dies nur dem entschlossenen Widerstand der Arbeiter selber zu danken, die es nicht ruhig geschehen ließen, daß gewissenlose Elemente ihr Lebenswerk mit frevelhafter Hand zerstörten und ihre Bewegung zertrümmerten.

Vor kommenden Ereignissen

Eines haben aber die Gefolgsleute Stalins in Spanien doch erreicht. Sie haben die antifaschistische Front zerschlagen und der Regierung Negrin Catalonien ausgeliefert. Um diesen Zweck zu erreichen, haben sie sich mit den reaktionären Elementen des alten Regimes verbunden, von denen eine ganze Anzahl nichts anderes als verkappte Faschisten sind. Als am 19. Juli vorigen Jahres die Arbeiterschaft von Barcelona den faschistischen Aufstand niederschlug und das Land und die Fabriken unter ihre eigene Verwaltung nahm, haben viele dieser Leute, die heute auf der Seite der Kommunisten stehen, sehr eilig Spanien verlassen und sind ins Ausland geflüchtet; allen voran der Führer der catalanischen Separatisten, Herr Dencás, der bezeichnenderweise nach Rom flüchtete, um später den Stalinisten zu helfen, den "Aufstand" in Barcelona vorzubereiten.

Das Nationalkomitee der CNT in Valencia hat im Juni dieses Jahres eine offene Erklärung zu den Ereignissen in Barcelona herausgegeben, in der das reaktionäre Treiben dieser Leute festgenagelt und durch eine ganze Reihe verbürgter Tatsachen der Beweis geliefert wird, daß eine ganze Anzahl prominenter Führer des Estat Catala, wie Aiguadé, Dencás, Casanovas, Liuhi Vallesca., Ventura Cassols, Sancho Xisota und manche andere mit den faschistischen Kreisen in Frankreich geheime Verbindungen aufrecht erhielten. In dieser offenen Anklage erklärte das Komitee: "Wir tragen die volle Verantwortung für jedes Wort, das hier gesagt wurde. Niemand wird diese Tatsachen ableugnen können. Die einzelnen Fälle, die wir hier wiedergeben, stützen sich auf glaubwürdige Informationen und kommen aus genauer Kenntnis des wahren Sachverhaltes."

Keine der so schwer beschuldigten Personen hat bisher den Versuch gemacht, diese offene Anklage des Nationalkomitees einer Organisation, die in Spanien über zwei Millionen Mitglieder zählt, zu entkräften. Aber darauf kommt es den Führern der kommunistischen Partei in Spanien und ihren russischen Einflüsterern auch gar nicht an. Sie haben eine bestimmte Mission im Auftrag der russischen Regierung zu erfüllen, und wer ihnen dabei behilflich sein kann, ist ihnen willkommen. Sie haben ihr verderbliches Werk auch nach den Ereignissen in Catalonien nicht eingestellt, das in erster Linie darauf abzielte, die CNT aus der Generalidad Cataloniens zu verdrängen. Wie man dabei vorgeht, beweist das folgende Geheimzirkular des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens an ihre Agenten in Catalonien:

"Krisis. Provozierung derselben. Beweggründe: Man kann sich dabei auf die vorübergehende Erscheinung der jetzigen Regierung stützen. Unsere Partei fordert aber den Sitz des Präsidenten. Die neue Regierung wird dieselbe Charakteristik aufweisen wie die Regierung in Valencia: eine starke Regierung, 'Volksfrontregierung', deren Hauptmission es sein wird, die Geister zu Friedenswünschen zu erziehen und die Verursacher der letzten konterrevolutionären Bewegung (gemeint sind die Ereignisse in Barcelona – d. Verf.) zur Verantwortung zu ziehen. In dieser Regierung wird man die CNT teilnehmen lassen, aber dergestalt, daß sie sich verpflichtet fühlt, die Mitarbeit abzulehnen. Dann können wir uns der öffentlichen Meinung als diejenigen vorstellen, die mit sämtlichen Sektoren zusammenarbeiten wollen. Sollten sich daraus gewisse Unannehmlichkeiten ergeben, so werden sie nicht auf uns fallen, sondern auf jene, die bei anderen Gelegenheiten dieselbe Position innehatten."

Dieses Geheimdokument wurde von der Tageszeitung "CNT" in Madrid am selben Tage veröffentlicht, als die Kommunisten in Catalonien bereits die letzte Regierungskrise provozierten, und zwar mit dem Erfolg, daß die CNT ihre Vertreter aus der Regierung zurückzog. Ein Kommentar zu dieser Infamie erübrigt sich.

Vorläufig marschiert die Reaktion in Spanien. Die Presse steht unter einer unerträglichen Zensur. Hunderte der besten Kämpfer der antifaschistischen Front schmachten in den Gefängnissen. Die Auflösung der POUM und die Verhaftung seiner Führer war der erste Auftakt[17]. Und während die reaktionäre Regierung Negrin kein Mittel unversucht läßt, um sich innerlich zu festigen, machen sich in der ausländischen Presse immer hartnäckiger Gerüchte bemerkbar von Annäherungsversuchen Francos an England und Frankreich. Zeitungen von Weltruf wie der Pariser "Temps", die "New York Times" und "The Daily Herald" in England, machten während der letzten Wochen wiederholt Andeutungen, daß Franco in seiner Auslandspolitik neue Wege einzuschlagen gedenke und die Absicht habe, sich von seinen bisherigen Verbündeten Deutschland und Italien zu trennen. Der "Manchester Guardian" vom 13. Juli wußte sogar zu berichten, daß Francos Agenten in London und Paris tätig sind, um dort eine Anleihe zu erhalten. Die Zeitung spricht von einer Summe zwischen 25 und 50 Millionen Pfund und bemerkt dazu: "Es ist nicht bekannt, ob diese Verhandlungen bisher erfolgreich gewesen sind."

Daß schon seit geraumer Zeit Verhandlungen im Gange sind, um den Krieg in Spanien bei der ersten passenden Gelegenheit durch einen Kompromiß zu beenden, unterliegt nicht dem geringsten Zweifel. Auch die plötzliche Annäherung Englands an Italien deutet darauf hin. Nach einem Bericht der internationalen Zeitungsagentur "Cosmos" spielt auch der belgische Premierminister Van Zooland in diesen Vorgängen hinter den Kulissen eine wichtige Rolle. Daß die Regierung Negrin, die durch den direkten Druck Englands, Frankreichs und Rußlands ins Leben gerufen wurde, von all diesen Dingen Kenntnis besitzt, liegt auf der Hand. Nimmt man das alles in Betracht, so treten die wirklichen Ursachen der blutigen Mai-Ereignisse in Barcelona immer deutlicher zu Tage.

Von der anderen Seite aber hat die blutige Reaktion der Regierung Negrin, die vollständig unter der Kontrolle Rußlands und seiner imperialistischen Verbündeten steht, einen großen inneren Wandel geschaffen, der mit jedem Tage deutlicher in Erscheinung tritt. Der linke Flügel der sozialistischen Partei unter Largo Caballero, der heute von den Agenten Rußlands mit derselben Erbitterung bekämpft wird wie die CNT, wendet sich heute mit der größten Schärfe gegen die verräterische Zersetzungsarbeit der Kommunisten und ihrer bürgerlichen Gefolgsleute. Die ungeheure Mehrheit der UGT steht auf dieser Seite und ist eben dabei, mit der CNT eine revolutionäre Allianz abzuschließen, um die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen. "Die UGT Cataloniens ist nicht unsere UGT, die UGT Spaniens", erklärte Hernández Zancajo, einer der prominentesten Führer der UGT, und diese Worte fanden bei den Militanten der Bewegung einen brausenden Widerhall.

Die CNT aber, zusammen mit der FAI und der Freiheitlichen Jugend, macht trotz aller reaktionärer Machenschaften der Regierung in allen Teilen des Landes bedeutende Fortschritte. Die Arbeiter und Bauern sind nicht gewillt, ihre sozialen Eroberungen der Reaktion preiszugeben und rüsten sich zur Abwehr. Was der monarchistischen Reaktion in siebzig Jahren nicht gelungen ist, wird auch dem Despotismus Stalins und seinen spanischen Agenten nicht gelingen. Eine Bewegung, die so tief mit dem Leben des spanischen Volkes verwachsen ist und einen der wichtigsten Teile dieses Lebens darstellt, kann man nicht durch russische Tschekamethoden zur Strecke bringen.

Die Regierung Negrin versucht mit allen Mitteln einer rücksichtslosen Zensur, die sich völlig in den Händen ihrer russischen Auftraggeber befindet, dem Ausland diese Dinge vorzuenthalten. Aber sogar das glückt nicht immer. Das geheimnisvolle Verschwinden des POUM-Führers Andres Nin, das die Regierung wochenlang verschwiegen hat, hat einen Sturm der Empörung ausgelöst. Nin, der nach den Mai-Ereignissen in Barcelona mit anderen Führern seiner Partei verhaftet und nach Valencia und von dort nach Madrid transportiert wurde, ist spurlos verschwunden. Die Regierung erklärte zunächst, als sie zum Reden gezwungen wurde, daß Nin mit seinen Wächtern entflohen sei, aber niemand in Spanien glaubt dieses Märchen. Man ist vielmehr überall der Überzeugung, daß Nin bereits auf dem Wege nach Madrid oder aber in Madrid selbst von russischen Tschekisten ermordet wurde. Sogar im Lager der bürgerlichen Republikaner beginnt man, sich gegen die Vormundschaft Rußlands aufzulehnen, die mit der Zeit immer unerträglicher wurde. Die Affäre Nin hat auch in diesen Schichten bereits Proteste ausgelöst, die man früher dort nicht vernommen hatte. Man wird müde, sich von einer feigen Rotte bevormunden zu lassen, der jedes Verbrechen gerade gut genug ist, solange es den Plänen Moskaus dient.

Spanien steht heute vor einer neuen Entscheidung. Man fühlt das von beiden Seiten, denn die heutige Lage ist unerträglich und muß zu einer sicheren Katastrophe führen.

Seit zwölf Monaten opfert man ein tapferes Volk den egoistischen Interessen imperialistischer Räuber und ihrer russischen Handlanger. Es ist die höchste Zeit, daß die freiheitliche Welt das begreifen lernt und zu dem Bewußtsein kommt, daß das Schicksal Spaniens das Schicksal Europas sein wird. Nie hat ein Volk heroischer für seine Freiheit gekämpft. Nie ist ein Volk von offenen und versteckten Feinden mehr betrogen worden. Es ist dies die große Tragödie Spaniens, die bisher so wenig verstanden wurde; die Leidensgeschichte eines Volkes, .das aus tausend Wunden blutet und trotzdem den Kampf nicht aufgibt, da es weiß, daß es die kostbare Saat der Freiheit und Menschenwürde in seiner Seele trägt, von der unserer aller Zukunft abhängt.

Diese "Empfehlungen" sabotierten natürlich die beginnenden Kollektivierungen, und es erwies sich dann in einem Dekret vom 11. August 1938, was die bolschewistischen "Ratgeber" unter Sozialismus verstanden: Sie setzten die Verstaatlichung aller kriegswichtigen Betriebe durch; bolschewistische Armee-Einheiten gingen mit Waffengewalt gegen kollektivierte Betriebe und Landwirtschaftskollektive vor.

[1] Rudolf Rocker/Emma Golduran,- Verstaatlichung der Revolution, Berlin 1968; Rudolf Rocker, Anarchismus und Organisation, in: Anarchismus und Marxismus, Bd. 1, Berlin 1973; Rudolf Rocker, Prinzipienerklärung des Syndikalismus, in: Arbeiterselbstverwaltung, Räte, Syndikalismus, Berlin 1973; Rudolf Rocker, Max Nettlau-Biographie, Berlin 1976; Rudolf Rocker, Johann Most, Glashütten im Tauus 1973

[2] Gaston Levals interessantes Buch über die Kollektivisationen, Das libertäre Spanien, Assoziation Verlag, 1976; Camillo Berneri, Klassenkrieg in Spanien 1936/37, Flugschrift, 1974, und im Kramer Verlag: Ökonomie und Revolution. Mit Texten von Diego Abad de Santillán und Juan Peiró, 1975; Gerald Brenan, Spanische Revolution, 1972; E. Gerlach, A. Souchy, Die soziale Revolution in Spanien, 1974, und Prudhommeaux, Bewaffnung des Volkes, 1974; Miguel Garcia, Spanien - Kampf und Gefangenschaft 1939-1963, 1975

[3] Helmut Rüdiger schrieb unter dem Pseudonym Rodriguez sehr viele Artikel in der Zeitschrift "Die freie Gesellschaft".

[4] siehe hierzu: Kollektivierung der Industrie und Landwirtschaft 1936-1939, von A. Souchy und Erich Gerlach, Berlin 1974

[5] Wilhelm Faupel, geb. 29.10.1873, Generalstabschef im 1. Weltkrieg; 1921-1926 Berater der argentinischen Heeresleitung; 1927-1930 Generalinspekteur der peruanischen Armee; 1937 Mitglied der NSDAP. Faupel forcierte das militärische Eingreifen Deutschlands in Spanien, und ab Frühjahr 1937 schafft er Ausbildungslager, in denen im Laufe der Zeit über 56.000 Spanier unter deutscher Leitung ausgebildet werden.

[6] siehe: Willy Huhn, Trotzki – der gescheiterte Stalin, Berlin 1974

[7] siehe: A. und P. Prudhommeaux, Bewaffnung des Volkes, Berlin 1974

[8] 1921 ging die KP aus der sozialistischen Linksopposition hervor. Zwischen 1923 und 1930 stieg die Zahl der Mitglieder kaum über einige Hundert.

[9] Hierzu ist anzumerken, daß die Stalinisten sehr massiv in die spanische Innenpolitik eingriffen, und zwar in einer sehr reaktionären Art und Weise. Das charakterisiert z.B. ein Brief, den Rosenberg am 21. Dezember 1936 Caballero überreichte, in dem Stalin u.a. der spanischen Regierung "empfahl", den Parlamentarismus "als wirksameres Instrument einer revolutionären Entwicklung" anzusehen, und "1. Den Bauern sollte gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden... Es dürfte ratsam sein, in Land- und Steuerfragen Dekrete zu erlassen, die den bäuerlichen Wünschen entgegen kommen… 2. Es erscheint ratsam, die unteren und mittleren Schichten des städtischen Bürgertums mehr zur Regierungsverantwortung heranzuziehen" und "man sie gegen alle Versuche von Beschlagnahmen schützt und ihnen, soweit wie möglich, Handelsfreiheit gewährt... 3. Man sollte in der Presse erklären, die spanische Regierung werde keinerlei Angriffe auf das Eigentum und die Interessen von solchen Ausländern dulden, die nicht die Rebellen unterstützen…"

[10] siehe z.B. Leo Trotzki, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-1939, Bd. 1, Frankfurt/M. 1975

[11] siehe: Borys Lewythkyj, Die rote Inquisition, Frankfurt /M. 1967

[12] siehe hierzu: Ökonomie und Revolution, von D.A. de Santillan und Juan Peiró; besonders Santillans Kritische Bemerkungen zur Politik der CNT.

[13] Lesenswert ist die Kritik der 'Gruppe internationaler Kommunisten Holland' an der Politik der CNT. Siehe: Rätekorrespondenz, Nr. 21 und 22, April/Juni 1937

[14] siehe: Camillo Berneri, Klassenkrieg in Spanien 1936-1939, Hamburg 1974

[15] Seltsamerweise behaupten Pierre Broué und Emile Témime in ihrem Buch "Revolution und Krieg in Spanien", daß Berneri und Babieri von UGT-Milizmännern erschossen worden seien (S 354). Selbst Hugh Thomas als bürgerlicher Historiker geht davon aus, daß die beiden Anarchisten von den Kommunisten ermordet wurden, und Thomas zweifelt auch an dem Gerücht, daß die OVRA, Mussolinis Geheimpolizei, für die Ermordung Berneris und Babieris verantwortlich sei. (Hugh Thomas, Der spanische Bürgerkrieg, S. 333).

[16] Die Ermordung befahl Ercolis, alias Togliatti.

[17] Am 16. Juni 1937 wurden alle Mitglieder des Exekutivkomitees der POUM verhaftet.