Titel: Tacheles reden: Arbeit ist Mord
AutorIn: Fernweh
Datum: Juni 2013
Quelle: Entnommen am 05.10.2015 von http://fernweh.noblogs.org/texte/3-ausgabe/tacheles-reden-arbeit-ist-mord/
Bemerkungen: Anonym publiziert in "Fernweh" Nr.3, Juni 2013, München.

Lasst uns alle mal ganz ehrlich sein: Arbeit ist scheiße. Ich hasse meinen Job und wenn ich morgens in der U-Bahn sitze und die leeren Gesichter um mich herum sehe, weiß ich, dass ich nicht die einzige Person bin die gerade noch lieber im Bett liegen würde. Natürlich, mit der Zeit, also umso länger man arbeitet, wird die tägliche Qual zur Routine. Die verschwendete (Arbeits-)Zeit verbuchen wir schon im Vorhinein als verloren, wir planen sie überhaupt nicht mehr in unser Leben ein, höchstens eben als unsere lästige Pflicht. Unser Leben beginnt jeden Tag erst mit Feierabend. Je länger wir in diesen Teufelskreis eingespannt sind, und dieser beginnt schon mit der Schule, umso länger wir die 8 Stunden schon aus unserem Tagesplan gestrichen haben, desto normaler kommt es uns vor dass wir einen Großteil unserer Lebenszeit mit irgendeinem Schwachsinn verschwenden. Nur haben wir leider keine große Wahl, egal ob wir Arbeit scheiße oder gut finden, um zu überleben müssen wir arbeiten, so funktioniert diese Gesellschaft. Für all die Sachen die wir benötigen müssen wir bezahlen und um das Geld dafür zu haben müssen wir unsere Zeit verkaufen. Wir müssen arbeiten.

 

„Ich hasse Arbeit!“. Wenige Leute trauen sich das in aller Deutlichkeit zu sagen. Entweder sind wir schon so abgestumpft, dass wir echt glauben unsere Jobs zu mögen, oder wir wollen uns selbst nicht eingestehen wie langweilig unser Leben ist. Keine Chance mehr für unsere jugendlichen Träume, unsere Sehnsüchte oder unsere Abenteuerlust, alles wird von der alltäglichen Routine erstickt bis die neue Fernsehserie als das höchste aller Gefühle erscheint.

Menschen die nicht arbeiten, egal ob sie keinen Job finden oder ob sie keine Lust darauf haben sich Tag für Tag ausbeuten zu lassen werden gesellschaftlich ausgeschlossen und als Parasiten bezeichnet. Sie würden die Menschen die arbeiten ausnutzen, auf der ihre Kosten leben, dabei wird jede Person die arbeiten geht Tag für Tag ausgebeutet und trägt dazu bei, dass andere Leute auf ihre Kosten leben. Wir arbeiten nicht weil wir etwas bestimmtes brauchen oder weil wir einsehen, dass bestimmte Sachen notwendig sind, sondern weil wir dafür bezahlt werden und wir das Geld brauchen. Wir haben keine Möglichkeit den Produktionsprozess zu genießen und unserer Kreativität freien Lauf zu lassen, alles muss immer möglichst schnell gehen und effizient sein. Es geht nicht darum die Sachen die notwendigerweise gemacht werden müssen, untereinander aufzuteilen und uns das Wissen anzueignen was wir brauchen, sondern einzig und allein um Profit. Natürlich ist es heutzutage schwer vorstellbar dass wir zusammen mit den Menschen um uns herum unser Leben ohne Staat, Gesetzte und Bullen selber organisieren könnten, aber das liegt bestimmt auch daran, dass wir uns um überhaupt nichts kümmern müssen und können. Es geht nur darum, dass wir immer pünktlich in der Arbeit sind, der Rest wird durch irgendwelche Gesetze und Vorschriften geregelt. Zum Müll wegbringen gibt es die Müllabfuhr, zum Haare schneiden gibt es Friseursalons, zum Spaß haben gibt es Kneipen und Clubs. Aus allem wird eine spezialisierte Tätigkeit gemacht und dadurch auch eine Ware die wir dann kaufen müssen. Das Problem ist nicht die notwendigen Dinge zu erledigen, sondern dass unsere Tätigkeiten (unsere Arbeit) eben nicht Teil unseres Lebens sind und in unseren normalen Tagesablauf eingebettet, sondern davon getrennt sind und deshalb nur durch Zwang erledigt werden. Den Zwang Geld zu verdienen, den Zwang zu arbeiten.

 

Es ist eines der Merkmale unserer Gesellschaft, dass alle Konflikte versteckt sind und nur unter der Oberfläche brodeln. Während vor 100 Jahren die gesellschaftlichen Widersprüche zwischen denen die viel und denen die wenig haben sich rund um die Arbeit ausdrückten und sich in Streiks und Sabotageakten manifestierten, scheint heute alles ruhig und friedlich zuzugehen. Das liegt zum einen sicherlich daran, dass es heute viel schwieriger geworden ist, zwischen „denen da oben“ und uns zu unterscheiden, dass es kein klares Feindbild mehr gibt, heutzutage sind alle deine Konkurrenten. Aber es gibt trotzdem einen klaren Unterschied zwischen Leuten die von der heutigen Gesellschaft so stark profitieren, dass sie sie mit allen möglichen Mitteln verteidigen werden und jenen die die Welt, wie sie heute ist, scheiße finden.

Ich finde Arbeit scheiße, weil ich mir tausende Dinge vorstellen kann, die interessanter und spannender sind als jeden Morgen aufzustehen und 8 Stunden irgendwas zu machen worauf ich eigentlich keine Lust habe.

Aber es gibt doch noch die Freizeit, könnte man sagen. Jedoch sind Freizeit und wirklich freie Zeit keinesfalls das gleiche. Arbeit und Freizeit bedingen sich gegenseitig, müssten wir nicht arbeiten, bräuchten wir auch keine Freizeit. Wie viel Stunden pro Tag wir arbeiten und wie viele Stunden uns zugestanden werden um uns von unserer Arbeit zu erholen (die Freizeit), ist kein Zufall. Uns wird genau so viel Freizeit zugestanden, dass wir bei Laune bleiben (abends noch ein Bier trinken gehen können, Fernsehen…), so viel Auszeit haben, dass wir immer arbeitsfähig bleiben (Wochenende, Ferien, Feiertage…) und so viel Geld dass wir uns bespaßen lassen können (Shoppen, Konsum…). Während vor 100 Jahren 12 Stunden Arbeit pro Tag normal waren, sind es heute in Europa nur noch acht. Dafür haben wir aber nicht 4 Stunden mehr freie Zeit sondern eben 4 Stunden Freizeit, wo wir uns von dem Arbeitstag erholen um wieder fit für die nächste Schicht zu werden, irgendetwas konsumieren, Dienstleistungen erwerben, Rechnungen bezahlen oder vor Fernseher und Computer vergammeln (ganz zu schweigen von den unzähligen Stunden vor den Iphones, Smartphones und sonstigem Schrott). Im Endeffekt bleibt die Menge an toter Zeit die selbe. Am Ende wird Arbeit zum alles bestimmenden Thema in unserem Leben, wir haben keine Freunde mehr, nur noch Kollegen, keine leidenschaftlichen Beziehungen mehr sondern nur noch Chefs und Untergebene und schlussendlich drehen sich alle Gespräche und jeder Gedanke nur um unsere Arbeit.

Natürlich werden jene die schon aufgegeben und komplett resigniert haben immer behaupten dass eine andere Gesellschaft sowieso nicht funktionieren könnte. Aber alles was das heißt ist nur, dass wir verlernt haben zu träumen und das ist der wohl größte Triumph der Herrschaft: Die Gegenwart ist so erdrücken geworden, dass wir uns eine andere Welt nicht einmal mehr vorstellen können. Es scheint nur noch ein Jetzt zu geben welches bis in die Unendlichkeit (oder eben, für jene die ihre Resignation rechtfertigen wollen, bis zur „Apokalypse“) andauern wird und unveränderbar ist.

Wir haben kein Modell dafür wie eine andere Gesellschaft aussehen soll, keinen Masterplan nach dem alles ablaufen könnte, als Anarchisten wollen wir niemanden vorschreiben oder erzählen wie die „ideale Gesellschaft“ auszusehen hat. Erstens weil wir es nicht können, weil niemand sagen kann was nach einem Bruch mit dem Bestehenden ist. Weil man über Freiheit eben nur in Freiheit reden kann, und zweitens weil wir niemanden vorschreiben wollen wie er oder sie zu leben hat. Alles was wir haben sind Ideen. Ideen von der Selbstorganisation unserer Leben, Ideen von Beziehungen fern von Autorität und Herrschaft und deswegen Ideen der Rebellion und des Angriffs gegen das Bestehende.