Titel: Eigentum
AutorIn: Aufruhr
Datum: 15. Oktober 2013
Bemerkungen: Anonym veröffentlicht in "Aufruhr - Anarchistisches Blatt", Zürich, Nummer 11, Jahr 1;

In der heutigen Zeit sind wir gezwungen, unser Leben – unsere Zeit und Energie – zu verkaufen, in den Dienst dieser beschissenen Ordnung zu stellen, um uns mit dem Lohn dann über Wasser zu halten. Die Arbeit gilt heute etlichen als etwas an und für sich wertvolles und in der Logik der Bürger wird selbst dem dümmsten Job irgendein Sinn abgewonnen. Wir, die wir gar nichts produktives zur bestehenden Ordnung beitragen wollen, halten auch nichts von der Arbeit, der Sklaverei unserer Zeit, und wollen stattdessen davon sprechen, dass diese Eigentumsordnung, die uns dazu zwingt, uns ausbeuten zu lassen, zu zerstören ist.

In dieser staatlich-kapitalistischen Zivilisation ist das Eigentum einer der heiligsten Werte. Unzählige Leute werden eingesperrt wegen sogenannten Eigentumsdelikten, und dafür haben die Herrschenden auch allen Grund, denn schliesslich ist der Respekt vor dem Eigentum – der damit eingebläut werden soll – einer der Grundpfeiler dieser Ordnung. Jeder soll zu einem guten Bürger konditioniert werden, der in seiner Ignoranz nur die Parzelle seiner kleinen, heilen Privat-Welt betrachtet und diese – ein eigentliches Gefängnis – liebt, verteidigt und nie ihre Grenzen übertritt.

Das Eigentum ist grundlegend mit der Herrschaft verknüpft. Das Eigentum definiert sich nicht dadurch, dass dem jeweiligen Individuum etwas gehört, sondern dadurch, dass es dieser Person allein und ausschliesslich gehören soll und zudem, dass dieses Eigentum einer Person rechtlich gehören soll, dass es durch einen legalen Titel geheiligt ist. Das heisst zum Beispiel: Das Haus, in dem du wohnst, gehört irgendeinem Typen, den du vielleicht nie gesehen hast und der von seinem Sessel aus sagt, was mit diesem Eigentum gemacht werden darf. Es bleibt also sein Eigentum, und du darfst nur nach einem fremden (seinem) Regelwerk darauf handeln.

Das Privateigentum hat aber eigentlich als Grundlage die Herrschaftsmacht. Wer effektiv das Eigentum gegen die, die weder betteln noch sich verkaufen wollen, gegen den Pöbel also, durchsetzt, das ist die Polizei im weitesten Sinne. Das heisst, es muss nicht unbedingt der uniformierte Bulle sein, es kann auch irgendein Anhänger der Legalität sein, der sich geneigt fühlt, Polizei zu spielen und die herrschende Eigentumsordnung zu beschützen. Es gibt leider viel zu viele, die sich durch Denunziation von z.B. so etwas alltäglichem wie Ladendiebstahl hervortun; bei Bonzen mag das ja noch einigermassen nachvollziehbar sein, das solch erbärmliche Gestalten aber teils Menschen sind, die von dieser Ordnung selbst so gut wie gar nicht profitieren, stärkt mich nur in der Überzeugung, dass die Gesetzestreuen mit zu unseren schlimmsten Feinden gehören.

Durch die Mittel der Eroberung nimmt das Eigentum immer mehr Raum ein, und was heute absurd wirkt, wird morgen schon irgendjemandes Privateigentum sein. Heute sind viele schockiert, das teils schon Wasser privatisiert wird, aber dass die unmittelbare Umwelt, in der du lebst, nicht dir gehört, sondern einer Firma, dem Strassenbauamt, etc., und dass irgendwelche Bürokraten und Architekten darüber bestimmen, wie deine Umwelt als nächstes verunstaltet wird, ignorieren die meisten. Wenn wir uns gegen zweiteres nicht auflehnen, wird ersteres immer eine Möglichkeit bleiben. „Der Fortschritt ist unaufhaltsam“, heisst es. Und solange nur der Kapitalismus fortschreitet, wird auch diese Welt immer kompletter zum Privateigentum von irgendwem. Und da hilft es auch nichts, die Verstaatlichung von irgendetwas zu fordern, denn das Prinzip bleibt das gleiche: Alle anderen, alle, die nicht offiziell Eigentümer sind, werden von der jeweiligen Sache ausgeschlossen. Und so produziert diese Ordnung Milliarden von Ausgeschlossenen, die sich an die Reichen verkaufen müssen, in Wohnungen gepfercht werden, die ebendiesen Reichen gehören, etc.

Wie gesagt: Hinter dieser Ordnung, die jedem sein parzelliertes Fleckchen zuteilt, steht die Regierung, die diese Sache verwaltet. Denn, um dieses ganze Spiel aufrechtzuerhalten, braucht es die Bullen, die den Regelverstoss bestrafen (oder gar verhindern). Was es aber noch vielmehr braucht, sind Untertanen. Leute, die diese Ordnung respektieren, das Eigentum respektieren. Darauf ist diese Ordnung aufgebaut, dass die Leute nicht permanent versuchen, sich der Maschinerie zu entziehen und sie im geeigneten Augenblick anzugreifen, sondern, dass sie an diese Ordnung glauben, hoffen, irgendwann ihren Teil vom Kuchen zu bekommen, nicht mehr Ausgeschlossen zu sein, sondern ihr möglichst tief in den Arsch zu kriechen, um dann darin zu versauern. Diesen Leuten ist der Respekt vor dem Eigentum so tief eingeprägt, dass sie es gar für „natürlich“ halten, und (dadurch) die Barrieren, die es zwischen alle Leute setzt, verewigen.

Wenn wir uns aber nicht mit den Parzellen abfinden wollen, die uns zugestanden werden, sehen wir, dass wir Ausgeschlossene sind. Die Möglichkeiten aber, die eine grenzenlose Freiheit mit sich brächte, sind enorm. Da wir nunmal in dieser Welt leben, wo alles eingezäunt ist, bleibt uns zur Befreiung nur die Möglichkeit, alle Zäune einzureissen. Wenn wir die Gleichgültigkeit und Bezugslosigkeit gegenüber dem, was auf der Welt passiert und existiert, überwinden wollen, dann dadurch, dass wir unsere Betroffenheit in Taten umwandeln, also nicht dadurch, dass wir uns mit unserer Ohnmacht abfinden oder es an andere delegieren, „die Dinge zu verändern“, sondern dadurch, dass jeder und jede Einzelne die eigene Verantwortung, die Initiative und Dinge in die eigenen Hände nimmt. Diese Aneignung des Lebens ist aber nur durch die Revolte möglich, durch die Aneignung der eigenen Destruktivität. Das setzt die komplette Respektlosigkeit gegenüber Gesetz und Eigentum voraus, um all die Institutionen, die architektonische Umgebung und die Bauten, die uns enteignen, ausschliessen und unterdrücken, zu zerstören – egal wessen Eigentum sie sich nennen. Denn die Welt gehört allen…

…wenn wir sie uns nehmen!