Titel: Die Welt verändern
AutorIn: Aufruhr
Datum: Dezember 2012
Bemerkungen: Anonym veröffentlicht in "Aufruhr - Anarchistisches Blatt", Zürich, Nummer 2, Jahr 1;

        Über die Kritik an der Gesellschaft…

        …und ihre Mängel

        Vom Angriff…

        …zur sozialen Revolution

Wir wollen uns nicht mit dem blossen Überleben zufrieden geben, in einer Welt, die unseren Bedürfnissen und Wünschen nicht entspricht. Was wir wollen, ist eine Freiheit ohne Kompromisse und ohne Vermittlung, eine Freiheit, die wir in einer Gesellschaft, die auf Ausbeutung basiert, nicht finden können, einer Gesellschaft wie diejenige, in der wir leben. Eine Gesellschaft, in der die freie Entwicklung der Individuen, ihre freie Übereinkunft und der freie Ausdruck ihrer Verlangen nicht möglich ist.

Aus eben diesen Gründen drängt uns unsere unaufschiebbare Suche nach Freiheit die Frage nach der Veränderung der Welt, die uns umgibt, auf.

Über die Kritik an der Gesellschaft…

Die Gesellschaft, in der wir Leben, setzt sich hauptsächlich aus institutionalisierten Beziehungen zwischen Individuen und zwischen Gruppen von Individuen zusammen, das heisst, Beziehungen, welche von einem Set von Normen reguliert werden, welche für alle Individuen gelten sollen. Diese Beziehungen werden von Personen, Strukturen und Traditionen aufrechterhalten und reproduziert. Einige Beispiele für solche institutionalisierte Beziehungen sind: die Familie (die Institutionalisierung einer Liebesbeziehung zwischen zwei Individuen und der Verhältnisse mit ihrer Verwandtschaft), die Arbeit (die Institutionalisierung der menschlichen Aktivität, in welcher ein Teil der Gesellschaft ausgebeutet wird, damit er den Reichtum für einige wenige Individuen produziert), die Geschlechterrollen (die Institutionalisierung des Mann-Frau Verhältnisses durch die Erschaffung der Rollen), die Hierarchie (die Institutionalisierung des Entscheidungsprozesses zum Vorteil einer Minderheit), das Privateigentum (die Institutionalisierung des Besitzverhältnisses zum Vorteil einer besitzenden Minderheit), die Autorität…

Diese Beziehungen definieren unsere Position und unsere Rolle im Innern der Gesellschaft. Was wir Anarchisten an der Gesellschaft kritisieren, ist genau diese Institutionalisierung der Beziehungen, die die Grundlage dafür schafft, dass ein Teil der Gesellschaft durch eine Minderheit ausgebeutet wird, und die die Individuen daran hindert, sich selbst frei zu definieren, die eigene Beziehung zu Anderen ausgehend von einer Grundlage der Gleichheit zu definieren und, schlussendlich, über das eigene Leben zu entscheiden.

…und ihre Mängel

Diese institutionalisierten Beziehungen sind nicht die einfache, von selbst entstehende Konsequenz aus den Beziehungen zwischen Individuen, die in jeder Gesellschaft existieren, sondern die Konsequenz einer Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Autorität basiert und dazu neigt, die Beziehungen zwischen ihren Mitgliedern zu vereinheitlichen und zu normalisieren, um sie besser kontrollieren zu können und ihr eigenes Funktionieren und Fortbestehen zu sichern.

Aus diesem Grund gibt es in dieser Gesellschaft Institutionen, die dazu dienen, die Reproduktion dieser institutionalisierten sozialen Beziehungen zu garantieren. Schule, Polizei, Arbeit… Institutionen, die fern davon, abstrakt zu sein, aus realen Strukturen und Personen bestehen.

Um die Gesellschaft zu verändern, kann die Kritik der institutionalisierten Beziehungen ein erster Schritt sein, aber nicht genügen. Bloss zu sagen, was falsch ist, hat noch nie etwas verändert. Zu versuchen, die Beziehungen mit Anderen auf einer individuellen Ebene zu ändern, ist sicher eine Möglichkeit, aber für uns ist auch diese Möglichkeit zu beschränkt. Im Grunde ist das, was wir verändern wollen, die Gesellschaft, und auch wenn wir verändern können, was direkt um uns herum ist, werden diese Veränderungen – solange eine gesellschaftliche Struktur existiert, die die bestehenden Beziehungen reproduziert und aufrechterhält – nicht fähig sein, über diese Gesellschaft hinauszugehen.

Vom Angriff…

Die Rolle der Institutionen in der Aufrechterhaltung und Fortbestehen der bestehenden Beziehungen bringt uns zur Frage des Angriffs auf die Strukturen. Wenn wir diese Gesellschaft verändern wollen, wird das Angreifen und Zerstören der Strukturen zur Notwendigkeit, um etwas Neuem und Anderem Platz zu machen. Es ist kein Zufall, dass in allen Revolutionen und Aufständen etwas vom ersten, das angegriffen wird, die Strukturen sind (Regierungsgebäude, Bullenposten, Militäranlagen, Kirchen, Gefängnisse, Schulen, Fabriken…). Das Angreifen dieser Strukturen hat auch einen direkten Einfluss auf die Beziehungen zwischen den Individuen.

Der Angriff auf eine Struktur der Macht, also eine Unterbrechung des normalen Funktionierens der Gesschaft, kann zu einem Ausgangspunkt für die Subversion der sozialen Beziehungen, für die Veränderung der Gesellschaft werden.

…zur sozialen Revolution

Eine Revolution ist ein Moment, in dem der Angriff auf die Strukturen der alten Gesellschaft verallgemeinert wird, was eine Situation der gewaltsamen Umwälzung der Gesellschaft, ihrer Regeln und der Beziehungen zwischen den Individuen kreiert, und die konkrete Veränderung dieser Beziehungen ermöglicht, frei von den alten Strukturen. In solchen Momenten des Chaos wird es wichtig, neue Beziehungen zu erschaffen, auf eine Art und Weise, dass die alten Strukturen sich nicht wiederaufbauen können.