Titel: Die nanotechnologische Drohung
Datum: Mai 2013
Quelle: Entnommen am 2.5.2015 von http://unruhen.org/?p=402
Bemerkungen: Anonym veröffentlicht in "Alles Geht Weiter - Zweiter Teil: Saboteure des Fortschritts", ohne Ort, Mai 2013, S. 17-22.

Denn nicht nur die Einsätze sind wir, um die gewürfelt wird, ausserdem sind wir die Würfelspieler selbst

Die Partner unseres Handelns, die uns gegenüberstehen, und die wir “behandeln”, sind nicht mehr Einzelne, sondern alle zusammen. Derjenige, der heute im ernstesten Sinne zu handeln hat, gerät gar nicht mehr in die Situation, in der er einen Einzelnen töten könnte. Wenn er handelt, dann geht es um Hunderttausende und um Millionen. Und zwar um Millionen überall, und sogar nicht nur um Heutige. Unser Partner ist also die Menschheit. Da wir in der Lage sind zum Beispiel durch Atomtests, von effektiven Atomschlägen ganz zu schweigen, jeden auf unserem Globus Lebenden zu treffen, betrifft uns nun jeder. Der Globus ist zum Dorf geworden. Das Hier zum Dort und das Dort zum Hier. Jeder Zeitgenosse ist nun unser Nächster. - Und was vom Raum gilt, gilt von der Zeit: Denn unsere atomaren Tests oder Kriege treffen nun nicht mehr nur unsere Zeitgenossen, sondern auch die künftigen Generationen. Auch sie sind zu Nachbarn geworden, auch sie sind nun unsere Zeitgenossen. Jeder Morgen ist für den Handelnden, da er durch die Folgen seines Handelns das Morgen erreicht, immer schon ein Stück von Heute. Und jedes Heute ist, aus demselben Grunde, immer schon ein Stück von Morgen.

Ein Teil unserer Aufgabe als Anarchisten ist es und wird es sein müssen, im Bezug auf neue Technologien vorauszuahnen, was passieren wird. Um darauf vorbereitet zu sein zu Handeln. Ja unser Handeln, und das Handeln aller Ausgebeuteten, die Direkte Intervention, neben all dem anderen Handeln – den Publikationen, den Plakaten, den Graffitis, den Debatten, muss sich zeitgemäß halten. Nicht um in zu sein natürlich, sondern um nicht zu blossen Abbildern unserer Selbst zu werden (Abbildern von Anarchisten und ähnlich Denkender anderer Epochen). Die Drohung, mit der uns der technologische Sektor konfrontiert, ist neben der weiterhin aktuellen atomaren Drohung - diese Drohung wird niemals mehr nicht aktuell sein[1] - die Drohung der Nanotechnologie. Diese aufzuschlüsseln soll die Aufgabe dieses Essays sein. Diese Aufgabe ist ziemlich hoch gesteckt, da wir uns nicht auf Informationen aus erster Hand verlassen können, sondern nur auf diejenigen, die medial an die “Oberfläche” gespült werden. An die mediale Oberfläche, muss betont werden. Denn was an der wirklichen Oberfläche bereits passiert, das dürfen wir nicht wissen. Aber was die Geheimdienste und Forschergruppen im Moment aushecken ist auch für uns Spekulation. Und darum beziehen wir uns auf alle Informationen, die wir finden können, und versuchen dabei so seriös wie es uns möglich ist, zu antizipieren was passieren könnte. Und vielmehr als das, wir versuchen die Diskussion auf einer radikal-philosophischen Ebene zu aktualisieren, die Drohung, die diese Technologie uns gegenüber ausspricht, zu beschreiben und damit angreifbar zu machen. Um gewappnet zu sein. Um einerseits nicht lethargisch und apathisch dem Existenten, das sich auf diese neuen Technologien basiert, gegenüberzustehen, wenn es sich beginnt zu verfestigen und somit handlungsfähig. Zu wissen wo sich die Bestie gerade aufhält. Zeitgleich ist dieses Essay als Erklärung gedacht, was mit Konsolidierung – Verdichtung der Techologie und des Kapitals gemeint ist. Mit der Nanotechnologie wird das augenscheinlich und leicht nachvollziehbar. Und was jenseits der Nanotechnologie erschaffen werden wird, das möchte ich gar nicht erst andenken.

Was also vollführt die Nanotechnologie? Unter welchen Druck wird sie die Menschheit setzen? Wie wird das Hiroshima der Nanotechnologie aussehen? Oder wird es überhaupt aussehen? Die Logik der Nanotechnologie legt den Schluss nahe, dass das Hiroshima der Nanotechnologie vom freien Auge nicht erkennbar sein wird (Für die Herrschaft ist es besser das Grauen nun zeitlich in die Länge zu ziehen, dort wo sie noch die Kontrolle darüber hat, und in der Entwicklung der Nanotechnologie glaubt sie noch, in der Kontrolle zu sein, wenn sich das auch als Trugschluss herausstellen wird. Wo sie die Kontrolle nicht hat, versucht sie die Katastrophe zumindest für sich zu gebrauchen.). Daher vielleicht auch tatsächlich im ersten Moment nicht wahrgenommen werden wird und daher auch leichter vertuscht werden kann, als solch ein wahnwitziges, spektakuläres an der gesamten Menschheit vollzogenes Experiment, wie das von Hiroshima bzw. das der Errichtung von Atomkraftwerken. Das Experiment der Nanotechnologie wird unweigerlich auch an der gesamten Menschheit vollzogen, da wir von der Tatsache ausgehen, dass selbst die hochgebildetsten Wissenschaftler diese Technologie, wie jegliche andere Technologie nicht unter Kontrolle haben und haben werden. Das ist im Satz “Die Wirklichkeit der Gefahr besteht nicht allein in der Existenz realer physischer Waffen, sondern im Stande unserer technischer Entwicklung. Im “know how”. In unserer Fähigkeit, auch das Abgeschaffte immer wieder neu zu schaffen. Das Prinzip der Technik ist das der Prinzip der Wiederholbarkeit” so enthalten. Sobald die Nanotechnologie beginnt sich zu verfestigen, wird sie um das zu erreichen, beginnen sich zu wiederholen und sie wird in erster Linie als etwas Menschengutes bezeichnet werden, um das zu erreichen. Wenn diese Verfestigung stattgefunden hat, hat sich diese Technologie bereits in einem Maße in der Menschheit manifestiert, dass sie ausser Kontrolle sein wird. Das hört sich verdammt noch mal nach historischem Determinismus an, werden die Leser schreien. Aber die Tatsache in diesem Falle ist nicht, dass wir eine Prognose in die Zukunft machen, sondern eine Prognose in die Vergangenheit. D.h. ich beschreibe hier etwas das bereits stattgefunden hat. Denn ich beschreibe ein Prinzip und mache keine Philosophie des Determinismus. Die Labors der Nanotechnologie existieren. Die Experimente sind am Laufen. Die Versuchsstadien sind für uns nicht genau meßbar, weil ein Stillschweigen darüber herrscht. Und es werden aus taktischen Gründen nur gewisse Informationen an die Öffentlichkeit gebracht. D.h. wir müssen schlichtweg davon ausgehen, dass wir uns in einem Labor befinden, auf das wir nur dann Einfluss haben, wenn wir revoltieren. Und zwar in erster Linie gegen das Potential des Experiments an uns Menschen. Und nicht erst wie in Hiroshima darauf warten bis das Experiment soweit manifestiert ist, dass die Frontlinie der Betroffenen nicht mehr revoltieren können, deswegen nämlich, weil sie nicht nur tot sind, sondern tot und pulverisiert. Sämtliches Leben wurde ihnen geraubt, nicht nur das Leben im Leben, sondern auch das Leben im Tod. Kein Friedhof, keine Bestattung, keine Möglichkeit der Angehörigen sich zu verabschieden. Nein, in den meisten Fällen nicht mal mehr Angehörige, weil die ja selbst pulverisiert sind. Dabei ist pulverisiert noch ein Hilfswort. “In Sekundenbruchteilen genetisch veränderter und dann ineinander verschmolzener und dann sofort zu Asche zerfallenes pulverisiertes Etwas” wäre wahrscheinlich etwas treffender. Man sieht die Schwierigkeiten, die ich habe, Worte so zusammenzukleben um nunmehr nach 67 Jahren zu beschreiben was damals passiert ist. Man wird verstehen, dass um einen Blick auf die Nanotechnologie zu werfen und eine Hypothese zu entwerfen was das bedeutet für den Menschen keine leichte Aufgabe ist. Aber ich sehe es gleichfalls als Aufgabe als Anarchisten an, zumindest den Versuch dahingehend zu unternehmen. Und das ohne, dass es das Hiroshima der Nanotechnologie gegeben hat. Also was mit dem Menschen bei der Umsetzung dieser Technologie passieren wird, ist nicht klar. Und meine Hypothese ist, dass wir uns ein gewaltiges Maß an Psychologie ansehen werden müssen, ja auch und speziell als Anarchisten, um einen Begriff davon zu bekommen was mit dem Menschen passieren wird, wenn die Technologie beginnt unter die Haut zu dringen. Und wenn es vielleicht keine Entscheidung mehr sein wird, für den Einzelnen, kein Mobiltelefon zu besitzen, oder es abzuschalten wenn es unangenehme Zuhörer am anderen Ender der unsichtbaren “Leitung” geben könnte usw. Denn wir haben keine Kontrolle über eine Technologie dieser Größe (dass Technologie generell immer dem ursprünglichem Erschaffer dient, und damit der Herrschaft, setze ich hier als alten Hut voraus). Und viele unserer Bekannten arbeiten heute unwissentlich mit an der Forschung für diese Technologie. Denn diejenigen auch der sogenannten Anarchisten, die sich aus Langeweile und Fetisch den Computern verschrieben haben und mitarbeiten an den kommenden dominierenden Betriebssystemen der Welt, arbeiten zwangsläufig mit an der Funktionalität der kommenden Technologien. Und auch wenn sie nur die Gegenbeispiele liefern, die Antithesen, der herrschenden Technologien. Wenn sie das liefern, was die herrschende Macht als Gegenpol braucht um einen Schub zur Weiterentwicklung zu erlangen. UNIX als Gegensystem zu Windows, stützt in erster Linie die Entwicklung der herrschenden Macht. Und in welcher Form Software gebraucht wird für die Entwicklung der nanotechnologischen Hardware kann ich hier zwar nicht genau aufschlüsseln, dafür fehlt es mir an Fakten und Wissen, aber wenn wir uns das Prinzip der Arbeit ansehen und er Verschleierung der einzelnen Arbeitsschritte, ist es ein leichtes abzulesen, wie der Schritt des einzelnen Computer – UNIX – Aktivisten zur Entwicklung des non plus ultra der neuen Technologie beiträgt[2].

“Bei einer Mehrzahl unserer heutigen Tätigkeiten wird nun [...] das Minimum an Moralität: nämlich die Bekümmerung um die Konsequenzen des Handelns, nicht mehr von uns verlangt. Und zwar deshalb nicht, weil die meisten unserer Handlungen, wie wir es schon zu Beginn gesehen hatten, als “Arbeiten” vor sich gehen und nur als “Arbeiten” gelten.

“Nur als Arbeiten”. Denn es gehört zu den entscheidenden Ereignissen der Industriellen Epoche, daß sie “Handeln” durch die Etikettierung “Arbeiten” in etwas moralisch Neutrales verwandelt hat; daß wir, solange wir an einer Tat, zum Beispiel an einer Aggressionsvorbereitung, nur arbeitend beteiligt sind, grundsätzlich absolviert zu sein scheinen, grundsätzlich alles tun zu dürfen scheinen, grundsätzliche Konsequenzen nicht mehr als unsere Angelegenheit zu betrachten, also nicht zu verantworten brauchen. Die Geheim-Maxime der heutigen “Arbeitsmoral” - machen wir uns darüber keine Illusionen – die lautet:

Solange die Arbeit währt, solange sollst du diejenige Attitüde, in der du “sollen” und “nichtsollen” kennst, annullieren; sollst du, statt Gewissen zu haben, nur “gewissenhaft” sein; sollst du moralisch beschränkt bleiben! Und diese Maxime, die diejenige der Angestellten der Vernichtungslager war, befolgen wir alle; wir alle sind überzeugt davon, daß wir uns am Makel der Tat, solange wir an dieser nur arbeitend teilnehmen, nicht infizieren werden.”

Als kleiner Beisatz für unseren Fall der sich selbst als Widerständige (Widerständige eines rein politisch gedachten Systems) gedachten UNIX- Aktivisten ist ihre Freiwilligkeit. Die Freiwilligkeit der “freien” - nicht proprietären Software, ist so etwas wie die Essenz ihres Elends. Denn sie wissen wirklich nicht was sie tun und dennoch glauben sie, sie tun das absolut Richtige. Das ist bereits ein psychologischer Vorläufer der Raffinerie der Herrschaft. Das nach dem Totalen strebende Spektakel das sich beginnt in den “Widerständigen” zu manifestieren. Informationstechnologie kann nicht kontrolliert werden. Der Kontrollierende wird nämlich sukzessive selbst zur Technologie. Selbst zum Apparat, selbst zum Beitragenden der Konsolidierung der Herrschaft über den Menschen. Die Aggressionen der heutigen Epoche, die Aggressionen der Nanotechnologie müssen aus psychologischer Ebene heraus erklärt werden. Sie sind im Vergleich zur Aggression die von der Wasserstoffbombe oder einem GAU bzw. Super GAU ausgehen, nicht sichtbar. Dabei ist aber das unter die Haut dringen eine vielleicht genauso höllische Aggression, weil das möglicherweise das subtile völlige Ausschalten des Individuums bewirkt, bzw. möglich macht. Also von einer psychologischen Ebene ausgehend, die nach der totalen Herrschaft über das Individuum strebende Macht erwirkt. Das ist aus Sicht der Macht über etwas oder jemanden qualitativ höherwertiger als die totale Auslöschung, weil ja durch die Auslöschung auch der Wille zur Macht über nicht mehr angewandt werden kann. Zumindest nicht über die ausgelöschten Individuen, natürlich aber über die übergebliebene Menschheit, die aber immer noch das Potential in sich trägt zu revoltieren. Meine Befürchtung ist aber, dass durch das unter die Haut dringen der Kontrollinstanz, die Macht über auf enorm verfestigter Ebene möglich gemacht wird und gleichzeitig dazu, viel weniger sichtbar, weil die Aggression erst langsam, aus Sicht der Psychologie aufgeschlüsselt werden muss.

Unsere Kameraden denen in Bellinzona der Prozess gemacht wurde, Billy, Costa und Silvia sind sich diesen, nennen wir sie Tatsachen, obwohl ich hier Hypothesen aufstelle, basieren diese doch auf einem bekannten technischen Prinzip, das automatisch zur Anwendung kommt, bewusst. Und die Verurteilung des schweizerischen – progressiven Staates über sie, basiert natürlich nicht auf die “Kriminalität ihres Vorhabens” sondern auf ihrem vermeintlichen Versuchs des moralischen Eingreifens in eine sich bald zu verwirklichenden Realität und ihrem Anspruch als Anarchisten, sich mit einer Direkten Aktion gegen das Existente zu richten. Sich gegen die Forschung zu richten, deren technische Logik bekannt ist, heißt sich gegen das Existente zu richten, auch wenn das erforschte Gebiet von der Macht noch nicht völlig und offiziell zum Existenten gemacht wurde. Das macht ihren angeblichen Versuch zum Angriff auch erfolgreich, auch wenn dieser leider keine physischen Auswirkungen auf das IBM Labor hatte. Aber die Kritik wird dennoch offen sichtbar, die sich gegen das technische Prinzip richtet, auf dem die nanotechnologische Forschung aufbaut.

Die Darstellung der Nanotechnologie durch die Vorbilder in der Natur, sollen uns vorgaukeln, Nanotechnologische Experimente hätten etwas mit der Natur zu tun.
Wie immer im Kontext der Technologie haben wir es auch hier mit dem propagandistischen Versuch zu tun die Technik nach Natur aussehen zu lassen. Ob das hier mit Kalkül passiert, also eine Art Verschwörung gegen die Menschheit darstellt, oder nur der holprige Versuch ist, die Technik menschlich zu machen, ist nicht wirklich wichtig. Ich habe in früheren Momenten festgehalten (AGW Erster Teil), dass die Technologie versucht den Menschen zu entmenschlichen und ihn so zu einem Werkzeug zu machen, das nicht einmal mehr weiß, dass es Teil der Raffinerie ist. Das zieht sich in die kleinsten Details. Im Versuch die Nanotechnologie natürlich aussehen zu lassen, sehen wir die Erweiterung dieser Logik. Der Mensch, der sich in den Dienst der Sache der Technologie stellt, weiß oft gar nicht mehr in welchem Dienst er steht. Mit dem Versuch die neuen Technologien natürlich zu gestalten, versucht er sich vorzugaukeln, dass er nicht entmenschlicht ist und mit diesem Vorgehen entfernt er sich mehr und mehr vom Menschsein. Der Beweis Mensch zu sein und damit Natur wird zwangsläufig zu einem Beweis der Unnatürlichkeit und der völligen Entfremdung von sich selbst und seiner Umgebung. Jeder Versuch des Beweises zeigt auf drastische Weise auf, wie sehr er zu einem Teil des Ganzen geworden ist, das nichts mehr mit sich selbst zu tun hat. Wer das Prinzip der Technik einmal verstanden hat, braucht die Technologik nur weiterzuspinnen und wird diese abstruse Form der Verzweiflung wieder und wieder entdecken. Das natürlich auch in der Nanotechnologie. Nur das hier die Partikel so klein werden, dass es für den Menschenverstand schwieriger und schwieriger wird die Technologik nachzuvollziehen.

Das Tragische an dieser Technologie ist, dass der Effekt auf die Natur und den Menschen in erster Linie nicht spektakulär sein wird, sondern subtil.

Der echte Totalitarismus ist kein politisches System, er ist eine Art philosophische Unterdrückung, mit realem Leiden der Unterdrückten. Alles was von Menschenhand geschaffen ist, kann auch von uns wieder zerstört werden. Aber die Erschaffung eines Potentials, die Erschaffung einer Möglichkeit (die Erschaffung von einem technologischen Prinzip, das sich unweigerlich in den Dienst der Unterjochung einger Weniger über viele Andere, stellt), kann nicht angegriffen, demnach auch nicht zerstört werden.

Das ist für unsere Überlegung wichtig, weil wir das Reale, das Existente angreifen können und das auch tun müssen, aber nur mit der verinnerlichten Desillusioniertheit, dass wie eben die Möglichkeit, bzw. das Potential der Technologie “uns und die Welt zu zerstören und zu unterjochen” - und dahin strebt sie – nicht einmal angreifen können und daher auch nicht zerstören.

Wir können eine Mentalität bekämpfen, die diese Zerstörung und Unterjochung schürt und zu verwirklichen versucht, aber das Potential und die Möglichkeit unserer Unterjochung durch die Technik (ob nukleare Technologie oder Nanotechnologie, weist natürlich Unterschiede auf, aber das Prinzip gilt für beide).

Und Teilaufgabe von uns Anarchisten ist der Angriff auf diese Mentalität. Und auf dieser Ebene lässt sich mit der Arbeit direkt beginnen. Also existiert Total(itar)ismus tatsächlich als Möglichkeit.[3]

Nachdem sich das Kapital in den letzten Jahrzehnten dezentralisiert hat (und damit auch überall angreifbar ist) liegt der Schluss nahe, dass die Bedrohung auch zunehmends dezentralisiert. Das Kapital ist untrennbar mit der technologischen Entwicklung verbunden. Mit der Dezentralisierung entspektakularisieren sich auch die Symptome, was sie nicht weniger gefährlich macht, im Gegenteil. Sie werden sogar noch gefährlicher, weil sie als Symptome zu suchen sind und nicht als großer Knall schockieren. Und üblicherweise können Symptome nur schwer ausgemacht werden. Sie müssen beobachtet werden und langsam auf einen Punkt gebracht. Was der “Vorteil” an der Katastrophe von Hiroshima war, im Vergleich zu den zeitgenössischen technologischen Forschungen und Experimenten, es war schlagartig klar, dass so etwas ethisch falsch ist, die Auswirkungen waren unmittelbar zu sehen. Dass die Herrschaft nicht unmittelbar auf ihren Wahnsinn reagiert, läßt sich durch das autokratische Naturell der Herrschaft erklären. Aber die Auswirkungen der nuklearen Experimente sind für jeden noch “so einfachen Menschen” mit freiem Auge erkennbar[4]. Die Macht hat sich an diese Tatsache angepasst und versucht durch die Erfindung von Technologien, die nicht unmittelbar und nicht so schockierend das Leben verändern, verenden und zerstören von sich selbst abzulenken. Und genau das zeigt sich in den neuen Entwicklungen, in der Gentechnik ebenso, wie in der Nanotechnologie. Ein Aufschrei der Anarchisten, oder anderer Kritiker des Existenten werden von der “Allgemeinheit” nicht wahrgenommen oder gestützt, da sich die Aufschreie und Interventionen nicht auf etwas basieren, wie einer Katastrophe, dem Massenmord in Nagasaki oder Hiroshima. Und das Problem hierbei ist, dass sich Menschen, die mit Direkten Aktionen gegen den postmodernen Wahnsinn vorgehen, erst dann in der Allgemeinheit auf Verständnis stossen, wenn klar wird, dass es Symptome gibt. Also Resultate der allgemeinen Experimente der Herrschaft an uns Menschen. Erst wenn Krankheiten diagnostiziert sind, besteht die Möglichkeit, dass der eine Teil der Unterjochten dem anderen Teil der Unterjochten Recht gibt im Bezug auf ihr Einschreiten. Aber hier müssen wir dennoch einen Schritt weitergehen, denn die Auswirkungen der Macht auf die gesamte Menschheit sind mittlerweile so diffus, dass die Unterjochten ja nicht einmal mehr die Symptome die von der Ausbeutung und Unterdrückung als Anlass nehmen um zu revoltieren (weil sie diese nicht als Symptome der Gesellschaft wahrnehmen). Wir brauchen kein besonders aufregendes Essay zu schreiben, um “zu beweisen” dass der Krebs etwa eine Gesellschaftskrankheit ist, deren Auslöser in der weitesgehend sozial und psychologisch verrotteten Gesellschaft zu finden ist. Dennoch, das Resultat ist keine Revolte, sondern die Erweiterung der Technologie, der medizinischen Technologie nämlich, die gestützt wird von den Symptomen, die andere Teile der Technologie zuvor verursacht haben. Also eine Weiterentwicklung der Technologie, anstatt “den Stecker zu ziehen”. Etienne de la Boetie fällt mir dabei immer wieder ein. Die Dummheit des Menschen, die Würdelosigkeit und die stille Partizipation am Wahnsinn. Diese Tatsache läßt nur eine düstere Prognose im Bezug auf die Nanotechnologie zu. Wenn Symptome zu sehen sein werden, ist es zu spät. Auf diesem Niveau gibt es keine Möglichkeit einer “Rückholaktion”, wie sollte das vonstatten gehen? Die einzige Antwort kann nur(!) die ständige Revolte sein. Denn selbst in diesem Fall, der nicht sicherstellt, dass wir nicht dennoch an den Auswirkungen der Technologie buchstäblich verenden (oder wie im Hand-ist-mit-Bierflasche-verschmolzen - Beispiel ersichtbar, noch viel schlimmerer Form des Todes) bzw. langsam dahinsiechen, wie das bei vielen Krebspatienten der Fall ist, können wir durch die Revolte zumindest unsere Würde retten und gleichzeitig die Tür zu Aufständen und Revolutionen offen halten, die ansonsten undenkbar sind.

Nachdem die politische Konzeption des Kampfes für die klassenlose Gesellschaft aus philosophischer Sicht mit 1945 veraltet ist, haben sich eigentlich die Mehrzahl der Kämpfe der Nachkriegszeit auf eine falsche Annahme, ein falsches Ziel gestützt. Erst kürzlich wurde die Konzeption auf deren Basis die Kämpfe heute stattfinden, aktualisiert. Die Konzeption früher hiess Klassenkampf und heute heisst sie Sozialer Krieg.

Und der Soziale Krieg richtet sich nicht mehr in Richtung einer klassenklosen Gesellschaft, sondern er ist geboren aus dem Nihilismus den diese Gesellschaft täglich reproduziert und diese Konzeption hat genau deshalb das Potential für die heutigen Kämpfe den Nährboden zu liefern, der seinerseits ein Träumen möglich macht (immer seltener zwar, aber dennoch) sowie einen damit verschmitzten Blick auf die Utopien zu riskieren. Der Traum der klassenlosen Gesellschaft wird, wenn auch das wortlose Bild des Traumes ähnlich aussehen mag, nicht mehr (allein) durch klassenlose Gesellschaft beschreibbar sein, sondern wird sich, nachdem wir von einer anderen Realität ausgehen, neue Begriffe benötigen. Im heutigen, fortgeschrittenen Zustand der Welt ist der Traum nach der klassenlosen Gesellschaft eine Art weniger schlimmes Übel, aufgrund oben hergeleiteter Neuerungen von der Macht. Wiewohl der Traum von der antiautoritären Gesellschaft uns sehr wohl hilft. Der antagonistische Charakter der Befreiungsbewegungen, richtet sich immer gegen Autoritäten, wenn auch eine Betonung darauf gelegt werden muss, die alten Formen der Autorität mit den neu aufgetauchten zu verknüpfen und sich gegen alle gleichzeitig zu richten und sich damit selbst zeitgenössisch zu halten.

Die Massenrevolten sollten im allgemeinen zunehmen. Die Politiker und Parteien werden versuchen diese zu vereinnahmen und ihr Scherflein zur Verschärfung des Bürgerkriegs beitragen. Die Herrschaft bereitet sich darauf vor. Wir als Anarchisten müssen mit einem Auge diese Entwicklungen beobachten und damit die Voraussetzung schaffen, dass wir nicht nur einem Strassenfest nacht dem anderen hinterhereifern, sondern sichergehen, dass wir im zeitgenössischen Zustand auch weiterhin Subversive bleiben, die kalkuliert handeln können, wo sie das für gut und richtig halten.

Aber wir können nicht feststellen ob das Maß an Desillusioniertheit an einem Ort wie Paris nicht höher ist, weil sich diese Manifestationen im Zentrum abspielten (und die Leere de und viele der Revoltierenden der Länder um Europa auch revoltierten um ins Zentrum zu kommen, sie als erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten das gleiche Maß an Desillusioniertheit erreichen werden, das sie zuvor in ihren ursprünglichen Ländern schon erlebten. Außerdem spielt sich in den abgeschlossenen Nationen in Nordafrika und dem nahen Osten eine andere psychologisches Szenario ab, als in Zentraleuropa bzw. Griechenland offensichtlich wegen ihrer Koppelung an andere EU- Staaten.

>> Offenlegung des Nihilismus. Verknüpfung zwischen der atomaren Drohung und der nanotechnologischen Drohung. Über diese freigelegte Hintertüre, Erklärung der neuen Begrifflichkeiten unserer Kämpfe der letzten und der kommenden Epoche. Aktualisiertung der sichtbaren Möglichkeiten in diesem Kampf, um den Raum der Unmöglichkeit offen zu halten. <<

 

[1] Denn nichts wäre verhängnisvoller, als zu glauben, es sei uns nunmehr vergönnt, uns gehen zu lassen. Vergessen wir nicht: Die Wirklichkeit der Gefahr besteht nicht allein in der Existenz realer physischer Waffen, sondern im Stande unserer technischer Entwicklung. Im “know how”. In unserer Fähigkeit, auch das Abgeschaffte immer wieder neu zu schaffen. Das Prinzip der Technik ist das Prinzip der Wiederholbarkeit.
Die Gefahr der Apokalypse ist also niemals gebannt. Wie die Monstra des modernen Krieges herzustellen sind, das ist unvergessbar, das ist unverlernbar. Vieles kann der Mensch lernen. Aber zu verlernen, derartiges zu verlernen, das hat er noch niemals gelernt. Und das wird er auch niemals lernen. -“ Wenn man die Hoffnung auf das “ein für alle Mal wird unser Problem ausgeräumt sein” zerstört, wie wir das hier tun, so passiert das, damit wir illusionslos sehen und wir uns im klaren darüber sind, daß der Kampf, der vor einiger Zeit begonnen wurde, und in dem wir uns nun befinden, von nun an ein niemals mehr endender Kampf bleiben wird. Jeder gewonnene Tag wird zwar ein gewonnener Tag sein. Aber kein gewonnener Tag wir eine Bürgschaft für die Gewinnung des morgigen Tages darstellen. Ankommen werden wir niemals. Was vor uns steht, ist also die Endlosigkeit der Unsicherheit. Und unsere nicht endende Aufgabe wird darin bestehen, daß wir dafür sorgen, daß mindestens diese Unsicherheit kein Ende nehme. Ich betone diesen Punkt deshalb, weil unser Kampf von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre, wenn wir seine Natur falsch einschätzen würden. Er ist nicht nur unsere Aufgabe, nicht nur die Aufgabe unserer Generation; sondern die aller Menschen von nun an. Also unser Schicksal. Unseren Willen werden wir, sofern man unsere Kinder läßt, unseren Kindern vererben müssen. Und diese werden ihn, sofern auch ihnen ihre Kinder gelassen werden, auch ihren Kindern weitergeben müssen. Den Kampf zu gewinnen ist zwar notwendig. Aber kein Gewinn wird einen endgültigen Gewinn darstellen. Wer ihn aber verlieren wird, der wird ein für alle Male verlieren. Für meine Vorfahren: denn von diesen wird nach ihrer Niederlage kein Zeichen mehr melden. Und für seine Nachkommen: denn die wird es nach seiner Niederlage nicht mehr geben.
Ankommen werden wir niemals. Die endgültige Durchsetzung des prekären Moments innerhalb der Menschheit war dadurch geschaffen. Kein Wunder also, dass kurz darauf sich die ersten “No Future” Rufe auftaten die menschliche Kultur aufs radikalste an die Wirklichkeit anzupassen. Und wir heute sind wiederum Kinder von diesen Rufern, bzw. von der Ursache, von der Bedrohung durch die Apokalypse, einem bedeutenden subversiven Faktor in der Menschheit.

[2] Nehmen wir einmal an, wir arbeiteten als Fabrikarbeiter an einer Maschine A, in der Teile von Maschinen des Typs B hergestellt werden. Worin bestünde unsere Aufgabe? Gewiß nicht darin, Maschinen vom Typ B zu erzeugen. Nein, noch nicht einmal darin, die gewünschten Teile von B zu produzieren. Sondern lediglich darin, unsere Maschine A, die ihrerseits (was uns aber gewissermaßen nichts angeht) Teile der Maschine B ausspuckt, gewissenhaft zu bedienen. Daß diese Maschinenteile von B aus unserer Maschine A herausfallen, das ist nur die Folge unseres Arbeitens, wir Arbeitenden sind auf dieses Ziel, unsere Maschine A gewissenhaft zu bedienen abgestimmt. Tatsächlich gilt es nicht nur als überflüssig, sondern als geradezu unerwünscht, daß wir darüber Bescheid wissen, oder es uns vorstellen, oder uns den Kopf darüber zerbrechen, für welche Maschinen B die von unserer Maschine ausgespieenen Teile bestimmt sind; oder welche Maschinen vom Typ C mit Hilfe der Maschinen B hergestellt werden sollen; oder welches Ziel D man durch Verwendung der Maschinen C zu erreichen versuchen wird. - Und was unerwünscht ist, das ist auch unmöglich, mindestens nahezu unmöglich. Denn der Umstand, daß der Betriebsapparat, innerhalb dessen wir arbeiten, uns auf eine spezielle Leistung an unserer Maschine A festlegt und beschränkt, der macht und “beschränkt”, nämlich unfähig, uns mit der Bewandtnis unserer Arbeit, also mit deren Sinn für B, C und D zu beschäftigen, uns über diese den Kopf zu zerbrechen oder uns diese vorzustellen.
Und diese Beschränktheit, ist eo ipso eine moralische Beschränktheit; Denn “moralisch” ist ja derjenige, der die Folgen und die Folgen der Folgen seiner eigenen Tätigkeit abwägt; und der seine Tätigkeiten auf Grund dieser Abwägungen durchführt, modifiziert und unterläßt.”
Was wir in unserem Fall im Auge behalten müssen ist die Virtualität der Arbeit. Das Fließband der Postmoderne ist virtuell. Die Arbeit ist zwar real und hat reale Auswirkungen auf unser Leben und unsere Wirklichkeit und demnach dem Existenten, dennoch ist der heutige “Arbeiter” oder eben Aktivist der Möglichkeit beraubt aufgrund von der völligen Langeweile der wiederholenden Tätigkeiten seinen Wahnsinn zu reflektieren und dagegen zu revoltieren und die Maschine an der er arbeitet zu zerstören. Das heutige Fließband schließt eine Kreativität mit ein, die dem herkömmlichen Fließband fremd war, bzw. die am herkömmlichen Fließband nicht vorhanden und nicht möglich war. Der Computer macht ein gewisses Maß an Kreativität möglich, ja er macht sogar eine vergewaltigte Form der Kommunikation unter den Ausgebeuteten möglich. Die Kreativität und diese abartige Form der Kommunikation hindert den Arbeiter daran sein Fliessband zu zerstören, weil er sich noch mehr damit identifiziert, als das dem herkömmlichen Fließbandarbeiter möglich war. Die hier laufende Agitation wird daher unter den betroffenen Menschen, die sich ihrer Fließbänder verschrieben und untergeordnet haben noch mehr Unmut hervorrufen, als die ursprüngliche Agitation der Anarchisten, die gegen das offensichtlichere Fließband wetterten. Aber da sich die Waren in den virtuellen Raum verschoben haben, hat sich auch das Fließband virtualisiert. Die Intellektuellen werden wieder und wieder Rechtfertigungen für die Existenz des bereits Existierenden finden.

[3] Die Technik macht das möglich. Die unkontrollierbare Element der Technik. Die Atombombe, die konstante Möglichkeit eines Reaktorunfalls. Die schwelende Möglichkeit der unwiederrufbaren psychologischen Veränderung, der Entmenschlichung durch die Technik, die Computertechnologie, im Speziellen durch die Nanotechnologie, aber die Wirklichkeit der Unterjochung des Menschen strebt (!) nach dem Totalen.

[4] Nagasaki: “Und all das ist nun hier, obwohl wir uns wahrhaftig in keiner modernen Kunstgalerie aufhalten, zu sehen. Denn da ist zum Beispiel ein – ja, wie soll ich es nennen? - ein Gegenstand, der beim ersten ahnungslosen Hinblicken unkenntlich bleibt; aber nach der Lektüre der erläuternden Unterschrift langsam eine Verwandlung durchmacht, bis er plötzlich identifizierbar wird – tritt fort! Nein, auch wenn es kein “Gegenstand” ist, sondern ein Monstrum – tritt nicht fort, du hast es zu sehen, und du hast es beim Namen zu nennen. Denn was dir da vor Augen liegt, nur zehn Zentimeter vor dir, nur durch eine Scheibe von dir getrennt, so nah wie dein eigener Leib, das ist eine mit dem Glas einer Bierflasche zusammengeschmolzene Hand. Wo die Flasche aufhört Flasche zu sein, und wo die Hand beginnt, Hand zu sein, das ist nicht auszumachen – aber den Bruchteil einer Sekunde voher war da einer gewesen, der durstig die Flasche an seinen Mund hatte führen wollen, den ersten Zug hatte er vielleicht schon getan, mindestens zu Ende hätte man den Mann trinken lassen sollen – aber dann fiel die Schneide dieses jüngsten Gerichts dazwischen; und genausowenig, wie es diese Schneide interessierte, ob die Handlung zu Ende war oder nicht, genausowenig interessierte es sie, wo eine Hand aufhört, Hand zu sein, oder eine Flasche anfängt, Flasche zu sein – den Schnitt legt sie, wie es ihr beliebte – was geht sie schon die Verschiedenheit der Seinsweisen an – wo ihr ja doch “alles eins” ist, wo beides ja auf gleiche Weise schmelzbar ist, wo beides ja “nichts als” zerstörbares Material ist – wahrhaftig, wenn es eine sinnvolle Definition des Nihilismus gibt, nicht, daß er alles als “nichtig”, sondern daß er alles als auf gleiche Weise vernichtbar ansieht, macht Nihilismus aus.”