Titel: Internationale Solidarität
AutorIn: Meltzer, Albert
Datum: 1976
Quelle: Albert Meltzer: "Internationale Solidarität", Verlag Impuls , Bremen, 1978.
Bemerkungen: Originaltitel:"The international revolutionary solidarity Movement" veröffentlicht 1976 von Cienfuegos Press.

    ALBERT MELTZER

    1900 - 1939

    1939 - 1945

    1945 - 1960

    1960 - 1966

    EINIGE DOKUMENTE

      An alle revolutionären Bewegungen und Organisationen der Welt

      DIE ANARCHISTISCHE INTERNATIONALE

      UND WIE SOLL’S JETZT WEITERGEHEN?

        Die westliche Gesellschaft, die Dritte Welt und die Anderen!

        REVOLUTIONÄRE SPLITTERGRUPPEN

        ZIELE

        EINE DRINGENDE BITTE

      PRESSEERKLÄRUNG

      Operation Durruti

        STELLUNGNAHME DER FIJL UND DER GRUPPE l.MAI

        DIE VERTEIDIGUNG

        PRESSEKONFERENZ MIT OCTAVIO ALBEROLA IN NEW YORK

        DIE TRICKS DES MILITÄRS UND DES TRIBUNALS FÜR ÖFFENTLICHE ORDNUNG IN MADRID

        INTERNATIONALE PROTESTE

        FRANCOS UNTERDRÜCKUNG UND DIE FARCE VON DER "LIBERALISIERUNG"

      NACHWORT

    Chronologie

      1960

      1961

      1962

      1963

      1964

      1965

      1966

      1967

      1968

      1969

      1970

      1971

      1972

    Anhang

      Befreit Valpreda

        HINTERGRÜNDE

        PARTEIEN

        GESPRÄCH

      WAS GESCHAH IM DEZEMBER 1969?

        ROLLE DER FASCHISTEN UND DER JUSTIZ

        MORD

      FREIHEIT FÜR MARINI

      ANGRY IN THE MIND

ALBERT MELTZER

Albert Meitzer ist bisher des öfteren auf verschiedene Art und Weise eher karikiert worden, als daß er charakterisiert worden wäre. Insoweit er in Büchern beschrieben wird (die Bücher in denen das geschieht reichen von der Biographie des Schauspielers Sir Laurence Oliver bis zu einem Buch, welches von Buenaventura Durutti handelt), wird er als "trade unión official" (Gewerkschaftsbürokrat), "Boxer", "Professor" oder als "selbstzerstörerischer Künstler" eingestuft. Keiner dieser Charakterisierungen trifft zu.


Albert Meitzer wurde 1920 in London geboren. Seit seinem 15.Lebensjahr machte er sich mit dem Anarchismus vertraut. Kurze Zeit, nachdem er sich den anarchistischen Ideen zugewandt hatte, - in Spanien waren gerade der Bürgerkrieg und die soziale Revolution ausgebrochen- trat er in die anarchistischen Bewegung ein, um in Großbritannien die größtmögliche Unterstützung für die Kämpfer der CNT-FAI aufzubauen. 1937 brachte er die Zeitschrift "The Struggle" heraus, die erste vieler anarchistischer Zeitschriften, die er im weiteren Verlauf seines Lebens noch publizierte oder an der Publikation mitwirkte. In diese Zeitspanne fällt auch sein starkes Engagement in vielen Mietstreiks und der Bewegung für Arbeiterräte.

Seit Ausbruch des 2.Weltkrieges arbeitete er mit Vernon Richards, Marie Louise Beneri, Tom Brown und .anderen in der Zeitung "War Commentary", welche später den Namen wechselte und sich fortan "Freedom" nannte, unter dem sie noch erscheint. Außer dem soeben erwähnten "War Commentary " gab er ebenfalls die Zeitung "Workers in Uniform" mit heraus und war Sekretär der 2ten anarchistischen Föderation. Als er Ende des Krieges als Soldat in Ägypten stationiert war, nahm er am Aufbau von Soldatenräten in Kairo teil- eine revolutionäre Episode, die in ihrer Gesamtheit noch darauf wartet, erzählt zu werden. Als sich nach Kriegsende die Londoner "Anarchist Group" rekonstituierte, wirkte A.Meitzer bei ihrer Organisierung mit und baute die "Union of Anarchist Group” auf, wurde 1953 Herausgeber der Zeitschrift ”The Syndicalist” und formierte, gemeinsam mit Albert Grace und Philipp Sansom, das "Anarcho-Syndi- calist Commitee” , arbeitete später mit der Gruppe, die "Cuddon's Cosmopolitan Review” , publizierte, zusammen, welche später zu "Black Flag Group” wurde .


Als im September 1967 Stuart Christie nach Großbritannien zurückkehrte, nachdem er 3 1/2 Jahre eines Urteils, das auf 20 Jahre lautete abgesessen hatte, welches er für seine Beteiligung an einem Attentat auf Franco erhalten hatte, organisierte dieser die Gruppe "Anarchist Black Cross". "ABC” und "Black Flag Group" schlossen sich kurze Zeit später zusammen und begannen das "Bulletin of the ABC" herauszugeben, dessen Name 1970 in "Black Flag Group" umgewandelt wurde.

Diese gesamt Zeitspanne hindurch war Albert Meltzer eng mit der internationalen aktivistischen Bewegung verbunden, den libertären Gefangenen auf der ganzen Welt helfend, durch das "Black Cross" als Zeichen und Inhalt des Aufbaus einer aktiven internationalen Solidarität und einer wirkungsvollen aktiven anarchistischen Internationale.

(Cienfuegos Press)

1900 - 1939

Der Anarchismus wird wieder einmal in der Geschichte von jeglicher reaktionären Kraft als ihr Erzfeind bezeichnet. Die Regierungen der Welt schließen sich gegen die allgemeine Bedrohung durch das Volk immer enger zusammen; sie fürchten sich vor einem Klassenkampf ohne Einschränkungen durch parlementarische Spielregeln, vor einer Arbeiterklasse, ohne Führung, die, sei es durch eine neue Diktatur oder durch bürgerlichen Parlamentarismus, Autorität ausüben will. Vor dem ersten Weltkrieg kam der Antrieb zur Revolution hauptsächlich von den anarchistischen und syndikalistischen Bewegungen. Als sich jedoch nach dem Scheitern der russischen Revolution der autoritäre Kommunismus etablierte, konzentrierte der Weltkapitalismus seine Energien auf die Vernichtung dieser Existenz und erweckte so den Eindruck, die libertäre Bewegung und ihre Ideen seien höchstens als Randproblem des eigentlichen Kampfes ernstzunehmen, zumindest was die organisierte Arbeiterklasse betrifft. Nur in wenigen Ländern übernahm der Anarchismus die Führung.

Der Kapitalismus wandte wann immer nötig genauso diktatorische Methoden an wie der Staatskommunismus und erzwang so eine Situation, in der offensichtlich (Staats-)kommunismus oder Faschismus die Alternativen zu sein schienen.

Trotzdem konnte die anarchistische Bewegung den Klassenkampf in den 20er Jahren in der gleichen Stärke aufrechterhalten. Während der Diktatur Primo de Riveras in Spanien (als die sozialistischen Führer Ämter übernahmen, um die sozialistische Gewerkschaft auf Kosten der CNT zu etablieren) übernahm die anarcho-syndikalistische Bewegung (CNT) die ganze Last der Organisierung der Arbeiter, ebenso während der nachfolgenden verräterischen Republik. in Italien bildeten individuelle und kollektive Angriffe auf Mussolini und sein Regime den Kern des antifaschistischen Widerstands. In Frankreich kämpften die Anarchisten eine verlorene Schlacht für die Erhaltung der ursprünglich syndikalistischen Basis ihrer Gewerkschaften; während die IWW, Erbe aller libertären und syndikalistischen Traditionen aus Europa und Amerika, in den USA einen mutigen Kampf gegen die Reaktion ausfocht. In Argentinien und Uruguay fanden blutige Anschläge auf die anarchistische Bewegung statt, die für die Solidarität der Arbeiterklasse gegen die Selbstsucht der Herrschenden kämpfte. In China verkaufte die kommunistische Partei die proletarische Revolution, indem sie den erfolgreichen Bürgerlichen unter Tschiang Kai Tscheck folgte. Die Anarchisten führten weiterhin den Kampf für Arbeiterräte mit denselben Parolen wie in der ersten deutschen Revolution von 1918 und bei den Fabrikbesetzungen in Italien. In Rußland setzte sich der Kampf von den Kriegsschauplätzen und Fabriken in die Gefangenenlager fort. In England taten sich die Anarchisten in der Betriebsratsbewegung und besonders in der Arbeitslosenbewegung hervor.

All dies unterstützte eine Bewegung, die vor dem ersten Weltkrieg einen bedeuterlden Stellenwert im internationalen Klassenkampf erreicht hatte. Dennoch war es nicht wegzuleugnen: Trend der Nachkriegsära war "Kommunismus gegen Faschismus". Nachdem sich der Faschismus in den am stärksten vom Staatskommunismus bedrohten imperialistischen Ländern "ohne genügend Lebensraum" durchgesetzt hatte, bedrohte er auch zunehmend die imperialistischen Länder "mit genügend Lebensraum", die stabil genug waren, jenem Druck zu wiederstehen; und so entwickelte sich die Situation "Demokratie gegen Faschismus". Die herrschende Klasse hatte auf den ganzen Welt gedroht die demokratischen Freiheiten abzuschaffen und den Faschismus zu errichten, wenn ihre Vorherrschaft bedroht würde, Faschismus aber wurde immer mehr mit dem aggressiven Imperialismus "für mehr Lebensraum" im Gegensatz zu den defensiven Mächten gleichgesetzt Viele sahen jetzt gemeinsame Interessen von Arbeitern und Kapitalisten; die kommunistische Partei griff das Thema unablässig auf in der Absicht, die Sowjetunion zu verteidigen.
Diese Periode endete mit dem spanischen Bürgerkrieg. Die anarcho-syndikalistische Bewegung reagierte hier als erste auf den auf "Recht und Ordnung" ausgerichteten Militärputsch, indem sie ihm die organisierte Kraft und spontane Aktion der Arbeiter entgegenstellte .

Sie reagierten mit der ‘ stärksten Waffe aus ihrem Arsenal auf die rebellierende Armee im eigenen Land: mit der Revolution. Feudalismus und Faschismus schlugen mit vereinten Kräften mit ihrer schärfsten Waffe zurück - Völkermord. Durch den Verrat der Republik, die sich weigerte, sich selbst zu verteidigen und die Arbeiter zu bewaffnen, die als einzige ihren Umsturz verhindern konnte, wurde aus dem Aufstand des Militärs trotz Eindämmung ein Krieg. Angesichts der reaktionären Elemente in der spanischen Regierung (die von der kommunistischen Partei und ihren' ausländischen Hintermännern unterstützt wurden) war die libertäre Bewegung geneigt, die Revolution preiszugeben und stattdessen einen Bürgerkrieg zu führen; bald war es zu spät für eine Kursänderung, denn der Feind war zu durchtrieben und zögern hieß sterben. Die libertäre Bewegung wurde zweifellos auch von einer Führung verraten, die sich unter dem Deckmantel des Krieges in Autoritäts- und Machtpositionen hineinmanövrierte .

Das Fehlen von Parteidisziplin , Fluch der anarchistischen Bewegung, ermöglichte es denen, die "gut bekannt" waren, zu einer Führung aufzusteigen, die sich an der Regierung mit der Begründung beteiligen wollte, daß der Bürgerkrieg nur auf diese Weise durchgeführt werden könne. So kam die libertäre Bewegung dazu, die Parolen und zu einem gewissen Grad auch die Mentalität der Volksfront bezüglich "Demokratie gegen Faschismus" zu übernehmen. Am Anfang kämpfte sie gegen den Faschismus unter revolutionären Parolen; ihre Niederlage erlitt sie unter falschen, demokratisch-kapitalistischen .

In der Zwischenzeit waren die Anstrengungen jedes einzelnen Anarchisten in ganz Europa zum Nachteil aller anderen Probleme, auf den spanischen Bürgerkrieg ausgerichtet. Die spanischen Anarchisten lehnten die Idee einer Internationalen Brigade ab (außer für die Flüchtlinge, die nirgendwo anders hin konnten) . sie wollten die anarchistische Bewegung im Ausland nicht "entvölkern". Jeder Kampf war auf die Unterstützung des spanischen Kampfes ausgerichtet und das änderte den Charakter der militanten anarchistischen Bewegung in ganz Europa grundlegend.

1939 - 1945

Die Liberalen und Sozialdemokraten hielten während des 2. Weltkriegs (zusammen mit den Kommunisten, seit der nazi-sowjetische Pakt von Hitler gebrochen worden war) die Idee des „heiligen Krieges” gegen den Faschismus aufrecht, weil der Feind zufällig faschistisch war, und versuchten, den Alliierten eine demokratische Aura zu verleihen. Nach einer Weile Begannen alliierte Propagandisten selbst antifaschistische Klischees zu benutzen, allerdings mit diplomatischer Vorsicht, bis sich die betroffenen Mächte tatsächlich im Krieg befanden. Bald entstand der populäre Mythos, daß der einzige Grund für den Krieg mit Deutschland sein "Nazismus" war.

In der anarchistischen Bewegung in Europa zeichneten sich zwei bedeutende Entwicklungen ab. Die spanischen Anarchisten, die sich in Frankreich im Exil befanden und von der französischen Republik wie Bürger zweiter Klasse oder Kriegsgefangene behandelt wurden, griffen nach der französichen Niederlage als erste in einer Widerstandsbewegung gegen den Faschismus zu den Waffen. Diese Bewegung revolutionärer Miesmacherei breitete sich in Form einer Stadtguerillabewegung über die Pyrenäen nach Spanien aus. sie schloß sich Leuten wie Capdevilla und Massana an, die seit Francos Sieg 1939 ohne Unterbrechung als Landguerillas in den Bergen gekämpft hatten.

Die andere Entwicklung spielte sich in England ab, wo die Anarchisten das noch bestehende Recht zur freien Meinungsäußerung in einem Land wahrnahmen, in dem die Arbeiterklasse der inneren Unterdrückung Widerstand entgegensetzen konnte, um den Imperialismus auf jede nur mögliche Weise anzugreifen; ein Kampf, der sich sogar innerhalb der Armee ausweitete. Diese beiden Bewegungen erreichten ihren Höhepunkt und verschwanden.

Das Versäumnis der Soldatenräte, sich den Arbeiterräten im Nachkriegsengland anzuschliessen, und die Euphorie, die einer Labour-Regierung im Besitz aller Macht folgte, ließ jeden revolutionären Elan verschwinden. Diejenigen, die sich, besonders in der Armee, von der Idee des Anarchismus als einer angehenden Kraft in der angeblich bevorstehenden Nachkriegsrevolution angesprochen fühlten, kamen davon ab. Aber die Anti-Kriegs Haltung der britischen Anarchisten war auch ein Grund dafür, daß sich viele mit einer rein pazifistischen Überzeugung zum libertären Lager hingezogen fühlten, und das führte zur Verwässerung des Klassenkampfes oder zumindest der anarchistischen Teilnahme daran und ebnete den Weg für den Liberalismus der neuen Linken.

Die anarchistische Bewegung in Spanien und besonders unter den Exilspaniern saß mit der Einstellung der dreißiger Jahre in der Klemme. Die Bürokraten im Exil saßen in Toulouse fest und hielten es für einfacher abzuwarten und zu jammern, daß die Aliierten nicht ihre Armeen nach Spanien geschickt hatten, um für sie die Revolution durchzusetzen, als sich mit den Guerillakräften zusammenzuschließen, die die Waffen nie aus der Hand gelegt hatten. Sie waren nicht gewillt, sich in irgendwelche Aktionen zu verwickeln, die ihre beständige Existenz in Frankreich oder die Legalität ihrer Organisation gefährden könnten. Sie trieben also einen Keil zwischen das, was sich als CNT im Exil ausgab, und die neu entstandene Nachkriegs-Resistance gegen Franco, die viel eher die CNT repräsentierte. Die „Exil“-Führer konnten diese nicht mehr als Teil des revolutionären Kampfes begreifen; sie konnten die Lage nur von einem sozialdemokratischen Standpunkt aus betrachten und die stereotype Kriegspropaganda nachplappern.

So ging die anarchistische Bewegung aus dem 2.Weltkrieg hervor: Einerseits war sie mit dem Plunder des sozialdemokratischen Pseudo-Anarchismus belastet, der immer noch die Theorie des „gerechten" Krieges vertrat (wie z.B. das Nationale Kommitee der CNT in Toulouse) und dies passte gut zu einigen anderen fest verankerten Bewegung, die zu faul waren, zur Sozialdemokratie überzulaufen und vom Anarchismus nur das Etikett beibehielten, aber die internationalen Verbindungen in Europa an sich rissen. Andererseits belastete sie der liberal-pazifistische Kult und die Idealisierung der der Gewaltlosigkeit als Aktion an sich, die später durch Amerika ein weites Spektrum neuer Kults auf der ganzen Welt beeinflußte, deren Kriterium weder Freiheit noch Widerstand noch Klassenkampf war sondern allein der Grad von Gewaltlosigkeit.

Hier nahm die Idee der "persönlichen Befreiung” im Staat die Stelle der Idee einer freien Gesellschaft ein, eine rein liberale Idee; und es gab gar nicht so viele Unterschiede zwischen diesen beiden "dunkleren Seiten" des Anarchismus, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.

In vielen europäischen Ländern wurde der Anarchismus also wieder eine Angelegenheit von kleinen Gruppen, von denen einige, wie in Spanien, verzweifelt weiterkämpften, einige, wie in Schweden, noch Kontakte zu den Arbeitern unterhielten, als auch von isolierten Einzelkämpfern, die irgendwo weiter gegen die überwältigende Ungleichheit kämpften, wie man an kleinen Papieren, Nachrichtenblättern oder regelmäßigen Treffen erkennen konnte und die sich um Integration in einen neuen Kampf bemühten .

1945 - 1960

Der Aufstieg der Neuen Linken und der Zusammenbruch des Stalinismus, der beinahe eine Monopolposition unter der militanten Arbeiterklasse eingenommen hatte, ließ marxistische Gruppen aus dem Boden schiessen. Einigen von ihnen gelang es, dieselben Fehler der kommunistischen Partei, wenn auch vom Makel des Stalinismus befreit, und dieselbe Unterordnung unter eine politische Führung auf eine neue Generation zu übertragen. Sie setzten aber in stärkerem Ausmaß als bisher einen Nationalismuskult anstelle irgendeiner Form von Sozialismus und schafften es auf diese Weise, vom wichtigsten Thema abzulenken: dem Klassenkampf. Dieser Nationalismuskult, wie es in marxistischer Termonologie heißt, charakterisiert seither die Neue Linke.

Aber trotz der vielen Kämpfe um nationale Befreiung, die das Thema seit den 50er Jahren überschattet haben, war der wahre Widerspruch nicht zwischen Staatskommunismus Und Faschismus 'Oder, wie es Propagandisten gerne sehen, zwischen Demokratie und Kommunismus (oder Neuer Demokratie und Kapitalismus). Er bestand zwischen den Herrschenden der Welt und ihren immer ähnlicheren Interessen und dem Volk selbst. Dies ist der Grund, warum der Anarchismus wieder an Stärke gewonnen hat, auch wenn heute (ironischerweise) die kommunistische und nationalistische (wenn nicht ausgesprochen faschistische) Aktion von den Medien im Licht des in erster Linie anarchistischen Kampfes gegen den weltweiten Imperialismus und zentraliserte Regierung betrachtet wird, genauso, wie in den dreißiger Jahren die anarchistische Aktion im Licht der Diskrepanz von Kommunismus und Faschismus interpretiert wurde.

Der anarchistische Aktivismus nahm ganz unabhängig von dem Einfluß des kleinen Kerns von anarchistischen Aktivisten zu, die sich einerseits dem Einfluß pazifistischer Nicht-Militanz widersetzen mußten, andererseits der Ablehnung von Militanz der "dominanten Persönlichkeiten" unter den spanischen Exilanarchisten, die den Kampf mit Apellen an die UNO und sowohl mit alten Kriegsparolen als auch mit Parolen des kalten Krieges abzuwenden versuchten. Sie waren auf der Suche nach einer "diplomatischen Lösung" , die ihnen ihre verlorenen Regierungsposten zu rück gibt. Für diese und andere Leute diesen Schlages war es in der Tat mit der "Gerechtigkeit" des bewaffneten Kampfes gegen Franco vorbei, als er nicht mehr legal war, und ab 1945 kämpfte die Resistance ohne ihre Hilfe und oft gegen ihre Wünsche.

Als aber die spanischen Aktivisten die Gemeinsamkeiten mit der neuen Generation in Spanien erkannten, fanden auch die kleinen anarchistischen Gruppen in ganz Europa heraus, daß sie nicht mehr isolierte alternde militante Gruppen waren; im Gegenteil, während die mit pazifistischen Methoden vorgehende Anti-Atom Bewegung zeitweilig Hunderte scheinbarer Anarchisten brachte(die aber maßgeblich Liberale waren, die den Liberalismus sinnlos fanden, den Anarchismus jedoch bloß als eine persönliche Revolution betrachteten, was wiederum eine liberale Einstellung ist) rangen sich einige von jenen zu einer revolutionären Position durch und diejenigen, die es schafften, bildeten die Mehrheit in der Bewegung, die sich über Nacht völlig verjüngte.

Aber so, wie die revolutionären anarchistischen Gruppen kampffähiger wurden und zu internationaler Vereinigung kamen, wurde die marxistische Bewegung durch ihre Zersplitterung kampffähiger. Die trotzkistische Bewegung zerfiel in ein Dutzend klar voneinander abgegrenzter Sekten, unter dem Aushängeschild des "Maoismus" existierten eine Menge opponierende Doktrinen, vom wahren "maoistisch-stalinistischen Antirevis.ionismus bis zu den äußersten ultrarevolutionären Standpunkten. Der Blanquismus blühte stärker denn je, ohne daß er bemerkt wurde; der Spartakismus und die Ideen des Rätekommunismus kamen*wieder einmal zum Zuge. Die Ablehnung der Moskauer Hegemonie ließ Gruppen und Theorien wuchern, alle wesentliche Bestandteile der Neuen Linken.

Einige der neuen Militanten, die den kampffähigen anarchistischen Gruppen nicht begegneten und sie für die Ausnahme der Regel hielten, als sie eigentlich schon an der Tagesordnung waren, mißbilligten die "zurückgezogene Militanz" der bürokratischen Überreste und die Ablehnung von Militanz der "neuen"Bewegung und gingen ihre eigenen Wege. Entweder bilden ten sie neue anarchistische Gruppen, die mit den anderen revolutionären anarchistischen Gruppen, nicht in Verbindung standen- und tendierten daher manchmal dazu, Parolen oder Koalitionsideen von der Neuen Linken auszuleihen, weil sie das Bedürfnis hatten, ihre eigene Philosophie mehr zu konkretisieren oder sie verzichteten völlig auf den Namen und bevorzugten das neutralere „libertär“ , „libertäre Linke” oder in einigen Ländern sogar "maoistisch” , obwohl die Maoisten ausdrücklich nichts mit ihnen zu tun haben wollten, oder "Anarcho-Marxisten”. Viele dieser Gruppen nahmen eine streng libertäre Einstellung an, besonders in Deutschland, wo es eine starke räte-kommunistische Tradition gab. Die Presse bezeichnete sie als ’Anarchisten", sie hatten sowohl Anarchisten unter sich, die sich manchmal als Marxisten einstuften (später legten sie das ab) als auch Marxisten der Neuen Linken.

Dies war die Grundlage für solche Bewegungen wie die Rote Armee Fraktion (später als ’Baader-Meinhoff-Bande" bezeichnet), deren Entwicklung die deutsche Bourgeoisie in Angst und Schrecken versetzte, aber den Klassencharakter der deutschen Gesellschaft bloßstellete und den idyllischen kapitalistischen "Traum" im Nachkriegsdeutschland erschütterte.

Als 1951 in Barcelona ein Generalstreik eine Widerstandsbewegung der Massen in Gang setzte, die aus dem Passagiertboykott der Straßenbahngesellschaft der Stadt hervorging, entfesselten die Stadtguerillagruppen (Sabate und Facerias waren schon gut bekannt) eine neue Welle des Widerstandes.

Das Ziel der libertären Aktionsgruppen war außer der Aufstockung von Kapital zur Finanzierung von Sabotageoperationen und "Attentaten” auf bekannte Mitglieder des Franco-Regimes die Aufrechterhaltung des Widerstandsgeistes gegenüber der Regierung; und darin waren sie eine Zeitlang sehr erfolgreich. Aber trotz der Intensität und Heldenhaftigkeit ihres Kampfes war die Brigada Politico-Social (Spezialeinheit) in der Lage, eine Politik der Ausrottung gegenüber der libertären Bewegung in Spanien zu verfolgen. Sie arbeitete mit den "demokratischen" Polizeikräften jenseits der Pyrenäen zusammen, und die Tatsache, daß die spanische anarchistische Bewegung im Krieg eng mit der alliierten Intelligenz zusammengearbeitet hatte, machte es möglich, daß sie hinterher im Interesse einer "stabilen" Regierung betrogen wurde. Vielleicht noch schlimmer war die Apathie und die fehlende Solidarität der Anti-Franco Kräfte im allgemeinen. Der Konflikt auf eher spontane und individuelle Anschläge im industriellen Katalonien beschränkt blieb.

Im Zuge der Repression wurden militante Kämpfer der CNT und Aktivisten der Föderation spanischer Anarchisten (FAI) von der spanischen Polizei auf der Straße oder zu Hause ermordet. Hunderte Andere erhielten lange Gefängnisstrafen und einige sind noch heute im Gefängnis. Die libertäre Bewegung mußte angesichts der neuen Welle von Repression in Spanien ihre Strategie neu überdenken. Sie war nicht nur mit der fast völlig fehlenden Eingliederung der Aktionsgruppen im Inneren konfrontiert, sondern mit der noch entmutigenderen Tatsache, daß Franco mit Windeseile Erfolge auf dem Feld der internationalen Diplomatie erzielte. Die anarchistische Bewegung in Spanien wurde zwischen 1951 und 1960 introvertierter und lethargischer. Im Exil verausgabte sie ihre Energien auf eine zwar physisch nicht so gefährliche aber umso destruktivere Art- in den Kongresshallen und auf den Treffpunkten der zahlreichen Exilkomitees wurde polemisiert und man warf sich gegenseitig Inkompetenz vor.

In dieser Periode kamen durch die Bewegung für "nukleare Abrüstung" viele Leute zur Neuen Linken und darüber hinaus zu einer anarchistischen Einstellung. Die neuen Aktivisten hatten bereits den Willen gezeigt, am Kampf teilzunehmen. Die anarchistische Bewegung war jetzt am Zug, aber die revolutionäre anarchistische Bewegung war zu- zerstreut und isoliert, als daß sie die Gelegenheit hätte wahrnehmen können, und sie befürwortete nicht immer die sich bietenden Möglichkeiten.

1960 - 1966

Am 5.Januar 1960 wurde Francisco Sabate, einer der unermüdlichsten und bekanntesten anarchistischen Aktivisten, in dem Dorf Sa Celoni (in der Nähe von Barcelona) ermordet. Dies war die Folge einer Schießerei mit über hundert Guardia Civil am Tag vorher, als vier Kameraden aus seiner Gruppe in einem Bauernhaus in den Pyrenäen in einen Hinterhalt gelockt und getötet worden waren.Sabate gelang es trotz schwerer Verwundungen zu fliehen und mit einem entführten Zug bis San Celoni zu kommen, aber er wurde erkannt und in einem Kreuzfeuer der Polizeipatrouille niedergeschossen.

Der Tod dieses Mannes, der für viele den gesamten spanischen Widerstand verkörperte, regte die Bildung neuer Widerstandsformen an und ebenso die Wiedervereinigung zerstreuter Formen revolutionären, anarchistischen Aktivismus, die jetzt erkannten, daß sie sich nicht auf die Toulouse-Clique verlassen konnten; denn deren einzige Absicht bestand darin, sie von ihren wirklichen Verbündeten, der internationalen anarchistischen Bewegung, zu spalten. Sabates Tod kennzeichnete so das Ende einer Ära der Selbstbeobachtung und Apathie und den Beginn eines neuen international koordinierten revolutionären aktivistischen Kampfes gegen den Imperialismus in all seinen Ausdrucksformen.

Die Abneigung des revolutionären Anarchismus, sich von den völlig verhärteten Gruppen loszusagen oder von solchen, die sich zwar als "Anarchisten" bezeichnen, aber überhaupt keine libertären oder revolutionären Interessen mehr verfolgen, mag dem Außenseiter eigenartig Vorkommen. Dies gründet aber auf auf einer langen Tradition innerhalb der anarchistischen Bewegung, jeden als Anarchisten anzuerkennen, der sich nun mal als solcher ausgibt (Für Sozialisten und Marxisten schon immer möglich) und weil es keine Parteiorganisation gab, definierte allein diese Anerkennung eine anarchistische Bewegung. Die Tradition war immer gefährlicher (es bedeutete, daß jemand, der als Anarchist bekannt war, Stellungen zu Angelegenheiten nehmen konnte, für die er kein Sprecher war, auch wenn er überhupt keine Verbindung mit der Bewegung mehr hatte; ein schreckliches Beispiel dafür ist Peter Kropotkin, der zu der Zeit, als er den 1.Weltkrieg entschuldigte, keiner anarchistischen Organisation angehörte und damit der revolutionären Bewegung genauso viel Schaden zufügte, als wenn er tatsächlich dazu delegiert worden wäre. Der Tod von Sabate veranlaßte die spanische Presse, das Ende des spanischen Anarchismus zu verkünden, und rief die üblichen heuchlerischen Einsprüche aus Toulouse hervor, verursachte jedoch, daß die innerspanische Bewegung entschieden mit Toulouse brach. Sie benutzten zwar immer noch den Namen CNT, um erkenntlich zu machen, welche Art von Organisation sie aufbauen wollten, aber es war klar ersichtlich, daß sie sich nicht auf die Exilorganisation (MLE) bezogen, sondern nur die Arbeiter nicht völlig verwirren wollten. (Und außerdem wollten sie nach wie vor nicht als "schismatisch" gelten.) Innerhab eines Monats nach Sabates Tod gab das Revolutionäre Direktorat der Iberischen Befreiung (DRIL) seine Existenz bekannt und wurde sofort sowohl von der innerspanischen anarchistischen Bewegung als auch von anderen Gruppen unterstützt. Sie unternahmen ein paar wagemutige Angriffe auf die Diktaturen Spaniens und Portugals, wie z.B. die Entführung des Dampfers Santa Maria auf hoher See durch ein Kommando spanischer, portugiesischer und südamerikanischer Kämpfer am 21.1.1961.

Wieder einmal eröffneten sich die Möglichkeiten eines zweifachen Kampfes- die Vorhut der Arbeiterräte, die von der anarchistischen Bewegung im Inneren gegründet worden waren (FOI- Federación Obrera Iberia, iberische Arbeiterföderation- der interne Name der ßro CNT" Gruppen) und die Rückendeckung durch bewaffnete Kämpfer, die solche Aktionen machten, wo sie am meisten Aufmerksamkeit erregten. Als die CNT im Exil sich mit diesem "Problem” konfrontiert sah, versuchte sie 1961 eine Wiedervereinigung und gab den Versuch auf, die nutzlosen Schritte im Hinblick auf eine "diplomatische" Lösung für etwas, was der internationale Kapitalismus und die Weltdiplomatie bereits zu ihrer eigenen Befriedigung gelöst hatten, mit revolutionärem Widerstand zu verbinden. Aber jetzt war es zu spät und letztlich war die Organisation zur Sterilität verurteilt, weil sie die Alten Vorkämpfer der Bürokratie nicht ausschloß.

In der übrigen Welt gab es die immer noch etwas isolierten "Sektierergruppen" von revolutionären Anarchisten: die Bewegung, die sich durch die Bewegung für atomare Abrüstung ausbreitete und die "anarcho- marxistischen"Bewegungen, die sich ziemlich selbständig entwickelten. Sie entwickelten sich vom Marxismus weg, brachten aber viele marxistische Einstellungen mit, besonders die vom Nationalismus der "dritten Welt".

Doch bald überraschte das Treffen der ersten dieser Sektionen mit den spanischen Aktivisten die Welt, weil die anarchistische Bewegung offensichtlich ebenso aus dem Nichts aufgetaucht war wie das Seeungeheuer nach langen Jahren des Schlafes. Darüber hinaus boten die "Hippy" Bewegung oder zumindest die "Neue Linke" den internationalen Aktivisten ein Aktionsfeld, auch wenn sie keine Verbindungen dazu hatten und normalerweise die Bewegungen mißbilligten. Zum ersten Mal konnten sie ihre Ideen einem breiteren Publikum zugänglich machen.

Ein viel größeres Ziel der Öffentlichkeit brachte ihren Aktionen Sympathie entgegen, als es sich die Presse je vorstellen konnte; und ungeachtet der Verfälschungen und der Hysterie der Presse fanden anarchistische Ideen grundlegende Unterstützung von Arbeiterkreisen und Menschen aller Generationen.

All das führte zum Aufbau einer geheimen Organisation DI (Verteidigung nach innen). Sie brachte im Frühjahr 1962 die Kameraden, die jahrelang in allen Teilen der Welt aktiv gewesen waren, zur Koordination ihrer heimlichen Aktivitäten gegen Gewaltherrschaft zusammen und überraschte innerhalb weniger Monate die Welt mit der scheinbar plötzlichen Wiederauferstehung des revolutionären anarchistischen Aktivismus, dessen Existenz man jahrelang nicht wahrgenommen hatte.

Aber schon als der Anschlag auf Franco in San Sebastian (August 1961) "beinahe glückte", wurde die allgemeine Aufmerksamkeit der internationalen Kollaboration geweckt, teilweise auch, weil die libertäre Bewegung in der baskischen Provinz eingriff. Der baskische Nationalismus war lange Zeit reaktionär, nationalistisch und klerikal. Er hatte einen genauso schlechten Ruf wie die meisten der inaktiven Exilbewegungen der Republik. Die ETA war die neue dynamische baskische Bewegung, und obwohl sie bis zu einem gewissen Grad nationalistisch war, gehörten ihr auch viele nicht-Nationalisten an; Nationalisten, Marxisten, Katholiken und Anarchisten waren in einem gemeinsamen Kampf gegen Franco in ihr vereint. Eine Auswirkung von Francos Terror gegen die Basken war, daß sich fast das ganze Baskenland gegen ihn zusammenschloß, egal ob nationalistisch oder nicht. Außerdem zeichneten sich eine neue Welle der Repression in ganz Spanien ab, die sich besonders gegen die Bergarbeiter in den asturischen Kohlebergwerken und gegen die libertären Aktivisten richteten. Francos Regierung fühlte sich durch den Zuwachs an revolutionärem Bewußtsein und Aktivität bedroht und kehrte zu den Methoden des Terrors zurück,die sich in den Jahren unmittelbar nach dem Bürgerkrieg vervollkommnet hatten.

Jetzt allerdings arbeitete die internationale Aktion zum ersten Mal zusammen und war in der Lage, der Repression in Spanien eine Antwort zu erteilen. Der Kriegsrat verurteilte 30 Anarchisten zu grausamen Gefängnisstrafen und der Staatsanwalt forderte die Todesstrafe für einen von ihnen. In der ganzen Welt wuchs die Unterstützung für Jorge Cuncill Vals, den jungen zu Tode verurteilten Anarchisten, und in Mailand wurde der spanische Vizekonsul von italienischen Anarchisten entführt (29.September 1962). Kardinal Montini,(heute Papst) intervenierte zu Gunsten des verurteilten katalanischen Anarchisten, Die Zurückweisung, die er erhielt, verursachte die Spannungen, die noch heute zwischen dem Prado und dem Vatikan bestehen (und ist der Grund, warum die Kirche heute mehr als eine Seite im Kampf um die Nachfolge unterstützt). In diesem Fall mußte sich Franco allerdings zurückhalten und von der Verurteilung absehen.

Im Jahr darauf wurden Julian Grimau und die Anarchisten Delgado und Granados zu Tode verurteilt, aber die Proteste gegen die Exekution waren so weit verbreitet, daß Francos Hoffnungen auf Aufnahme in die EG total enttäuscht wurden. Die westlichen Regierungen konnten sich nicht durch eine Aufnahme Francos schamlos gegen die weitverbreiteten Gefühle stellen (die östlichen Regierungen waren natürlich nicht so behindert, sie konnten Geschäfte treiben wann immer sie wollten und brauchten nicht auf die öffentliche Meinung Rücksicht zu nehmen, weil es in diesen Ländern ja gar keine gab.) Die westeuropäische Polizei arbeitete jedoch eng mit Franco zusammen, manchmal illegal und ohne es der allgemeinen Öffentlichkeit einzugestehen, erst zehn Jahre danach gab man es allgemein zu. Diese Aktivität der Polizei wurde in Frankreich mit folgender Begründung entschuldigt: Weil Franco die französische OAS unter Druck setzte, die von Madrid aus gegen De Gaulle perierte-, müßten sie die spanischen Anarchisten unter Druck setzen, die von Frankreich aus gegen General Franco arbeiteten (obwohl es oft politisch unklug war, wenn eine Polizei, die mit den Nazis kollaboriert hatte, offen Anarchisten unter Druck setzte, die in den ersten Reihen der Resistance gekämpft hatten). In England gab es keine Entschuldigung. Die Spezialeinheit arbeitete im Fall Gibraltar in der Tat den imperialistischen Interessen Englands entgegen, indem sie Franco unterstützten, dessen inszenierte Demonstrationen für Gibraltar den einzigen Zweck hatten, die öffentliche Aufmerksamkeit von der Kritik der Widerstandsbewegung an seinem Regime abzulenken. Trotzdem konnte Scoltland Yard "geheime Informationen für eine fremde Macht" beschaffen, weil man annahm, die Regierungsmeinung werde nach einer Weile erkennen (was ja auch der Fall war), daß das Interesse der Polizei gegen Revolution bedeutender war als solch begrenzte nationalistische Interessen.

Es war jedoch auch möglich, eine gemeinsame Polizeiaktion gegen französische, italienische und britische Anarchisten durchzuführen, die in Verbindung mit der revolutionären Jugendbewegung in Spanien arbeiteten, wobei der internationle Charakter sowohl der Polizei als auch des Anarchismus deutlich wurde. Dies führte zur Verhaftung des schottischen Anarchisten Stuart Christie in Spanien, wo er an dem Versuch eines Attentats auf den Diktator teilnahm. Die Aufmerksamkeit der ganzen Welt war auf die spanischen Gefängnisse gerichtet, und er leitete die materielle Unterstützung, die er insbesondere erhielt, auf anarchistische Gefangene im allgemeinen um.

Lange Zeit hatte die kommunistische Partei unter verschiedenen antifaschistischen und demokratisch klingenden Namen bei allen Hilfe für die spanischen Gefangenen gesammelt;übermittelte sie aber nur ihren "eigenen" - so gerieten andere Gefangene in Vergessenheit, womit wiederum der Widerstandsbewegung ein Dämpfer aufgesetzt wurde. Die Anarchisten erhielten nicht nur die längsten Verurteilungen und wurden am schlimmsten verfolgt, sondern die Kommunisten, die ihre Aktivitäten auf Propaganda beschränkten, wobei sie die Herrlichkeit Rußlands rühmten und für ein Bündnis mit den Christdemokraten gegen die amerikanischen Stützpunkte in Spanien eintraten, waren die einzigen, denen Hilfe im Gefängnis zuteil wurde. Nun endlich war die Situation umgekehrt, eine direkte Folge von Christies Verhaftung. Sowohl seine Verhaftung als auch die der anderen Ausländer trug zur Festigung des internationalen Bündnisses bei, das letztlich die Barriere der verknöcherten und nicht militanten Flüglen der Bewegung niederbrach.

1965 löste sich die libertäre Jugendbewegung völlig und endgültig von den verbündeten, anarchistischen Hauptorganisationen im Exil. Der Grund dafür war die Weigerung des Nationalen Komitees der CNT, die 1961 abgestimmten Beschlüsse bezüglich der Wiederaufnahme des bewaffneten Untergundkampfes gegen Francos Regime durchzuführen. Müdigkeit, Furcht oder der Wunsch, die beständige bequeme Existenz im Ausland nicht zu gefährden, waren vielleicht die Gründe dafür, daß sie nicht handeln wollten. Der endgültige Bruch jedoch machte es der revolutionären anarchistischen aktivistischen Bewegung möglich, sich von den Fesseln zu befreien, die sie so lange eingeschränkt hatten- die Vereinigung mit der Exilbewegung.


Ende April 1966 verschwand Mgr. Marcos Ussia, der kirchliche Berater des spanischen Botschafters im Vatikan , auf mysteriöse Weise auf seinem Heimweg von der Botschaft zu seiner Wohnung am Stadtrand Roms. Ein paar Tage später gab die Gruppe l.Mai in Rom ihre Existenz bekannt. Gleichzeitig erklärte ein militanter Angehöriger der CNT, Luis Andres Edo, der Weltpresse, Ussia sei entführt worden, um auf die schlimme Lage der Gefangenen Francos aufmerksam zu machen.

Die Ergebnisse dieser Aktion der revolutionären anarchistischen Bewegung wurden zu einer Streitfrage von internationaler Bedeutung und ein zentraler Diskussionspunkt in der italienischen, französischen, schweizerischen, spanischen und schwedischen Presse (die britische Presse hielt sich heraus, vielleicht weil sie Nachfolgeaktionen befürchtete). Die Freilassung des unversehrten Priesters nach 15 Tagen intensiver und ergebnisloser Suche der italienischen, schweizerischen und französischen Polizei bewies die Wirksamkeit der internationalen anarchistischen Solidarität und wiederlegte das "terroristische " Image, das die Interpol ihnen verliehen hatte.

Edo wurde später mit vier weiteren Kameraden (Männer und Frauen) in Madrid verhaftet und beschuldigt, die Entführung eines dort stationierten ersten Offiziers der amerikanischen Armee geplant zu haben. Wieder einmal hatten die Anarchisten den alten Kampf gegen Franco und den Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus im internationalen Kampf vereint. Sie waren nun unter der Fahne des "l.Mai" wiedervereint, der die Tradition des anarchistischen Aktivismus während des seit 80 Jahren währenden Klassenkampfes gegen den Kapitalismus verkörperte. Der Kampf für Arbeiterräte und für direkte Arbeiterkontrolle im Gegensatz zu den Parolen des Nationalismus, der Nationalisierung und der Reform waren schon immer mit der l.Mai Bewegung verbunden. Jetzt wurde jener Kampf von klaren, bestimmten gegen einzelne Formen der Klassenunterdrückung unterstützt.

Obwohl "Gegenkultur" und "alternative Gesellschaft", die sich aus der amerikanischen Jugendbewegung entwickelt hatten, wirklich nichts mit revolutionärem Anarchismus zu tun hatten, so enthielten sie doch starke revolutionäre Elemente, und die anarchistische Bewegung veränderte sich, als sich neue und alte Revolutionäre nach und nach zusammentaten, um ihren Standort zu finden. Weiter wurde dies durch den Vietnamkreig und die weltweiten Protestbewegungen dagegen veranlasst, und durch die Entstehung sol eher Gruppen wie die Weathermen un den USA, die die Bewegung für eine "Alternative Gesellschaft" in Europa und besonders in Griechenland und der Türkei stark beeinflußten, wo sich zum ersten Mal seit 50 Jahren eine libertäre Bewegung unter der Jugend entwickelte, die in Anarchisten,und Marxisten-Leninisten gespalten war.Aber sie kämpften gegen die unterdrückerischen Regimes dieser Lader bis zu einem Ausmaß, wo das türkische Regime eine Art ständigen Bürgerkrieg gegen junge Arbeiter und Studenten betreiben mußte und das griechische alle Nazimethoden anwenden mußte, die es im Krieg von der Polizei gelernt hatte.

In vielen Ländern wuchs die unbestimmte "libertäre Linke" mit einem Hang zum Blanquismus oder vielleicht Anarchismus, nach marxistischer Terminologie, weiter- die Bewegung entwickelte sich jedoch von "maoistischen" Neigungen weg, als orthodoxe maoistische Bewegungen entstanden. Diese Bewegung engagierte sich stark im Kampf für Bürgerrechte und Arbeiterkontrolle gegen die staatliche Unterdrückung. Für die Presse, die unvermeindlich viel schlechter informiert war als die .Öffentlichkeit, die sie zu unterrichten annahm, war alles die "anarchistische Bewegung" und der revolutionäre aktivistische Flügel davon: eine Hypothese, die von der Propaganda der Konservativen angeheizt wurde. Sie wollten die Anarchisten als "Buhmänner" darstellen, genauso wie es in dem Punkt die Linken mit der gleichen Absicht mit den Faschisten versucht hatten.

1967 und 1968 zeigte der revolutionäre Aktivismus wieder seine Karten. Man unternahm Anschläge auf die zivilen und militärischen Zentren der Amerikaner in ganz Europa und auf die Botschaften Spaniens, Portugals , Griechenlands, Boliviens und Uruguays (unter anderem). Nach diesen gleichzeitig ablaufenden Aktionen in England, Frankreich, Deutschland, Holland, der Schweiz und Italien, gab die Gruppe l.Mai und die Internationale Solidaritätsbewegung ein Manifest heraus, in dem alle Revolutionäre zu einer wirksamen Solidarität mit allen Opfern des Klassenkampfes aufgefordert wurden. Der Kampf brach erneut in der Türkei aus, im Kampf gegen die Militärdiktatur bildeten sich Zellen mit Anarchisten und Marxisten. L 1Express (eine Pariser Wochenzeitschrift) sagte vorraus, daß die Anarchisten für einen heißen Sommer sorgen werden und im März 1968 erschien ein Bericht ihrer deutschen und holländischen Korrespondenten über die Aktivitäten der, wie sie es nannten, "extrem linken Organisationen in Europa ".

Die Bewegung der Situationisten und die Provobewegung in Holland waren mit der libertären Linken und den anarchistischen revolutionären Aktivisten verbunden. Und tatsächlich der Anarchismus trat zwei Monate später wieder einmal als die dynamische Kraft auf, die ihm innewohnt.

Die Ereignisse von Paris - woran Anarchisten, Maoisten, Trotzkisten, Situationisten und andere beteiligt waren, - sind gut bekannt, und die Gruppe l.Mai startete zur Verteidigung politischer Gefangener in Spanien Angriffe auf die spanische Fluglinie. Gemeinsame Angriffe versicherten sie der internationalen Solidarität. Die Internationale Solidaritätsbewegung unterstützte unterdessen direkt und indirekt die Entstehung aktiver Gruppen in Frankreich, England, Italien, der Schweiz, Deutschland, der Türkei und Griechenland, Gruppen, die mehr oder weniger unabhängig in ihrem eigenen Land den Kampf gegen die ständige Weiterentwicklung des Staates auf eine Diktatur hin vorantrieben, indem sie in andere Länder gingen, um diesem Kampf größeren Nachdruck zu verleihen. In all diesen Ländern fanden zahlreiche solche Akte statt; in England z.B. einen Bombenangriff auf das Haus des Innenministers am Tag des nationalen Protestes gegen das Gesetz für industrielle Beziehungen; einen Angriff auf einen Minister, der während der Elektrizitätsstreitigkeiten bourgeoise Attacke» auf Streikende verteidigte, Angriffe auf den Ford-Konzern und auf die mechanisierten Dossiers von Scotland Yard in Tintangel House, auf italienische, spanische und amerikanische Botschaften, auf Rekrutierungsstellen und Tawernen, auf spanische Banken und Regierungsgebäude. Einige dieser Vorfälle wurden (immer von der Polizei) der Angry Brigade zugeschrieben, auch wenn dies keine spezifische Organisation war, sondern die Manifestation des revolutionären Aktivismus der libertären Bewegung, die allgemein weit verbreitet war.

Die Existenz anarchistischer Aktivistengruppen ermutigte weite Kreise zwar nicht anarchistischer aber doch sicherlich libertärer revolutionärer Linker, den Kampf aufzunehmen und sich von nicht-militanten Elementen freizumachen. Obwohl im ganzen Jahrzehnt bei allen revolutionären Anschlägen gewissenhaft auf die Erhaltung menschlichen Lebens geachtet worden war und unschuldige Opfer völlig vermieden wurden, hat die Kampagne zur Repression der libertären Bewegung (außerhalb Spaniens) seit der Nazizeit nicht ihresgleichen gefunden. Man unterstellte ihnen böswillig die Aktivitäten der nationalistischen Gruppen, mit denen sie nichts gemein hatten, und die aufgrund ihres Charakters nicht so gewissenhaft sein konnten.

So geschah es in Italien, Deutschland, der Türkei und Griechenland, und sogar in Großbritannien, wo man der Polizei eine Gewisse Zurückhaltung zutraut.

Das anarchistische Schwarze Kreuz, rechtmäßiges Ausdrucksmittel für die revolutionären anarchistischen Aktivisten, wurde besonders stark angegriffen.

Guiseppe Pinelli, militanter Anarchist, Exmitglied derr Widerstandsbewegung im Krieg und Sekretär der italienischen ABC wurde nach einem faschistischen Bombenanschlag in Mailand verhaftet und während des Verhörs durch des Fenster eines Polizeireviers geworfen; in Deutschland ging die Ausrottungspolitik der Polizei gegen die Rote Armee Fraktion, die sich aus Marxisten und "Anarcho-Marxisten" zusammensetzte so weit, daß Mitglieder des schwarzen Kreuzes, wie Georg von Rauch und Thomas Weißbecker auf der Straße niedergeschossen wurden. Dann wurde Stuart Christie , Sekretär und Gründungsmitglied, in London verhaftet und zusammen mit einigen Kameraden, Männern und Frauen, die ein weites Spektrum der libertären Linken und viele verschiedenartige Interessen repräsentierten (Presse und Staatsanwaltschaft bezeichneten sie alle als Anarchisten, obwohl das nur für einige zutraf) , der Teilnahme an den Aktivitäten der Angry Brigade beschuldigt. Dies führte zur längsten und kostspieligsten Verhandlung in der neueren Justizgeschichte Englands, vier wurden freigesprochen (vorrausgegangen waren eine Verurteilung zu 15 Jahren von einem anderen Richter, der allerdings als äußerst reaktionär bekannt war, und ein Freispruch).

In Schottland verhängte man schlimme Strafen über Mitglieder der schottischen Arbeiterpartei, eine maoistische Organisation. Diese Beispiele sind nur die auffälligeren Zeugnisse der bürgerlichen, sozialdemokratischen und faschistischen Unterdrückung des revolutionären Anarchismus, des libertären Aktivismus und auch revolutionärer Formen des Marxismus, aber eine solche Verfolgung hat und wird nie ihr Ziel erreichen weil die internationale Solidarität mit Windeseile zunimmt. Sogar in der Türkei, wo die perversesten Foltermethoden gegen junge Revolutionäre angewendet werden, und in Spanien, wo Folter und Tod an der Tagesordnung sind, ist die Idee der Arbeiterräte und die Versicherung, daß der Kampf für die Übernahme der Produktionsstätten von den aktivistischen Gruppen unterstützt wird, weiterhin sehr populär.

Der Kampf spielt sich nicht auf der anderen Seite der Welt ab. Er wird sowohl in den Ländern geführt, die vom Staatskapitalismus und Staatskommunismus beherrscht werden, als auch in den kapitalistischen und faschistischen Ländern, nicht nur in der "Dritten Welt" oder den unterentwickelten Teilen der Welt. In ganz Europa wird die Revolution gefordert. Europa wird sich nie wieder den Angriffen des Faschismus, der polizeilichen Selbsthilfe oder der Geheimpolizei unterwerfen. Der Kampf hat sich nicht einmal einer einzigen revolutionären Ideologie verschrieben. Er ist keine Verschwörung. Er ist eine Bewegung, die sich vielleicht als unwiderstehlich erweist.

EINIGE DOKUMENTE

An alle revolutionären Bewegungen und Organisationen der Welt

Seit einigen Jahren unterstützt die Gruppe l.Mai praktisch den notwendigen Kampf mit revolutionärer Gewalt gegen die Diktatur als einzig mögliche Antwort auf die unterdrückerische Gewalt des Regimes von General Franco und zur Wiedereroberung der Freiheit der spanischen Volkes gemäß der Strategie, die von der FIJL (iberische Föderation der libertären Jugend) ausgearbeitet wurde.

Wir verschreiben uns den revolutionären Bewegungen auf der ganzen Welt, die für Freiheit und Unabhängigkeit aller Menschen kämpfen- weil wir uns der Unterstützung bewußt sind, die reaktionäre imperialistische Regierungen verschiedenen Diktaturen und nationalen Oligarchien gewähren, wodurch es diesen ermöglicht wird, die Unterdrückung der Menschen aufrechtzuerhalten. Wir sind auch völlig davon überzeugt, daß der "legale und pazifistische"Kampf als Mittel, um die Unterdrückung zu beenden und den Imperialismus und seine Lakaien zur Beendigung seiner kriegsähnlichen Angriffe und militärischen Interventionen zu zwingen, unwirksam ist, und sind deshalb zu fogenden Ergebnissen gekommen:

  1. Wir glauben, daß die gegenwärtigen Freiheitskämpfe (z.B. der revolutionäre Kampf der lateinamerikanischen Guerillas und der Schwarzen in den USA) eine Bewußtseinskrise bei den wahren Revolutionären verschiedener Richtungen hervorgerufen haben und eine Einstellung gegen die reformistischen Linie erzwangen- sie haben letztlich verstanden, daß die einzig sichere und würdige Art, den Imperialismus und seine Lakaien zum Rückzug zu zwingen, und den Weg für die Revolution zu ebnen, in einem bewaffneten Kampf gegen die Kräfte der faschistischen Unterdrückung besteht (die hauptsächlichen Vorkämpfer des Kapitalismus und Imperialismus).

  2. Wir glauben, daß die ernsten Unterschiede und Spaltungen der verschiedenen revolutionären Bewegungen in jedem Land das Ergebnis absurden und negativen ideologischen Sektierertums sind (mit dem die verschiedenen revolutionären Ideologien sich bis heute ausgedrückt haben und das sie selbst betrieben haben). Sie haben zur Spaltung des internationalen Proletariats beigetragen und die zunehmende Entpolitisierung der Massen ermöglicht, die sich logischerweise nicht zu einer revolutionären Praxis hingezogen fühlen können, die von Widersprüchen und Konfrontationen, Folge des anti-revolutionären Dogmatismus, gespalten ist, und die der Grund für jedes revolutionäre Schisma und für ideologisch tödliche Auseinandersetzungen sind.

  3. Zusammen mit den lateinamerikanischen Gruppen und ihren bekanntesten Vertretern glauben wir, daß die "Revolution” nicht das Erbe einer Partei ist, sondern von allen, die dafür mit Gewehren in der Hand zu kämpfen beschließen, wir glauben, daß der Kampf gegen Unterdrückung und für die Freiheit der Menschen theoretisch und historisch den Menschen und Klassen gehört und von denen in die Hand genommen wird, die unterdrückt werden und sich zum Kampf dagegen' entschließen. Parteien und Ideologien sind nur vorübergehende taktische Mittel - besonders Interpretationen des Kampfes, der die Revolution zum Ziel hat- und müssen deshalb dem wahren Kern der Sozialgeschichte untergeordnet werden.

  4. Wir glauben, daß die internationale revolutionäre Solidarität nur zwischen den Bewegungen wirksam sein wird, die keinen Kontakt zum Imperialismus halten und sich nicht auf Kompromisse einlassen und die nicht die Politik der "friedlichen Koexistenz" unterstützen, die es dem Imperialismus erlaubt, straffrei seine Massaker und Plünderungen durchzuführen. Diese werden so lange andauern, als es keine koordinierte Antwort auf militärische Einmischung gibt, deren Ziel es ist, die Feiheitskämpfe und revolutionären Ausbrüche auf der ganzen Weit zu ersticken.

  5. Wir glauben, daß das wahre revolutionäre Ziel die Freiheit für die Massen und für jeden einzelnen ist, und daß weder Privatkapitalismus noch Staatskapitalismus der Freiheit des Menschen oder einer wahrhaft freien Gesellschaft von Nutzen sein kann. Der private Kapitalismus gibt vor, Freiheit zu gewähren während er die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufrecht erhält- der Staatskapitalismus gibt vor, diese Ausbeutung durch Unterdrückung der Freiheit zu beenden: beide haben ihre Ursachen in der ökonomischen und politischen Entfremdung und können deshalb nicht einmal die Hoffnung auf eine graduelle Evolution in Richtung Freiheit anbieten. Für den wahren Revolutionär sind Freiheit und Beendigung der Ausbeutung unteilbare und sich ergänzende Wünsche.

  6. Wir glauben, daß alle Revolutionäre, die den Sieg der Revolution wirklich wünschen , die unvermeidliche Notwendigkeit einer ideologischen Neuformulierung zugeben müssen und können, die die Probleme der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit besser lösen wird- in anderen Worten: Mittel und Wege, Taktiken und Ziele, revolutionäre Strategie und Ethik der Revolution-um die zerstörerischen Differenzen und doktrinären Widersprüche zu beenden, die bis heute die Vereinigung aller Revolutionäre gegen den gemeinsamen Feind verhindert haben Wichtig für sie ist, jetzt zu erkennen, daß der Imperialismus und der Kapitalismus jeder Sorte die. wahren Feinde sind; und Revolutionäre können ihnen nur mit vereinten Kräften gegenübertreten oder wenn sie sich zumindest national und international gegenseitig mit wirksamer revolutionärer Solidarität unterstützen, um so zu verhindern, daß der Feind seine Vorteile aus den ewig andauernden Widersprüchen und Spaltungen zieht.

  7. Wir glauben, daß für die Revolutionäre die Zeit gekommen ist, ihre ideologischen Streitigkeiten, Sektierertum und die unterschiedlichen ’objektiven Bedingungen” der Zusammensetzung und Lage beizulegen - alle revolutionären Bewegungen sollten sich vereinigen und ihre Bemühungen durch eine breite Bewegung für revolutionäre Solidarität koordinieren, um sich der imperialistischen Aggression und den Freunden der Diktatur gemeinsam widersetzen zu können, und um die revolutionären Kämpfe der Menschen mit Handlungen zu unterstützen und den Weg zur Revolution zu sichern. Wir können diese revolutionäre Solidarität bekunden durch-

  • Propaganda- und Solidaritätsakte zu Gunsten aller Menschen, die gegen Faschismus und Imperialismus kämpfen

  • Gewaltakte gegen diplomatische und militärische Korps, Imperialismus und Diktatur, als wirkungsvolle Vergeltungsmaßnahme gegen ihre Ausschreitungen .

REVOLUTIONÄRE ALLER LÄNDER VEREINIGT EUCH ZU EINER WIRKUNGSVOLLEN SOLIDARITÄT, UM DIE AUSROTTUNG DERER ZU VERHINDERN, DIE IN ALLEN TEILEN DER WELT FÜR DIE REVOLUTION KÄMPFEN!

LANG LEBE DIE INTERNATIONALE REVOLUTIONÄRE SOLIDARITÄT

Gruppe l.Mai/FIJL (Iberische Föderation der libertären Jugend)

August 1967

DIE ANARCHISTISCHE INTERNATIONALE

für die Gründung einer anarchistischen Internationalen

Wir sind auf der Basis unserer letzten Erfahrungen und einer Analyse unserer speziellen Situation als Anarchisten (organisiert oder nicht) im internationalen politisch-sozialen Zusammenhang zu folgenden Schlüssen gelangt, die wir für alle Militanten als nützlich und notwendig betrachten, die es immer noch für möglich halten, einen wirksamen revolutionären Standpunkt zu beziehen.


1. Die modernen Staaten (totalitär oder demokratisch), privater und Staatskapitalismus, politische und religiöse Ideologien jeglicher Art, Gewerkschaften (seien sie reformistisch oder staatlich eingesetzt), allgemein, alle sozialen Gruppen, die Teil der gegenwärtigen produktiven Gesellschaft sind, haben in der Tat eine Koexistenz etabliert, die dazu tendiert, den gegenwärtigen Status Quo für alle Arten von Privilegien, Ausbeutung und Autorität um jeden Preis aufrecht zu erhalten.

Die fundamentalen Widersprüche des Systems (oder der verschiedenen Systeme und Gesellschaften, genauso wie die zwischen den verschiedenen Rassen und Nationalitäten) verstärken sich (eher als daß sie sich lösen) immer mehr durch Verhandlungen und Kompromisse, die nicht das Oberleben des Systems an sich (oder der Systeme) gefährden, noch das der Gruppen, Kasten und Klassen, die sich zur Zeit eines privilegierten Standes erfreuen. Die vorherrschende politische Verwirrung und moralische Erniedrigung, der widerliche Handel zwischen Regimes, die unversöhnliche Feindschaft Vortäuschen (Rußland und die USA, Kuba und Spanien, China und Portugal) , die "Volks"- Demokraten und die kapitalistischen Demokratien usw. haben darin ihre Wurzeln.

Die alten herrschenden Kasten und die neuen bürokratischen Kasten haben, ungeachtet ihrer Farbe, Rasse oder Relegion, frühere Vorurteile und verborgene Zweifel abgelegt. Heute zechen und unterhalten sie sich gegenseitig in den internationalen Organisationen und durch den internationalen Austausch, alles auf dem Rücken des Volkes, das sie erhält und ihnen unterworfen ist. Unter diese Verflechtung der Übereinkünfte und Interessen müssen wir auch die gut integrierte "Führung” und die bürokratische Kaste der Gewerkschaften rechnen.


2 . Daraus folgt, daß doktrinäre Erklärungen und nochmalige Versicherung ideologischer Prinzipien heute außer Demagogie keine andere Bedeutung haben- eine schlecht abzulegende Gewohnheit. Man kämpft nicht mehr für Demokratie, Sozialismus, Kommunismus oder für die Revolution, sondern nur noch dafür, daß diese oder jene Gruppe an einem speziellen Ort die Macht besiegt, und für "nationale Unabhängigkeit" (eine Garantieschein, der Despotismus jeder Spielart deckt und rechtfertigt), um die Schulden zu vergessen, die man der internationalen Solidarität gegenüber hat. So kämpft man in Vietnam, Korea, Ungarn und Kuba nach dem Sieg der einen oder anderen Bande nicht mehr für oder gegen "Kommunismus", sondern allein für die Garantie der "nationalen Unabhängigkeit", das Genfer Abkommen, die UNO Abkommen, Territoriale Integrität» und das Überleben der Regierungen in Saigon oder Hanoi, Tel Aviv oder Kairo. In der Zwischenzeit zerschlagen Barientos und die lateinamerikanische Oligarchie mit Hilfe der amerikanischen „grenn Berets“ revolutionäre Guerillas und ermorden Che Guevara, und die UDSSR und die "Volksde mokratien" treiben weiter Handel, halten diplomatische Beziehungen, die die marxistischen Revolutionäre in Lateinamerika bekämpfen.
Dasselbe üble Handeln und Treiben findet man auf der ganzen Welt. Sowjetische Handels-, Kultur- und Sport delegationen konferieren mit ihren Kollegen in Francos Spanien; und amerikanische und maoistische Diplomaten unterhielten während der ganzen vietnamesischen Tragödie Beziehungen in Warschau. Die Dekolonisierung der asiatischen und schwarzen Völker geht voran, aber nur, um der eigeborenen Bourgeoisie mit beträchtlicher Unterstützung Rußlands und/oder den USA die Machtübernahme zu gestatten.

In der Praxis wird die Ideologie zurückgestellt, sie wird dann nicht mehr als eine Funktion des Patriotismus, "nationaler Unabhängigkeit", "legalität" "öffentlicher Ordnung", "Friede; und "Entwicklung"- und wie es im Osten ist, so ist es auch um Westen. Parteien und Organisationen auf der ganzen Welt lassen erkennen, daß sie die Ideologie einem simplen Kampf um die Macht opfern.


3. Leider ist dieses Phänomen, Verlust des ideologischen Zusammenhangs, auch in internationalen anarchistischen Kreisen zu finden, die nicht wußten, wie sie sich diesem Prozeß der revolutionären Demobilisierung widersetzen oder wie sie ihn bekämpfen sollten.

Für den Anarchismus, organisiert oder nicht, ist revolutionäre Demobilisierung, dieser Bruch zwischen ideologischer Konzeption und ihrer praktischen Verwirklichung, von großer Bedeutung, wenn man bedenkt, daß es der Anarchismus nicht auf die Erlangung politischer und ökonomischer Macht abgesehen hat. Wenn er von seiner einzig möglichen Berufung abkommt: seiner Kampfbereitschaft für die Revolution; wenn er mit Erinnerungen an die Vergangenheit oder dem Abschliddern in die Bürokratie zufrieden ist, dann wird ihm ein letztes Ziel fehlen, und weil er keine mystischen Wurzeln hat, wird er als Sekte nicht überleben können- er hätte für keine soziale Gruppe einen Praktischen Sinn, seien ihre Bedürfnisse materiell oder geistig.

Wenn der Anarchismus in der Realität existieren soll, dann muß er eine Anziehungskraft auf die Leute ausüben und sich, ohne demagogisch zu werden, als anwendbare revolutionäre Ideologie erweisen, er muß nicht nur seine Einstellung gegen den Staat als eine bestimmte Bedingung für den Sieg der Freiheit bestätigen, sondern die Kritik am Führerprinzip muß von der Praxis einer ständigen Rebellion begleitet werden ohne das ist sie nutzlos, es sei denn als Mittel zum Spott und um ein wenig mehr zur Ausbreitung der allgemeinen Verwirrung beizutragen, indem die Gefahren, Widersprüche und zerstörerischen Folgen einer autoritären Gesellschaft dargelegt werden. Aber es ist alles sinnlos, wenn wir uns mit bloßem Dahinvegetieren begnügen, wie es andere tun. Es ist offensicht lieh, daß die Verfolgung von Andersdenkenden, die Bekämpfung von vermeintlichen und wirklichen Abweichungen uns nicht vor kollektiver Dekadenz bewahrt, wenn wir nicht vor allem anderen etwas gegen die herrschen de Apathie, Stagnation, Routine und die revolutionäre Demobilisierung des ganzen unternehmen, sei es als Individuen, Gruppen oder Bewegungen.


4. Wie wir jedoch vorher festgestellt haben- die grundsätzlichen Widersprüche zwischen kapitalistischer und "sozialistischer" Gesellschaft entwickeln sich weiter, und in vielen Fällen sind die Folgen schlimmer als vorher; die Integration der Arbeiter in die kapitalistische Gesellschaft und das Wachstum der "Konsum"- Gesellschaft haben das Proletariat eingelullt. Der Klassenkampf hat jedoch nicht aufgehört auch nicht die unvermeindliche Konfrontationen, in denen jede Klasse ihre jeweiligen Interessen verteidigt. Genausowenig hat die "friedliche Koexistenz" bewaffnete Konflikte beseitigt, sie sind nur geographisch eingeschränkt worden - Vietnam, der nahe Osten , Afrika.. .

Rassendiskriminierung, die Ausbeutung der arbeitenden Klassen, das Fehlen von Grundrechten (Meinungsfreiheit, Freiheit, sich zu äußern und zu versammeln) , politische Verbrechen und nachfolgende Repression und Terror sind in unserer zivilisierten Welt an der Tagesordnung. In Francos Spanien, Salazars Portugal, im Griechenland der "Obristen", wie 'in der Sowjetunion und den "Volksdemokratien" werden Arbeiter und sogar liberale Akademiker verdammt, die protestieren oder von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen. Und in den Vereinigten Staaten rebellieren die Schwarzen gegen Rassendiskriminierung, während in China der Wille der Massen brutal über den Haufen geworfen wird, indem Mao zum Gott erhoben wird.

So fehlt es den Anarchisten auf den ganzen Welt nicht an Handlungsmotiven, auch nicht an praktischen Möglichkeiten, ihr Vorhandensein öffentlich bekannt zumachen und den Weg zu weisen.

In Europa, wo man sich entweder auf heuchlerische Weise gleichgültig verhält oder an den Verbrechen mitschuldig ist. die im eigenen Land begangen worden sind (Spanien, Griechenland, Portugal), und in anderen Erdteilen, in denen ökonomischer und politischer Imperialismus herrscht, gibt es viele Möglichkeiten, an diesen augenscheinlichen Beispielen aufzuzeigen, wo Vernunft, Gerechtigkeit und Freiheit liegen, ohne mit selbstmörderischem, unbegründetem Heroismus oder mit zwängischem Aktivismus zu spielen. Wenn man sich der Risiken einer ‘ solchen Einstellung bewußt ist, dann ist es ganz einfach möglich, das rebellische Bewußtsein am Leben z u erhalten und zu mobilisieren, indem man konkrete Aktionen durchführt, nämlich jede revolutionäre Agitation, auf der ganzen Welt, die über den absurden Dogmatismus hinausführt und vor der kollektiven Unterwerfung der angeblich revolutionären Parteien und Organisationen den Weg für eine wirksame Rebellion ebnet.


5. Zusammenfassend läßt sich sagen: Wir glauben, daß die Zeit reif ist, eine Vorgehenweise zu definieren und in Angriff zu nehmen, die die der revolutionären Ethik entspricht und in die Praxis umzusetzen ist; wie z.B. eine Organisationsform, die unter Vermeidung der ominösen Folgen der Bürokratie unsere Anzahl und unsere wirklichen Möglichkeiten berücksichtigt, und gleichzeitig in der Lage ist, das Auftreten des Anarchismus im internationalen politisch-sozialen Zusammenhang wirksam, wenn auch zurückhaltend zu planen. Wir müssen alle günstigen Gelegenheiten des historischen Moments ausnutzen, besonders die Krise des Marxismus, in dessen Zentrum das unausweichliche Problem der direkten Aktion und der revolutionären Solidarität entstanden ist. Wir glauben nicht an wundersame Lösungen, auch nicht an den bloßen erzieherischen Wert des Beispiels - wir glauben an die Wirksamkeit von Aktionen, wenn sie eine Antwort auf bestimmte Bedingungen sind, die ihnen einen Sinn geben, und an eine konsequente ideologische undtaktische Linie.

Wir sind zu diesen Schlüssen nach einer Reihe von Erfahrungen gelangt, die uns gezeigt haben, daß wir trotz der Tatsache, daß wir eine praktisch mittellose Minderheit sind, unser Vorhandensein spürbar werden lassen können, Sympathien erlangen können und die Aufmerksamkeit der internationalen öffentlichen Meinung erregen können.

Deshalb ist unser Ziel nicht nur, die Schlüsse, die wir aus unseren eigenen Erfahrungen gezogen haben, zu repräsentieren, sondern all denen unsere Solidarität und Mitarbeit anzubieten, die an die Möglichkeit glauben, wirksam auf die Rebellion und die internationale Solidarität hinzuarbeiten. Also fassen wir unsere Polition folgendermaßen zusammen:

ERSTENS: Völlige Identifikation mit dem antiautoritären Konzept des Anarchismus ,und seiner klassischen revolutionären Linie.
ZWEITENS: Völlige Ablehnung von ideologischem Dogmatismus und Sektierertum, weil wir diese Phänomene für unvereinbar mit der anarchistischen Ethik halten.
DRITTENS: Meinungen und Diskussionen werden voll und ganz respektiert, soweit die Aktivitäten einer Gruppe, eines Einzelnen oder einer Bewegung betroffen sind.
VIERTENS: Es muß eine grundsätzliche Bereitschaft vorhanden sein, mit Gruppen, Einzelnen oder Bewegungen zusammenzuarbeiten, zu denen man Verbindungen hat, und genauso mit denen, die versichern, daß sie einer revolutionären Ideologie folgen, und bereit wären, Sektierertum und Elitedenken genauso zu bekämpfen, wie die Ungerechtigkeiten, die durch jede Art von Ideologie verursacht werden.
<strong>FÜNFTENS: Völlige Identifikation mit den wichtigsten Aussagen des Manifests "AN ALLE REVOLUTIONÄRE BEWEGUNGEN DER WELT” (verbreitet von der Gruppe l.Mai nach dem Angriff auf die amerikanische Botschaft in London) als generelle strategische Linie, solange die gegenwärtigen politischen und sozialen 'Bedingungen der ganzen Welt andauern.

Gruppe l.Mai

10. März 1968

UND WIE SOLL’S JETZT WEITERGEHEN?

Das ”Ende" des Vietnamkriegs markiert das Ende einer Periode der internationalen Politik der Großmächte, die während der letzten dreißig Jahre das Schicksal der Welt bestimmt hat. Außer den offensichtlichen und sofort eingetretenen Konsequenzen („Beendigung“ des schamlosesten technologischen Völkermords und der praktischen Bestätigung des Prinzips der "friedlichen Koexistenz" von gegensätzlichen politischen Regimes) wird es wahrscheinlich zerstörerische Folgen für die Zukunft geben: Verfestigung der Herrschaft des Staates in allen Formen und in jeder Ecke der Welt; sehr enge Verbindungen zwischen allen Mächten zur Sicherung des gegenwärtigen Status Quo von Macht und Privilegien; Ausbreitung der Technologie über den ganzen Planeten mit der nachfolgenden Unterwerfung durch entfremdete Arbeit und die "Vorteile" der Konsumgesellschaft; immer stärkere Entwicklung von Strukturen einer autoritären Gesellschaft um die Pole ihrer ideologischen Dynamik herum: Faschismus und Stalinismus .

Die westliche Gesellschaft, die Dritte Welt und die Anderen!

Durch die wahnsinnige Jagd auf Industrialisierung, die zum. Leitmotiv der gegenwärtigen Geschichte aller Völker und Systeme erhoben wurde, hat die westliche Gesellschaft einen so hohen Stand erreicht, daß es möglich wäre, von Seiten der verschiedenen Regierungen eine radikale Veränderung der Sozialpolitik vorzunehmen. Trotzdem hat die Wirtschaft im Namen des "internationalen Wettbewerbs" und der "nationalen Unabhägigkeit" immer noch Vorrang vor dem Sozialen. Und nur wenn Bewegungen auftreten, die bessere Löhne und Bedingungen fordern , und die die Grenzen der Legalität überschreiten und ihre Aktionen über die Toleranzschwelle des Systems hinaus weiterverfolgen können, nur dann werden bestimmte Reformen durchgeführt und begrenzte Verbesserungen gewährt. Aber immer mit der bewußten Absicht, die ausge- beuteten Massen sicher in das System zu integrieren, die Fortführung der bestehenden Ordnung zu garantieren und die ökonomischen Expansion zu erleichtern. Alles zum Schaden der wahren Humanisierung des individuellen und kollektiven Lebens, der wahren Demokratie und des wahren Kommunismus.

Auch in den Ländern der Dritten Welt ist die Industrialisierung zum obersten Ziel der Politik erhoben worden. Trotz der revolutionären Erklärungen der wichtigsten Bewegungen für "nationale Unabhängigkeit" und ’Befreiung", die zu ihrer Zeit in den Herzen der organisierten europäischen Arbeiterklasse große Hoffnungen erweckten, wendete sich die Dritte Welt (indem sie sich genau auf die Unterwerfung der Massen unter den demagogischen Nationalismus verläßt) dem Weg der kapitalistischen westlichen Entwicklung zu. Die Vereinigung der dritten Welt mit den anderen westlichen Nationen wurde zur immer unbestreitbareren und unwiderruflichen Tatsache, ob sie nun ihre ethischen und politischen Widersprüche gelöst hatte oder nicht.

Die anderen waren zu ihrer Zeit Mao’s China, Nordvietnam und Castros Kuba. Aber wir haben gesehen, was ökonomische Vernunftgründe, die Strategie des Abratens und die internationale Zusammenarbeit mit Johnson und Nixon in diesen revolutionären Wällen an richten konnten.

REVOLUTIONÄRE SPLITTERGRUPPEN

Die Konfrontation mit der Harmonie unter den verschiedenen autoritären Systemen und auch unter den linken Splittergruppen, veranlasste die am stärksten "politisierten’ darunter nicht dazu, ihre bekanntesten Slogans zu widerrufen (Veränderung der Lebensqualität, der Gesellschaft und des Menschen), auch nicht ihren Anspruch, die revolutionäre Avantgarde zu sein, sie zogen sich auf gemäßigtere, weniger radikale und integrierte Positionen zurück. Vielleicht wollten sie das garnicht; aber diejenigen, die sich für die berechtigsten Erben der internationalen Bewegung der Jugendrevolte hielten, haben dazu beigetragen, daß eine Bewegung, die nicht absorbierbar zu sein behauptet, vom System absorbiert wurde. Gerade als auch die Repression ihre Tödlichkeit verlor, legten diese Splittergruppen eine Selbstdisziplin an den Tag (um sich nicht der ’Provokation” hinzugeben) die ihnen immer mehr Respekt vor der Legalität abnötigte bis zu dem Punkt, wo sie froh waren, die ’extreme Linke” der klassischen Linken zu sein, eingegliedert in das ganze Spektrum reformistischer Gewerkschaften und Parteien kommunistischer, sozialistischer oder einfach demokratischer Prägung. So sind sie weder in der Wirklichkeit noch potentiell mehr die Negation der autoritären Ordnung, obwohl sie immer noch revolutionär genannt werden. Nur die Randgruppen, die die revolutionäre Basis ihrer Existenz nicht widerrufen haben, bleiben als die wahren Vertreter des Ideals der Verneinung von Autorität übrig; ein Existenzgrund, der, wie im Mai f68 exemplarisch bestätigt wurde, bedeutet, die Revolution jetzt zu leben, und nur diejenigen sind es, die das System weiter bekämpfen, die die Kämpfe in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft radikalisieren, die die anderen Splittergruppen, Parteien und Organisationen in den Grenzen der Legalität halten willen.

ZIELE

Das leninistische Konzept für die Revolution ist keine mögliche Alternative mehr, deshalb gewinnen anarchistische Ideen an Wichtigkeit und Bedeutung. Der revolutionäre Aktivismus kann in den Fabriken, in den Vierteln, in den Universitäten und im täglichen Leben 1001 Rechtfertigungen finden und ebenso viele Möglichkeiten, sich zu zeigen. Kapitalistische Ausbeutung und staatliche Unterdrückung sind immer noch, und viel mehr als vorher, die Natur und tägliche Realität aller autoritären Systeme mit der unausbleiblichen Serie von Ungerechtigkeiten und endlosen Ausschreitungen, von Gewalt und repressiver Grausamkeit, von moralischem Elend und kultureller Entfremdung. Die Ziele sind immer noch Revolte und Befreiung, um für die beste Selbstverwirklichung des Menschen zu sorgen. Und sofort wird die öffentliche Meinung erwachen und die empörendsten Mißbräuche und Ausschreitungen gegen die "Menschenrechte” in welchem Land auch immer denunzieren: indem sie der repressiven Solidarität der Staaten die Solidarität der Unterdrückten entgegenstellt .

EINE DRINGENDE BITTE

Angesichts der revolutionären Demobilisierung all der Bereiche und Staaten, die einmal auf die Revolution als das höchste Ideal und Ziel schworen; angesichts der vereinten Bemühungen der Mächtigen, gerade die Basis zu verstärken, die ihnen ihre Privilegien garantiert; angesichts der Bestätigung der autoritären Prinzipien der Gesellschaft im Osten als auch um Westen, auf Kosten der Unabhängigkeit der Menschen und der Bürgerrechte, fordern wir die revolutionäre Vereinigung und Mobilisierung all derer, die nicht auf ihre menschliche Würde verzichten wollen, all derer, die sich weigern, entfremdet zu leben und der Unterstützung der bestehenden Mächte zu dienen.

Allen, die das zersetzende ideologische Sektierertum überwunden haben und das Trugbild des legalen Kampfes zurückgewiesen haben, schlagen wir vor , ihre Bemühungen mit den unseren zu vereinigen, um den revolutionären Aktivismus in all seinen Formen zu schüren, um endlich die öffentliche Meinung auf die Kämpfe der Völker, Minderheiten und der Einzelnen, die Opfer der Unterdrückung und Repression des Staates sind, aufmerksam zu machen, und zwar auf der Basis der Prämissen, die in unseren vor dem Mai’68 herausgegebenen Papieren ausgeführt sind.

Gruppe l.Mai

Bewegung für die internationale, revolutionäre Solidarität

l.Mai 1973

PRESSEERKLÄRUNG

Dieser Text wurde an Presseagenturen und Zeitschriften verteilt.


Die unvollständige und falsche Berichterstattung der Presse über die letzten Ereignisse veranlaßt uns, einige Erklärungen zu den Zielen und Merkmalen der "Gruppe l.Mai" abzugeben.

In der Nacht vom 2. auf den 3.März 1968 hat die Gruppe l.Mai (in verschiedenen europäischen Hauptstädten) eine Reihe von Aktionen durchgeführt, die sich gegen die diplomatischen und militärischen Korps der Vereinigten Staaten und der faschistischen Regierung von Griechenland,- Spanien und Portugal richten. Aktionen wie z.B. die Entführung Mgr. Ussias in Rom, der Angriff mit Maschinengewehren auf die amerikanische Botschaft in London, die Angriffe auf die griechische und die 'bolivianische Botschaft in Bonn etc., denen die Presse einen hauptsächlich psychologischen Charakter unterstellte, haben zwei Hauptziele:

Die Öffentlichkeit soll mittels der Presseagenturen breit über die Forderungen informiert werden, die der Grund für diese Aktionen sind.

Mit diesen Forderungen soll die handgreifliche Realität der "Eskalation des Terrors" demonstriert werden, der sich zur Zeit unter der Schirmherrschaft der USA in der ganzen Welt verbreitet, und ihm mit einer "Gegeneskalation" der Rebellion in allen Aspekten und Gründen entgegenzutreten.


Natürlich geht es nicht darum, dem globalen Terrorismus einen "heroischen" Terrorismus entgegenzusetzen, sondern eine offensive Bewegung zu verbreiten, welche die Passivität zu durchbrechen vermag, die die Regierung mit zunehmend wissenschaftlichen Methoden in uns zu erzeugen versucht.

Der Völkermord in Vietnam, die Unterwerfung von Lateinamerika, und die Konflikte,die von den Mördern aus dem Weißen Haus und dem Pentagon im Nahen Osten angefacht wurden, sind Punkte eines systematischen Programms zur Einkapselung der Welt. Auch in Europa kann man wichtige Aspekte dieses Programms beobachten: Die grundlegende Unterstützung, die die Diktaturen Griechenlands, Spaniens und Portugals von den USA im Austausch für die Garantie strategischer Stützpunkte um Mittelmeerraum erhalten.

Sowohl die "bürgerlichen Demokratien" des Westens als auch die "Volksrepubliken" des Ostens halten auf ihrem Weg zur "Superkonsumgesellschaft" fleißig nach neuen Märkten Ausschau . Finanztrusts im Westen und die bürokratischen Parteistrukturen im Osten verstärken völlig ungeachtet -jeglicher humnitärer Bedenken ihre Verbindungen mit diktatorischen Regimes»

So streben privater und Staatskapitalismus dasselbe Ziel an (unter Erhaltung ihrer jeweiligen Systeme) und als Rechtfertigung führen sie einen politischen Plan für "nationale Unabhängigkeit" oder einen ökonomischen Plan für "nationale Expansion" an, während sie die Länder der Dritten Welt, Hauptlieferer von Rohstoffen und billigen Arbeitskräften, in ständiger Unterdrückung und Elend halten.

Angesichts dieser Realität haben wir uns damit abgefunden, daß der einzige Weg, der einer ausgebeuteten Menschheit bleibt, die ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände nehmen will, der allgemein verbreitete revolutionäre Aktivismus gegen Kapitalismus und alle herrschenden Bürokratien (einschließlich China ist) ist.

Wir glauben , daß in einer Zeit, wo die neuen Generationen der ganzen Welt den Mythos einer "freien" westlichen Welt und des "Aufbaus des Sozialismus" (unter Anleitung einer omnipotenten Partei) zerschlagen und ihrem Verlangen nach einer anarchistischen Revolution Ausdruck verleihen, nur die Koordination dieser Bewegung der globalen Kollaboration der repressiven Mächte eine wirkungsvolle Kraft entgegensetzen kann.

Die Kämpfe gegen Diktaturen- die spanische, griechische, portugiesische, gegen den Rassismus in den USA und die "Apartheid" in Südafrika, gegen die Ausrottung des vietnamesischen Volkes oder die Versklavung Südamerikas bilden den globalen Kampf gegen alle Ausbeutersysteme.

Gruppe l.Mai

Bewegung für die revolutionäre Solidarität

März 1968

Operation Durruti

Bericht über die Verhaftung und die Verhandlungen von fünf Anarchisten, die von der spanischen Polizei beschuldigt wurden, die Entführung einer wichtigen amerikanischen Persönlichkeit geplant zu haben.


Die spanische Presse und die internationalen Presseagenturen gaben am 28.Oktober 1966 die offizielle Erklärung der Polizei bekannt, die die Verhaftung von fünf spanischen Anarchisten bestätigte: Luis EDO,41 Jahre alt; Antonio CAÑETE, 49; Alicia MUR, 33; Jesus RODRIGUEZ,39; und Algredo HERRERA,31. In der offiziellen Mitteilung, die von der ganzen spanischen Presse veröffentlicht wurde, war folgende Version zu lesen:

„Der SIS (Servicios de Investigación Socioal) hat eine Gruppe von fünf bewaffneten Personen, alles Mitglieder der FIJL (Iberische Föderation der libertären Jugend, Jugendorganisation der libertären Bewegung Spaniens), verhaftet, die die Entführung einer wichtigen ausländischen Persönlichkeit in Madrid geplant hatten. Die fünf Personen und die Waffen wurden dem Madrider Tribunal für öffentliche Ordnung zur Verfügung gestellt. Der Anführer der Gruppe war Luis EDO ein früherer Generalsekretär der FIJL in Paris und Mitglied der Gruppe, die letzten April den geistlichen Berater der spanischen Botschaft im Heiligen Stuhl, Monseigneur Ussia, entführt hat.“

"Die FIJL plante seit einiger Zeit eine subversive Aktion , die die internationale Aufmerksamkeit auf Spanien lenken sollte. Mit dieser Aufgabe wurde EDO’S Gruppe betraut, deren Mitglieder von Frankreich aus mit allen Instruktionen einsatzbereit gemacht wurden.

Die geplante Entführung ist eine Folgeerscheinung, derjenigen die letzten April von der anarchistischen Gruppe "l.Mai" gegen Mgr.Ussia in Rom ausgeführt wurde. Dieses Mal planten die Anarchisten einen ähnlichen "Coup” in Spanien, mit der Absicht, eine sensationelle Kampagne gegen Spanien auszulösen. Die brilliante Polizeioperation begann am 25.Oktober mit der Verhaftung Antonio Cañetes, der mit falschem Namen im Madrid-Barcelona-Express reiste. Cañete, der auf dem Bahnhof von Saragossa verhaftet wurde, ist für seine Vergangenheit als Aktivist gut bekannt. Er nahm an einigen Sabotageakten teil. Unter seinen Hab seligkeiten entdeckte die Polizei einen Mietvertrag für eine Wohnung in Madrid- Paseo de Santa Maria de la Cabeza. Diese Wohnung war der Stützpunkt der Grup pe und dort sollte auch die wichtige ausländische Persönlichkeit gefangengehalten werden. Die übrigen Mitglieder wurden bald danach in der erwähnten Wohnung verhaftet. "

"Luis EDOs Angaben nach war der in Paris zurückgebliebene Octavio ALBEROLA das Hirn der Operation. EDO kam nach der Entführung von Rom mit der Absicht nach Spanien, eine Pressekonferenz über die Operation der anarchistischen Gruppe "l.Mai" in Rom abzuhalten."

"In der Wohnung, die der Gruppe als Hauptquartier diente, fand die Polizei eine Maschinenpistole der Marke "Sten", eine automatische Luger, falsche Pässe und verschiedene Dokumente, die die detaillierten Anweisungen für den Nachfolger der "Operation Ussia" enthielten. Die Polizei fahndet intensiv nach anderen Personen, die mit diesen Aktivisten in Verbindung stehen."


Nach der Veröffentlichung dieser Stellungnahme begannen die Reporter mit ihren Spekulationen bezüglich der möglichen Identität der wichtigen Persönlichkeit. Trotz des Dementis des amerikanischen Botschafters fiel sein Name wiederholt.

STELLUNGNAHME DER FIJL UND DER GRUPPE l.MAI

Die französische Presseagentur gab am 1.November 1966 in Madrid bekannt, sie habe folgende von der FIJL herausgegebene Stellungsnahme erhalten: "In Bezug auf die kürzliche Verhaftung von fünf unserer Kameraden erklärt das Komitee der FIJL:


1. Unsere Kameraden hatten die Aufgabe, eine Aktion auszuführen, die im Rahmen unserer Kampagne für die Freilassung aller politischen Gefangenen in unserem Land,die falsche "Liberalisierung" des Franco Regimes aufzeigen sollte.


2. Wir stehen zu folgender Erklärung der Gruppe "l.Mai" aus einer Presseerklärung, die die Behauptungen von Francos Polizei aufs schärfste kritisiert: "Die spanische Polizei versucht, der letzte Woche in Madrid verhafteten Gruppe von Anarchisten die von der "Gruppe l.Mai" durchgeführte Entführung Mgr.Ussias in Rom zur Last zu legen.

Keiner der Gruppe hat an der Entführung in Rom teilgenommen, wie sie für sich leicht feststellen können, wenn sie die Handschrift dieser Mitteilung mit den Mitteilungen vergleichen, die zu der Zeit von der"Gruppe l.Mai" herausgegeben wurden, und wie Mgr. Ussia selbst zugeben müßte, wenn ihm die in Madrid verhafteten Kameraden gegenübergestellt würden. Es ist also völlig falsch, zu behaupten, die Polizei habe die Gruppe "l.Mai" auseinandergenommen.

Wir sind darauf vorbereitet, zu zeigen, daß das faschistische Regime von General Franco lügt und daß es der Gruppe "l.Mai; nicht mißlingen wird, dies zusammen mit dem festen Entschluß zu beweisen, die Kampagne für die Freilassung aller politischen Gefangenen in unserem Land fortzuführen."

Gruppe l.Mai

31.Oktober 1966

3."Das Komitee der FIJL auf der Halbinsel wendet sich an alle antifaschistischen Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen mit der dringenden Bitte, all ihren Protest aufzubieten, um das Francoregime von.einem neuen Verbrechen abzuhalten."

Das Komitee der FIJL auf der Halbinsel

Spanien, 1.November 1966

DIE VERTEIDIGUNG

Kurz nach der Bekanntgabe der Verhaftung unserer fünf Kameraden wrude in einer Zeitungsnotiz berichtet, daß die Verteidigung den Srs. Jaime CORTEZ und Alfonso SEVILLA übertragen würde, beides Mitglieder des Madrider Gerichts.

In einem Interview mit dem Auslandskorrespondenz der „Press“ erklärte Sr.CORTEZ später öffentlich, daß das Tribunal für öffentliche Ordnung es abgelehnt hatte, die Verantwortung für die Prozeßunterlagen unserer fünf Kameraden zu übernehmen und sie deshalb der Militärbehörde übergeben hatte. Das bedeutete die Gefahr, daß sie vor einem Kriegsschnellgericht zur Verhandlung kommen, daß sie ohne wirkliche Verteidigungsmöglichkeit abfertigen würde.

PRESSEKONFERENZ MIT OCTAVIO ALBEROLA IN NEW YORK

Am 8.Dezember kabelte die AFP (agence France Press A.d.Ü.) aus New York einen langen Bericht über eine geheime Pressekonferenz, die Octavio ALBEROLA in einem Hotel in Manhatten gegeben hatte. Der Text der Pressekonferenz lautet:

"NEW YORK, 8.Dezember- Das anarchistische "Kommando” , das am 24.Oktober von der spanischen Polizei in Madrid verhaftet wurde, hatte nicht die Absicht, Botschafter Biddle Duke zu entführen. Die gemeinte wichtige Persönlichkeit war Konteradmiral Norman G.Gilette , Hauptbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Spanien. Er wäre am 25. entführt worden, wenn die Polizei die "Operation Durutti" nicht aufgedeckt hätte.

Als Verantwortlicher für die Verbindungen des Komitees der FIJL auf der Halbinsel mit der Auslandsdelegation gab Octavio ALBEROLA heute in einem Hotel in Manhattan, New York, diese präzise Erklärung an mehrere Zeitungsleute weiter. Alberola, der für diese Pressekonferenz aus Madrid gekommen war, - die erste dieser Art, die die FIJL in den USA gab- enthüllte auch, wie die Entführung ausgeführt worden wäre. Man hätte einen Unfall auf der Landstraße zwischen dem amerikanischen Luftstützpunkt in TORREJON und Madrid vorgetäuscht. Konteradmiral Gilette wäre in ein anderes Gefährt verfrachtet worden, das ihn zur Hauptstadt transportiert hätte. Dort hätte man ihn in die Wohnung gebracht, wo er, einem FIJL-Papier 'zufolge, in Anwesenheit mehreren Reporter als "lebendiges Symbol für die nordamerikanische Besetzung Spaniens" gedient hätte.

Das Papier konnte wegen der Entdeckung durch die Polizei in Madrid nicht veröffentlicht werden, deshalb las Octavio Alberola es der Presse in New York vor, kurz nachdem er Kopien davon an den Generalsekretär der Vereinigten Nationen, U Thant, und alle Vertretungen der UN-Mitgliedsstaaten geschickt hatte.

Die FIJL kritisiert in driedem Papier aufs schärfste die "patriotische Demagogie von Francos Regierung bezüglich ihrer Ansprüche auf Gibraltar und ihre Komplizenschaft mit den aggressiven Plänen der nordamerikanischen Streitkräfte, die ihre Militärbasen in Spanien als logistische Punkte für ihre Kriegspläne benutzen."

Octavio ALBEROLA bestand auch auf folgendem:

1. Daß die generelle Amnestie, die Franco verkündet hatte, eine Farce ist und daß es mehrere hundert politische Gefangene in spanischen Gefängnissen gibt.
2. Die spanische Diktatur strebt nicht mehr Demokratie an. Das Referendum vom 14.Dezember wird auch keine grundlegende Änderung bringen.
3. Die FIJL meint, daß die "Operation Durutti" trotz der Aufdeckung durch die Poizei ein positives Ergebnis gezeigt hat, und zwar wegen ihrer Rückwirkungen. Die FIJL wird ihren Kampf weiterhin aktiv verfolgen bis sie ihre unmittelbaren Ziele erreicht hat: Die Befreiung aller politischen Gefangenen in Spanien, das Ende der Verfolgung durch die Polizei und die Möglichkeit, sich frei zu äußern, zu treffen und zu verbinden. Diesbezüglich bestätigte Octavio Alberola kategorisch, daß die FIJL weiterhin spektakuläre Aktionen innerhalb und außerhalb Spaniens unternehmen würden. "Wenn diese Aktionen in einigen Fällen gewaltsam sein werden", fügte er hinzu, "so wird es trotzdem, wie bei den vorherigen Operationen, keine Opfer geben."

Zuletzt versicherte er, daß die fünf in Madrid inhaftierten Anarchisten in keiner Weise an der Entführung Mgr.Ussias in Rom beteiligt gewesen seien." (AFP)

Am selben Tag, an dem die Pressekonferenz mit Octavio Alberola stattfand, erhielten alle bei der allgemeinen Zusammenkunft der UN anwesenden Delegierten eine Mitteilung der Auslandsvertretung der FIJL zusammen mit dem Papier, das die spanische Polizei unter EDOs Sachen gefunden hatte und das die Basis für die "OPERATION DURUTTI" gewesen wäre. Dieses Papier wurde seitdem an alle Provinzbehörden verschickt und war in offiziellen Kreisen sowie unter dem Volk weit verbreitet.

DIE TRICKS DES MILITÄRS UND DES TRIBUNALS FÜR ÖFFENTLICHE ORDNUNG IN MADRID

Wie oben erwähnt, hatte es das Tribunal für öffentliche Ordnung abgelehnt, den Fall unserer Kameraden zu übernehmen und ihn der Militärbehörde zu übergeben. Das Regime griff anscheinend zu dies-er Taktik, um Zeit zu gewinnen und um sie als Erpressungsmittel gegen Vergeltungsmaßnahmen von Seiten der FIJL anzuwenden. Einige Wochen, nachdem das Tribunal für öffentliche Ordnung den’ Tall an die Militärbehörde weitergeleitet hatte, wurde bekanntgegeben, daß letzteres es auch ablehnte, den Fall zu übernehmen und an das Tribunal für öffentliche Ordnung zurück gab, das letztlich die Anklage ausfertigte.

An 9.Februar wurde sie öffentlich erhoben und der staatliche Ankläger forderte 15 Jahre Haft für Luis EDO, Alicia MUR und Antonio CANETE; und 6 Jahre für Alfredo HERRERA und Jesus RODRIGUEZ. Die Anklage beschuldigte sie: der kriminellen Vereinigung (weil sie Mitglieder der FIJL waren), der Planung einer Entführung und des Waffenbesitzes. (AFP 9.Reb.).

INTERNATIONALE PROTESTE

Den Inhaftierungen folgte eine Protestwelle in ganz Europa. In Frankreich, Belgien, Italien, Deutschland Holland, Schweiz etc. wurden Flugblätter und Plakate verteilt. Wichtiger waren folgende Aktionen:

Amsterdam: Am Sonntag, den 30.Oktober, protestieren starke Gruppen von Provos und anarchistischen Demonstrationen vor der spanischen Botschaft. Fenster wurden zerschlagen und ein altes Gewehr hineingeworfen, das Francos Terror symbolisierte. Das Ergebnis war, daß die niederländische Presse Artikel über die fünf in Madrid inhaftierten Anarchisten brachte. In den folgenden Tagen wurden über 15000 Handzettel und Plakate in Amsterdam verteilt. Am 3. und 4. fanden weitere Demonstrationen vor der spanischen Botschaft statt. Ein italienischer Kamerad wurde während einer dieser Demonstrationen vom niederländischen Radio interviewt. Während des Provo Conciliums zwei Wochen später wurden Resolutionen zum Kampf gegen die Diktatur des Francoregimes verabschiedet .

Mailand: In der letzten Oktoberwoche wurden tausende von Flugblättern in der ganzen Stadt verteilt. Am 31. fand eine Protestdemonstration auf dem Domplatz statt. Am nächsten Tag wurde mit einem Protestmarsch durch die Innenstadt demonstriert, dort wurde die Nachbildung einer Garotte mitgeführt, um alle daran zu erinnern, daß der Faschismus in Europa immer noch lebt.

Brüssel: Anfang November wurden Tausende von Flugblättern und Plakaten in der "Hauptstadt" Europas verteilt. Am Samstag, den 19., fand auf den Place Brouckere im Zentrum der Stadt ein Provohappening "aus Solidarität mit den fünf in Madrid inhaftierten Häftlingen"statt. Ein Flugblatt wurde Verteilt, das besagte, daß die Brüsseler Provos "gratis, öffentlich und unter Mitwirkung der Polizei ein Theaterstück in einem Akt zusammenstückeln würden, das die Foltern zeigt, die die fünf spanischen Anarchisten erwarten, wenn man Franco seinen Willen läßt. Das Provotariat erklärt dem Francoregime den Krieg. Ein Regime, das heute noch unter mittelalterlichen Zuständen und der Inquisition existiert; dafür haben wir vor nicht allzu langer Zeit den Beweis erhalten, als 1963 die beiden jungen Anarchisten Delgado und Granados an der Garotte starben...."

Paris: über 100 000 Posters und Flugblätter wurden verteilt. Auf einer Protestveranstaltung gegen das Francoregime, die von verschiedenen linken Bewegungen in Mutualité abgehalten wurde, sprach Daniel MEYER, der Präsident der Liga für Menschenrechte, über die Situation unserer fünf Kameraden. Nach dem Treffen demonstrierten die Anarchisten vor der spanischen Botschaft, und warfen Fenster ein, bis sie von der Polizei zerstreut wurden. Die spanische syndikalistische Allianz organisierte eine Solidaritätsveranstaltung, die im Alhambratheater stattfand.

FRANCOS UNTERDRÜCKUNG UND DIE FARCE VON DER "LIBERALISIERUNG"

Die Verhaftung und die nachfolgende Verhandlung unserer fünf Kameraden fällt in eine Perionde der Agitation unter Arbeitern und Studenten in Spanien und der Verschärfung der Verfolgung durch die Polizei.

Luis EDO, Antonio CANETE, Alicia MUR, Jesus RODRIGUEZ und Alfrede HERRERA wurden verhaftet und werden zur Verhandlung kommen, weil sie eine Aktion geplant haben, die die "Demonstrationen und Liberalisierung" des Francoregimes als bloßes Lippenbekenntnis ausweisen, und um die Freilassung aller politischen Gefangenen in spanischen Gefängnissenzu fordern. Doch gleichzeitig wurden hunderte von Arbeitern und Studenten zu derselben Periode verhaftet, einfach weil sie an eine wirkliche "Liberalisierung; geglaubt hatten. Darin liegt eine gewisse Ironie. Trotzdem zeigen die Ereignisse, wie falsch die Annahme ist, eine faschistische Diktatur könne sich durch den bloßen demokratischen Anspruch auf Grundrechte friedlich "liberalisieren" .

Sowohl die zahlreichen Verhaftungen von Studenten und Arbeitern wegen der- Teilnahme an friedlichen Demonstrationen oder an den sogenannten "freien Versammlungen" als auch der Ausschluß all der Universitätsprofessoren, die es gewagt hatten, gegen Brutalitäten von seiten der Polizei zu protestieren oder die sich 'dem Regime gegenüber frei äußerten, zeigen deutlich, daß Francos Diktatur ihrem totalitären Charakter weiterhin treu bleibt und in keiner Weise bereit ist, dem demokratischen Streben des spanischen Volkes nachzugeben.

Die "Reformen", mit deren Durchführung sich der lächerliche Cortez am meisten rühmte, die politischen Klauseln des Strafgesetzes, das neue Pressegesetz, und all die anderen "demokratischen" Pläne, die das Regime bekanntgab.,stehen bloß auf den Papier und sollen bei der Öffentlichkeit Eindruck schinden.

Studenten, Arbeiter, Universitätsprofessoren und sogar Priester werden verfolgt und verhaftet, weil sie unerlaubte Versammlungen abhalten, Kampagnen gegen das Referendum durchführen, oppositionelle Nachrichtenblätter herausgeben usw. usw.

Stuart CHRISTIE, der im September 1964 ein weiteres Mal fälschlicherweise des Terrorismus angeklagt und zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, sitzt immer noch in Carabanchel.

Ein Gnadengesuch wurde vor kurzem abgelehnt, und so teilt dieser 20jährige britische Militante das Los vieler anderer demokratischer Spanier.

Jetzt droht das Regime, die fünf militanten Anarchisten zu neuen schweren Strafen zu verurteilen.

COMITÉ ESPAGNE REVOLUTIONAIRE

VERBINDUNGSKOMITEE DER FIJL

Aubervilliers (Frankreich) / Brüssel

 

NACHWORT

Im untersuchten Zeitraum ist die Gruppe l.Mai eine der bekanntesten der anarchistischen aktivistischen Gruppen. Sie führt die Arbeit Sabates und der spanischen Nachkriegsresistance weiter und ist ein Verbindungsglied zur nächsten Periode, wo der revolutionäre Aktivismus in vielen Ländern (Deutschland, USA, Italien, Südamerika) aus vielen Strängen bestand; einige davon waren autoritär marxistisch - normalerweise maoistisch, manchnal rätekommunistisch, gelegentlich trotzkistisch- und andere waren anarchistisch. In vielen Fällen wendete die"' Presse den Begriff"anarchistisch"an und blähte den tatsächlichen Anteil der Anarchisten auf (weil der Anarchismus heute für die Rechtsextremisten der gleiche Buhman ist wie der Faschismus für die Linksextremisten), so daß in der Türkei z.B., wo es viel weniger Gruppen gibt als irgendwo sonst, der Anschein erweckt wird, alle anarchisten seien Aktivisten und umgekehrt, was auf keinen zutrifft.

Die Gruppe l.Mai ist durch und durch anarchistisch, obwohl sie sich weniger scharf von anderen revolutionären Gruppen abgegrenzt hat, als bei an archistischen Bewegungen normalerweise der Fall ist, weil sie es als Hauptaufgabe ansah, eine revolutionäre Situation herzustellen und sich darum zu bemühen, die revolutionären Organisationen so libertär wie möglich zu machen. Dieser Mangel einer klaren Differenzierung spiegelt sich in ihren Communiques wieder.

Der Unterschied zwischen dem Aktivismus des anarchistischen Lagers und dem Terrorismus der nationalistischen oder sonst welcher Gruppen wird ersichtlich, wenn man die Chronologie der "1.Mai“ Angriffe z.B. mit der Aufstellung der Ereignisse in Nordirland oder der palästinensischen Guerillas vergleicht, mal abgesehen von dem Terrorismus, der in fast allen Ländern von Seiten der Regierung ausgeübt wird - frei nach Wahl. Für die Anarchisten ist der Kampf kein Angriff auf Völker, wie es die Definition des nationalistischen Kampfes besagt. Der Marxismus kritisiert den Aktivismus der Anarchisten, entschuldigt aber den Terrorismus der Nationalisten in einer angemessenen Ausdrucksweise.

Für die Regierungen muß es den Terrorismus natürlich in Massen (und legal) und nicht stückchenweise (und illegal) geben. Massenmord ist legaler Krieg - der Kampf gegen Unterdrückung ist individuelle Rebellion .

Dem zufälligen Leser der Zeitungspropaganda mag es eigenartig Vorkommen, daß die Anachisten durchweg eine so "schlechte Presse" haben sollen. Wenn man aber die Berichterstattung über anarchistischen Aktivismus in den letzten 50 Jahren betrachtet, zum Beispiel einzelne Attentate auf Mussolini, den Wider stand gegen die Tyrannei im bolschewistischen Rußland in Form von individuellen Angriffen, bewaffnetem Widerstand in der Ukraine und andere Aufstände, die verschiedenen antifaschistischen Kämpfe in Spanien und anderswo, der Kampf gegen die Gewaltherrschaft in Südamerika und so weiter- nichts davon würde die ständige Verleumdung des Anarchismus durch die Presse rechtfertigen außer bewußte Propaganda. Wenn man an die Masse psychopathischer Morde denkt, die unauslöschlich mit dem Faschismus verbunden sind; an das Massenschlachten der Regierungen im Krieg und im Zuge der inneren Unterdrückung, das von den Mächten, kapitalistisch und genauso staatskommunistisch, veranstaltet wird; und an die massenhafte Brutalität bei der Unterdrückung der Opposition (besonders mit nationalem Charakter) sogar von Nationen, die in sich demokratisch sind, aber Minderheiten oder unterworfene Völker unterdrücken, wundert man sich, wie die Journalisten auf die Idee kommen, sie könnten die Anarchisten so darstellen, als seien sie natürlich die schlimmsten aller möglich Schurken.

Aber wegen seines kriecherischen Charakters empfindet der Journalismus Angriffe auf die Autorität und auf Amtspersonen, seien sie auch noch so tyrannisch, als größere Bedrohung als Völkermord oder Ungerechtigkeit.

In den letzten Jahren wurde dies durch die Natur des totalitären Ghandiismus unterstützt, der sich selbst als "gewaltlos" zu bezeichnen beliebt, und alle, die seine Ansichten nicht teilen, als "Gewaltsame" bezeichnet. "Gewalttäter" ist von ihrem pazifis tischen Standpunkt aus natürlich jeder einzelne, außer ihnen selbst; aber der in England und Amerika nur wenig verbreitete "anarcho-pazifistische" Kult, dessen Anhänger sich als "gewaltlose Anarchisten" ausgeben, woraus folgert, daß die anderen "gewalttätige Anarchisten" sind, war mindestens ein mitschuldiger Grund dafür, daß der revolutionäre Aktivismus mit anderen Formen, oder um es anders auszudrücken, mit anderen Formen des Terrorismus durcheinander gebracht wurde. Leute wie Sabate oder Durutti "glaubten" nicht an Gewalt; hätten sie sich der Falange oder der Requete anschließen können und so ihre Erfüllung gefunden; sie glaubten an den Widerstand gegen diejenigen, die Gewalt gegen die Menschen ausübten. Dieser Widerstand führte zu ihrem Aktivismus, der eine Wendung zur Gewalt nahm. Es war ihr Glaube an eine Libertäre Menschheit, der diesen gewalttätigen Aktivismus dem Volk so viel näher brach te und zum Bestandteil davon machte als die Kämpfe der Dritten Welt, mal abgesehen von den Kriegen der Großmächte.

INTERNATIONALISTEN

 

Chronologie

Diese Chronologie ist weder als endgültig noch als er schöpfend zu betrachten. Sie wird jedoch dem Leser einen groben Überblick über die letzten 14 Jahre der Entwicklung des revolutionären anarchistischen Aktivismus geben. Die Aktivitäten italienischer Gruppen sind nur kurz in dieser Chronologie erwähnt. Eine Folge faschistischen Provokationen in Italien ist es, daß es praktisch unmöglich wäre, eine vernünftige Chronologie von Gruppen wie der Roten Brigade und der Partisanen Aktionsgruppe- GAP zu erstellen, wie wir es mit der Angry Brigade, der Roten Armee Fraktion, der Gruppe l.Mai und der Autonomen Kampfgruppe der iberischen Befreiungsbewegung tun konnten.

 

1960

  • Januar In den frühen Morgenstunden vom 3. auf den 4. Januar fand ein Kampf zwischen einer 100 Mann starken Einheit der Guardia Civil und einer anarchistischen Guerillagruppe statt, die gerade die Pyrenäen in Richtung Barcelona überquert hatten. Der Anführer der Gruppe, Francisco Sabate Liopart, Francos Volksfeind Nummer 1, wurde verwundet, schaffte es aber, dem um das Gebiet gelegten Fahndungsnetz zu entkommen. Er wurde am nächsten Tag in der katatonischen Kleinstadt San Celoni in einem Kreuzfeuer des faschistischen Militärs und der Guardia Civil getötet.

  • Februar Das revolutionäre Direktorat der iberischen Halbinsel (DRIL) gibt mit einer Reihe von Angriffen auf wichtige Regierungsgebäude in ganz Spanien und Portugal seine Gründung bekannt.

  • 27/28/28/ Juni Auf der iberischen Halbinsel wird eine weitere Serie von gemeinsamen Bombenangriffen gestartet, sie richtet sich gegen Gebäude und Einrichtungen beider faschistischer Regimes.

1961

  • Januar In der Nacht vom 21. auf den 22. brachte eine Kommandogruppe der DRIL unter der Leitung des portugiesischen Kapitäns Henrique Galvao den portugiesischen Passagierdampfer Santa Maria auf hoher See unter ihre Kontrolle, um aller Welt den aktiven Widerstand gegen die Diktaturen von Franco und Salazar zu demonstrieren. Die Kommandogruppe bestand aus spanischen, portugiesischen und südamerikanischen Aktivisten.

  • Juli Die spanische Polizei deckte einen Sabotageakt auf die Eisenbahnlinie nach San Sebastian auf, kurz bevor ein Zug mit früheren faschistischen Frontkämpfern vorbeifuhr. Sie fuhren zu den jährlichen Feierlichkeiten für den faschistischen Sieg in der Hauptstadt von Guipuzcoa am 18. Dies war die erste Aktion, an der sich die aktivistische baskische Bewegung ETA als Organisation beteiligte.

  • August In den katalonischen Pyrenäen spielte sich eine Guerillaaktion zwischen einer libertären Aktionsgruppe und der Guardia Civil ab. Einer der Guardia wurde getötet und ein weiterer schwer verletzt.

 

1962

  • 7 .April Die Bergleute des Kohlebergwerks "Nicolas de Mieres" in Asturien beschlossen einen Streik und forderten einen täglichne Mindestlohn von 140 Peseten (70p), Streikrecht und freie Gewerkschaften.
    (Seit Anfang des Jahrhunderts kommen ungefähr 50% aller in den spanischen Kohlevorkommen gewonnenen Kohle aus dem 11600 qkm großen Asturien. Alle Rohstoffe, die für die industrielle Entwicklung und das Wachstum des Kapitalismus unerläßlich sind, waren hier in Hülle und Fülle zu finden: Kohle, Stahl. Mangan, Quecksilber etc.
    Im frühen 19.Jahrhundert zogen eine große Anzahl verschleppter Landarbeiter aus Kastillien und dem Süden nach Asturien. Sie vereinten sich schnell mit den Eingeborenen, akzeptierten ihre Sitten und Gebräuche und verloren binnen kurzer Zeit alle Anzeichen ihrer Herkunft.
    Doch jedes industrielle Ballungsgebiet entwickelte seine eigenen politischen Neigungen: Sozialismus in Mieres, Kommunismus in Sama und Anarchismus in Felguera und Gijon. In Asturien gibt es eine sehr starke revolutionäre Tradition. Es waren die asturischen Bergleute, die 1930 den Fall der Monarchie beschleunigten und den Weg für die unglückliche Republik ebneten.»Vier Jahre später standen dieselben Bergleute und Industriearbeiter gegen die bürgerliche Republik auf, die sie entäuscht hatte und die die Provinzhaupt Stadt Oviedo besetzt hielt, und erklärten die soziale Revolution. Wie bekannt wurde, dauerte die asturische Kommune vom 5. bis zum 19.Oktober, dann wurde sie von maurischen Soldaten und Legionären unter Befehl des von der Republik am höchsten gepriesenen General Francisco Franco blutig nieder geschlagen. )
    26 Jahre faschistischer Unterdrückung hatten den Kampfgeist der asturischen Arbeiterklasse nicht gebrochen. Die Flamme des Widerstands der revolutionären Arbeitermassen brannte wieder!

  • 20.April Wirklich jedes Kohlebergwerk in Asturien war durch Streikaktionen stillgelegt und viele Fabriken schlossen oder verminderten ihre' Produktion wegen Solidaritätsaktionen.

  • 22.April Zwei Kompanien der Guardia Civil und drei Kompanien bewaffneter Polizei eilten zu den Kohlevorkommen, um den Streik mit einem Angriff niederzuschlagen.

  • 4. Mai Auf Befehl des Präsidenten wurde in den Provinzen Biskaya, Asturien und Guipúzcoa das Kriegsrecht ausgerufen.

  • 6. Mai In Barcelona finden Solidaritätsstreiks statt. Arbeiter und Studenten verteilen tausende von Flugblättern zur Unterstützung der Forderungen der Bergleute und erklären ihre Solidarität mit den asturischen Arbeitern.

  • 11.Mai Nach schlimmen Unruhen in der katalonischen Hauptstadt wird die Universität Barcelona von bewaffneter Polizei besetzt .

  • 14.Mai 1200 Streikende werden in den vier Gefängnissen von Oviedo festgehalten.

  • 15.Mai Frauen halten außerhalb des Hauptquartiers der Sicherheitskräfte in Madrid Schweigedemonstrationen aus Solidarität mit den Streikenden ab und fordern die totoale Amnestie für alle politischen Gefangenen. Die Polizei verhaftet 80 Frauen.

  • 26.Mai

Provinz Streikende
Barcelon 17000
Asturien 15000
Vascongados 10500
Salamanca 750
Leon 5200
Jaén 3000
Madrid 1100
Zusammen 52550
  • Juni Am 5.,7.und 12. wurde die Madrider Residenz eines päpstlichen Würdenträgers, Monterolas, das Madrider Hauptquartier der Falange die Banco Populär de Espana (Opus Dei) und das Hauptquartier der Falange in Barcelona angegriffen. Anschlag auf Francos Leben in San Sebastian am 18. Zusätzlich fanden am 30.Explosionen im Opus Dei Kolleg in Barcelons und im katalanischen Instituto de Prevision statt.

  • Juli Die Casa Cisistoriales in Valencia wurde am 15..durch eine machtvolle Explosion schwer beschädigt. Dies war ein erneuter Mordanschlag auf Franco. Die Bombe sollte während eines Staatsbesuchs Anfang des Monats detonieren, aber der Mechanismus versagte.

  • August Eine Explosion beschäfigte die Basilica de la Santa Cruz dei Valle de los Caidos außerhalb Madrids schwer, (das ist ein Monument, das zum Ruhm des ewigen Andenkens an General Francisco Franco als einen christlichen Herrn von Franco errichtet und von Zwangsarbeitern aus dem Gefängnis erbaut wurde). Am 19. explodierte in großer Nähe von Francos Sommerresidenz, dem Ralacio de Ayete, eine Plastikbombe, als Franco, seine Frau und seine Minister durch das Tor in den Palast gingen.
    Am selben Tag explodierten Plastikbomben in den Redaktionen der rechten Zeitungen "ya" und "Pueblo” in Madrid und der Barceloneser Tageszeitung "La Vanguardia".

  • September Das barceloneser Hauptquartier der Sicherheitskräfte gab am 18. folgende Mitteilung heraus:
    "Auf kürzliche Untersuchungen über terroristische Akte, die in Spanien stattfanden, hin verhafteten Beamte der Brigada Politico- Social eine Reihe militanter Mitglieder der "Jungen Libertären" (FIJL). Es Sind Jorge Cunill Vals, Marcelino Jiminez Cubas und Antonio Mur Peron. Diese Einzelpersonen arbeiteten auf Weisung ausländischer Elemente, die ihre Aktivitäten zur Störung des gesellschaftlichen Friedens und der Ruhe des spanischen Volkes finanzieren ."
    Die drei libertären Kämpfer hatten wenige Tage nach ihrer Verhaftung eine Verhandlung vor dem Kriegsschnellgericht (Kriegsrat), und der Staatsanwalt forderte und erhielt für Vals die Todesstrafe. Die Exekution sollte mit der Garotte durchgeführt werden (Tod durch langsames Strangulieren).

  • 25. Sept. Kurz vor der Eröffnung des Rats des Vatikans gingen zwei Bomben in der Nähe des Papstes hoch, als er gerade das Sitzarrangement in der Basilika von St.Peter im Vatikan in Augenschein nahm.

  • 29.Sept. Das monarchistische spanische Blatt ABC veröffentlichte folgenden Bericht seines Mailänder Korrespondenten:
    „Einer heute Nacht herausgegebenen Mitteilung der Polizei zufolge wurde der spanische Vizekonsul in Mailand, Sr. Elias von unbekannten Personen entführt. Polizeinahe Quellen lassen vermuten, daß es das alleinige Werk der KP Italiens war.

  • Oktober Sr.Elias, der spanische Vizekonsul wurde am 2 Oktober mit folgender Erklärung von seinen Entführern freigelassen:
    "Die Entführung des spanischen Vizekonsuls wurde von einer Gruppe organisiert, die der INTERNATIONALEN FÖDERATION JUNGER LIBERTÄRER nahesteht, mit dem einzigen Ziel, die Aufmerksamkeit der Welt auf das traurige Schicksal von drei libertären Kämpfern zu richten, die kürzlich in Barcelona verhaftet wurden, und die Exekution Jorge Cuncill Vals zu verhindern. Wir lassen Sr.Elias wie versprochen zu seiner Familie zurück, um zu demonstrieren, daß sich unsere Methoden vollständig von denen des Francoregimes unterscheiden. Sr.Elias wird seine Familie umarmen können. Welch ein Unterschied zu dem Schicksal der politischen Gefangenen in den Verliesen des Caudillo!"
    Am nächsten Tag gab die italienische Polizei bekannt, sie habe die an der Entführung von Sr. Elias Beteiligten verhaftet, und die Verhandlung der Missetäter soll nur eine Angelegenheit von Wochen sein. (Zufällig erhielt die Polizei die Information über die Identität und den Aufenthaltsort der Anarchisten von einem kommunistischen Journalisten, der den Vizekonsul in dem Volksgefängnis außerhalb Mailands, wo er festgehalten wurde, interviewt hatte.

  • 6.Okt. Julio Moreno, 28jähriger Elektriker und militantes Mitglied der libertären Jugendbewegung, wird von einem militärischen Kriegsrat in Madrid zu 30 Jahren Haft verurteilt. Er ist der ’Kontakte zu einer illegalen Organisation im Exil ” angeklagt und der ’Teilnahme an Aktionen gegen die Sicherheit des Staates”. (krimineller Vereinigung und Terrorismus )

  • 7 .Okt. In Kardinal Spellmanns Residenz in New York geht eine Ladung Dynamit hoch. Diese Aktionen gegen Kirche und Opus Dei sind Teil einer Kampagne, diese Institutionen zu zwingen, Francos Diktatur ihre Unterstützung zu entziehen. Die Verantwortung für diese Aktionen übernahm ”La mano negro“ die zahlreiche Briefe an den Papst geschickt hatten, worin sie ihre Aktionen erklärten.

  • 20.OKt. Der militärische Kriegsrat verurteilte elf junge spanische Arbeiter und Studenten, alles Mitglieder der libertären Jugendbewegung, zu Strafen zwischen 6 und 12 Jahren Haft.

  • 17.Nov. Drei militante Mitglieder der libertären Jugendbewegung werden vom Kriegsrat in Madrid wegen Herausgabe und Verbreitung der „Libertären Jugend“ verurteilt: J.Ronco Pesima (23), 11 Jahre Haft, Antonio Bayo Poblador (23), 11 Jahre Haft, Rafael Ruiz Boroa (23) 3 Jahre Haft.

  • 22.Nov. Die Verhandlung der libertären Italiener, die der Entführung von Sr.Elias angeklagt waren, begann am 15. und endete mit dem Freispruch für alle Angeklagten durch des Gericht in Varese. Die Strafen waren geringfügig, weil der Druck der öffentlichen Meinung in Italien jede andere Strafe unmöglich machte. Jorge Cunills Verurteilung zur Todesstrafe wurde in lebenslängliche Haft geändert.

  • 29.Nov. Vier militante Mitglieder der anarcho-syndikalistischen Nationalen Arbeiterkonföderation (CNT) werden vom Madrider Kriegsrat zu verschiedenen Haftstrafen zwischen 4,9, und 11 Jahren verurteilt. Die Anklage lautet auf "Wiederaufbau der CNT” und "illegale Propaganda".
    Am selben Tag erhielten drei andere Mitglieder der CNT von Valladolid von einem anderen Kriegsrat (wieder in Madrid) je vier Jahre Gefängnis, weil sie unter den Industriearbeitern Unruhe gestiftet hatten. In Barcelona wurde ein weiteres militantes Mitglied der CNT, Antonio Sanchez Perez (51) zu 30 Jahren Haft verurteilt; man warf ihm Sabotage vor.

  • 2.Dez. In der Residenz des Militärgouverneurs von San Sebastian explodiert eine Bombe. Am nächsten Tag explodiert noch eine im Justizpalast in Valencia und eine weitere beschädigte die Schatzkammer in Madrid schwer. Am selben Tag platzte eine Bombe im spanischen Konsulat in Amsterdam und in der Verwaltung zweier Gefängnisse in Lissabon. Für alle Aktionen übernahm der iberische Befreiungsrat (CIL) die Verantwortung.

1963

  • 6.März Gemeinsame Anschläge mit Plastikbomben auf die Büros der "Iberia" in Rom und auf das Ministerium für Technologie in Madrid. "Der iberische Befreiungsrat hat die "Operation Warnung" in seinen Kampf für die Freiheit des iberischen Volkes eingebaut. Ziel dieser Operation ist es, den internationalen Reiseunternehmern klarzumachen, wie gefährlich es ist, die Fluglinien der faschistischen Regimes von Franco und Salazar (Iberia und Tap) zu benutzen. Es kann keinen Frieden in Europa geben, solange nicht die letzten Reste des Nazifaschismus auf der iberischen Halbinsel ausgerotet sind. Nieder mit der Diktatur! Vive la Libertad!"
    (iberischer Befreiungsrat- Kommunique März 1963)

  • 16.April Drei junge französische Libertäre, Bernard Ferry, Alain Pecunia und-Guy Batoux werden in Spanien verhaftet und des Terrorismus und der kriminellen Vereinigung angeklagt. Die Polizei warf den drei Anarchisten vor, sie wären an einer Anti-Touristen Kampagne beteiligt gewesen, die vom iberischen Befreiungsrat inszeniert worden war, und trügen die Verantwortung für die Explosion in den Büros der "Iberia", die versuchte Versenkung eines Passagierdampfers im Hafen von Barcelona und für den Versuch, die amerikanische Botschaft in Madrid in die Luft zu sprengen.

  • 13.Juni Im Gepäckraum spanischer und portugiesischer Flugzeuge, auf den Rollfeldern des Frankfurter, Genfer und Londoner Flughafens explodieren Bomben. Der iberische Befreiungsrat (CIL) übernimmt die Verantwortung für diese Aktionen.

  • 31.Juli Die zwei Anarchisten Joaquin Delgado und Francisco Granados werden von der spanischen Spezialeinheit verhaftet und der Verursachung er beiden Explosionen beschuldigt, die zwei Tage vorher, am 29., stattfanden. Eine war in dem Hauptquartier der Sicherheitskräfte in der Ruerta des Sol in Madrid und die andere in der Kammer des falangistischen Syndikats, auch in Madrid. Beide Männer waren militante Mitglieder der Befreiungsbewegung der Jugend und waren nach Madrid gekommen, um organisatorischen Aktivitäten nachzugehen.

  • 7.August Ramon Vila Capdevila (57) (Caraquemada) der letzte jener Bergguerilleros, die über 23 Jahre in den Pyrenäen gearbeitet hatten, wurde von einer Patrouille der Guardia Civil in den frühen Morgenstunden in der Nähe von La Creu de Perello in Katalonien getötet.

  • 11.August "Presseberichten zufolge fanden am 29. Juli diesen Jahres zwei Explosionen in der spanischen Hauptstadt statt: eine in den Amtsräumen des Vorstands für allgemeine Sicherheit, wo nur leichte Beschädigungen verursacht wurden, und die andere in der Kammer des falangistischen Syndikats, um 17.30 h beziehungsweise um 24.00 h. Zwei Tage später verhaftete Francos Polizei im Zuge einer riesigen Polizeimobilisierung Joaquin Delgado und Francisco Granados. Trotz zeitlicher und räumlicher Übereinstimmung haben diese beiden. Ereignisse nichts miteinander zu tun - die ersten, die das wissen, sind Francos Polizisten selbst- aber die Regierung unternimmt jede Anstrengung, die beiden verhafteten Männer als die tatsächlichen Urheber der Explosion vom 29.Juli hinzustellen. Das ist völlig falsch . Der iberische Befreiungsrat hat immer die Verantwortung für seine Aktionen übernommen, und hiermit erklären wir der nationalen und internationalen Öffentlichkeit folgendes:

  1. Joaquin Delgado und Francisco Granados waren in keiner Weise für die Ereignisse in Madrid am 29.Juli diesen Jahres verantwortlich.

  2. Das Waffenversteck, das man Francisco Granados zuschrieb, (wie viele andere die in unserem Land zu bestimmten Zwecken bestehen) war unbenutzt Und blieb bis zu seiner Entdeckung durch die Polizei vollständig. (Die Brigada Politico-Social entdeckte in der Wohnung von Granados Freundin zwei 45er Colts, ein Maschinengewehr mit zwei vollen Magazinen, einen Radiosender, Handgranaten und andere Geräte.)

  3. Joaquin Delgado ist der Anklagen völlig unschuldig, die von Seiten der Polizei gegen ihn erhoben werden.

  4. Der Urheber oder die Urheber der Ereignisse am 29.Juli in Madrid wurden nicht verhaftet.

Wenn in Spanien auch nur mit einem Minimum an legaler Vorschriftsmäßigkeit „Recht” gesprochen würde, dann könnte die Wahrheit unserer Versicherungen im Interesse der Verteidigung der beiden Männer mit Leichtigkeit nachgewiesen werden. Das ist jedoch nicht der Fall, Der iberische Befreiungsrat macht das mit Waffengewalt eingesetzte Regime Fran cos sowohl individuell als auch kollektiv für jedes Opfer verantwortlich, das im Kampf für die Freiheit der Völker auf der iberischen Halbinsel gefallen ist o d e r fallen wird. An uns ist es, diese Opfer zu beklagen, die von den reaktionären Kräften mit Krokodilstränen beweint werden, um ihre Grausamkeit zu rechtfertigen. Diejenigen, die am Protest gegen das Gebäude der Falange und des Vorstands für Sicherheit teilgenommen haben, informierten uns, daß der erste Anschlag dazu dienen sollte, die offiziellen Syndikatsangehörigen als Diener der Bosse und des Regimes zu entlarven. Der zweite Anschlag richtete sich gegen die willkürliche Verhaftung der asturischen Bergleute und gegen ihre Deportation. Auch weil es das Gebäude war, in dem Männer und Frauen-auf barbarische Weise für angebliche politische und gesellschaftliche Vergehen gefoltert werden (z.B. sich der Tyrannei widersetzen). Die Aktionsgruppe, die die beiden Anschläge ausführte, handelte auf Eigeninitiative. Der iberische Befreiungsrat solidarisierte sich mit dieser Gruppe und unterstützt die Akte als Ausdruck des Widerstands gegen das Regime.
( Kommunique des iberischen Befreiungsrats vom 11.8.63)

  • 13.August Ein Kriegsrat der ersten militärischen Region (Madrid) verhängt über Joaquin Delgado und Francisco Granados die Todesstrafe durch Strangulation.

  • 18.August ” ... In den frühen Morgenstungen fand die Exekution der Terroristen Francisco Granados Gata und Joaquin Delgado Martinez nach den formalen Bestimmungen des allgemeinen Strafgesetzes statt, wie es das Urteil des Kriegsrats der 1 .militärischen Region verordnet hatte...”
    (Offizielles Kommunique 18/8/63)
    “Joaquin Delgado und Francisco Granados stritten ab, irgend etwas von den Ereignissen am 29.Juli in Madrid gewußt zu haben. Der iberische Befreiungsrat erklärt, daß das Francoregime Angst hat, den wahren Grund für ihre Verurteilung zu enthüllen. Man hat bedacht , daß die Angeklagten die Sympathie der Weltöffentlichkeit gewinnen könnten, wenn bekannt würde, daß der Auftrag, an dem sie beteiligt waren, und das Material, das man in ihrem Besitz fand, für die Exekution des Mörders der spanischen Arbeiterklasse bestimmt war: General Franco. Dies war der wahre Grund hinter der Farce, die am 13. August hinter den verschlossenen Türen der Calle de Reloj in Madird inszeniert wurde."
    (Presseerklärung, der CIL)

  • 12. Sept. "Gestern fanden in Paris und dem S.E. von Frankreich eine Reihe von Polizeiaktionen gegen spanische Anarchistenkreise statt. Zahlreiche Extremisten wurden verhört und ihre Wohnungen durchsucht. Es gab dreißig Verhaftungen in Paris und Umgebung und das Hauptquartier der iberischen Föderation der libertären Jugend (FIJL) in der Rue Sainte Marthe wurde durchsucht. Diese Operationen wurden anscheinend durch die Entdeckung von Plänen in Perpignan angeregt, auf denen aggressive Aktionen und "Attentate" auf spanisches Gebiet im einzelnen ausgeführt sind." (Le Figaro)

  • 21/22/23 Sept. In der deutschen und marokkanischen Botschaft und in der Loyalkirche in Madrid gehen Bomben hoch.

  • 25.Sept. Vor dem Haus des amerikanischen Botschaftern in Madrid explodiert eine Bombe. Ein paar Stunden später gibt es eine weitere Explosion vor den Haus des Vorsitzenden der Falangistenbewegung.

  • 27.Sept. Explosion in dem Haus von Aramburu, ziviler Gouverneur und Vorsitzender der Nationalen Bewegung in Madrid.

  • 29.Sept. Eine Bombe explodiert vor der amerikanischen Botschaft in Madrid. ("Colonel Montenegro", der IV republikanischen Armee übernimmt die Verantwortung für alle Explosionen.)

  • 11.Okt. Francisco Abarca, militantes FIJL-Mitglied, wird in Belgien verhaftet und beschuldigt, an dem Anschlag auf ein iberisches Flugzeug in Genf beteiligt gewesen zu sein.

  • 18.Okt. Die am 16.April verhafteten französischen Anarchisten Alain Pecunia, Bernard Ferry und Guy Batoux, haben ihre Verhandlung und werden von dem Madrider Kriegsrat verurteilt: Alain Pecunia (17), 24 Jahre Haft, Bernard Ferry (20), 30 Jahre Haft, und Guy Batoux (23), 15 Jahre Haft.

  • 20.Okt. „Das Innenministerium gibt gemäß dem Gesetz über ausländische Organisationen von 12. April 1939, das durch das Dekret vom 1.September 1939 weiter modifiziert wird , bekannt:
    Art. 1. Der ausländischen Vereinigung, die als iberische Föderation der libertären Jugend bekannt ist, wird die Legalität abgesprochen ...“(Auszug aus dem ’Journal officiel”, 20.Okt. 1963)

  • 25.Okt. An einem Stand auf dem spanischen Fest in Mexico City explodiert eine Bombe. Ein junger Anarchist, der bei einer der beiden Explosionen verwundet worden war, wird verhaftet.

1964

  • 10.Mai Im Castellano Hilton in Madrid geht eine Bombe hoch.

  • 11.Mai Noch vier Bomben explodieren in Madrid eine weitere in Gijon. Die amerikanische Botschaft, das Wirtschaftsministerium und die Einwanderungsbehörde; bis zur Verhaftung von „Colonel Montenegro“ am 23.Mai explodieren drei oder vier Bomben täglich.

  • 11.August Stuart Christie und Fernando Carballo werden verhaftet und der kriminellen Vereinigung und des Terrorismus angeklagt. Ihre Aufgabe sollte ein Anschlag auf Franco während eines Fußballspiels in Madrid sein.

  • 21.Okt. Bombenanschlag auf die spanische Botschaft in Kopenhagen.

  • 27.Nov. Zwei Feuerbomben zerstören des Innere des Seminars des Opus Dei in Rom völlig eine Bombe explodiert im Vatikan und eine weitere im spanischen bischöflichen Kolleg in Rom.

1965

  • 2.Jan. Eine Plastikbombe explodiert in den Amtsräumen des spanischen Konsulats in Rom.

  • 19.Feb. Eine Plastikbombe explodiert im Kopenhagener Büro des Spanischen Nationalen Touristenbüros.

  • 25.April Eine Bombe zerstört das Büro der Iberia in Mailand.

  • 1 .August Die iberische Föderation der libertären Jugend (FIJL) startet eine internationale Kampagne zur Unterstützung der politischen Gefangenen in Spanien und Portugal.

1966

  • 30.April Mgr. Ussia, der geistliche Berater der spanischen Botschaft im Vatikan, wird entführt. Die Operation wird von Luis Edo in Madrid und von der Gruppe l.Mai in Rom gleichzeitig bekanntgegeben.

  • 12.Mai Ussia wird freigelassen, aber die Gruppe l.Mai erklärt, daß sie ihre Aktionen zur Unterstützung aller politischen Gefangenen fortsetzen wird.

  • 26.Okt. In Madrid werden fünf Anarchisten verhaftet, unter ihnen Luis Andres Edo. Man wirft ihnen vor, die Entführung des Oberkommandanten der amerikanischen Streitkräfte in Spanien vorbereitet zu haben.

  • 8 .Dez. Octavio Alberola gibt in New York eine geheime Pressekonferenz, wo er den Zweck der Entführung erläutert, und verteilt ein Dokument, das er nach erfolgreichem Abschluß der Operation hätte verteilen sollen.

1967

  • April Der Erste Sekretär und der Gerichtsrat der spanischen Botschaft in London wird von der Gruppe l.Mai entführt und für ein paar Stunden festgehalten, um die sofortige Gerichtsverhandlung für Luis Andres Edo und seine Kameraden zu fordern, die im vergangenen Oktober in Madrid verhaftet worden waren. Gleichzeitig war es eine Warnung bezüglich der möglichen Ergebnisse der Verhandlung. Die Gerichtsverhandlung fand zwei Monate später statt; die Strafen für alle Angeklagten überraschten - die höchste Strage, für Edo, betrug neun Jahre-solch eine Haftstrafe für einen Anarchisten war in Spanien bis dahin unbekannt.

  • August Die Privatautos von zwei spanischen Diplomaten in London werden von einer Maschinengewehrsalve durchlöchert. Kurz danach wird die amerikanische Botschaft derselben Stadt aus Protest gegen den amerikanischen Imperialismus im Maschinengewehrfeuer zusammengeschossen. (Gruppe l.Mai)

  • November Gleichzeitige Bombenanschläge gegen die griechische, bolivianische und spanische Botschaft in Bonn und die venezulanische Botschaft in Rom.
    (Gruppe l.Mai- aus Solidarität mit den lateinamerikanischen Guerillas und gegegen die faschistischen Regimes in Europa) . Am selben Tag zerstört eine Bombe den Eingang des spanischen Touristenbüros in Mailand und die spanische, griechische und amerikanische Botschaft in Hague, Holland.

  • 26.Dez. David Urbano Bermudez wird in Spanien verhaftet und angeblicher Beziehungen zur Gruppe l.Mai und der FIJL angeklagt.

1968

  • 3.Jan. Explosive Rakete entdeckt, die auf die griechische Botschaft in London gerichtet war.

  • 8.Febr. Oktavio Alberola wird in Brüssel verhaftet, als dort zwischen Belgien und Spanien Verhandlungen über Spaniens Aufnahme in den Gemeinsamen Markt stattfanden. Alberola bereitete eine Pressekonferenz vor, die diese Manöver aufdecken und die Weltöffentlichkeit auf die schlimme Lage der politischen Gefangenen in Spanien aufmerksam machen sollte.

  • 27.Febr. Razzia in Stuart Christies Wohnung in Hornsey unter Det. Sgt. Roy Cremer. Man fand Sprengsätze, die eine Verbindung zur griechischen Botschaft bewiesen, und erhielt Informationen, daß bald weitere Anschläge in London stattfinden sollten.

  • 3 .März Sechs Bomben zerstören die Gebäude diplomatischer Vertretungen in London, im Haag und in Turin. Die spanische Botschaft und den amerikanischen Offiziersklub in London; die spanische, griechische und portugiesische Botschaft im Haag und um amerikanischen Konsulat im Turin . Die Gruppe l.Mai übernahm die Verantwortung für diese Aktionen.

  • 6 .März Brandbomben mit Zeitzünder explodieren in der Moabiter Strafkammer in Westberlin.

  • 25.März Die amerikanische Botschaft in Madrid wird ausgebombt.

  • 18.März In Paris werden drei bedeutende amerikanische Institutionen durch Plastikbombenanschläge zerstört: die Chase Manhattan Bank, die Bank of Amerika und die Transworld Airlines.

  • Als Protest gegen den Vietnamkrieg brennt am 2. und 3. April in Frankfurt ein Warenhaus nieder und es entsteht ein Sachschaden von über 140 000£. Gudrun Ensslin, Andreas Baader, Thorwald Proll, Hans Sohnlein werden verhaftet und angeklagt. Sie werden zu drei Jahren Haft verurteilt, werden aber 1969 im Zuge einer Amnestie für alle politischen Gefangenen bedingt freigelassen mit der Auflage, daß sie 1970 wieder ins Gefängnis zurückkehren. Während der Freiheitsperiode arbeiten Baader und Ensslin zusammen an der Lehrlings und Jugendstrafvollzugskampagne in Frankfurt.

  • August Internationale anarchistische Konferenz, Carrara, Italien.

  • 10.Sept. In Spanien werden sieben junge Anarchisten verhaftet und angeklagt, sich mit der Gruppe l.Mai verschworen und an einer Reihe von Aktionen um Raum Valencia teilgenommen zu haben, wie z.B. die "Planung" eines Bankraubes. Die Information, die zu ihrer Verhaftung führte, kam von der Spezialeinheit von New Scotland Yard, London.

  • 15.Okt. Das Reichskriegsmuseum London wird von einer Brandvorrichtung völlig zerstört.

  • Gegen Ende 1968 finden zahlreiche Anschläge auf große kapitalistische Unternehmen in Frankreich statt. Sie werden den "Gauchisten" und den Anarchisten zugeschrieben. Eine bei einem der Anschläge verwundeten Frau wird verhaftet und eine weitere, Eliseo Gueorguieff, wird von der Polizei als Verdächtige benannt, an den Anschlägen und deren Organisation beteiligt gewesen zu sein.

  • 4. Nov. Das Innenministerium In Westberlin wird mit Molotowcocktails angegriffen.

  • 19. Dez. Das Rektorat der freien Universität in Westberlin wird mit Feuerbomben angegriffen.

1969

  • 3.Feb. Nicht explodierte Dynamitsprengsätze in den Bankgebäuden von Bilbao und der Bank von Spanien in London entdeckt. FOMG

  • 9.Feb. Bombe in der Bank von Spanien in Liverpool hochgegangen - Gruppe l.Mai

  • 9 .März Feuerbombe in der J.F.Kennedy Bibliothek in Westberlin - Sachschaden von mehr als 12 000 Pfund.

  • 15.März Unmittelbar nach einer machtvollen Detonation in der Bank von Bilbao in London werden zwei Anarchisten verhaftet. In ihrem Besitz befand sich ein Brief, der die Aktion im Sinne der Gruppe l.Mai rechtfertigte.

  • 2 .Mai In Italien werden sechs Anarchisten verhaftet und sowohl der Verschwörung mit spanischen Anarchisten als auch der Verantwortung für 15 Anschläge auf Francoistische Gebäude in Spanien angeklagt. Dann wurden sie noch mit dem Anschlag belastet, der auf dem Mailänder Jahrmarkt stattfand, eine Aktion, von der sich nachträglich herausstellte, daß sie das Werk von Faschisten war.

  • 25.Mai In der spanischen Botschaft in Bonn geht eine Bombe hoch. Die FAI übernimmt die Verantwortung aus Solidarität mit den spanischen Arbeitern, die auf Dringen der spanischen Botschaft aus Deutschland ausgewiesen wurden.

  • 15.Juli Ein lokales Regierungsgebäude in Bamberg wird schwer beschädigt. Blankopersonalausweise gestohlen.

  • Nov.Dez. Sechs Bombenanschläge in Westberlin

  • 12.Dez. Am Nachmittag des 12.Dez. 1969 fanden fast gleichzeitig drei Explosionen statt: Eine in der Bank für Landwirtschaft in Mailand, wo 16 Menschen starben und viele verwundet wurden, und zwei in Rom, in der Arbeiterbank und vor einem Denkmal namens „Heimatland Altar” , wobei es einige Verwundete gab Eine vierte, nicht explodierte Bombe wurde später in einer anderen Bank in Mailand gefunden: aber die Polizei ließ sie hochgehen, das wichtigste Beweisstück des ganzen Falles wurde vernichtet. Die Polizei startete sofort eine Fahndung unter den linken Militanten: Calabresi, unser Inspektor mit CIA-Training, behauptete öffentlich, "daß wir in dieser Richtung suchen müssen" . Er erhielt Unterstützung vom CIA-Präsidenten Saragat, der heftige Reden gegen die Linken hielt, und von allen Medien, die von den Bossen kontrolliert werden. Die ganze revolutionäre Linke wurde mit McCarthy-Methoden angegriffen: Beschlagnahmungen, "Befragungen", Festnahmen, Durchsuchungen Razzien, offene Drohungen, Polizeiterror. Hauptziel waren die Anarchisten, sie wurden von jedem für die Bombenangriffe direkt verantwortlich gemacht; ganze Gruppen von ihnen wurden festgenommen und in den Polizeirevieren verhört und geschlagen.

  • 15.Dez. Der anarchistische Eisenbahnarbeiter Giuseppe Pinelli "fiel” vom vierten Stock des zentralen Polizeireviers. Guiseppe Pinelle war 41 Jahre alt. Er abeitete als Eisenbahnarbeiter am Bahnhof Porta Garibaldi in Mailand. 1955 heiratete er Lucia Rog- nunu, eine militante Kommunistin, die er auf einer Esperantoschule kennengelernt hatte. Sie hatten zwei Töch ter.Silvia, 10 und Claudia, 8. Pino fing schon sehr jung als Verkäufer und Lagerarbeiter zu arbeiten an- dann wur de er von der Eisanbahngesellschaft eingestellt. Mit 15 Jahren beteiligte er sich als Kurier für eine hauptsächlich aus Anarchisten zusammengesetzte Volksbrigade an dem bewaffneten Kampf gegen die Nazis. Sein politisches Engagement nahm nach dieser ersten Aktivität zu und wurde bald sein wichtigstes Anliegen. 1965 gründete er mit anderen eine anarchistische Gruppe "Sacco und Vanzetti"- 1968 nahm er als Mitglied der Gruppe "Bandiera Nera" (Schwarze Flagge), die den Klub "Ponte della Ghisolfa" gründete, am Kampf der Studenten teil- 1969 übernahm er die Verantwortung für das Mailänder Gebiet des "Schwarzen Kreuzes", die anarchistische Organisation, die Anarchisten in Haft hauptsächlich finanziell hilft und mit den griechischen Anarchisten Kontakt hält, die gegen den Faschismus und die "Christen" kämpfen.
    Er lebte mit seiner Familie in einer kleinen Wohnung in der Vorstadt; die Miete von 8 Pfd. im Monat war niedrig, verglichen mit den in Mailand üblichen Preisen. Sein Heim war ein wahrer Schutz für jeden: Wenn ein Kamerad in Mailand vorbei kam, konnte er sicher sein, in Pinos Heim Gastlichkeit und Freundschaft zu finden. Als Anarchist war Pino vor allem sehr menschenfreundlich.

  • Gegen Ende 1969 entdeckte die Schweizer Polizei ein Waffenversteck in Genf und verhaftet drei schweizer Anarchisten. 

1970

  • 28 .Jan. Bombenanschlag auf den Amtssitz des spanischen Kulturattaches in Paris.

  • Februar Baader, Ensslin und Proll beschließen, nicht inß Gefängnis zurückzukehren, sondern in den Untergrund zu gehen.

  • 28.Feb. Bombenanschlag auf die Bank von Bilbao und auf die spanische Staatseisenbahn in Paris.

  • 3.März Entführungsversuch des spanischen Vertreters bei der UNESCO. Die Entführer verhaftet. "Spaniens ständiger Vertreter in der UNESCO, der 57jährige Sr. Emilio Gar- riguez war Ziel.eines EntführungsVersuchs. Die Entführer wurden verhaftet. Sr. Garrigueo stand eine Zeit lang unter Polizeischutz, sodaß die drei Männer, die ihn beim Verlassen des Unesco Gebäudes in der Avenue de Suffren mit Ätherbäuschen bewaffnet umringten , sofort überwältigt und verhaftet werden konnten. Die für den Anschlag verantwortlichen Männer kamen in Untersuchungshaft in das Hauptquartier der Police Judicaire, Quai des Orfevres. Ihr Gerichtstermin ist am Donnerstag. Es sind drei Spanier: Die Herren Juan Garcia Macarena, 24 J. alt. Jose Cabal Riera, 21; und Jose Canizares Varelia, 35; sie weigern sich, die politische Organisation zu nennen, der sie angehören.
    “Unsere Aktion hat rein politische Motive” , erklärten sie, "wir wollten die spanische Regierung unter Druck setzen, um die Freilassung unserer Kameraden aus den spanischen Gefängnissen zu erwirken". Alle drei haben libertäre Neigungen und halten sich seit letzten Sommer in Frankreich auf. Sie üben keinen bestimmten Beruf aus, in ihren Unterkünften und in dem gemieteten Auto fand man verschiedene Dokumente; die Polizei entdeckte drei Gewehre, eine Flasche Äther und eine mit Klebefolie verdunkelte Brille." (Le Monde, 6.März 1970)

  • März Deutschland: Mahler wird für schuldig befunden, bei einer Demonstration gegen den Springerkonzern mitgelaufen zu sein. Er wird zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

  • 6.April Andreas Baader wird in Westberlin verhaftet; er wurde von der Polizei angehalten und hatte keinen Führerschein bei sich. Er ist in Berlin inhaftiert.

  • 22 .April Belgien: Ivo della Savia wird auf ein Auslieferungsgesuch der italienischen Regierung hin verhaftet. Er wird beschuldigt, der italienischen Gruppe l.Mai anzugehören.

  • 10. Mai Kurz vor dem Abflug wurde an Bord einer Iberia Maschine ein Brandgerät entdeckt. Gleichzeitig wurden in anderen europäischen Hauptstädten noch mehr ähnliche Geräte in weiteren Flugzeugen der Iberia gefunden. Die Aktion soll daran mahnen, daß kein Friede in Europa möglich ist, solange Franco an der Macht ist.

  • 14.Mai Baader wird in der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung befreit; er hatte nach einer Intervention seines Rechtsanwalts Horst Mahler die Erlaubnis erwirkt, dort mit Ulrike .Meinhof an einem Buch über die Situation des Jugendstrafvollzugs in Westdeutschland zu arbeiten. Eine bewaffnete Gruppe bricht in die Bibliothek ein und befreit Baader, der von bewaffneten Wärtern bewacht wird. Ulrike Meinhof flieht mit der Gruppe. Linke, ein Angestellter des Instituts, wird verwundet , als er versucht einzugreifen.

  • 22.Mai In der neuen Polizeistation in Paddington wird ein hochexplosives Gerät gefunden. Die Anklage in der Verhandlung der Acht von Stoke Newington behauptete später, daß dies die erste Aktion gewesen sei, die von der "Angry Brigade” unternommen worden sei.

  • 3 .Juli In Paris und London fanden gleichzeitig Bombenanschläge auf das staatliche Touristenbüro Spaniens und auf die spanische und griechische Botschaft statt

  • August Deutschland: Bildung der Roten Armee Fraktion

  • 18.Aug. Das Londoner Büro der Iberia Fluglinie, der staatlichen spanischen Fluglinie, wird von einer Bombe schwer beschädigt. (Gruppe l.Mai)

  • 30.Aug. Die Londoner Wohnung des Kommisars der Stadtpolizei, Sir John Waldron, wird von einer Bombenexplosion zerstört. Die internationale Presse berichtet nichts über diesen Bombenanschlag.

  • 8.Sept. Die Londoner Wohnung des Generalstaatsanwalts Peter Rawlinson in Chelsea wird zerbombt und wieder einmal wird nichts von dem Vorfall berichtet.

  • 26.Sept Gleichzeitige Bombenanschläge gegen die Iberia in den Flughäfen von Genf, Frankfurt, Paris und London.

  • 29.Sept. Die RAF greift im Abstand von wenigen Minuten drei Banken in Westberlin an. Sie erbeuten 217.169.50 DM

  • 8.Okt. Die Polizei bekommt einen Hinweis auf ein Treffen von RAF-Mitgliedern in Westberlin. In der Knesebeckstr. 8 wird eine Razzia durchgeführt. Horst Mahler, Irene Görgens, Ingrid Schubert , Monika Berberich und Brigitte Asdonk werden verhaftet.

  • 9 .Okt. In Paris, London, Manchester und Birmingham finden gleichzeitig Bombenanschläge auf italienische Staatsgebäude statt. Im Anschluß an die Anschläge abgeschickte Briege erklärten, daß die Aktionen für Guiseppe Pinelle durchgeführt wurden, den Anarchisten, der 1969 von der Polizei ermordet worden war.

  • 16.Nov. Einbruch ins Neustädter Rathaus. 31 amtliche Stempel, 15 Pässe und ein Personalausweis gestohlen.

  • 20. Nov. Ein Funkwagen der BBC, der gerade die Miss World Wahlen übertrug, wurde von einer Explosion schwer beschädigt.

  • 21. Nov. Deutschland: Einbruch ins Rathaus von Lang-Gons (Gießen). Es fehlen 166 Personalausweise, amtliche Stempel, 430 DM und eine Flasche Kognak.

  • 3.Dez. Im Anschluß an internationale Proteste gegen die Gerichtsverhandlungen der sechs von Burgos in Spanien wird die spanische Botschaft in London mit Maschinengewehren beschossen.

  • 8.Dez. Breite Demonstrationen gegen das Gesetz für industrielle Beziehungen. In den frühen Morgenstunden des 9.Dezembers wird das Ministerium für Arbeit und Produktivität von einer machtvollen Explosion erschüttert, nachdem die Polizei das Gebäude vergeblich durchsucht hatte. („Angry Brigade") 

1971

  • 12.Jan Nationale Demonstrationen gegen das Gesetz für industrielle Beziehungen mit Streiks und Protestmärschen gegen diees krasse Beispiel für Klassenjustiz. In derselben Nacht wird die Wohnung vonMr.Robert Carr, des Ministers, der für das Gesetz verantwortlich ist, von zwei mächtigen Explosionen fast zerstört. Die "Angry Brigade" übernimmt die Verantwortung für die Aktion.

  • 19.Jan. Jake Prescott wird auf eine Kontolastschrift hin in Notting-Hill verhaftet und der Explosionen in der Wohnung Robert Carrs und bei der Miss World Ausscheidung beschuldigt. Hauptkommissar Habershon gab vor Gericht zu, daß er dem Häftling drei Tage lang den Zugang zu einem Rechtsanwalt verweigert hatte Die Aktionen und Aktivitäten der Polizei während der nächsten Monate der Untersuchung werden von verschiedenen Seiten heftig kritisiert und es werden zahlreiche Beschuldigungen wegen täticher Angriffe und Störungen gegen Scotland Yard hervorgebracht. Hauptkommissar Habershon wischt diese mit dem Kommentar vom Tisch: "Rechtliche Spitz findigkeiten sind nicht mein Fach." Es wird immer klarer, daß sich der britische Kapitalismus in die Defensive begeben hat, aus Panik läßt man der Polizei"freie; Hand" bei ihren Untersuchungsinethoden. Auf politischem Gebiet zeigt sich dies mit dem Gesetz für industrielle Beziehungen, das die Grundlage für einen korporativen Staat bildet

  • 10.Feb. Schießerei zwischen Manfred Grasho, Astrid Proll und der Polizei in Frankfurt

  • 16.März Ian Purdie wird in London verhaftet und zusammen mit Jake Prescott der zwei Bombenanschläge der "Angry Brigade” anklagt. Weitere Berichte der liberalen Presse über Polizeiexzesse und Nazimethoden bei ihren Untersuchungen.

  • 18.März Während eines großen Streiks der Fordarbeiter in England werden die Hauptbüros der Ford Motor Company in Gants Hill, Ilford, am Rande Londons, von einer machtvollen Explosion zerstört. Kurz danach wird ein 1000 Wort langes Kommunique der ”Angry Brigade” verbreitet .

  • 28.April Bei der Zeitung ’Times" wird eine Bombe mit einer Mitteilung von "The Vengence Squad, the Angry Brigade, The People's Army” (Rachekommando,..., Volksarmee, A.d.Ü.) abgegeben.

  • l.MAI Eine Bombe zerstört die schicke Biba Boutique in Kensington. Es folgt ein Kommunique, das den Konsumkapitalismus und die Situation der Verkäuferinnen und Näherinnen kritisiert.

  • 5 .Mai Spanien: Bombenanschläge auf den Justizpalast, den Hauptsitz der Falange und ein Kapuzinerkloster in Barcelona. Die Verantwortung übernimmt die katalonische Anarchistengruppe "Libertad” .

  • 6 .Mai Deutschland: Astrid Proll, ein Mitglied der Gruppe die Baader befreite, wird verhaftet.

  • 18.Mai Deutschland: Horst Mahler wird von der Teilnahme an Baaders Befreiung freigesprochen. Ingrid Schubert erhält 6 Jahre und Irene Georgens 4 Jahre für die Teilnahme an der Befreiung. Horst Mahler wird unter §129 im Gefängnis festgehalten- weil er Mitglied einer kriminellen Vereinigung , der RAF, ist.

  • 22.Mai Bombenanschlag auf das Rechenzentrum von Scotland Yard in Tintangel House in London. Gleichzeitig finden Anschläge der "Angry Brigade” , der Bewegung für internationale revolutionäre Solidarität und der "Marius Jakob" Gruppe gegen Büros der britischen Eisenbahn, Rolls Roys und Rover in Paris statt.

  • 28.Mai Spanien: Die Verhaftung von neun Leuten wird bekannt gegeben. Sie werden beschuldigt, der katatonischen Befreiungsfront anzugehören. Die Anklage enthält Sabotageversuche auf Fernsehstationen, auf Büros des Staatsanwaltes und auf die rechte Zeitung "La Vanuardia".

  • 22.Juni Während eines Streitgesprächs zwischen dem Fordmanagement und dem militanten Betriebsratvorsitzenden John Dillen in der Fordfabrik in Liverpool sprengt die "Angry Brigade" die Wohnung des Generaldirektors von Ford, William Batty in Essex in die Luft. In derselben Nacht zerstört eine Bombe einen Transformator in der Niederlassung der Ford Motor Company in Dagenham.

  • 8.Juli Deutschland: Thomas Weissbecker und Georg von Rauch, beides Mitglieder des anarchistischen Schwarzen Kreuzes, werden angeklagt, einen Journalisten der Springerzeitschrift "Quick" tätlich angegriffen zu haben. Georg wird überführt und Thomas freigesprochen, aber sowohl Polizei als auch die Presse haben die beiden seit Beginn des Falle durcheinander gebracht und nach dem Urteil wechseln sie die Plätze. Georg geht in den Untergrund und Thomas muß freigelassen werden.

  • 15.Juli Deutschland: Petra Schelm wird nach einer Kontrolle an einer Straßensperre in Hamburg von der Polizei erschossen. Werner Hoppe wird verhaftet und des versuchten Polizistenmordes beschuldigt.

  • 20.Juli Deutschland: Das Sozialistische Patientenkollektiv (SPK) wird unter dem Vor wand, es bestehe eine Verbindung zur RAF, von der Polizei angegriffen. (Das SPK , die erste selbstorganisierte Gruppe psychisch Kranker, hielt die kapitalistische Gesellschaft für die Ursache psychischer Krankheiten.) 300 mit Maschinengewehren bewaffnete Polizisten erzwangen sich den Zugang zu den Räumen des SPK und zu den Unterkünften von 20 Patienten. 11 Mitglieder des SPK wurden in 10 verschiedene Gefängnisse gebracht. 6 befinden sich immer noch in Untersuchungshaft.

  • 31.Juli Trotz scharfer Polizeibewachung wird die Londoner Wohnung des Ministers für Handel und Industrie, John Davies, von einer mächtigen Explosion schwer beschädigt. Diese Aktion ereignete sich kurz nachdem Davies bekanntgegeben hatte, er beabsichtige, die "Upper Shipbuilders" zu schließen, wodurch Tausende Männer arbeitslos würden. Zur Aktion kam das 11. Kommunique der "Angry Brigade" heraus.

  • 15.Aug. Nach der Bekanntgabe der britischen Regierung, sie beabsichtige, in Nordirland die Internierung einzuführen, gab es eine mächtige Explosion in der Rekrutierungsstelle der Armee in Holloway Road in London. Die Verantwortung wurde in einem Kommunique übernommen, es war. unterzeichnet mit: "The Angry Brigade: Monnlighters Cell.“ (Monnlighters:Täter nächtlicher Agrarverbrechen in Irland um 1880,A.d.Ü.)

  • 20.Aug. Razzia der Spezialeinheit und der Kriminalpolizei in einem Haus in der Amhurst Road, London; Jim Greenfield, Anna Mendelson, John Barker und Hiary Greek werden festgenommen. Die Vier werden zum Hauptsitz der "Bombengruppe“ in Albar.y Street, London gebracht, wo die beiden Männer brutal verprügelt werden, um ihnen ein Geständnis zu entlocken.

  • 21.Aug. Stuart Christie wird in Amhurst Road festgenommen, als er dem Haus einen Besuch abstattet. Eine Stunde später wurde Chris Bott an derselben Stelle festgenommen. Die beiden werden zu den anderen in das Polizeireviert in Albany-Street gebracht. Polizeibeamte deponieren belastenen Indizien in Form von zwei Sprengkörpern in Christies Auto. Auch die beiden Männer werden "zum Reden gebracht".

  • 23.Aug. Alle werden auf dem Polizeirevier in Albany Street folgender Vergehen beschuldigt :

  1. heimliche Planung von Explosionen zwischen dem 1.Januar 1868 und dem 21. August 1971

  2. Besitz explosiver Stoffe zu ungesetzlichen Zwecken.

  3. Besitz einer Pistole ohne Waffenschein

  4. Besitz zweier Maschinengewehre ohne amtliche Erlaubnis

  5. Besitz von acht Schuß Munition ohne Waffenschein

  6. Besitz von 36 Schuß Monition ohne Waffenschein

  7. Jim: versuchte Explosion im Mai 70

  8. Stuart: Besitz eines Schusses Munition ohne Waffschein (das liegt zwei Jahre zurück, als man ein Geschoß aus seiner Wohnung mitnahm. Sonst lag zu der Zeit nichts weiter gegen ihn vor.)

  9. Ann & Jim: versuchte Explosion in Manchester Oktober 1970

  10. John, Jim und Stuart: Besitz explosiver Stoffe

  11. Jim, John und Hilary: Annahme eines gestohlenen Autos

  12. Stuart: Besitz explosiver Stoffe (die zwei von der Polizei hinterlegten Sprengsätze). Allen wird die Freilassung gegen Kaution verweigert und sie werden bis zu ihrer Verhandlung in Untersuchungshaft gehalten.

  • 24.Sept. Trotz der Behauptung der Polizei, sie habe alle Mitglieder der Angry Brigade verhaftet, werden die Kasernen in der Albany Street (in der Nähe des Hauptquatiers der Bombengruppe) von der Angry Brigade aus Protest gegen die Aktionen der britischen Armee in Nordirland mit Bomben beworfen.

  • 20.0kt. Eine Bombe sprengt das Heim eines Geschäftsmannes aus Birmingham (Baukonstruktion), Chris Bryant, während seine Arbeiter streiken. Die "Angry Brigade“ gibt ein Kommunique heraus.

  • 21.Okt. Nach einer Konfrontation zwischen Mitgliedern der RAF und der Polizei wird der Polizist Norbert Schmidt getötet. Margit Schiller wird verhaftet und der Schießerei angeklagt.

  • 30.Okt. Postturm in London zerbomt.

  • 1. Nov. Das Panzerhauptquartier der Armee in Everton Street, London, wird von der Angry Brigade mit Bomben angegriffen.

  • 6.Nov. Anschläge auf die Lloyds Bank in Amsterdam, auf das italienische Konsulat in Basel, auf die britische Botschaft in Rom, auf die britische Botschaft in Barcelona zur Unterstützung der "Acht von Stoke Newington" und der italienischen Anarchisten, die aufgrund erfundener Anklagen der "Verschwörung" und Subversion in Haft sind.

  • 1.Dez. Ende der Verhandlungen von Ian Purdie und Jake Prescott. Ian Purdie wird von allen Anklagepunkten freigesprochen und Jake Prescott wird der Verschwörung für schuldig befunden- 15 Jahre.

  • 4.Dez. Georg von Rauch, ein Mitglied des anarchistischen Schwarzen Kreuzes, wird von der Polizei in Westberlin erschossen. Er ist unbewaffnet und hat schon die Hände über den Kopf erhoben, als ihm in den Kopf geschossen wird. Am nächsten Tag erscheinen 5000 bis 7000 Menschen zu einer Solidaritätsdemonstration, zu der die Berliner Rote Hilfe aufgerufen hatte.

  • 18.Dez. Kate McLean wird festgenommen und mit Angela Weir, Chris Allen und Pauline Conroy, die im Laufe des Novembers verhaftet worden waren, der Verschwörung mit den sechs Leuten beschuldigt, die bereits wegen Verschwörung verhaftet worden waren.
    Kurz vor der Eröffnung des Verfahrens gegen die militanten Zehn entschied der Generalstaatsanwalt Sir Peter Rawlinson, das Opfer eines der Anschläge der Angry Brigade, daß kein Verfahren gegen Pauline Conroy und Chris Allen eröffnet werden dürfe, da nicht genügend Beweise vorlägen; sie wurden aus der Untersuchungshaft entlassen.

  • 22.Dez. In Kaiserslautern wird eine Bank ausgeraubt und 16.750 Pfd. gestohlen. Ein Polizist, Herbert Schoner, kommt ums Leben. Es gibt keine Beweise für eine Verbindung des Raubüberfalls zur RAF, aber der Springerkonzern startet eine rieseige Propagandakampagne auf der Annahme, daß dies das Werk der ’Baadermeinhof-Gruppe" gewesen sei. Heinrich Böll, weltberühmter Schriftsteller, kritisiert die Springerpresse öffentlich wegen der Hysterie, die sie ständig hochzuputschen versucht. Zwei Wochen später ist Kanzler Brandt gezwungen, die westdeutsche Öffentlichkeit zur Ruhe zu mahnen. Zur selben Zeit wird Peter Brückner, ein radikaler Psychologe, verdächtigt, RAF-Mitgliedern Unterschlupf gewährt zu haben, und wird von der Universität Hannover suspendiert. Nach seiner Suspendierung finden massive Solidaritätsdemonstrationen seiner Studenten statt.

  • 25. Dez. Schweiz: Anschlag auf das Zentrale Polizeihauptrevier in Zürich. Die Polizei nennt einen Anarchisten, den sie nicht einordnen kann.

1972

  • Februar Bombenanschlag auf die italienische Botschaft in Brüssel aus Solidarität mit Pietro Valpreda, der jetzt in Italien seine Verhandlung hat.

  • 2.März Thomas Weissbecker, ein weiteres Mitglied des Anarchistischen Schwarzen Kreuzes, wird in Augsburg mitten auf der Straße erschossen, als er seinen Personalausweis vorzeigen sollte. Die Polizei hatte die Wohnung überwacht, wo er sich aufhielt, hatte aber, wie sich später herausstellte, bis nach der Ermordung keine Ahnung, wen sie erschossen hatte. Am nächsten Tag fanden in fünf Städten Solidaritätsdemonstrationen statt.

  • 3.März Die Polizei führt in Hamburg in einer Wohnung eine Razzia durch und eröffnet fast sofort das Feuer auf Manfred Grashof und Wolfgang Grundmann. Es folgt eine Schießerei, bei der Grashof ernstlich verletzt wird und ein Polizeiinspektor so schwer verwundet wird, daß er stirbt. Trotz erheblicher Befangenheit ordnet Buddenberg, der Richter im Fall aller im Zusammenhang mit der RAF Inhaftierten, die Verlegung Grashofs vom Gefängniskrankenhaus in eine Zelle an, wo er sich selbst behandeln muß. Grundmann wird in dasselbe Gefängnis gebracht.

  • 24.März Bombenalarm in der britischen Botschaft in Brüssel.

  • April Horst Mahlers Freispruch wird nach der Revision der Anklage aufgehoben. Er bekommt eine neue Verhandlung in allen Anklagepunkten.

  • 11.April Eine Bombe zerstört den Offiziersklub im Hauptquartier der amerikanischen Armee in Frankfurt, ein amerikanischer Colonel kommt ums Leben und 13 weitere Offiziere werden verwundet. Die RAF gibt ein Kommunique heraus, das den Anschlag als eine Antwort auf die Eskalation der amerikanischen Aggression in Vietnam ausweist .

  • 12.Mai Das Polizeihauptrevier in Augsburg, wo Tommy Weissbecker erschossen wurde, und das Hauptrevier der Bayrischen Polizei in München werden mit Bomben angegriffen, es entsteht ein Sachschaden von mehreren Tausend Pfund. Die RAF übernimmt die Verantwortung.

  • 20.Mai Die Polizei eröffnet das Feuer auf Madrider Studenten, einer von ihnen wird ernstlich verletzt. Die Studenten antworten mit Molotow Cocktails.

  • 24.Mai Auf dem Parkplatz des Heidelberger Hauptquatiers der amerikanischen Armee in Europa explodieren zwei Bomben. Ein Captain und zwei Seargants werden getötet, fünf weitere verletzt. Die RAF übernimmt die Verantwortung.

  • 26.Mai Bombenanschläge auf das amerikanische Konsulat und auf die amerikanische Legion in Paris. Gleichzeitig wird auch das spanische Konsulat von einer Explosion zerstört.

  • 30.Mai Die Verhandlung der "Acht von Stoke Newington" wird am Gerichtshof Nr. 1 im Old Bailey Gefängnis in London eröffnet. Es war die längste Verhandlung in der Geschichte des britischen Rechtssystems .

  • 1. Juni Andreas Baader, Holger Meins und Jan Carl Raspe werden verhaftet als 250 Polizisten mit Maschinenpistolen, Tränengas und einem Panzer eine Razzia in einer Wohnung im Frankfurter Randgebiet durchführen. Eine vierte Person, die mit ihnen verhaftet wurde, wird später freigelassen. Er soll ein Arzt an einem lokalen Krankenhaus gewesen sein, aber verschwand nach der Verhaftung auf mysteriöse Weise. Baader wurde bei einer Schießerei vor der Festnahme verwundet.

  • 7 .Juni Gudrun Ensslin wird in einer Hamburger Boutique verhaftet, nachdem eine Mitarbeiterin im Laden ihre Pistole entdeckt hatte.

  • 9 .Juni Bernhard Braun und Brigitte Monhaupt werden in Westberlin verhaftet. Sie sind zwei der 19 in ganz Deutschland steckbrieflich gesuchten RAF-Mitglieder.

  • 12.Juni Im spanischen Konsulat in München explodiert eine Bombe.

  • 15.Juni Ulrike Meinhof und Gerhard Möller werden in einer Wohnung in der Nähe von Hannover verhaftet. Die Polizei hatte von einem "linken" Gewerkschafter aus dem "progressiven" Flügel der SPD, der im selben Block wohnte, einen Tipp erhalten .

  • 1.Juli Spanien: Aus einem Lohnbüro in der Calla Majorca, nahe des Zentrum von Barcelona, werden 800 000 Peseten gestohlen. Dies ist die erste bekannte Aktion der iberischen Befreiungsbewegung (MIL).

  • 18.Juli Am 34. Jahrestag von Francos Sieg zerstört eine Bombe das spanische Touristenbüro, Stockholm.

  • 14.Aug. Frankreich: Aus einer Druckerei in der Rue l ’Esquille in Toulouse werden Materialien im Wert von über einer Million entwendet. (MIL)

  • 9.Sept. Aufgrund einer "erhaltenen Information" führt die französische Polizei in einem einsamen Bauernhaus in Bessieres, in der Nähe von Toulouse, eine Razzia durch und entdeckt ein Waffenlager, eine Druckerei und anarchistische Propaganda in Mengen. Ein nach der Razzia herausgegebenes offizielles Kommunique besagt, der Ort habe offensichtlich als internationaler Treffpunkt für anarchistische Aktivitäten gedient.

  • 13.Sept. Ein Lohngeldraub in der Savings Bank von Igualada in Salou (Tarragon)50 km vor Barcelona mißlingt. (MIL)

  • 15.Sept. Bewaffneter Raubüberfall auf die Savings Bank von Bellver de Cardana in Lerida, der der Gruppe einen Gewinn von über einer Million Peseten einbringt. (MIL)

  • 17./18. Sept. In einer Straßensperre nahe Pau stoppt die Polizei einen Renault 16 und identifiziert zwei der Fahrer als verantwortliche Mieter des Bauernhauses nahe Bessieres. Eine Polizeirazzia in Toulouse später am selben Abend hat die Verhaftung von zwei Militanten zur Folge, ein Dritter konnte entkommen. Orio Sole, einer der Angeklagten, ist in Untersuchungshaft, sein Begleiter aber, Jean Claude Torres, wird aus Mangel an Beweisen freigelassen. (MIL)

  • 21.Okt. Die Layetana Savings Bank in der Industriestadt Matara wird um über eine Million Peseten beraubt. (MIL).

  • 18.Nov. Savings Bank in Barcelona um 200 000 Peseten beraubt; zum ersten Mal wird berichtet, daß die Gruppe mit Maschinenpistolen der Marke Sten bewaffnet war. (MIL)

  • 20.Nov. Sieben mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer berauben die Central Bank von Barcelona um eine Million Peseten, Ein Kommunique ist links von der "Autonomen" Kampfgruppe, Iberische Befreiungsfront unterzeichnet. (MIL)

  • 6 .Dez. Die Verhandlungen der Acht von Stoke Newington endet mit vier Schuldsprüchen wegen Verschwörung für Jim Greenfield, Anna Mendelson, Hilary Creek und John Barker. Nach einem Gnadengesuch der Arbeitergeschworenen wurde jeder zu 10 Jahren Haft verurteilt. Die Vier legten sofort Revision ein gegen das Urteil, sie wurde aber abgelehnt. Die anderen Vier wurden in allen Punkten für nicht schuldig befunden. Dies zeigt auf, daß die Geschworenen die Aussage der Verteidigung akzeptierten, daß nämlich das meiste des Polizeifalls eine Erfindung von "Mündlichen Aussagen", an falscher oder hin terlegter Indizien war - wie im Fall der beiden Sprengladungen, die in Stuart Christies Auto gelegt wurden - um die Überführung zu unterstützen.

  • 13./14. Dez. Die Druckerei, die von der Polizei aus dem Bauernhaus in Bessieres gestohlen wurde, wird aus dem Polizeigewahrsam entwendet und wieder sozialen Zwecken zur Verfügung gestellt. (MIL)

  • 9 .Dez. Aus der Layetana Bank in Barcelona wer den 8000 000 Pts. entwendet. Es bleibt ein von der MIL unterzeichnetes Kommunique zurück., das den Tod von Francisco Llopart in Erinnerung ruft.

Anhang

Befreit Valpreda

HINTERGRÜNDE

Seit 1968 verschärft sich die Situation in Italien ständig. Große Streiks, Kämpfe im Süden, die Faschisten treten immer offener hervor. Bürgerliche und faschistische Presseberichte dramatisieren die Situation derart, daß man das Klima fast als hysterisch bezeichnen kann.
Die Widersprüche des kapitalistischen Systems, die Zerrissenheit der sozialistischen Bewegung schaffen eine Situation, in der die Bombenattentate die allgemeine Verunsicherung noch verstärken.
Die Widersprüche im Lager der Kapitalisten haben ihre Ursache in der Tatsache, daß gegensätzliche Interessen ein mal der kleineren und mittleren Unternehmen und zum anderen der Großunternehmen bestehen. Die monopolistischen Industrien zwingen auf grund ihrer höheren technischen Entwicklung die kleineren Betriebe in immer größere Abhängigkeit. Fusionen oder Liquidierungen dieser Kleinbetriebe machen diese zu erbitterten Gegnern.

Auf das Wesentlichste reduziert, läßt sich sagen: Ein Teil der Groß Industrie plädiert für weitere bzw. noch engere Zusammenarbeit mit dem USSA-KapitaI. Die andere Gruppe der Unternehmen möchte den Einfluß der USSA total abbauen und ist wesentlich mehr national orientiert.

PARTEIEN

ln dieser Situation spielen die verschiedenen politischen Gruppen und Parteien eine wichtige Rolle. Zentrale Bedeutung gewinnt hierbei die Kommunistische Partei Italiens (PCI). Sie unterstützt die "reformistischen" Kapitalisten (wie beispielsweise Fiat, Pirelli, IRI usw.) in der Weise, daß sie als Garant des "sozialerFrieden", des "sozialenFortschritt"auftritt. Bei den letzten Wahlen war eine der KP-Parolen FÜR RUHE UND ORDNUNG! Die Sozialistischen Partei (PSU und PSI) haben die Rolle des reaktionären Befürworters der USSA orientierten Kapitalisten übernommen.

Die Kämpfe und Auseinandersetzungen der "reaktionären" und "reformistischen"Kapitalisten machen es den Faschisten leicht, diese Situation auszunutzen. Reaktionäre und Faschisten sind beide bemüht, die Mitte-links Regierung in Italien in Schwierigkeiten zu bringen. Und die angewandten Bombenattentate beweisen es. Hauptziel dieser Attentate ist es nicht, die Anarchisten zu verteufeln, dazu spielen sie wie auch die anderen linken Gruppen, kaum eine Rolle. Ziel dieser Attentate ist vielmehr, die Strategie der optimalen Verwirrung und des größtmöglichen Chaos zu schaffen. Die Attentate finden in einer Situation statt, in der die Kämpfe der Arbeiter radikaler, die Forderungen über die bloßen Lohnforderungen hinausgehen. Was sich abzeichnet, ist der Anfang eines neuen Bewußtseins. Soziale Forderungen der Arbeiter können nicht so eingeplant erfüllt werden, wie reine Lohnforderungen.
Die reaktionäre Armee, Polizei, Justiz und Teile des Kapitals wolten, ja benötigen die Bombenattentate um die vorhandenen Ängste und Vorurteile innerhalb der Bevölkerung wachzuhalten bzw. noch zu verstärken. Und die Theorie von den beiden Extremen FASCHISTEN und ANARCHISTEN ist einfach und immer noch wirksam. Der Staatsfeind, ob links oder rechts muß bekämpft werden. Diese Methode ist vorläufig noch die beste Mefthode, die wahren Feinde unsichtbar zu lassen.

RUHE UND ORDUNG ist die Forderung der Reaktionäre. Und während diese Forderung durch Verhaftungen, Mord und Denunziation praktiziert wird, arbeiten eben diese Reaktionäre daran, die Spannung ständig zu erhöhen. Die Zusammenarbeit der Faschisten in Italien mit dem Obristen- Regime in Griechenland wurde Anfang Dezember von der Englischen Wochenzeitung „Observer“ enthüllt. Der griechische Geheimdienst KYP, Faschisten und Offiziere der italienischen Armee und Carabinieri arbeiten eng zusammen.

In dem vom „Observer“ veröffentlichten KYP-Rapport heißt es: „Die Aktionen, die schon früher stattfinden sollten, konnen nicht vor dem 20. April durchgeführt werden. Die Anänderung unserer Pläne wurde notwendig, weil ein Zwischenfall uns den Zugang zum Fiat-Pavillion erschwert wurde. Die beiden Aktionen haben eine bemerkenswerte Wirkung gehabt.“ Hieraus geht wohl klar hervor, wer für die Attentate auf den Fiat-Pavillion und die Wechselstibe im mailänder Hauptbahnhof verantwortlich ist.

Sind auch die Interessen der "reaktionären" und "reformistischen" Kapitalisten total verschieden, in ihrer Gegnerschaft den Sozialisten gegenüber haben sie gemeinsame Interessen. Eine Gefahr bedeutet jedoch diese Gemeinsamkeit: die sich mehr und mehr herauskristallisierende Methode der Kriminalisierung sowohl der streikenden Arbeiter als auch bestimmter sozialistischer Gruppen wird auf die Dauer kaum noch die Resonanz bei der Bevölkerung finden, wie es bisher noch der Fall zu sein scheint.

Die Aufgabe der Sozialisten wäre es, diese Tatsache für sich zu nutzen, d.h. Hintergründe, Machenschaften der Justiz, Polizei, der Faschisten und Kapitalisten deutlich aufzuzeigen.

GESPRÄCH

Genosse VALPREDA hat italienischen Genossen 6 Fragen aus dem Gefängnis beantwortet. Wir birngen die Übersetzung:

1.Frage: Hat sich Deine Gesundheit im Gefängnis verschlechtert?

Valpreda: Meine Gesundheit hat sich nicht verschlechtert. Die Wahrheit ist,daß ich im Gefängnis krank geworden bin. Bei diesen Lebensbedingungen, 2Jahre lang unter psychischer und physischer Spannung leben, bedeutet, daß sich meine Gesundheit mehr und mehr verschlechtert.

2. Frage: Wann warst Du am niedereschlangensten während Deiner Gefangenschaft? Wie gelingt es Dir, damit fertig zu werden?

Valpreda: Die Krise begann in den 2 Monaten Einzelhaft, in der ich einer Gehirnwäsche unterzogen wurde. Ich lebte in einer fensterlosen Zelle, in der eine Lampe tag und nacht brannte. Man hatte mir die Kleider abgenommen. Die Gefängnisklamotten paßten natürlich nicht. Jeder Tag durfte ich eine viertel Stunde an die frische Luft. Erst nach 1 1/2 Monaten konnte ich das erste Mal duschen. Keiner besuchte mich, ich durfte mit niemandem Zusammentreffen. Der Spion in der Tür war auch während der Nacht immer offen. Als die Wärter mich zum Richter bringen wollten, mußte ich sie bitten, langsamer zu gehen, well ich einfach nicht richtig gehen konnte; ich torkelte weil das Licht entsetzlich blendete.

3. Frage: Welche Zeitungen hast Du lesen dürfen?

Valpreda: "Il Giorno", "l’Unità", "I’Avanti", „Il Manifesto", "Umanità Nova", "Anarchia". Was gut war, hin und wieder konnte ich lesen, daß einige den Mut hatten, das scheinheilige Schweigen über mich und meine Genossen, über die Gründe der Inhaftierung zu brechen.

4. Frage: Welche Bücher hast Du qelesen und welches hat Dich am meisten beeindruckt?

Valpreda: Vor allem habe ich Gramsci, Marx, Lenin, Bakunin und Stirner gelesen. Außerdem viele Gedichte von Montale und Neruda. Was mich am meisten beeindruckte war das Buch "Die Brüder Soledad" und "Tupamaros in Aktion".

5. Frage: Wer hat Dir bisher am meisten geholfen?

Valpreda: Erst mal die Solldaritätsbekundungen der Genossen. Außerdem haben mich die ganz persönlichen Stellungnahmen der Genossen Ferruccio Parrl, Riccardo Lombardi, Lelio Basso, Pio Baldelli und die gemeinsame Erklärung von Dario Fo und Franca Rame sehr beeindruckt.

6. Frage: Hat die Zeit Im Gefängnis und die Zelt des Nachdenkens Deinen politischen Standpunkt verändert?

Valpareda : Nein, sie haben mich vielmehr radikalisiert. Ich war und bleibe Anarchist.

Seit zwei Jahren sitzen die Gnossen P. VALPREDA, R. MANDER, E. BORGHESE und R! GARAGAMELLI in Untersuchungshaft.

Seit zwei Jahren wird der Prozeßtermin hinausgezögert. Seit zwei Jahren liegt keine Anklageschrift vor.

Die Genossen werden beschuldigt, an den Bombenattentate im Dezember 1969 beteiligt gewesen zu sein.

 

WAS GESCHAH IM DEZEMBER 1969?

Am Nachmittag des 12. Dezember 1969 explodierte in der Mailänder Landwirtschaftsbank und der Piazza Fontana eine Bombe.
16 Menschen werden getötet, 90 verletzt.
Fast gleichzeitig explodierten drei andere Bomben in Rom, die jedoch nur geringen Schaden anrichteten. Eine andere Bombe in einer anderen mailänder Bank zündete nicht.
Soweit die Hintergründe der zweijährigen Inhaftierung der Genossen.

ROLLE DER FASCHISTEN UND DER JUSTIZ

Knapp eine Stunde nach den Attentaten erschienen Faschisten mit Flugblättern und Lautsprechern auf den Straßen und forderten, daß jetzt endlich mit den Anarchisten aufgeräumt werden soll. Der Untersuchungsrichter AMATI reagierte dann auch promt: Das Polizeipräsidium wurde angehalten, sofort mit den Nachforschungen in "Anarchistenkreisen" zu beginnen. Das war der Auftakt zu einer Hetzjagd nicht nur gegen die Anarchisten, sondern gegen die gesamte Linke Allein in Rom wurden innerhalb kurzer Zeit über 150 Genossen verhaftet.

MORD

Unter den Verhafteten befand sich auch der Genosse GIUSEPPE PINELLI. Er arbeitete als Eisenbahner und gehörte einer anarchistischen Gruppe an. Genosse PINELLI wurde im Laufe der Verhöre ermordet. Zwar spricht die Polizei von Selbstmord, aber sowohl die Autopsie der Leiche als auch die Aussagen des Journalisten ALDO PALUMBO ergaben eindeutig: PINELLI wurde schon bevor er aus dem Fenster geworfen wurde, von den Polizisten erschlagen. Er sagte aus: "Pinelli fiel senkrecht dicht neben der Wand herab, wie ein Gegenstand; nicht in einer Kurve, wie . Jemand der sich selbst hinaus stürzt.

Seltsam war es auch, daß der Krankenwagen, der PINELLI in die Klinik fuhr, drei Minuten vor dem Fenstersturz gerufen wurde. Nach dem Gutachten der Ärtze, die die Autopsie vornahmen geht hervor, daß der Tod nicht aufgrund des Sturzes eingetreten sein kann, sondern vermutlich durch einen Karateschlag verursacht wurde."

FREIHEIT FÜR MARINI

Im Juli wurde Giovanni Manrini, ein militanter Anarchist, in Salerno (Süditalien auf offener Straße von zwei Faschisten angegriffen. Im Laufe des Handgemenges verletzte er mit seinem Messer einen seiner Gegner tödlich. Seit diesem Tage sitzt Giovanni ununterbrochen in den verschiedensten Gefängnissen Italiens in Untersuchungshaft. Am 27. Juni 1974 wurde er in einem Strafprozeß zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. 12 Jahre Gefängnis, weil er sich das Recht genommen hatte, sein Leben gegenüber faschistischen Provokateuren zu verteidigen. „Gefängnisse, Kasernen und Fabriken sind für die Söhne und Töchter des Volkes und der Ausgebeuteten drei wichtige Institutionen des Staates, die alle ein Ziel verfolgen: Es ist unbedingt nötig. diese Ghettos unseres Systems kennenzulernen, um zu verstehen, mit welchen volksfeindlichen, unmenschlichen Machenschaften, mit welchem rassistischen Bewußtsein

welcher Feinschaft gegen Freiheit und die soziale Emanzipation sich der Staat Tag für Tag am Leben erhält. Wahrhaftig, die beste Spiegel jedes Staates sind seine Kerker.“

(Giovanni Marini)

ANGRY IN THE MIND

"Wo sich zwei oder drei Revolutionäre t reffen, da ist die Angry Brigade (Zornige Brigade )„

Nach einem Attentat auf den englischen Arbeitsminister Carr wurde das "Bombendezernat" der Polizei im Januar 71 gegründete. Obwohl dies bekannt gab, daß es die Angry Brigade geschnappt habe, sind seit August letzten Jahres drei Bombenanschläge verübt worden, einer mit dem Typ "acid detonator", den die Angeklagten angeblich benutzt haben sollen.

Anfang Dezember, während der Verhandlung also, wurden drei Communiques von der Angry Brigade veröffentlicht. In einem Commonique stand: Die Angry Brigade-Anklage ist eine Verhandlung ohne Angry Brigade. Sie haben uns nicht erwischt und können es nicht. Zwischen Dezember 70 und August 71 hat sich die Angry Brigade zu zehn Bombenanschlägen in London bekannt. Die Anklage gegen die acht angeblichen Mitglieder lautete auf 25 Anschläge seit Januar 68. Die Polizei hatte zwischen Januar 71 und August 71 insgesamt 39 Razzias durchgeführt, 20 davon ohne gerichtliche Genehmigung. Hubershun, ein besonders hohes Pig unter Commander Ernest Bond, der für den Fall verantwortlich war, wurde von den Rechtsanwälten heftig kritisiert, weil den Gefangenen anfangs keine Rechtsberatung ermöglicht wurde und sie lange Zeit ohne Anklagegründe in Haft saßen. Hubershun sagte dazu zynisch, daß er an legaler Schönfärberei der Anwälte nicht interessiert sei. So hat denn auch Greenfield, einer der Angeklagten, ganz ohne Grund ein blaues Auge bekommen.

Die längste Gerichtsverhandlung in diesem Jahrhundert in England, über sechs Monate dauerte sie, endete für vier Angeklagte mit zehn (!) Jahren Zuchthaus, die anderen vier wurden freigesprochen. Die Geschworenen fanden bei zwei Gegenstimmen (!) vier der acht Angeklagten für schuldig, einer kriminellen Vereinigung anzugehören, jedoch nicht für die Bombenanschläge selbst. Der Sprecher sagte am Schluß: "Wir Geschworenen möchten den Achter bitten ,, mildernde Umstände, Gnade oder was es auch sei, zu bedenken. Ich bin kein Mann von großen Worten, aber wir bitten darum." Die Geschworenen hatten zuvor 55 (!) Stunden beraten. Die Polizei war besorgt, weil vier Geschworene arbeitslos waren und somit womöglich politisch aufgeklärter. Bereits im Juli 69 bekam Alan Barlow ein Jahr für einen Bombenanschlag auf die Bank von Bilbao in Spanien, Robert Carver bekam ein Jahr auf Bewährung. Auch diese Anschläge sollen die Angeklagten geplant haben. Bis jetzt gab es drei Prozesse, sieben angebliche Täter wurden verurteilt, aber nur zwei, weil sie Bomben gelegt haben sollen.

Ein beträchtlicher Teil des Beweismaterials bestand darin, daß die acht in einer Kommune in der 359, Amhurst Rd. in London gewohnt hatten. Daß sie Essen, Geld und Kleider geteilt hatten, so daß jeder etwas hatte, war der Beweis für die Zugehörigkeit zu einer kriminellen Bereinigung. Daß die Angeklagten nicht die Nachnamen von allen ihren Bekannten wußten, kam der Polizei höchst verdächtig vor.
Während des Prozesses behaupteten die acht ständig, daß der Sprengstoff und die zwei Maschinengewehre, die man bei ihnen gefunden hatte, von der Polizei dort deponiert worden sei, Diese glaubte zu wissen, daß das Material am Tag vor der Verhaftung von Frank reich herübergeschafft worden sei. Obwohl auch Untersuchungen in Frankreich durchgeführt wurden, konnte die Polizei nur sagen, daß die Angeklagten einen anonymen Mann in Boulogne getroffen hätten, aber nicht, wen. Die Aussagen der Sachverständigen erwiesen sich als falsch oder unzuverlässig. Experten sagten aus, daß sich die Aussagen der Sachverständigen auf Vermutungen stützten, die keine Beweiskraft hätten.

Nun zur Beschreibung der Genossen:


James Greenfield: verließ die Universität von Cambridge im Sommer 69. Er betrachtete sie als einen Spielplatz der Reichen „ Er meinte, was immer er in seinem Leben auch machen wollte, es solle die Reichen nicht noch reicher und stärker machen. Schuldig, einer kriminellen Vereinigung; anzugehören, in Besitz von Sprengstoff für illegale Zwecke gewesen zu sein, eine Browning 675 und zwei Maschinenpistolen besessen zu haben; unschuldig, an Bombenanschlägen teilgenommen zu haben. 10 Jahre Knast .

John Barker: Cambridge - Universität, zerriß seine Abschlußprüf urig aus Protest „ Er sah in "Parteipolitik" keinen Sinn empfand die Studenten in Cambridge als "privilegierte Leute". Zusammen mit Greenfield besetzte erhäuser für Obdachlose. Schuldig, einer kriminellen Vereinigung anzugehören und im Besitz von Sprengstoff, jener Browning, 181 Schuß Mundition und jenen zwei Maschinenpistolen zu sein. 10 Jahre Knast.

Hilary Creek: Essex-Universität. Wurde rausgeworfen mangels "akademischen Fortschritts". Sie hatte zu erreichen versucht, daß auch die anliegende Bevölkerung am Lehrbetrieb teilnimmt. Sie half wie James und John bei den Claiments Unions mit, die Arbeitslosen zu ihrem echt bringen. Schuldig einer kriminellen Bereinigung anzugehören, im Besitz von Sprengstoff, der Browning, 81 Schuß Munition, 2 Maschinenpistolen gewesen zu sein. Vom Bombenanschlag freigesprochen. 10 Jahre Knast.

Stuart Christie: zu 20 Jahren Knast wegen Besitz von Sprengstoff im faschistischen Spanien verurteilt. Er sollte es zu den streikenden baskischen Bergarbeitern bringen. 1968 amnestiert, kehrte er nach England zurück, seitdem unter Dauerbewachung, wurde öfters von Sicherheitspolizei besucht. Freigesprochen, Sprengstoff und Munition besessen zu haben. Freispruch.

Christopher Bott: Maidstone Art Colleg für ein Jahr. In London interessierte sie sich für soziale Reformen, arbeitete mit Womans Lib und Claimants Union zusammen. Unschuldig, einer kriminellen Vereinigung anzugehören und im Besitz von W affen und Munition zu sein. Auf Kaution freigelassen, ein Verfahren lauft noch.

Angela Weir: Bedford-College, Cambridge, anschließend London School of Economics. War aktiv in der Gay-Liberation (Befreiungsfront der Homosexuellen). Freispruch .


Commander Ernest Bond wußte nicht viel über die Struktur der Angry Brigade. Er sagte, daß die Angry Brigade mehr eine Idee und eine Philosophie sei und keine festgefügte Organisation: sobald jemand so denke wie sie, sei er auch ihr Mitglied. Detective Chief Superintendent Roy Huber shun dagegen meinte, daß die Angry Brigade politisch motiviert sei.
Bisher gibt es niemanden, der über die Angry Brigade, über ihre Ziele und Sruktur, etwas weiß. Alles was man kennt, ist das Communique der Zornigen Brigade, in dem steht: "Der Mann oder die Frau, die neben Dir sitzt, könnte ein Gewehr in der'Tasche haben und zornig sein (angry in the mind)".